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»Verlangen Sie außerdem noch etwas von mir?« frug der Major weiter.
»Allerdings. Sehen Sie Petro Aynas da liegen! Sie haben ihm wahrscheinlich Schaden getan, und ich verlange ein Schmerzensgeld für ihn.«
»Sind Sie bei Sinnen?«
»So bleiben Sie gefangen!«
»Sennor, wenn jetzt aus hellem Himmel ein Blitz käme und Sie träfe, so würde ich keine kleine Freude darüber empfinden!«
»Davon bin ich vollständig überzeugt. Glücklicher Weise steht es nicht in Ihrem Belieben, Blitze zu versenden. Also, wollen Sie, oder wollen Sie nicht?«
»Wieviel verlangen Sie?«
»Fünfhundert Papiertaler.«
Das waren achtzig Mark. Der Major wollte handeln, aber ich ließ nichts ab. Er ging endlich auf meine Forderungen ein; freilich verlangte ich noch:
»Sie stellen ihm einige Zeilen darüber aus, daß Sie ihm das Geld geschenkt haben! Gehen Sie auf alle diese Bedingungen ein?«
»Ja.«
»Wann bekommen wir die Pferde?«
»Wann Sie wollen, meinetwegen sogleich.«
»Darauf verzichte ich. Bei Übernahme der Pferde ist eine Berührung unsererseits mit Ihren Leuten gar nicht zu umgehen. Darum wollen wir lieber den Tag erwarten, wo wir uns besser so sicher stellen können, daß wir keiner Hinterlist verfallen.«
»So wollen Sie mich also so lange hier behalten?«
»Ja. Wahrscheinlich aber wird Bruder Hilario sich nochmals zur Peninsula del Jacaré verfügen, um einen Ihrer Leute herbei zu holen, welchem Sie mitteilen können, daß der Friede zwischen uns geschlossen ist. Sie werden sich jetzt an meine Seite setzen und die Zeilen schreiben, welche ich diktiere.«
»Mit gefesselten Händen schreiben?«
Es lag etwas Lauerndes in seinem Blicke. Er dachte. daß ich ihm die Hände freigeben werde. In diesem Falle lag die Aussicht vor, plötzlich aufspringen und im Dickicht verschwinden zu können.
»Da Sie mit geschlossenen Füßen sitzen können,« antworte ich, »so wird man sie Ihnen wieder zusammenbinden. Aber die Hände binden wir Ihnen nach vorn, und zwar so weit aus einander, daß Sie schreiben können.«
Er mußte sich zu mir setzen; er wurde in der bezeichneten Weise gebunden und schrieb nun ohne alle Weigerung das, was ich ihm diktierte. Das Geld nahm ich aus seiner Tasche und gab es dem Indianer, welcher große Freude darüber hatte. Noch weit größer wurde dieselbe, ja, sie verwandelte sich geradezu in Entzücken, als der Estanziero zwanzig Goldstücke hervorzog und sie ihm hinreichte als den versprochenen Lohn. Der arme Teufel fühlte große Schmerzen. Als Linderung derselben gab der Haziendero ihm noch das Versprechen, ihm bei sich eine gute Anstellung zu erteilen.
Bruder Hilario ging nochmals nach der Peninsula und brachte denselben Mann mit, welcher schon vorher da gewesen war. Diesmal hatten wir ihm nichts als nur die Lage unseres Versteckes zu verheimlichen. Er durfte mit dem Major reden und erfuhr genau, wie es uns gelungen war, uns des letzteren zu bemächtigen und dann auch die Gefangenen zu befreien. Der Major sandte durch ihn seinen Leuten den Befehl, sich während der Nacht ruhig zu verhalten und dann am Tag betreffs der Pferde den Anordnungen des Bruders zu gehorchen, den man zu ihnen senden werde.
Als der Mann fort war, trafen wir unsere Vorkehrungen zum Schlafe. Der Major wurde wieder angebunden. Wir alle konnten uns der Ruhe hingeben, denn Petro Aynas wollte mit seinem Weibe wachen. Aber es wurde spät, bevor wir die Augen schlossen. Es gab so viel zu fragen, zu erklären, daß die Unterredung fast kein Ende nehmen wollte.
Was den jungen José Monteso betrifft, so war er ein stiller, ernster, junger Mann, welcher den besten Eindruck auf mich machte. Ein Held schien er nicht zu sein, und er gestand auch ganz aufrichtig, daß er während seiner Gefangenschaft große Angst ausgestanden hatte.
Als der Indianer uns weckte, graute der Morgen. Der Major lag ruhig an seinem Baum und tat, als ob er schlafe. Jedenfalls aber hatte er keine Ruhe gefunden. Nun galt es zunächst, einen Platz ausfindig zu machen, an welchem wir die Pferde, welche uns übergeben werden sollten, unterbringen konnten. Bevor die Bolamänner fort waren, mußten wir die Tiere verstecken. War der Major wieder frei, so war die Möglichkeit vorhanden, daß er auf den Gedanken geriet, uns alles wieder abzufordern. Wir fürchteten uns vor seinen Leuten nicht; wenn es uns aber durch Vorsicht gelingen konnte, neue Feindseligkeiten zu vermeiden, warum sollten wir das nicht tun?
Aynas wußte einen passenden Platz. Er wollte ihn mir zeigen. Derselbe lag nach derjenigen Richtung zwischen den Büschen, aus welcher wir an den Fluß gekommen waren. Wir mußten an seiner Hütte vorüber und dann noch eine Strecke weiter. Indem wir still hinter einander gingen, vernahmen wir vor uns das Schnauben von Pferden.
Wir traten natürlich hinter das Gesträuch, um uns zu verbergen. Wir erkannten die beiden Yerbateros, welche voranritten; acht oder neun Männer folgten ihnen. Die beiden ersteren waren froh, uns zu treffen, da sie den Weg durch das Gesumpf doch nicht genau kannten und auch nicht wußten, wie sonst die Sache stand. Ihre schnelle Rückkehr war sehr leicht erklärt. Sie hätten in der nächsten Hazienda Licht gesehen und waren dort auf einige Augenblicke eingekehrt. Sie fanden die Fremden da, welche kaum vor einer Stunde hier angekommen waren und am Morgen weiter reiten wollten. Zu ihrer freudigen Genugtuung erfuhren sie, wer diese Leute seien.
Es wurde bereits erwähnt, daß der Alquerio einen Sohn hatte, welcher nach Salto oder Belen verreist war. Kurz nachdem wir die niedergebrannte Besitzung verlassen hatten, war er zurückgekommen. Voller Wut über das Geschehene, hatte er beschlossen, uns zur Verfolgung der Täter nachzueilen. Er war auch sogleich aufgebrochen, als die ersten Leute eintrafen, welche wir seinen alten Eltern zur Hilfe geschickt hatten. Unterwegs war er bemüht gewesen, Leute für sich anzuwerben und hatte es bis auf die Zahl seiner gegenwärtigen Begleiter gebracht.
Als er nun auf der Hazienda die Yerbateros traf, welche zu seinen Eltern wollten, hatte er große Freude gehabt. Daß der Estanziero Monteso seinen Eltern eine Summe vorgestreckt hatte, war nicht geeignet gewesen, seinen Grimm zu mildern, denn dieses Geld mußte früher oder später zurückgezahlt werden. Als er aber von den Yerbateros das Geld erhielt, welches ich dem Major abgezwungen hatte, fühlte er sich zur Milde gestimmt, und nun er erfuhr, daß auch die Pferde zu retten seien, war er bereit, die Diebe und Brandstifter laufen zu lassen.
Das war mir lieb, denn es konnte uns nichts an neuen Feindseligkeiten liegen, und so tat ich mein möglichstes, ihn zur Güte zu stimmen. Am besten war es, wenn er und seine Begleiter die Bolamänner gar nicht zu sehen bekamen. Darum wurde ausgemacht, daß wir ihm die Pferde, sobald wir sie erhalten hatten, übergeben würden, worauf er sogleich die Rückkehr antreten sollte. Wir führten die Leute nach unserem Verstecke. Es war nicht zu umgehen, daß er den Major sah und auch erfuhr, daß dieser der Anführer sei. Er gab ihm einige derbe Fußtritte, bekümmerte sich dann aber nicht mehr um ihn.
Nun sollte der Bruder aufbrechen, um anzugeben, in welcher Weise die Auslieferung der Pferde erfolgen sollte.
»Das ist eine heikle Sache,« sagte er. »Es kann sehr leicht zu Tätlichkeiten kommen.«
»Nein,« antwortete ich. »Es wird möglich sein, dieselben zu vermeiden, wenn wir den Major nicht sofort frei lassen, nachdem wir die Tiere empfangen haben.«
»Man wird nicht damit einverstanden sein.«
»O doch. Der Major hat den Befehl gegeben, daß Ihren Weisungen Gehorsam zu leisten sei.«
»Das ist wahr; ich dachte nicht daran.«
»Die Pferde werden zu einer Tropa zusammengebunden. Nur vier Männer dürfen sie bringen, und zwar auch nur dahin, wo wir gestern standen, als der Yerbatero mit seinem Neffen floh. Dort stehen wir alle und nehmen die Tiere in Empfang. Der rechtmäßige Besitzer derselben ist hier. Er mag untersuchen, ob es die richtigen sind, was er am Brandstempel erkennt. Sind sie es, so bricht er sogleich mit ihnen auf, und dann lassen wir den Major frei.«
»Wenn dieser ihn nun verfolgt?«
»Das können wir leicht verhüten. Seine Leute müssen im Gänsemarsch durch den Sumpf reiten. Wenn wir uns ihnen in den Weg legen, können sie doch nicht fort.«
»Gut! Wir lassen sie überhaupt nicht anders fort, als auf dem Flosse.«
»Gewiß. Das ist so ausgemacht. Doch auch da traue ich ihnen nicht ganz, denn sie können mit Hilfe des Flosses wieder an dieses Ufer zurück, um uns zu überfallen.«
»Zuzutrauen ist es ihnen, denn sie werden nach Rache dürsten. Aber wir können ja aufpassen, ob sie drüben aussteigen.«
»Ist es möglich, das andere Ufer zu sehen?«
»Hier an dieser Stelle, ja. Auch haben Sie doch ein Fernrohr bei sich. Wenn sie an das jenseitige Ufer gehen und das Floß weiter lassen, so haben wir von ihnen nichts zu befürchten.«
»Davon bin auch ich überzeugt. Wollen Sie also jetzt zu den Leuten gehen, Bruder Hilario?«
»Ja.«
»Wir werden Ihnen nach einiger Zeit folgen, um die Pferde an der angegebenen Stelle zu erwarten. Der Estanziero wird bei dem Major bleiben. Gehen Sie!«
Zehn Minuten nach ihm brachen wir andern alle auf. Er hatte seine Aufgabe sehr gut gelöst, denn wir befanden uns noch gar nicht lange an dem bezeichneten Punkte, so kam er von der Halbinsel her, hinter ihm die Pferde, welche von nur vier Männern getrieben wurden. Die Tiere gingen eins hinter dem andern. Das folgende war immer an den Schwanz des vorangehenden gebunden. Diese halb wilden Tiere gehorchten hier ganz vortrefflich, denn sie hatten Angst vor dem sumpfigen Terrain. Als die Tropa bei uns anlangte, kehrten die vier schleunigst um. Ihre Kameraden standen drüben unter den Bäumen und sahen zu. Der junge Alquerio untersuchte die Pferde und erklärte dann, daß sie alle sein Eigentum seien.
Der junge Mann wußte nicht, wie er seinem Danke Worte geben solle. Wir versprachen ihm, auf seiner Alqueria einzukehren, falls wir in der Nähe derselben vorüberkommen sollten. In diesem Falle sollte der Estanziero sein Geld zurückerhalten, welches nun doch nicht gebraucht wurde, da dem Schaden nun viel besser beigekommen war.
Wir warteten, bis die Tropa hinter den Büschen, durch welche der Indianer ihren Führer machte, verschwunden war und kehrten zu unserm Versteck zurück. Der Major wurde nun von den Riemen befreit; nur die Hände blieben noch gebunden. Er erhielt ein Tuch um die Augen gebunden, denn er durfte den Weg nicht sehen, welcher zu uns führte, und dann brachten wir ihn nach derselben Stelle, an welcher wir die Pferde in Empfang genommen hatten. Dort nahm ich ihm die Binde ab und band ihm auch den Riemen los.
»So, jetzt sind Sie frei, Sennor,« sagte ich. »Es ist nun alles in Ordnung.«
»Meinen Sie?« antwortete er. »Ich denke da ganz anders. Wir haben eine bedeutende Abrechnung mit einander, Sie dreifacher Satan! Ich treffe Sie sicher, und dann werden Sie alles bezahlen.«
»Hoffentlich geht diese Ihre Erwartung nicht in Erfüllung.«
»Jedenfalls, jedenfalls, sage ich Ihnen!« rief er, indem er mich mit seinem glühenden Blicke fast verschlang.
»Es ist von Ihnen eine große Unvorsichtigkeit, das zu sagen, denn nun werde ich mich doppelt in acht nehmen.«
»Das hilft Ihnen gar nichts. Ich treffe Sie doch!«
»Nun, das könnte eben wohl nur hier geschehen! Wenn Sie irgendeine Heimtücke beabsichtigen. so werden wir gegen dieselbe gerüstet sein.«
»Hier? Halten Sie mich wirklich für so dumm? Bleiben Sie nur noch kurze Zeit hier stehen, so werden Sie sehen, daß wir mit dem Flosse an das andere Ufer gehen.«
»Um dann weiter unten wieder herüber zu kommen! Nicht wahr? Ich vermute das.«
»Teufel! Sie täuschen sich sehr. Hier habe ich nichts mehr mit Ihnen zu schaffen. Aber später, Sennor, später!«
»Pah, später!«
»Lachen Sie nicht! Denken Sie, ich habe nicht gehört, daß Sie auch über den Fluß wollen, nach dem Gran Chaco und dann nach Tucuman? Irgendwo da treffen wir uns.«
»Ist's so gemeint? Meinetwegen auch! Aber, lassen Sie sich sagen, daß ich Sie, wenn wir uns wieder einmal feindselig gegenüber stehen sollten, nicht so schonen werde wie bisher!«
Er schritt davon, indem er ein widerliches, höhnisches Gelächter ausstieß.
»Sennor,« fragte der Yerbatero, »soll ich ihm eine Kugel nachsenden?«
Es war sein Ernst.
»Nein, wir morden keinen.«
»Aber jetzt ist es noch Zeit. Später werden wir es bereuen!«
»Nehmen Sie das Gewehr nieder! Er ist die Kugel nicht wert.«
»Wie Sie wollen. Ich ahne aber, daß es besser wäre, wenn ich ihm eine gäbe!«
Wir lagerten uns unter den Bäumen, um die Bolamänner zu beobachten. Sie empfingen ihren Kommandanten still. Wir sahen, daß er unter sie trat und eine Weile zu ihnen sprach. Dann wurden die Flößer losgebunden; auch mit ihnen sprach er eine ganze Weile. Die Leute holten ihre Pferde herbei und schafften sie mit allen ihren Sachen auf das Floß. Als die Halbinsel verlassen war, gingen wir hin. Hinter ihr sahen wir das Floß vom Ufer gelöst und schon im Wasser schwimmen. Flößer und Soldaten standen an den Rudern und arbeiteten mit Anstrengung, um das Floß ohne viel Abtrift an das jenseitige Ufer zu bringen.
Wir gingen diesseits langsam stromabwärts und ließen es nicht aus den Augen. Es war freilich nicht leicht, diesem sumpfigen Ufer zu folgen. Von einer weit in das Wasser gehenden Landzunge aus sahen wir dann, daß das Floß drüben anlegte. Ich hatte mein Fernrohr mitgenommen und konnte alles beobachten. Die Reiter gingen an das Land und stiegen auf. Der Major gab den Flößern Geld, die Bezahlung für die Überfahrt; dann ritt er mit den Seinigen davon, und das Floß verließ das Ufer wieder, um nach der Mitte des Stromes zu lenken und die so gewaltsam unterbrochene Reise nun fortzusetzen.
Wir kamen wieder nach der Halbinsel del Jacaré und suchten dort nach etwa zurückgelassenen Gegenständen, fanden aber nichts. Der Kapitän hörte von dem Indianer, daß erst kurz nach Mittag ein talwärts gehendes Schiff zu erwarten sei. In Folge dessen bat Frick Turnerstick, noch nicht gleich aufzubrechen, falls wir dies beabsichtigen sollten. Wir waren gern bereit, seinen Wunsch zu erfüllen, denn ein halber Tag der Ruhe tat uns sehr not.
Außerdem gab es noch immer so viel zu erzählen, daß wir uns gern zusammensetzten, um uns gehörig auszusprechen.
Es wurde beschlossen, auf der Halbinsel zu lagern und dort ein gutes Frühstück zu halten. Das wurde getan. Auch unsere Pferde holten wir herbei. Da ich aber doch dem Major nicht traute, so stellte ich eine Strecke flußabwärts von der Halbinsel eine Wache auf, welche von Halbstunde zu Halbstunde abgelöst werden sollte.
Wie der Yerbatero wieder in die Hände der Bolamänner gefallen war, läßt sich leicht denken. Er war sehr schlimm behandelt worden und brannte vor Begierde, dem Major später einmal zu begegnen. Sonst aber waren alle froh, daß das Abenteuer ein so gutes, zufriedenstellendes Ende gefunden hatte. Nur der Indianer war nicht so zufrieden, wie die andern. Er fühlte noch immer Schmerzen im Unterleib und ging in seine Hütte, um sich dort niederzulegen und von seinem Weibe einen heilsamen Trank brauen zu lassen.
Während die andern im eifrigen Erzählen begriffen waren, kam mir der Gedanke, ein wenig umher zu streifen, um zu sehen, ob uns auch Gefahr drohe. Ich stand auf und entfernte mich, ohne daß die übrigen es merkten. Ich schritt langsam der Gegend zu, in welcher die Halbinsel lag. Dabei war ich ganz ohne Ahnung, daß ich jetzt schon einem feindlichen menschlichen Wesen begegnen könne, da gegen Süden der schon erwähnte Posten ausgestellt worden war, welcher ihre Annäherung unbedingt bemerken mußte. Ein Überfall konnte also hier unmöglich gelingen.
Indem ich so langsam durch das Schilf stieg, hörte ich seitwärts hinter mir ein Geräusch. Schnell drehte ich mich um. Ein Mann war hinter einem Busche, wo er sich versteckt hatte, hervorgetreten und warf soeben die Schlinge seines Lasso nach mir. Ich hatte gerade noch Zeit, mein Gewehr in der Mitte zu fassen und es in waagerechter Lage mir über den Kopf zu halten. Dadurch hielt ich zwar die Schlinge ab, so daß sie nicht auf mich niederfallen konnte, aber sie schlang sich um den Lauf des Gewehres und riß mir dasselbe in der Weise aus der Hand, daß der Kolben mir mit aller Kraft an den Kopf geschlagen wurde.
Einen Augenblick stand ich halb betäubt. Es flimmerte mir vor den Augen. Dennoch sah ich, daß noch mehrere Kerle aus dem Gebüsche traten. Ich griff nach dem Gürtel, um die Revolver zu ziehen; da aber flogen zu gleicher Zeit drei Bolas auf mich zu. Ich wollte zur Seite springen, brachte es aber nicht fertig. Die drei Kugeln der einen Bola wirbelten mir um die Beine, so daß die Riemen sich mir um die Füße schlangen. Die beiden andern trafen mich an Kopf und Oberleib. Ich wurde augenblicklich niedergerissen und hatte nun an mir selbst den Beweis von der Gefährlichkeit dieser Schleuderwaffen. Kaum war ich gestürzt, so warfen sich die Männer auf mich. Ich konnte mich gar nicht wehren, da die Bolas sich mir auch um die Arme geschlungen hatten. Im Nu war ich gebunden und aller meiner Habseligkeiten beraubt. Die sechs Kerle grinsten mich höhnisch an und überschütteten mich mit beleidigenden Fragen und Drohungen, für welche ich natürlich kein Wort der Entgegnung hatte.
Sie gehörten zu den Bolamännern. Ich erkannte sie sofort. Wie war es ihnen möglich gewesen, unbemerkt zurück zu kommen? Jedenfalls hatte der Posten seine Pflicht versäumt.
Ich hatte keinen einzigen Schuß, keine Ruf, ja nicht den geringsten Laut gehört, aus welchem ich auf einen Kampf hätte schließen können. Also war es meinen Gefährten ebenso ergangen, wie mir: sie waren überfallen worden, ohne Gegenwehr leisten zu können.
Da ich gebunden war, konnte ich nicht gehen und glaubte daher, daß man mich forttragen werde. Das geschah aber nicht. Man schlang mir einen Lasso unter den Armen hindurch und schleifte mich auf diese Weise nach der Halbinsel. Wäre mein Anzug nicht von Leder gewesen, so wäre er vollständig zerfetzt worden. Die Männer kündeten ihren Sieg durch laute Rufe an, so daß diejenigen, welche sich auf der Halbinsel befanden, bereits benachrichtigt waren, ehe wir dort ankamen.
Wie ich nicht anders erwarten konnte, befand sich der Major mit seinen Leuten dort. Außer den sechs waren noch andere abgeschickt worden, mir aufzulauern, denn man hatte nicht gewußt, aus welcher Richtung ich kommen werde. Die Leute kamen nun auch herbei, da sie durch die jubelnden Rufe belehrt wurden, daß man sich meiner bemächtigt habe. Meine Gefährten lagen unter den Bäumen, ebenso gefesselt wie ich. Keiner von ihnen fehlte, und keiner war verwundet. Wie hatten diese Menschen sich nur so überraschen und ohne allen Widerstand festnehmen lassen können! Es war mir unbegreiflich.