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1. Fortsetzung

»So wünschen Sie also nicht, daß ich meinen Besuch wiederhole?«

»Es wird mir jederzeit angenehm sein, vorausgesetzt, daß Sie nicht länger in dem erwähnten Irrtum verharren. Können Sie mir sagen, wer der Herr ist, mit welchem Sie mich verwechseln?«

Jetzt musterte er mich scharf vom Kopfe bis zu den Füßen herab. Dann meinte er kopfschüttelnd:

»Ich kenne Euer Gnaden bisher als einen tapfern, hochverdienten Offizier und hoffnungsvollen Staatsmann. Die Eigenschaften, welche ich jetzt an Ihnen entdecke, geben mir die Überzeugung, daß Sie in letzterer Beziehung schnell Karriere machen werden.«

»Sie meinen, ich verstelle mich? Hier, nehmen Sie Einsicht in meinen Paß.«

Ich gab ihm den Paß aus der Brieftasche, welche ich auf dem Tische liegen hatte. Er las ihn durch und verglich das Signalement Wort für Wort mit meinem Äußern. Sein Gesicht wurde dabei länger und immer länger. Er befand sich in einer Verlegenheit, welche von Augenblick zu Augenblick wuchs.

»Teufel!« rief er, indem er den Paß auf den Tisch warf. »Jetzt weiß ich nicht, woran ich bin! Ich sowohl, als auch zwei meiner Freunde haben Sie ganz genau als denjenigen erkannt, den ich in Ihnen zu finden gedachte!«

»Wann sahen Sie mich?«

»Als Sie unter der Türe des Hotels standen. Und nun ist dieser Paß allerdings geeignet, mich vollständig irre zu machen. Sie kommen wirklich aus New York?«

»Allerdings. Mit der »Sea-gall«, welche noch jetzt vor Anker liegt. Sie können sich bei dem Kapitän erkundigen.«

Da rief er zornig:

»So hole Sie der Teufel! Warum sagten Sie das nicht sogleich?«

»Weil Sie nicht fragten. Ihr Auftreten ließ mit Sicherheit schließen, daß Sie mich kennen. Erst als Sie von den Gewehren sprachen, erkannte ich, wie die Sache stand. Dann habe ich Sie sofort auf Ihren Irrtum aufmerksam gemacht, was Sie mir hoffentlich bestätigen werden.«

»Nichts bestätige ich, gar nichts! Sie hatten mir nach meinem Eintritte bei Ihnen sofort und augenblicklich zu sagen, wer Sie sind!«

Er wurde grob. Darum antwortete ich in sehr gemessenen Ton:

»Ich ersuche Sie um diejenige Höflichkeit, welche jedermann von jedermann verlangen kann! Ich bin nicht gewöhnt, mir in das Gesicht sagen zu lassen, daß mich der Teufel holen solle. Auch bin ich nicht allwissend genug, um sofort beim Eintritt eines Menschen mir sagen zu können, was er von mir will. Übrigens müssen Sie doch bei dem Wirte oder den Bediensteten des Hotels gefragt haben, bevor Sie zu mir kamen, und da muß man Sie unbedingt berichtet haben, daß ich ein Fremder bin.«

»Das hat man mir allerdings gesagt; aber ich glaubte es nicht, da ich den Verhältnissen nach mir sagen mußte, daß der Sennor, für welchen ich Sie hielt, sich incognito hier aufhalten werde. Dazu kam dann Ihre Aussprache des Spanischen, welcher man es nicht anhört, daß Sie ein Fremder, ein Alemano sind.«

Dieses letztere war sehr schmeichelhaft für mich. Als ich vor mehreren Jahren nach Mexiko kam, hatte ich mich in Beziehung auf diese Sprache der grausamsten Radebrecherei schuldig machen müssen. Aber das Leben ist der beste Lehrmeister. Während der langen Wanderung durch die Sonora und den Süden von Kalifornien hatte ich mich nach und nach in die Lenguage espa¤ola finden müssen, ahnte aber bis heute nicht, daß ich gar ein solcher Sancho Pansa geworden sei.

»Und endlich«, fuhr er fort, »warum tragen Sie den Bart genau in der Weise, wie er von den Bewohnern unserer Banda Oriental getragen wird?«

»Weil ich, wenn ich reise, mich den Gewohnheiten der betreffenden Bevölkerung anzubequemen pflege und nicht überall und immer als Fremder erkannt werden will.«

»Nun, so tragen Sie eben die Schuld daran, daß ich Sie für einen andern hielt. Kein Ausländer hat das Recht, uns nachzuahmen. Man kennt eine gewisse Art von Tieren, welche diesen Nachahmungstrieb in hohem Grade besitzen, und jeder verständige Mann wird sich hüten, mit denselben verglichen zu werden.«

»Für diesen Wink bin ich Ihnen unendlich dankbar, Sennor; doch bitte ich Sie dringend, die Lektion nicht etwa noch weiter auszudehnen. Bis jetzt habe ich dieselbe gratis entgegen genommen; geben Sie sich aber noch weitere Mühe, so würde ich mich gezwungen sehen, Ihnen ein Honorar auszuzahlen, welches Ihren Verdiensten angemessen ist.«

»Sennor, Sie drohen mir!«

»Nein. Ich mache Sie nur aufmerksam.«

»Vergessen Sie nicht, wo Sie sich befinden!«

»Und ziehen Sie selbst in Betracht, daß Sie nicht in einem Zimmer Ihrer Hazienda stehen, sondern in einem Raume, welcher gegenwärtig mir gehört! Und nun mag es genug sein. Bitte, machen Sie mir das Vergnügen, Ihnen Lebewohl sagen zu dürfen!«

Ich ging zur Türe, öffnete dieselbe und lud ihn durch eine Verbeugung ein, von dieser Öffnung Gebrauch zu machen. Er blieb noch einige Augenblicke stehen und starrte mich groß an. Es erschien ihm jedenfalls als etwas ganz Ungeheuerliches, von mir hinauskomplimentiert zu werden. Dann schoß er schnell an mir vorüber und hinaus, rief mir aber dabei zu:

»Auf Wiedersehen! Man wird mit Ihnen abzurechnen wissen!«

Er schüttelte die Faust drohend gegen mich und eilte dann die Treppe hinab. Das war meine erste Unterredung mit einem Eingeborenen, ein Anfang, von welchem ich keineswegs erbaut sein konnte. Freilich, irgend eine Befürchtung zu hegen, das fiel mir nicht ein. Der Mann hatte mich beleidigt und war deshalb von mir hinausgewiesen worden, etwas so Einfaches und Selbstverständliches, daß gar keine Veranlassung vorhanden war, weiter daran zu denken. Auch hatte dieser Haziendero auf mich gar nicht den Eindruck gemacht, als ob ich ihn weiter zu beachten oder gar zu fürchten habe.

Bevor ich ging, mir die Stadt anzusehen, nahm ich die paar Empfehlungsschreiben her, welche ich mitgebracht hatte. Ich bin prinzipiell gegen diese Art und Weise, fremden Leuten Pflichten aufzuerlegen oder ihnen gar zur Last zu fallen. Man wird selbst in seinen Handlungen und Bewegungen sehr gehindert. Aus diesem Grunde mache ich, wenn ich reise, meine Bekanntschaften lieber aus freier Hand, bewege mich und wähle ganz nach meinem persönlichen Geschmack und gebe etwaige Briefe erst kurz vor der Abreise ab. Hundertmal habe ich da beobachtet, wie befriedigt die Betreffenden davon waren, daß es nun keine Zeit mehr zu gesellschaftlichen Ansprüchen und Forderungen gab.

Heute hatte ich vier solche Schreiben in der Hand. Eins derselben war von dem Chef eines New Yorker Exporthauses an seinen Kompagnon, welcher die Filiale dieses Geschäftes in Montevideo leitete. Ich hatte Gelegenheit gehabt, dem Yankee einen nicht ganz unwichtigen Dienst zu leisten, und von ihm das Versprechen erhalten, daß er mich seinem Teilhaber auf das allerbeste empfehlen werde. Dieses eine Schreiben mußte ich sofort abgeben, da der Wechsel, dessen Betrag mein Reisegeld bildete, von dem Kompagnon honoriert werden sollte.

Die drei andern Schreiben steckte ich wieder in die Brieftasche; dieses eine aber legte ich auf den Tisch oder vielmehr, ich wollte es auf den Tisch werfen. Es traf mit der Kante auf und fiel auf die Diele herab. Als ich es aufhob, sah ich, daß das dünne Siegel zersprungen war und die Klappe des Couverts offen stand. In dieser Weise konnte ich den Brief unmöglich übergeben. Ich mußte ihn wieder schließen, und zwar so, daß man nicht sehen konnte, daß er offen gewesen war; ich wäre sonst in den Verdacht gekommen, ihn mit Absicht geöffnet und dann gelesen zu haben.

Gelesen? Hm! Konnte ich das nicht dennoch tun? Ein Unrecht, eine Verletzung des Briefgeheimnisses, eine große Diskretion war es, aber ich hatte doch vielleicht eine Art von Recht dazu, da ich es ja war, auf den der Inhalt sich bezog. Ich nahm also den Bogen aus dem Couverte und öffnete ihn.

Der Inhalt lautete, abgesehen von der Anrede, folgendermaßen:

»Habe Ihr Letztes empfangen und bin mit Ihren Vorschlägen vollständig einverstanden. Das Geschäft ist ein gewagtes, bringt aber im Falle des Gelingens so hohen Gewinn, daß wir den Verlust riskieren können. Das Pulver kommt mit der Sea-gall. Wir haben dreißig Prozent Holzkohle darunter gemischt, und da ich hoffe, daß es Ihnen gelingen werde, es heimlich an das Land zu bringen und also den Zoll zu sparen, so machen wir ein vorzügliches Geschäft. Ich ermächtige Sie hiermit, die Kontrakte zu entwerfen und an Lopez Jordan zur Unterschrift zu senden. Letzteres ist eine höchst gefährliche Angelegenheit, denn wenn die Nationalen den Boten erwischen und die Kontrakte bei ihm finden, so ist es um ihn geschehen. Glücklicherweise kann ich Ihnen ganz zufällig einen Mann bezeichnen, welcher sich zu dieser Sendung ganz vortrefflich eignet.

Der Überbringer dieses Briefes hat sich mehrere Jahre lang unter den Indianern umhergetrieben, ein verwegener Kerl, dabei aber stockdumm und vertrauensselig, wie es von einem Dutchman auch gar nicht anders zu erwarten ist. Er will, glaube ich, nach Santiago und Tucuman und wird also durch die Provinz Entre-Rios kommen. Tun Sie, als ob Sie ihm ein Empfehlungsschreiben an Jordan geben, welches aber die beiden Kontrakte enthalten wird. Findet man sie bei ihm und er wird erschossen, so verliert die Welt einen Dummkopf, um welchen es nicht schade ist. Natürlich dürfen die Dokumente Ihre Unterschrift nicht enthalten; Sie unterzeichnen vielmehr erst dann, wenn Sie dieselben durch einen Boten Jordans zurückerhalten.

Im übrigen wird der Dutchman Ihnen nicht viele Beschwerden machen; er ist von einer geradezu albernen Anspruchslosigkeit. Ein Glas sauren Weins und einige süße Redensarten genügen, ihn glücklich zu machen.«

Dies war, so weit er sich auf mich bezog, der Inhalt dieses merkwürdigen ›Empfehlungsschreibens‹. Hätte ich den Brief nicht gelesen, so wäre ich sehr wahrscheinlich in die Falle gegangen. Es war ein echter Yankeestreich, um den es sich hier handelte. Der deutsche ›Dummkopf‹ sollte, ohne es zu ahnen, eine der Hauptrollen beim Zustandekommen eines Aufruhres spielen. Denn daß es sich um nichts anderes handelte, sagte mir die Erwähnung des Schießpulvers und der Name des berüchtigten Bandenführers Lopez Jordan, welcher seine Gewissenlosigkeit sogar so weit getrieben hatte, seinen eigenen Stiefvater, den früheren General und Präsidenten Urquiza ermorden zu lassen. Ihm sollte jedenfalls Pulver und auch Geld geliefert werden, und der Überbringer der auf dieses Geschäft bezüglichen Kontrakte sollte ich sein!

Ich steckte den famosen Brief in das Couvert zurück und stellte mit Hilfe eines Streichholzes das zersprungene Siegel wieder her. Dann machte ich mich auf den Weg zu dem lieben Kompagnon, welcher spanischer Abkunft war, Tupido hieß und an der Plaza de la Independencia wohnte.

Als ich auf die Straße trat, war von dem Pampero und dem Regen keine Spur mehr zu sehen. Montevideo liegt auf einer Landzunge, welche sattelartig auf der einen Seite zur Bai und auf der andern zum Meere abfällt. In Folge dessen läuft das Wasser so schnell ab, daß das Abtrocknen des Bodens selbst nach dem stärksten Regen nur weniger Minuten bedarf.

Montevideo ist eine sehr schöne, ja glänzende Stadt mitteleuropäischen Stiles. Sie besitzt gute Straßen mit vortrefflichen Trottoirs, reiche Häuser mit lieblichen Gärten, Paläste, in denen sich Klubs und Theater befinden. Die Bauart der Privathäuser ist sehr eigenartig. Es herrscht da fast eine Verschwendung von Marmor, welchen man aus Italien holt, obgleich im Lande selbst ein sehr guter zu finden ist.

Wer bei seiner Ankunft in der Hauptstadt Montevideo etwa glaubt, da die Bewohnertypen des Landesinnern zu sehen, der hat sich sehr geirrt. Kein Gaucho reitet durch die Straßen; indianische Gesichtszüge sind nur selten zu sehen, und Neger trifft man nicht häufiger als zum Beispiel in London oder Hamburg.

Die Tracht ist genau unsere französische, bei den Männern sowohl als auch bei den Frauen. Es können Tage vergehen, ehe man einmal eine Dame erblickt, welche die spanische Mantilla trägt. Über die Hälfte der Einwohnerschaft ist europäischen Ursprunges.

Die Durcheinanderwürfelung der Nationalitäten ruft ein auffallendes Polyglottentum hervor. Leute, welche drei, vier und fünf Sprachen geläufig beherrschen, sind hier weit zahlreicher, als selbst in den europäischen Millionenstädten. Kurz und gut, so lange man sich innerhalb der Bannmeile der Stadt befindet, ist aus nichts zu ersehen, daß man sich auf südamerikanischem Boden bewegt. Man könnte sich ebenso gut in Bordeaux oder Triest befinden.

Auch ich fühlte mich ziemlich enttäuscht, als ich jetzt, neugierig um mich blickend, langsam dahin schlenderte. Ich sah nur europäische Tracht und Gesichter, wie man sie überall findet, wenn man die dunkle Färbung derselben nicht als etwas Eigenartiges betrachten will.

Auffällig waren mir nur die weißen oder roten Bänder, welche viele Herren an ihren Hüten trugen. Später erfuhr ich die Bedeutung derselben: Die Träger weißer Bänder gehörten zur politischen Partei der ›Blancos‹, während die ›Colorados‹ rote Abzeichnungen trugen. Sennor Esquilo Anibal Andaro war demnach nicht etwa Hochzeitsbitter, sondern ein Blanco gewesen. Höchst wahrscheinlich gehörte also der Oberst, mit welchem er mich verwechselt hatte, derselben Partei an. Vielleicht gelang es mir, den Namen desselben zu erfahren.

An der Plaza de la Independencia angekommen, erkannte ich an einem riesigen Firmenschilde das Haus, in welchem sich der Sitz der Filiale meines pfiffigen Yankees befand. Die Fronte desselben machte einen nichts weniger als imponierenden Eindruck. Sie zeigte nur das Parterre und den ersten Stock. In dem ersteren befand sich eine Türe von kostbarer, durchbrochener Eisenarbeit. Hinter derselben lag ein breiter, mit Marmorplatten belegter Hausgang, welcher in einen Hof führte, der mit demselben Materiale gepflastert war. Dort standen in großen Kübeln blühende Pflanzen, deren Duft bis zu mir drang.

Die Türe war verschlossen, obgleich sich vielbesuchte Geschäftsräume hinter derselben befinden mußten. Ich bewegte den Klopfer. Durch eine mechanische Vorrichtung wurde sie geöffnet, ohne daß jemand erschien.

Im Flur sah ich je rechts und links eine Türe. Ein Messingschild sagte mir, daß diejenige der ersteren Seite die für mich richtige sei. Als ich da eintrat, befand ich mich in einem ziemlich großen Parterreraume, welcher sein Licht durch mehrere Türen empfing, die nach dem Hofe offen standen. Schreiber waren an mehreren Tischen oder Pulten beschäftigt. An einem langen Tische stand ein hagerer Mann im Hintergrunde des Zimmers und sprach in sehr rauher Weise mit einem ärmlich gekleideten Menschen.

Ich wendete mich an den mir zunächst Sitzenden, um nach Sennor Tupido zu fragen. Die Antwort bestand in einem stummen, kurzen Winke nach dem Langen. Da dieser mit dem erwähnten Manne beschäftigt war, blieb ich wartend stehen und wurde Zeuge der zwischen ihnen geführten Unterhaltung.

Dem Sennor war die spanische Abkunft von weitem anzusehen, denn er hatte scharfe Züge und einen stolz-verschlagenen Gesichtsausdruck. Den dunklen Bart trug er nach hiesiger Sitte so, daß Schnurr- und Knebelbart zu einem spitzen Zipfel nach abwärts vereinigt waren.

Der Mann, mit welchem er sprach, schien zu der ärmsten Volksklasse zu gehören. Er war barfuß. Die vielfach zerrissene und notdürftig geflickte Hose reichte ihm kaum bis über die halbe Wade. Die ebenso lädierte Jacke mochte einst blau gewesen sein, war aber jetzt ganz und gar verschossen. Um die Hüfte trug er einen zerfetzten Poncho, aus welchem der Griff eines Messers hervorblickte. In der Hand hielt er einen Strohhut, welcher alle und jede Form hatte, aber nur die ursprüngliche nicht. Sein Gesicht war tief gebräunt, die Haut desselben lederartig, und die etwas vorstehenden Backenknochen ließen vermuten, daß zum Teile indianisches Blut in seinen Adern fließe, eine Ansicht, welche durch das dunkle, schlichte, ihm lang und straff bis auf die Schulter reichende Haar bestätigt wurde.

Tupido schien meinen Eintritt gar nicht bemerkt zu haben. Er stand halb von mir abgewendet und fuhr den andern hart an:

»Schulden und immer wieder Schulden! Wann soll das einmal ausgeglichen werden! Es scheint in alle Ewigkeit nicht. Arbeitet fleißiger! Die Yerba wächst allenthalben. Sie ist überall zu finden; man braucht nur zuzugreifen. Ein Faultier wird es freilich zu nichts bringen!«

Der andere zog seine Brauen leicht zusammen, sagte aber doch in höflichem Tone:

»Ein Faultier bin ich nie gewesen. Wir haben fleißig gearbeitet, Monate lang. Wir mußten im Urwalde leben mit den wilden Tieren und wie dieselben; wir haben mit ihnen um unser Leben kämpfen müssen und sind bei Tag und Nacht an der Arbeit gewesen. Wir freuten uns auf den Ertrag unseres Fleißes und der Entbehrungen, welche wir uns auferlegten, nun aber machen Sie uns unsere Freude zu nichte, da Sie Ihr Versprechen nicht halten.«

»Das brauche ich nicht, denn die Lieferung traf um zwei Tage zu spät hier ein.«

»Zwei Tage! Sennor ist das eine so bedeutende Zeit? Haben Sie irgend einen Schaden davon?«

»Natürlich, denn wir liefern in Folge dessen auch zu spät und müssen uns also einen Abzug bis zu zwanzig Prozent gefallen lassen.«

»Soll ich das wirklich glauben?«

»Natürlich!« brauste Tupido auf. »Ihr müßt es mir Dank wissen, daß ich Euch nicht mehr als ganz dasselbe abziehe. Ich versprach Euch zweihundertvierzig Papiertaler für den Pack Tee. Zwanzig Prozent gehen ab, macht hundertzweiundneunzig, zwei Taler Schreibgebühr, bleiben hundertneunzig Papiertaler. Multipliziert damit die Zahl der Ballen, welche Ihr geliefert habt, so werdet Ihr finden, daß Ihr uns grad noch zweihundert Papiertaler schuldet. Ihr habt uns nicht den Wert des Vorschusses und Proviantes geliefert, welchen Ihr erhieltet.«

»Wenn Sie uns solche Abzüge machen, Sennor, so ist Ihre Rechnung allerdings richtig. Aber ich bitte, zu bedenken, daß ich einen Ochsen jetzt für hundert Papiertaler bekomme, wahrend Sie uns das Stück mit hundertfünfzig berechnet haben. Einen ähnlichen Aufschlag haben Sie uns bei allen übrigen Artikeln auch gemacht; da können wir nicht auf die Rechnung kommen. Anstatt Geld ausgezahlt zu erhalten, bleiben wir in Ihrer Schuld. Ich habe keinen einzigen, armseligen Peso in der Tasche. Ich soll hier für meine Gefährten einkassieren und ihnen das Geld bringen. Sie warten mit Schmerzen auf dasselbe; anstatt desselben aber bringe ich ihnen neue Schulden. Was soll daraus werden!«

»Fragt doch nicht so albern! Abarbeiten müßt Ihr es!«

»Dazu haben wir nicht länger Lust. Wir haben beschlossen, uns einen andern Unternehmer zu suchen.«

»Mir auch recht. Ich finde genugsam Teesammler, welche gern für mich arbeiten. In diesem Falle müßt Ihr aber die zweihundert Papiertaler zahlen, und zwar sofort!«

»Das kann ich nicht. Ich habe Ihnen gesagt, daß ich ohne alle Mittel bin. Und ich bitte Sie, zu bedenken, daß wir auf die bisherige Weise nie so weit kommen können, unsere Schuld abzutragen. Was Sie uns liefern, wird uns zu den höchsten Preisen angerechnet, und wenn wir die Früchte unserer schweren Arbeit, bei welcher wir fortgesetzt das Leben wagen, bringen, so gibt es regelmäßig so bedeutende Abzüge, wie der heutige ist. Wir treten aus Eurem Dienste.«

»Dagegen habe ich ja gar nichts; nur müssen die zweihundert Taler sofort bezahlt werden. Dort sitzt der Kassierer! Wer so auftreten will wie Ihr, der muß auch Geld haben!«

Der arme Teufel sah verlegen vor sich nieder. Ich fühlte Mitleid mit ihm. Er war ein Yerbatero, ein Teesammler. Ich hatte gelesen, welch ein beschwerliches und gefährliches Leben diese Leute führen. Er und seine Genossen sollten um den Lohn ihrer Arbeit gebracht und mit ihren Familien der Not überantwortet werden, nur um sie in größere Abhängigkeit von dem reichen Unternehmer zu bringen. Dieser Sennor Tupido war jedenfalls ein sehr würdiger Kompagnon meines hinterlistigen Yankees.

Der Yerbatero legte sich auf das Bitten. Er gab die besten Worte, ihm den kleinen Betrag doch nachzulassen. Vergebens.

»Das Einzige, wozu ich mich verstehen kann, ist die Gewährung einer Frist«, erklärte schließlich der harte Geschäftsmann. »Zahlt Ihr die zweihundert Pesos bis heute abend, dann gut; wenn aber nicht, so habt Ihr bis auf weiteres in meinem Dienst zu bleiben, um die Schuld abzuarbeiten. Das ist mein letztes Wort. Jetzt geht!«


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