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26. Fortsetzung

»Sie kennen den Inhalt dieses Schreibens?« wendete ich mich nun an den Überbringer desselben.

»Ja.«

»Was enthält es?«

»Die Aufforderung, an mich zehntausend Bolivianos zu zahlen.«

»Sind Sie allein hier?«

»Ja.«

Er gab diese Antwort schnell und ohne zu überlegen; ich sah es ihm dennoch an, daß er log.

»Sie sagen mir die Unwahrheit! Sie haben ja noch jemand mit!«

»Sie irren, Sennor!«

»Ich irre mich nicht. Ihr Gesicht sagt es mir und mein Verstand ebenso. Man konnte Sie nicht allein schicken. Man wußte nicht, wie Sie aufgenommen werden. Man gab Ihnen darum noch jemand mit, welcher, falls Ihnen hier etwas geschieht, sofort zurückeilt und den Major benachrichtigt.«

»Das ist nicht der Fall!« behauptete er.

»Werden sehen! Ich glaube Ihnen nicht.«

»Wissen Sie, was Sennor Monteso mit dem Gelde tun will?«

»Nein.«

»Das ist wieder eine Lüge! Sie wissen ganz bestimmt, daß es das Lösegeld sein soll. Sie sind übrigens außerordentlich kühn, indem Sie nach der Estanzia del Yerbatero kommen. Wissen Sie nicht, was Sie hier erwarten muß!«

»Ja, eine freundliche Aufnahme.«

»Und wenn Sie sich nun irren?«

»So wird der Yerbatero es sehr zu beklagen haben. Wenn ich nicht bis zu einer bestimmten Zeit zurückkehre und das Geld mitbringe, dürften Sie ihn schwerlich wiedersehen. Er würde sich nach einer sehr entfernten Gegend begeben, aus welcher gewöhnlich niemand wiederkehrt.«

»Hm! Ich muß freilich zugeben, daß Sie die Macht in den Händen haben, das Geld zu erpressen. Aber, wer gibt uns die Sicherheit, daß Sie ehrlich handeln?«

»Der Major hat sein Ehrenwort gegeben, daß die Sennores entlassen werden, sobald ich das Geld bringe.«

»Ihr Major hat uns zweimal sein Wort gebrochen. Ich glaube ihm nicht. Frißt der Fuchs zum ersten Male hier, so sehnt er sich nach Wiederholung. Geben wir die Summe, so wird vielleicht noch eine zweite verlangt.«

»Gewiß nicht.«

»Oder der Major meint es wirklich ehrlich. Wer aber gibt uns die Sicherheit, daß auch Sie es sind? Zehntausend Pesos aus Bolivien sind ein Reichtum für Sie. Wie nun, wenn Sie das Geld für sich behalten und gar nicht zum Major zurückkehren?«

»Sennor, ich bin kein Spitzbube!«

»So! Nun, Ihr Gesicht ist freilich nicht das eines Diebes, und ich möchte Ihnen Vertrauen schenken. Sie geben aber jedenfalls zu, daß diese Angelegenheit eine so wichtige ist, daß man die Entscheidung nicht in zwei Minuten treffen kann.«

»Darüber habe ich kein Urteil. Ich soll nicht lange warten.«

»So gehen Sie in die Küche, und lassen Sie sich etwas zu essen geben. Kommen Sie dann wieder, um den Bescheid zu hören. Ich werde mich für Ihre Forderung verwenden, denn ich sehe ein, daß dies das beste ist.«

Ich rief den Peon herein, welcher draußen stand, und gab ihm den Befehl, den Fremden in die Küche zu führen, was auch gleich geschah. Zehntausend Bolivianos sind nach deutschem Gelde beinahe neunundzwanzig Tausend Mark. Darum war es sehr erklärlich, daß der Estanziero mich jetzt fragte:»Wollen Sie mich wirklich bestimmen, ihm das Geld zu geben, Sennor?«

»Fällt mir gar nicht ein.«

»Dann kommt mein Bruder nicht frei!«

»Gerade darum kommt er frei. Wir wissen nun, daß er sich wirklich bei den Bolamännern befindet.«

»Aber wir wissen nicht, wo diese sind!«

»Wir werden es erfahren. Der Bote wird es sagen, darauf können Sie sich verlassen! Übrigens ist er nicht allein da.«

»Denken Sie das wirklich?«

»Ja. Oder wollen Sie glauben, daß man diesem Menschen eine so große Summe anvertraut?«

»Das ist allerdings unwahrscheinlich!«

»Sehen Sie! Der Major legt dieses Geld jedenfalls nur in ganz sichere Hände. Selbst wenn der Bote ein ehrlicher Mann wäre, würde man ihn nicht so allein mit dem Gelde über den Camp reiten lassen. Er hat noch andere mit. Das ist entweder der Major selbst oder der Lieutenant, welcher uns so hübsch in die Falle lockte und damit dem Vorgesetzten bewies, daß er Vertrauen verdient. Ist's der erstere, so haben wir gewonnenes Spiel. Ist's der letztere, nun, so ergreifen wir ihn und zwingen ihn, uns den Weg zu den Bolamännern zu zeigen.«

»Sennor, das ist zu gefährlich! Man wird meinen Bruder umbringen!«

»O nein! Der Major wird ja gar nicht erfahren, was wir seinem Boten für einen Bescheid gegeben haben. Indem er auf denselben wartet, kommen wir selbst.«

»Aber, auch angenommen, daß Ihr Plan gut ist, wie erfahren wir, wo sich der eigentliche Bote befindet?«

»Dieser Kavallerist, welcher sich jetzt in der Küche befindet, wird es uns sagen. Haben Sie denn wirklich die verlangte Summe hier im Hause?«

»Glücklicher Weise, ja. Ich hatte in den letzten Tagen Geld ein kassiert.«

»Das werden wir aber diesem Kerl nicht sagen, Sennor. Er wird sofort glauben, daß Sie nicht so viel haben. Sie müssen zu einem Nachbar reiten, um sich das Fehlende geben zu lassen. Er wird bis zu Ihrer Rückkehr warten, aber nicht hier im Hause, sondern er wird zu dem oder den andern zurückkehren. Dabei folge ich ihm und entdecke das Versteck. Lassen Sie mir einen gestreiften Poncho und einen andern Hut besorgen. Auch ein Pferd wird gesattelt im Hofe bereit zu halten sein. Übrigens ist es geraten, sich mehr auf das eigene Nachdenken, als auf die Aussagen dieser Leute zu verlassen. Der Mann wird, wenn er von hier fortreitet, nicht gleich die beabsichtigte Richtung einschlagen, sondern eine falsche. Ich werde mich nicht irre machen lassen.«

»Darf ich Sie begleiten, Sennor?«

»Eigentlich möchte ich Ihnen die Erfüllung dieses Wunsches versagen. Ihre Begleitung könnte mir meinen Plan verderben. Aber ich will trotzdem nichts dagegen haben, falls Sie mir versprechen, sich ganz nach meinen Wünschen zu richten.«

»Das versteht sich ganz von selbst.«

»So lassen Sie zwei der schnellsten Pferde für uns satteln und auch zwei Lassos bereit halten.«

»Sie haben ja bereits einen, und ich auch!«

»Wir brauchen noch zwei. Nehmen Sie auch eine Bola für sich mit, und lassen Sie die Pferde nicht unten im Hofe, sondern anderswo in der Nähe, wo sie nicht gesehen werden können, bereit sein. Ich glaube nicht, daß das Versteck auf Ihrem Grund und Boden liegt. Die Leute sind von Westen her gekommen. In dieser Richtung, jenseits der Grenze, müssen wir suchen. Auf einer kahlen, nackten Höhe versteckt man sich nicht. Wir haben also nicht auf den Bodenerhöhungen, sondern in den Vertiefungen zu suchen. Wenn wir es klug machen, erreichen wir das Versteck noch eher als der Kavallerist.«

Der Estanziero gab die betreffenden Befehle. Dann erwarteten wir die Rückkehr des Boten. Derselbe hatte sich mit dem Essen sehr beeilt und ließ sich wieder anmelden. Sein Gesicht war ein sehr zuversichtliches. Er sagte sich vielleicht, da er mit Speise und Trank regaliert worden sei, habe er ein feindseliges Verhalten nicht zu befürchten. Darum fragte er, ohne zu warten, bis er angeredet wurde:

»Nun, was haben Sie beschlossen?«

»Wir haben beschlossen, den Weg der Gütlichkeit einzuschlagen,« antwortete ich ihm. »Aber zehn Tausend ist zuviel!«

Ich wollte scheinbar abhandeln, um ihn desto sicherer zu machen.

»Ist nicht zuviel, gar nicht zuviel,« antwortete er.

»Bedenken Sie, daß eine solche Summe geradezu ein Vermögen ist!«

»Der Yerbatero muß aber doch wissen. daß er es geben kann, sonst hätte er es nicht geboten.«

»Es ist ihm abverlangt worden.«

»Nein. Er hat sogleich von selbst dieses Angebot gemacht.«

»Unsinn! Sagen Sie uns, wie weit Sie in Ihrer Forderung herabgehen können!«

»Um keinen Peso. Das ist mir noch ganz ausdrücklich angedeutet worden. Der Yerbatero hat sich einverstanden erklärt und uns versichert, daß sein Bruder es geben werde.«

»So ist der Yerbatero sehr unvorsichtig gewesen. Er mußte doch wissen, daß man zehntausend Bolivianos nicht im Hause liegen hat, selbst wenn man ein reicher Mann ist.«

»Das geht mich nichts an. Das ist seine Sache und nicht die meinige!«

»Das ist sehr wohl auch Ihre Sache! Welche Instruktion haben Sie denn für den Fall erhalten, daß Sennor das Geld nicht vollständig da liegen hat?«

»Gar keine, das hängt von meiner Bestimmung ab.«

»Dann will ich Ihnen einen Vorschlag tun. Wir wollen Ihnen 6000 bar und einen Wechsel über 4000 geben.«

»Nein, nein! Einen Wechsel darf ich nicht annehmen. Das ist mir untersagt. Das Einkassieren desselben ist für uns zu gefährlich.«

»Hm! So müßte sich Sennor Monteso das Fehlende borgen. Ein Nachbar hat in den letzten Tagen eine Geldauszahlung erhalten. An diesen wird Ihnen Sennor Monteso eine Anweisung geben.«

»Danke! Darauf kann ich mich nicht einlassen. Ich will mit möglichst wenig Leuten zu tun haben. Ich halte mich an den Estanziero.«

»So müßte er selbst es holen.«

»Dauert das lange?«

»Er würde ungefähr drei Stunden bis zu seiner Rückkehr brauchen, vorausgesetzt, daß er den Nachbar daheim antrifft.«

»Hm! So werde ich mich wohl gedulden müssen!«

»Wir bitten Sie darum. Sie können ja auf der Estanzia bleiben und sich da ausruhen.«

»Danke sehr Sennor! Ich will Sie nicht belästigen. Ich reite indessen fort und kehre nach drei Stunden wieder.«

»Ganz wie Sie wollen! Nach Empfang des Geldes verlangen wir aber natürlich Quittung!«

»Davon steht nichts in meinem Auftrag.«

»Wir müssen sie dennoch haben. Hat der Major Ihnen keine mit gegeben, so mögen Sie Ihren Namen unterzeichnen.«

»Den kennen Sie gar nicht. Wie leicht kann ich Sie täuschen?«

»Ihr ehrliches Gesicht ist uns Bürgschaft, daß Sie keinen falschen Namen unterzeichnen.«

»Sehr schmeichelhaft für mich, Sennor. Ich bemerke, daß Sie die Absicht haben, die Angelegenheit als Caballero zu erledigen. Das freut mich. – Schenken wir uns gegenseitig Vertrauen. A Dios!«

Er ging, und ich trat schnell an das Fenster. Hinter der Gardine versteckt, blickte ich in den Hof und sah, daß er nach links schwenkte, als er zum Tore hinaus war. Nun eilte ich hinab vor das Tor und sah ihn an der nächsten Kaktushecke abermals nach links biegen. Natürlich ging ich nun auch zu dieser Ecke, wo ich ihn im Galopp das Freie gewinnen und dann in gerader Richtung gegen Osten reiten sah. Nun kehrte ich zurück und begab mich nach meiner Wohnung, die ich heute noch gar nicht betreten hatte. Ich wollte mein Gewehr holen und fand da den Poncho und den Hut. Ich warf den ersteren über, setzte den letzteren auf, und da kam auch der Estanziero mit dem Bruder.

»Nun, wo ist er hin?« fragte der erstere.

»Nach Ost. Folglich will er nach West. Nehmen Sie mir die Frage nicht übel, Sennor Monteso, ob Sie ein guter Reiter sind?«

»Welche Frage!« lachte er. »Natürlich bin ich es.«

»Vielleicht wird es notwendig, dies zu beweisen. Können Sie sich während des Rittes lang an die Seite des Pferdes legen?«

»Lang an die Seite des Pferdes legen? Wie meinen Sie das? Wie macht man das? Ich habe es noch nie gesehen.«

»Die Indianer Nordamerikas bringen dieses Kunststück sehr oft in Anwendung. Wenn man den Körper lang an denjenigen des Pferdes legt, kann man von der entgegengesetzten Seite weder gesehen, noch von einer Kugel getroffen werden.«

»Da fällt man ja herab!«

»O nein. Ich habe zu diesem Zwecke zwei Lassos bestellt. Wir schlingen sie um die Hälse der Pferde. Das ist die ganze Vorkehrung, deren wir bedürfen. Gesetzt den Fall, wir haben zu unserer rechten Hand einen Feind, welcher uns nicht sehen soll, so müssen wir uns an der linken Seite des Pferdes verbergen. Zu diesem Zweck rutschen wir langsam nach links aus dem Sattel, lassen aber den rechten Fuß im Steigbügel und ziehen ihn mit demselben hinter dem Sattel über die Kruppe des Pferdes. Wir hängen also mit dem Fuße im Bügel. Mit dem Arme fahren wir in den Lasso, welcher um den Hals des Pferdes geschlungen ist. In dieser Weise liegen wir links lang am Pferde und können unter dem Halse desselben hinweg nach rechts schauen und sogar nach dieser Richtung schießen.«

»Das geht ja nicht. Wie kann ich mich mit der großen Zehe im Bügel halten?«

»Ihre Steigbügel sind eben sehr unpraktisch. Glücklicherweise hängen sie im doppelten Riemen, zwischen welchen Sie den Fuß stecken können. Auf diese Weise ist der Feind zu täuschen. Befindet er sich so weit entfernt, daß er den Sattel nicht zu unterscheiden vermag, so hält er das Pferd für ein lediges, weidendes Tier.«

»Sennor, das bringe ich nicht fertig.«

»Wir werden sehen. Kommen Sie.«

Wir gingen nach dem Korral und schlangen den Pferden die Riemen mehrfach um den Hals. Im Hofe stand noch das Pferd, auf welchem ich gekommen war. Es trug meine Satteltaschen, und ich nahm mein Fernrohr aus denselben. Dann ging es fort. Der Frater wünschte uns Glück, und die Damen riefen uns von oben zu, vorsichtig zu sein. Wir ritten nach Nordwest. Als wir die Estanzia so weit hinter uns hatten, daß sie uns die Fernsicht nicht mehr hinderte, blieben wir halten, und ich suchte den östlichen Camp nach dem Kavalleristen ab. Nach einiger Zeit entdeckte ich ihn. Er hielt noch immer die anfängliche Richtung bei, ritt aber nur noch im Schritt.

Jetzt ging es im Karriere über den Camp dahin. Wie groß das Besitztum des Estanziero war, zeigt sich daraus, daß wir erst nach vollen zehn Minuten die Grenze erreichten und uns nun langsam südwärts wendeten. Hier gab es keine Umfriedungen. Wir hatten freies Land, da die Hecken sich nur in der Nähe der Gebäude befanden. Da gab es auch wenig Spuren von Vieh, weil die Gauchos es vermeiden, ihre Tiere bis zur Grenze zu lassen, durch deren Überschreiten sehr leicht Unzuträglichkeiten entstehen. Nun saß ich vornübergebeugt im Sattel und hielt das Camposgras scharf im Auge. Der Estanziero tat ebenso.

»Wollen sehen, wer die Spur zuerst entdeckt,« sagte er. »Vorausgesetzt, daß Sie sich nicht geirrt haben und sie sich wirklich hier befindet.«

»Sie muß hier sein. Passen wir nur gut auf!«

Er hatte zugeben müssen, daß ich im Reiten geschickter sei, als er. Nun wollte er mich bezüglich des Scharfsinnes im Auffinden einer Fährte schlagen. Ich tat, als ob ich das nicht bemerkte. Bald richtete ich mich im Sattel auf. Ich hatte die Spur entdeckt. Er aber ritt weiter, und ich blieb an seiner Seite.

»Hm!« sagte er endlich. »Wir suchen vergeblich. Ich sage Ihnen, Sennor, daß wir unsere Zeit verschwenden!«

»Das ist freilich wahr!«

»Sie geben das zu? Sind also nun auch meiner Meinung, daß es hier die gesuchte Fährte nicht gibt?«

»Ganz und gar.«

»So sind Sie also geschlagen?«

»Nein.«

»Aber Sie haben die Spur doch nicht!«

»Ich habe sie. Da hinter uns. Wir sind darüber weg«.

»Warum sagten Sie es nicht?«

»Weil ich Ihnen Zeit lassen wollte, einzusehen, daß sich ein Deutscher wenigstens ebenso wie ein Orientale in der Banda Uruguay zurechtfinden kann. Kehren wir um! Wir werden sehr bald wieder an der Stelle sein.«


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