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Der liebe Gott war schon am Vormittag des sechsten Tages mit der Schöpfung jeder Art von Vieh und Gewürm auf Erden fertig geworden. Nur den Rest des Tages wollte er zum Ruhen benützen. Wäre er nicht gestört worden, so hätte die Woche nur sechs Tage gehabt, und vieles wäre anders.
Kaum aber war er eingeschlafen, da erschien der böse Feind im Paradiese, der setzte die Keime von zwei neuen Wesen hinein: den Keim des Denkens und den Keim der Todesfurcht.
Die beiden Keime hatten nur eben den Boden berührt und das erste Würzlein wie einen Fühlfaden auszustrecken begonnen, da entfloh entsetzt alles Getier und die Erde bebte. Darüber erwachte der liebe Gott.
Er besah den Schaden und runzelte die Stirn.
Die Keime vernichten, wie die guten Engel rieten, das konnte selbst seine Allmacht nicht. Wie sollte er aber das Denken und die Todesfurcht bändigen, daß seine Schöpfung nicht daran zugrunde ging? Was waren das für furchtbare Wesen! Das Denken, das ewig unfruchtbar und ewig begehrend, immer warum fragte und nie die Antwort erhielt! Die Todesfurcht, die Gewißheit des Endes, die die starke Erde selber beben machte und sie langsamer rollen ließ in der verzweifelten Aussicht auf den Tod!
Das konnte kein Vieh aushalten.
Da schuf der liebe Gott den Menschen, tüchtig dazu, die Keime des Denkens und der Todesfurcht auszuhalten. Und so schwer war die Arbeit, daß der liebe Gott den ganzen siebenten Tag ruhen mußte.
Seitdem flieht alles richtige Getier vor dem blassen Menschen. Nur die zahmen Geschöpfe, die mit ihm gemeinsam wohnen in Haus und Hof, haben sich an sein Denken gewöhnt und an seine Todesfurcht, und sie selbst zittern vor ihm und vor dem Schlachtbeil.