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Achtundsechszigstes Kapitel.

Die Noth der Spannung wird bisweilen aus eine angenehme Weise verlängert. Ralph befindet sich in angenehmen Lagen und bereitet sich zu einer Liebesrede vor; die in diesem Kapitel nicht aufgeführt ist, da unser Held nur beschreibt.

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Viele wechselnde Bewegungen, die unter sich um die Oberhand kämpften, schienen mir fast den Busen zu sprengen, und so sonderbar es auch erscheinen mag – Eifersucht war eine der vorherrschendsten. Es war übrigens nicht die sinnliche Eifersucht der Leidenschaft, obschon sich ohne Frage Leidenschaft darein mischte – denn trotz der Altersverschiedenheit zwischen dieser gereiften Schönheit und mir, konnte ich doch nicht verhindern, daß mein Gedächtniß in einer Betrachtung ihrer stattlichen, vollkommenen Gestalt, ihres klaren, blendenden Teints und des verzehrenden Feuers ihrer großen, dunkeln Augen schwelgten, die sowohl in ihrem Zürnen, als in ihrer Zärtlichkeit einen gleich ergreifenden Eindruck übten.

Ich war ärgerlich über die nachlässige Behendigkeit, mit welcher der schmächtige Gentleman von mittlerem Alter die mit schönen Teppichen belegte Treppe hinaufeilte, und sah mich genöthigt, mir die empörende Frage vorzulegen: ist diese Göttin deiner knabenhaften Anbetung eine Buhlerin? Ich fühlte, daß das Zusammentreffen sehr bedeutungsvoll sein mußte, denn Alles, was mich interessiren oder leiten konnte – die Lösung des Geheimnisses meiner Geburt hing davon ab. Mein ganzes künftiges Leben knüpfte sich an das Gespräch der nächsten halben Stunde, vielleicht an die Laune einer – – ich hätte vergehen mögen vor Angst, und die fünfzehn Minuten meines Harrens schienen sich zu eben so vielen langen, sorgenschweren Jahren auszudehnen.

Ich empfand eine unnatürliche Aufregung, als ich den Besuch, der mir den Vorsprung abgewonnen hatte, von Treppe zu Treppe herunterspringen hörte. Die Thüre ging auf – das Schließen des Schlages und das Rasseln der Wagenräder, so gewöhnlich sie auch waren, schienen mir etwas Unheilvolles in sich zu bergen. Der Diener öffnete die Thüre und trat in's Zimmer. Ich zitterte ungemein und muß todtenbleich ausgesehen haben.

»Soll ich Euch ein Glas Wasser bringen, Sir?« sagte der Lakai achtungsvoll.

»Ich danke, nein. Kann ich die Dame sehen?«

Er entfernte sich auf fünf Minuten, kehrte dann mit einer Verbeugung zurück, und führte mich hinauf. Sein Schritt war ruhig und langsam – in seiner Haltung lag eine Behutsamkeit, die mich eisig kalt durchfuhr. Er öffnete die Thüre des Besuchszimmers mit großer Vorsicht, verbeugte sich und drückte die Klinke wieder zu. Während ich in der Nähe der Schwelle stand, verklangen die letzten leisen Töne einer wehmüthigen Melodie, zu der eine gedämpfte Stimme gesungen hatte, unter dem matten Fibriren einer Harfensaite, und eine jugendliche Gestalt, von dem matten Lichte der Fensternische beleuchtet, erhob sich, um schweigend durch das Zimmer zu gehen. Sie warf keinen Blick auf mich, sondern verschwand durch eine Thüre, derjenigen gegenüber, durch welche ich eingetreten war.

Während die Dame ruhig dahinglitt, sah ich, daß es ein sehr liebenswürdiges Wesen war, und ihre Anwesenheit erfüllte mein Herz mit einem Strome der Freude – denn ich sah darin den Beweis, daß Mrs. Causand nicht allein mit dem früheren Besuche gewesen war, und fühlte, daß mein Glück von ihrem Rufe abhänge – denn alle anderen Rücksichten bei Seite gesetzt – hatte nicht Daunton mir gesagt, daß sie meine Mutter sei? – ich glaubte es nicht, aber schon der bloße Zweifel war schrecklich.

Während ich in dem dunkleren Theile des Salons stehe, wird es nöthig, daß ich denselben beschreibe. Ich hatte mir nie zuvor einen solchen geschmackvollen Luxus vorstellen können. Anfangs war ich fast überwältigt von der angenehmen Wärme des Zimmers und den herrlichen Wohlgerüchen, die dasselbe erfüllten. Ich trat vor und mein Fuß sank in einem nachgiebigen Teppich ein, der sich elastisch wieder zu heben schien, und in tausend nie verbleichenden, gewebten Blumen glühte. Das Gemach war nicht überladen, obgleich ich Kandelabern, Vasen und Seitentische vom reinsten Marmor, die von massiv vergoldeten Fußgestellen unterstützt waren, bemerkte. In alle dem war nichts Auffallendes – das bloße Werk des Tapezierers – aber in der schönen Anordnung ließ sich der feine Geschmack der Besitzerin nicht verkennen. An dem Ende dieses prachtvollen Gemachs standen zwei canellirte, vergoldete Pilaster und zwei korinthische Säulen, deren Kapitäle an die Decke reichten; sie standen jedoch nicht gleich weit von einander, denn der Raum zwischen dem Pilaster und der Säule auf der andern Seite war weit geringer, als der zwischen den beiden Säulen. Zwischen den beiden ersteren standen Statuen vom reinsten Marmor. Ich wußte nicht, welche fabelhaften Götter sie vorstellten, fühlte aber, daß sie die männliche und weibliche Schönheit personificirten. Ich war zu aufgeregt, um sie genau betrachten zu können. Zwischen diesem Schirm von Säulen und Statuen hingen ein paar faltenreiche Draperien, die eine von schwerem, scharlachfarbigem Seidenstoffe, ganz dunkel durch den Reichthum und das Gewicht ihres Gewebes (sie wurden mit goldenen Schnüren auf- und bei Seite gezogen), die andere war fast durchsichtiger Mousselin.

Wenn diese Vorhänge mit ihren prächtigen, anmutigen Falten bis auf den Boden niederfielen, so schieden sie den Salon in zwei Theile, von denen dann derjenige, welcher die Fenster enthielt, ein abgeschlossenes Gemach bildete. Dennoch erhielt aber auch das innere Gemach, von dem die Vorhänge das Licht der gothischen Fenster abschloßen, eine hinreichende Beleuchtung durch die Schubfenster, welche sich an der linken Seite des äußeren befanden. Die schweren Draperien, die zwischen den Säulen hingen, waren aufgezogen, der leichte Mousselinvorhang aber, durch welchen ich einen unbestimmten Blick in das Innere gewann, bis auf den reichen türkischen Bodenteppich niedergelassen. Es war ungefähr drei Uhr Nachmittags, und die Sonne, die eben mit den Wipfeln der Bäume in den fernen Kensington-Gärten spielte, schickte ihre Strahlen durch die großen Fenster und die davor stehenden exotischen Pflanzen.

Ich näherte mich dem Schirme, und entdeckte endlich in matten Umrissen die Gestalt von Mrs. Causand, die auf einem Ruhebett lag. Ich hielt inne – in der eigenthümlichen Vertheilung des Lichts konnte sie mich wohl kaum durch den Schleier, der zwischen uns lag, sehen. Ohne Aufforderung wagte ich nicht einzutreten, weshalb ich zwei lästige Minuten stehen blieb, mir den wahrscheinlichen Empfang vergegenwärtigend, denn mir war bange, ob eine Dame, die von solcher Pracht umgeben war, auf die Bitte ihres früheren Lieblingsspielgefährten hören würde.

Zu jener Zeit war es Mode, auch in vollem Anzuge den Arm bis an die Schulter bloß zu tragen. Endlich tauchte aus einer Masse reichen Shawls der weiße, runde, wunderschön geformte, obgleich etwas große Arm der Dame auf und winkte mir, einzutreten, ohne jedoch diese Geberde durch einen Laut zu begleiten. »Es macht ihr Vergnügen, die Kaiserin zu spielen,« dachte ich, als ich den Vorhang bei Seite schob und in dem düftereichen Heiligthum vor ihr stand.

In der That, nie hatte sie in dem Stolze ihrer Schönheit liebenswürdiger ausgesehen. Sie war in vollem Putze – und während ich sie in stummer Bewunderung betrachtete, zugleich im Geiste die Vergangenheit mit der Gegenwart vergleichend, mußte ich mir sagen, sie sei noch schöner geworden, seit ich sie zum letztenmale gesehen. Ich konnte in der That in ihrem Gesichte keinen andern Unterschied bemerken, als daß ihre gerundete, klassische Wange unter einem höheren Rothe glühte und ihr Auge mit unruhigerem Feuer funkelte.

Ich stand an den Füßen des Ruhebettes und mein Herz gestand, daß die vollkommenste weibliche Schönheit vor meinen bewundernden Augen lag – eine Schönheit aber, die durch ihr Lächeln eher die Gluth der Wollust, als zärtliche Innigkeit zu wecken, in der Ruhe jedoch Anbetung zu gebieten, nicht um Liebe zu flehen schien.

Ich blickte in ihr königliches Gesicht, ob ich nicht einige Ermuthigung zum Sprechen fände, aber vergeblich. Dann suchte ich in demselben die Gefühle zu lesen, die für den Augenblick ihren Sinn beschäftigten, mußte aber zu meiner Bestürzung und zu meinem Entsetzen die Entdeckung machen, daß sie einen körperlichen Schmerz niederzukämpfen schien. Ich betrachtete sie mit Angelegentlichkeit – und hatte mich nicht getäuscht: ein plötzliches krampfhaftes Zucken überflog ihre Züge; dann folgte eine vorübergehende Blässe und dann ein Strom von Thränen. Ich war ergriffen und selbst dem Weinen nahe; aber dennoch wagte ich es nicht, näher zu treten. Sie wischte nun schnell den Thau aus ihren Wimpern, und abermals goß das holde Lächeln früherer Tage einen sonnigen Himmel über ihr Antlitz.

*

 


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