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Sechszehntes Kapitel

Eine rührende Anrede, die zu nichts führt. – Die Aufrührer beginnen ihre Lustbarkeit – haben aber plötzliche und kalte Streiche zu erfahren. – Die Feuermänner bieten den Feuerjungen vermittelst Wassers Trotz. – Die Sieger werden besiegt und finden sich bald mit Schande und Bettlacken bedeckt.

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Als wir dem Gefangenen mitteilten, daß er zu der hohen Ehre bestimmt sei, unser Guy Faux zu sein, und in die Mitte unseres Feuerwerks zu treten habe, indem wir ihm zugleich versprachen, ihn möglichst wenig zu verbrennen, wurde sein Schrecken so übermäßig, daß er uns wie in Todesnöthen anflehte, wir möchten ihn statt dessen lieber weidlich durchprügeln. Wir gewährten diese Bitte, da wir großmüthig sein wollten, und er benahm sich dabei wie ein ächter Stoiker.

Das Schönste sollte aber erst noch kommen. Kaum hatten wir unsere Sache mit dem Unterlehrer bereinigt, als Mrs. Root – »wie Niobe ganz in Thränen« mit ausgestreckten Armen auf der Gallerie erschien. Aber ihre verlockende Geberdung, die pathetische Anrede, ihre zuckersüßen Versprechungen – Alles wollte nichts nützen: die gute Dame verlangte, wir sollten zu Bette gehen, wogegen Mr. Root (um mich ihres eigenen Ausdrucks zu bedienen) uns sammt und sonders fortlassen werde. Wir waren jedoch entschlossen, aufzubleiben und all unser Feuerwerk noch in derselben Nacht abzubrennen. Indeß wurde doch ihrer Bitte so viel nachgesehen, daß man alle kleinen Knaben ihr verabfolgen wollte.

Freilich wurde es nun sehr schwer, auszumitteln, wer zu den kleinen Knaben gehörte. Mancher achtjährige Knirps mit einer kräftigen Seele erklärte, er sei ein großer Knabe, und mehrere lange Jungen mit eingetunkten Brodbrocken statt der Herzen zählten sich selbst zu den Kleinen. Wie zuvor gesagt, war das Schulzimmer mit dem Orchester durch keine Treppe verbunden; wir mußten daher die Pulte zu einer Platform aufschichten und unsere hasenherzigen Kameraden hinaufbieten, damit die alte Henne sie mit ihrem Fittig beschütze.

Unser gefangener Unterlehrer erlaubte sich, achtungsvoll zu bemerken, obgleich er nicht von sich sagen könne, daß er gerade unter die kleinen Knaben gehöre, so würde er doch lieber, wenn es uns genehm sei, zu Bette gehen, da er heute Arznei eingenommen habe. Der Vorwand wurde für zulässig erkannt, nicht aber die Platform, denn man schaffte letztere weg, und er sah sich deshalb genöthigt, an einer der Säulen hinaufzuklettern. In unserer barmherzigen Stimmung liehen wir ihm möglichsten Beistand durch unterschiedliche Anwendungen der Haselgerten und Lineale, um eine rasche Zirkulation in jenen Theilen zu veranlassen, die seine Aufwärtsbewegung unterstützen konnten – nach demselben Grundsatze, der uns eine Kanone an dem einen Ende entzünden läßt, um die Kugel durch das andere hinauszutreiben. Sobald er sich mit den Uebrigen um Mrs. Root gesammelt hatte, machte Letztere wahrhaftig unter ihren Thränen noch eine Verbeugung gegen uns; sie lächelte dabei, wünschte uns Allen gute Nacht und forderte uns auf, gute Knaben zu sein, keinen Unfug anzurichten und namentlich auf das Feuer Acht zu haben. Nachdem sie uns das Versprechen abgenommen, weder die Orgel zu beschädigen, noch zu dem Orchester hinaufzuklettern, verbeugte sie sich abermals, und ließ uns als Herren des Wahlplatzes zurück.

Nun wurde debattirt. Wir hatten eine Rebellion angefangen und das Schlachtfeld gewonnen, um unser Feuerwerk loslassen zu können. Der Gedanke, durch die Fenster in's Freie zu steigen, wurde bald aufgegeben; denn selbst wenn wir der Gefahr eines Beinbruchs entronnen wären, würde man uns einzeln ergriffen haben. Wir sahen uns daher genöthigt, für die funkelnde Schaustellung das Schulzimmer selbst zu benützen, und unter St. Albans Anweisungen begannen die betreffenden Vorbereitungen.

Ich wünschte, ich wäre der Held jenes Abends gewesen. Dennoch aber fühlte ich die Gluth eines Helden, obgleich ich nicht seine Thaten verrichtete; und – oh der unerwarteten Ehre – ich wurde wirklich von Henry St. Alban selbst angeredet, der mich »den ehrenhaften Ralph Rattlin, den muthigen Knaben, welcher in der Gespensterkammer schlafe« nannte. Das war eine Auszeichnung! Natürlich kann ich nicht sagen, wie es einem alten Gentleman in den Sechzigen zu Muthe ist, wenn sein Souverän das blaue Band um seine gebeugten Schultern hängt; aber wenn er nur halb das Entzücken empfindet, das ich damals fühlte, so muß er ein sehr – sehr glücklicher alter Mann sein.

Revenons à nos mautons – eine Phrase, die ich ebensowohl um ihrer Originalität willen, als wegen ihrer Anwendbarkeit auf's Feuerwerk benutze. Man schlug Nägel in die Wände und befestigte Feuerräder daran; statt der dünnen Talglichter setzte man römische Lichter auf die Tische, und die oberen Theile der Schulfenster wurden niedergelassen, um den Raketen freien Ausgang zu gestatten. Die erste Salve des letztgedachten schönen Feuerwerks schoß in einem Winkel von ungefähr fünfundsechzig Graden unter lautem Hurrahruf durch die Fenster, und that edel ihre Pflicht, als – als mit einemmal – natürlich wird der Leser meinen, das Zimmer in Flammen stand? Ach nein, – ganz im Gegentheil. Ein prächtiges Feuerrad hatte eben in der Glorie seines vielfarbigen Funkenregens zu zischen begonnen, als – oh Entsetzen, Grauen und Verwirrung! – ein halbes Dutzend Feuermänner, ihre verhaßten Abzeichen an den Armen tragend, auf dem Orchester erschienen. Der lange lederne Schlauch war bald befestigt und die eherne Spritze begann auf uns und auf das Feuerrad zu spielen – unter hellem Gelächter der Löschmannschaft, an dem sogar wir Theil nahmen, während wir draußen auf dem Spielplatze die höllische Maschine klappern hörten. Mr. Root war nicht einfältig genug gewesen, zuzugeben, daß wir sein Haus ungestraft in Brand steckten, und weil er nichts Besseres thun konnte, hatte er sich vorgenommen, unsere Gluth mit kaltem Wasser zu kühlen.

Die Schulzimmerthüre wurde nun aufgerissen, um uns nach Belieben hinausgehen zu lassen; wir zogen es aber vor, zu bleiben, wo wir waren – aus dem einfachen Grunde, weil wir nicht wußten, wem wir auf der Treppe begegnen konnten. Unter St. Albans Anleitung waren wir einig geworden, unser Feuerwerk in einiger Ordnung loszulassen; nun aber sollte es uns statt als Spielerei zum Werkzeuge des Angriffs dienen. Ganze Schauer von Schwärmern, Fröschen und verbrennlichen Gegenständen aller Art wurden auf die Gegner über uns geschleudert. Es war der Kampf des Feuers mit dem Wasser. Der kalte, mächtige Strom spielte jedoch unaufhörlich, benahm uns den Athem und warf uns zu Boden; aber doch hielten wir mannhaft aus, und die Raketen, die nun nach dem Orchester gerichtet wurden, trieben sehr oft unsere Feinde zurück. Ohne Frage würde auch die Orgel bedeutend Noth gelitten haben, wenn sie nicht vorsichtig mit nassen Tüchern verhüllt worden wäre.

Wir rückten nun unsere Pulte in die Nähe der Gallerie, um sie als Sturmleiter zu gebrauchen; doch dies wollte nicht gehen – sie waren nicht hoch genug, und die Gewalt der Wasserströmung trieb den Stärksten von uns wieder zurück. Trotzdem ließen wir unsere Feuergeschoße so lange spielen, als sie währten; aber das Wasser verfehlte seine Wirkung nie, was bei dem anderen Elemente nur zu bald der Fall war. So lange wir uns aber mit dem letzteren wehren konnten, war unser Angriff allerdings ein leuchtender zu nennen – um so glorreicher, da kein Blutvergießen stattfand.

Nach einer kurzen halben Stunde entsank uns der Muth. Durchnäßt, verbrannt, geschwärzt, sehr albern aussehend und nun voll Furcht, näherten wir uns der Thüre. Sie stand noch offen – kein Versuch, irgend einen von uns zu greifen – kein Widerstand; das Schlimmste aber war, daß wir durch ganze Spaliere lachender Nachbarn und Dienstboten schleichen mußten. Jeder von uns schlich zu seinem Bette wie ein Hund, der die Wurst gestohlen hat – durchaus nicht erfreut über unsere Heldenthaten oder den Schluß derselben.

St. Alban konnte sich seine Unvorsichtigkeit nicht verzeihen und machte sich bittere Vorwürfe, daß er das Orchester nicht gegen die Ueberrumpelung gesichert hatte. Er erklärte, es fehle ihm an militärischem Genie und er tauge höchstens zum Lehrling eines Landzimmermanns, um Schweineställe zu machen: er wolle Unterlehrer werden und die Knaben sollten ihn für seine Eselei bumsen – er wolle davon laufen. In letzterem hielt er Wort.

Ich schließe hiemit die Geschichte des berühmten Ausschließens vom fünften November, im Jahre der Gnade 18–, und überlasse es den Feuerleuten, für nöthige Sicherheit zu sorgen – Mr. Root, sein entstelltes Schulzimmer sammt dem zerstörten Eigenthum zu beklagen – und Mrs. Root, sich für die Anzahl von Erkältungen, verbrannten Gesichtern und verbrannten Händen vorzubereiten. Wenn übrigens jener Austritt nicht alle Freuden einer wahren Schlacht und Belagerung, die des wirklichen Gemetzels ausgenommen, hatte, so weiß ich nicht, was eine Lust ist, und der Leser wird gelegentlich finden, daß ich später Anlaß genug fand, über derartige königliche Belustigungen, in denen das Gurgelabschneiden nicht ausgeschlossen war, ein Urtheil abzugeben.

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