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W.
Der Prozeß des Senats von Port-au-Prince.

(Nach Carra III, 153.)

Die Mitglieder des Senats von Port-au-Prince wurden, elf an der Zahl, am 7. März 1769 verhaftet. Man beschuldigte sie, die Einwohner der Kolonie in der Neigung zum Ungehorsam und zur Empörung bestärkt zu haben, anstatt sie bezüglich der Befürchtungen, durch welche sie in Aufregung versetzt wurden, zu beruhigen.

Sie wurden in dem Augenblicke verhaftet, wo sie sämtlich zur Gerichtssitzung im Palais versammelt waren und ohne Verzug an Bord des Fidèle-Jean-Baptiste geführt, um nach Frankreich unter Segel zu gehen.

Bei ihrer Ankunft in Frankreich wurden sie in das Château-Trompette gesetzt, das sie am 19. Juni verließen, um in die Bastille geführt zu werden, wo sie bis zum Januar 1770 gefangen gehalten wurden.

Die Ursachen, welche zur Verhaftung dieser Beamten führten, wurzeln in der Wiedereinführung der Milizen, die im März 1763 unterdrückt worden waren. Die Einwohner der Kolonie wurden gegen diese Wiedereinführung vorstellig in der Besorgnis, daß diese Neubildung der Milizen die alten Mißbräuche zurückführen und neue hervorrufen werde.

Die Wiedereinführung der Milizen wurde durch Verfügung vom 1. April 1768 bekannt gemacht und diese Verfügung dem Senate am nächsten 13. Oktober zur Einregistrierung zugestellt.

Der Senat nahm die Einregistrierung vor. Gleichzeitig aber wurde in Gegenwart des Chevaliers de Rohan, General-Gouverneurs der Insel St.-Domingo, der mit unterzeichnete, ein Beschluß gefaßt, laut welchem dem Könige Vorstellungen gemacht werden sollten, um entweder die Rücknahme jener Verfügung zu erwirken oder wenigstens Anordnungen zu erbitten, die imstande wären, den Nachteilen der Milizen vorzubeugen. Dieser Beschluß, der seiner Natur nach geheim bleiben mußte, wurde nichtsdestoweniger im Publikum bekannt. Man beschuldigte nun die Mitglieder des Senats, ihn veröffentlicht und schon in dieser Absicht aufgesetzt zu haben, und schrieb dem Eindruck, den er auf das Publikum machte, alle die Störungen zu, die die Kolonie in Unruhe versetzten, da dieser Beschluß mehr geeignet schien, die Geister anzureizen und zu erbittern, als sie zum Gehorsam zu stimmen. Man setzte damals sogar meutrische Briefe in Umlauf, die Sans Quartier unterzeichnet waren und den Befehl an die Bürger enthielten, sich bewaffnet zusammenzuscharen: das bot einen neuen Vorwand, um die Beamten wegen ihres Verfahrens zu beschuldigen.

Die elf Senatsmitglieder, sowie die beiden in diese Affaire verwickelten Bürger Lamarque und Violette, wurden in der Bastille verhört und die Protokolle darüber von Herrn de Sartines am 27. November 1769 auf Befehl des Herzogs de Praslin dem Herrn Nolivos zugestellt.

Von der Bastille aus wurden diese Gefangenen in die Gefängnisse von Rochefort geschafft und von dort in das Kapuziner-Kloster jener Stadt geführt, wo sie bis zum Augenblicke ihrer Einschiffung verblieben. Sie wurden nämlich nach St. Domingo zurückgeschickt, um dort von dem neuen Senate von Port-au-Prince, der im April 1769 ernannt worden war, gerichtet zu werden.

Der Prozeß wurde durch ein Urteil vom 18. Februar 1771 beendet, aber man ersieht daraus nicht, was die gegen die genannten Beamten eingeleitete Untersuchung eigentlich ergeben hat. Aus einer Note geht bloß hervor, daß einige Privatleute als die eigentlichen Urheber der in einigen Bezirken der Kolonie vorgekommenen Unruhen zum Teil zum Tode durch den Strang, zum Teil zu den Galeeren u. s. w. verurteilt worden sind, die Mitglieder des ehemaligen Senats jedoch werden gar nicht erwähnt.

Aus dieser Note, die einen Auszug aus dem Urteil vom 18. Februar 1771 bildet, ergiebt sich zugleich, daß verschiedene Personen, die von dem Chevalier de Rohan als Majestätsbeleidiger mit Ketten an Händen und Füßen nach Frankreich gesandt wurden, ihre völlige Unschuld darthaten, während andere, die er mit Empfehlungsbriefen dahin schickte, für schuldig erkannt wurden, wie z. B. Destrés und Laulanie, die man zum Galgen verurteilte. Der erstere, der stark an den Unruhen im Bezirk Cul-de-Sac beteiligt gewesen war, wurde in La Croix-des-Bouquets gehangen, die Hinrichtung Laulanies dagegen, den man beschuldigte, alle die mit Sans-Quartier – diesen Namen führte er in den Versammlungen, denen er immer nur maskiert beiwohnte – unterzeichneten meuterischen Zettel geschrieben zu haben, wurde bis auf weitern Befehl des Königs aufgeschoben.

Lamarque war mit dem nämlichen Schiffe wie der Senat, dem man einen Vorwurf daraus machte, daß er diesen Kolonisten nicht habe hängen lassen, nach Frankreich geschickt worden. Er wurde beschuldigt, unter der Leitung der Beamten die Verbindung zwischen den Aufständischen in den Bezirken Cul-de-Sac und Le Fond vermittelt zu haben, ward aber vom Gerichtshofe auf freien Fuß gesetzt. Nichtsdestoweniger erhielt er vom General und dem Intendanten Befehl, binnen Monatsfrist die Kolonie zu verlassen.

Violette, der mit Lamarque und dem Senate, dem man auch in diesem Falle vorwarf, er habe seine Pflicht verabsäumt, weil er Violette nicht hätte hängen lassen, nach Frankreich geschickt worden war, wird in dem Urteile gar nicht erwähnt. Er starb während des Prozesses. Schon seit seiner Ankunft in Frankreich waren ihm im Gefängnis die Fesseln abgenommen worden.

Man darf mithin behaupten, daß der Chevalier de Rohan nur die Unschuldigen verfolgt und nur die Schuldigen empfohlen hat, denn Destrés und Laulanie, die, wie bemerkt, zum Galgen verurteilt wurden, waren mit Empfehlungsbriefen von ihm und dem General-Kommissar der Marine in St. Domingo, Herrn de Peyrac, nach Frankreich gekommen. Herr de Peyrac, der überhaupt den Chevalier bei seinen Maßnahmen unterstützt hatte, hatte ausdrücklich einen Bericht über die in der Kolonie vorgekommenen Ruhestörungen aufgesetzt, um die Mitglieder des Senats zu verdächtigen und darin dem Lobe Destrés' mehrere Seiten gewidmet.

Durch das Urteil vom 18. April 1771 wurden acht Kolonisten zum Tode durch den Strang, einer zu den Galeeren, ein anderer zu ewiger Verbannung, elf zu einer Vermahnung verurteilt und einer (Lamarque) wegen unzulänglicher Beweise freigesprochen: von den Mitgliedern des Senats ist darin mit keiner Silbe die Rede.

Durch ein Gesuch, das diese dem König zu ihrer Rechtfertigung überreichten, zerstreuen sie den Verdacht, den man wegen ihres Verhaltens gegen sie rege zu machen versucht hatte. Sie zeigen darin, daß sie an dem Kundwerden ihres damaligen Beschlusses keine Schuld haben, und behaupten, daß jener Beschluß überhaupt nicht zu der Widersetzlichkeit und dem Widerstande, auf den die Widereinführung der Milizen stieß, Anlaß gegeben habe, sondern daß die Unruhen, deren Ursache man in ihrem Beschlusse suche, in Wirklichkeit einzig und allein die Erinnerung an die alten Mißbräuche und die Befürchtungen zur Quelle hatten, welche durch die Maßnahmen derer, die mit der Wiedereinrichtung der Milizen betraut waren, erregt wurden.

Sie beklagen sich dabei bitter über den General-Gouverneur, Chevalier de Rohan, über den General-Kommissar der Marine, Herrn de Peyrac, und über den Intendanten von St. Domingo, Herrn de Bougars. Namentlich dem erstgenannten werfen sie die Härte vor, mit der er sie behandelt hat, indem er sie durch Grenadiere mit aufgepflanztem Bajonett und gerade in dem Augenblicke verhaften ließ, wo sie zur Gerichtssitzung im Palais versammelt waren; sie halten ihm vor, daß er sie durch die erwähnten Grenadiere wie Rebellen an Bord des getreuen Jean-Baptist habe führen lassen, auf dem kein anderer Mundvorrat als verdorbenes Pökelfleisch vorhanden war, ohne ihnen zu erlauben, vor ihrer Abreise jemandem Vollmacht zur Verwaltung ihrer Privatangelegenheiten zu erteilen, noch sich mit Wäsche und andern Sachen zu versehen. Zum Schluß beteuern sie nochmals, daß keine der gegen sie erhobenen Beschuldigungen begründet sei, und daß ihr Verhalten, anstatt sie zu Urhebern der Unruhen zu machen, vielmehr den Beweis liefere, daß sie zu jeder Zeit alles gethan hätten, was in ihrer Macht stand, um jeder Friedensstörung vorzubeugen, ihr Halt zu gebieten und sie zu unterdrücken.

Wir lassen noch eine Zusammenstellung der auf diesen Prozeß bezüglichen Namen und Daten folgen.

Die Verfügung betreffs der Wiedereinführung der Milizen datierte vom 1. April 1768.

Die Eintragung dieser Verfügung durch den Senat und der Beschluß, deswegen beim Könige vorstellig zu werden, erfolgte am 13. Oktober 1768.

Am 11. Dezember desselben Jahres fanden im Bezirk Cul-de-Sac Ansammlungen Bewaffneter und Ruhestörungen statt, die mit Gewalt unterdrückt werden mußten.

Die Verhaftung der Mitglieder des Senats und ihre Überführung an Bord des Zweimasters Der getreue Jean Baptist erfolgte am Morgen des 7. März 1769 durch den Hauptmann Lavelanette an der Spitze von etwa hundertundfünfzig Grenadieren.

Die Verhafteten waren: der Präsident Moïse Balthazar Grenier (oder Gressier?), die Titular-Räte Barthélemy le Tort, Jean Baptiste René Colfeux de Longpré, Jacques Marcel und Joseph Dufourcq, die Beiräte Jean Louis Jauvain, Etienne Pierre Maignol, Charles Colfeux de Longpré des Baliziers und François Scipion Taveau de Chambrun und endlich der Staatsanwalt Jean Baptiste Pierre Léger und dessen Stellvertreter Charles Daniel Jousse de Champremeaux; Léger und Taveau de Chambrun wurden in ihren Wohnungen verhaftet.

Gleichzeitig wurden Lamarque und Violette auf den getreuen Jean Baptist gebracht und dort in Ketten gelegt. Beide waren wegen ihrer angeblichen Beteiligung an der Revolte vom 11. Dezember 1768 in Haft genommen worden.

Nach der Ankunft in Bordeaux wurden Lamarque und Violette sogleich nach Paris abgeführt und trafen am 23. Juni 1769 in der Bastille ein. Die übrigen Gefangenen folgten ihnen am 19. Juli 1769.

Am 17. und 18. Juli 1770 gingen diese sämtlich nach Rochefort ab, um auf der Fregatte Isis nach St. Domingo zurückzukehren.

Lamarque und Violette waren zu gleichem Zwecke bereits am 14. Dezember 1769 nach einem Hafenplatze geschafft worden.

Der Prozeß wurde abgeschlossen durch ein Urteil des neuernannten Senats von Le Port-au-Prince am 18. Februar 1771.

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