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L.
Der Prozeß des Chevalier de Rohan.

(Nach Carra, I, p. 62 et suiv.)

Louis de Rohan oder der Chevalier de Rohan, Großjägermeister von Frankreich, hatte mit den Holländern einen Vertrag geschlossen, ihnen Quilleboeuf und andere Plätze an der Küste der Normandie zu überliefern.

Die Verschwörung wurde nach der Schlacht bei Senef infolge der Wegnahme des Gepäcks des Grafen de Monterey, damaligen Gouverneurs der spanischen Niederlande, entdeckt. Man fand unter den Papieren des Grafen Schriftstücke, die die ganze Verschwörung enthüllten.

Der Chevalier de Rohan wurde infolgedessen am 11. September 1674 durch den Major de Brissac in der Kapelle von Versailles verhaftet und in die Bastille geführt.

Der Unterhändler und Hauptschuldige bei der Verschwörung, ein normännischer Edelmann namens Latréaumont , wurde am folgenden Tage ebenfalls durch Brissac in Rouen verhaftet. Ohne eine Spur von Aufregung, zu verraten, sagte Latréaumont zu dem Major, einem alten Freunde von ihm: »Ich werde dir auf der Stelle folgen. Gestatte mir nur, eines Bedürfnisses wegen in mein Schlafzimmer zu treten.« Er ging hinein, beim Hinaustreten aber feuerte er einen Pistolenschuß auf den Major ab. Der Schuß ging indessen fehl und traf einen Gardisten, der in der Nähe stand. Als Latréaumont auf ihn anlegte, rief Brissac, um zu zeigen, daß er keine Furcht hege: »Schieß!« Einer der Gardisten nahm dies für einen Befehl zum Feuern und drückte seine Muskete auf Latréaumont ab, der am folgenden Tage an der Wunde starb, bevor Pelot, der erste Präsident des Parlementes von Rouen, ihn hatte foltern lassen können, und also ohne etwas zu gestehen.

Dieser Umstand hätte dem Chevalier de Rohan in der Folge das Leben retten können: man hatte nämlich keine Beweise, keine Zeugen, keine Schriftstücke von der Hand des Angeklagten, und die Kommissarien würden sehr in Verlegenheit gewesen sein, wenn der Chevalier beim Leugnen verblieben wäre.

Herr de Bezons Claude Bazin, Seigneur de Bezons, von 1653 bis 1673 Intendant des Languedoc, war damals Staatsrath und Alterspräsident der Akademie. Er starb am 20. März 1684. indessen, einer der Untersuchungsrichter, der ihn geschickt zu gängeln wußte, entriß ihm das Geheimnis unter dem Versprechen, daß der König ihn begnadigen würde. Da dieser aber dem Richter keinen bezüglichen Befehl erteilt hatte, wollte er auch das Versprechen nicht erfüllen, das Bezons in seinem Namen zu geben gewagt hatte.

Bemerkenswert ist, daß während der Zeit, wo der Chevalier in der Bastille gefangen saß, allnächtlich Leute, die ihm ergeben waren, das Schloß umkreisten und ihm durch Sprachrohre zuriefen: » Latréaumont ist tot und hat nichts gesagt!« und diese Worte von Minute zu Minute bis zum Tagesgrauen wiederholten. Der Chevalier verstand sie indessen nicht.

Allerdings konnte einzig Latréaumont ihn belasten, da er der einzige Mensch war, der das Geheimnis der Verschwörung in Händen hatte.

Als der Kanzler d'Aligre Etienne d'Aligre war 1672 zum Kanzler ernannt worden. Er war am 13. Januar 1592 in Chartres geboren und starb in Versailles am 25. Oktober 1677. den Chevalier und seine Mitschuldigen verhörte, ließ er sie zum Kammergericht kommen, und auf Befehl des Ministers besetzte Herr de Jouvelle, der Befehlshaber einer der beiden Musketier-Compagnien, De Jouvelle war Stabskapitän der zweiten Compagnie. um fünf Uhr morgens alle Thüren des Arsenals, holte dann den Chevalier und seine Mitangeklagten aus der Bastille ab, führte sie vor den Gerichtshof und brachte sie nach der Verhandlung wieder in das Schloß zurück.

In dem Augenblicke, wo der Chevalier sein Schicksal zu ahnen begann, erfolgten bei ihm furchtbare Ausbrüche der Wut und der Verzweiflung. Man war genötigt, ihn in Ketten zu legen und sorgfältig im Auge zu behalten, damit er sich kein Leid anthue. Die Ermahnungen des Pater Bourdaloue milderten diese blinde Wut, beruhigten ihn und machten ihn auf den Tod gefaßt.

Er wurde vermittelst eines Ganges, der in Höhe des Fensters des Waffensaals im Arsenale, das auf den kleinen Platz am Ende der Rue des Tournelles hinausgeht, errichtet war, ebenen Fußes auf das Schaffot geführt. Die Hinrichtung fand am 27. November 1674, nachmittags vier Uhr statt.

Der Chevalier de Rohan hatte mehrere Mitschuldige, unter andern den Chevalier des Préaux, Frau de Villars (eine Tochter des Pariser Parlementsrats Sarreau) und Affinius Vandenende, Franz Vandenende oder van den Enden war in Paris Lehrer der Philosophie und der alten Sprachen. In Holland hatte er in gleicher Eigenschaft gewirkt, und dort war unter andern Spinoza sein Schüler und seine Tochter Marianne, die unglückliche Liebe des jüdischen Denkers, seine Gehilfin gewesen. Nach der Sitte jener Zeit latinisierte er seinen Namen und nannte sich Franciscus a Finibus, woraus hier und auch anderwärts Franz Affinius als angeblicher Vorname gemacht worden ist. der aus Antwerpen gebürtig und Jesuit gewesen war.

Diese wurden ebenfalls in der Bastille gefangen gehalten.

Der Chevalier des Préaux und Frau de Villars wurden an demselben Tage und an demselben Orte, d. h. auf dem kleinen Platze der Rue Saint-Antoine, vor der Bastille, mit dem Chevalier de Rohan zusammen enthauptet. Vandenende wurde gehenkt.

Herr de Rohan starb mit vieler Festigkeit und Ergebenheit. Man bemerkte, daß der Anblick Vandenendes ihm sehr peinlich war.

Auch der Chevalier des Préaux starb mit ziemlich großer Festigkeit.

Frau de Villars wurde zuletzt enthauptet. Sie sah dem Tode mit ungemeiner Unerschrockenheit und Standhaftigkeit entgegen. Anfangs hatte sie noch einige Personen angeben wollen, stand aber dann davon ab.

Vandenende starb bei seinem hohen Alter mit etwas mehr Schwäche.

Zur Überführung der Angeklagten dienten zwei Schriftstücke. Das erste war der Schlüssel zu ihrer Geheimschrift, in der Herr de Monterey mit dem Namen des Schwiegersohns Vandenendes: Querquevin, die Staaten von Holland nach der zweiten Tochter Vandenendes mit Margarethe, die Staaten von Flandern nach deren älterer Schwester mit Clara Maria, Herr de Rohan nach der jüngsten Tochter des Arztes mit Marianne und Latréaumont als Fräulein d'Argent bezeichnet wurden. Die Gelder welche Herr de Monterey liefern wollte, figurierten in der Korrespondenz als der Preis der Diamanten, die Stelle, an der die Flotte landen sollte, als das Haus, die Waffen als Effekten, die Schiffe als Pakete, die Hilfstruppen, die man von Monterey erwartete, als Querquevins Heilmittel u. s. w.

Das andere Schriftstück war eine Abschrift des mit Monterey geschlossenen Vertrages. Monterey versprach hunderttausend Livres zu geben, und überdies sollte die Hälfte der im Mittelmeer stationierten Flotte den Aufständischen zu Hilfe kommen. Dagegen wollte man dem Statthalter den Plan von Quillebeuf übersenden, das befestigt werden und in seinem Besitze bleiben sollte, bis man ihm Abbeville, Dieppe, Le Havre oder eine andere befestigte Stadt überliefert haben würde. Beim Friedensschlusse sollten die Aufständischen ausdrücklich mit einbegriffen werden. Ferner versprach Monterey, ihnen in Spanien Pensionen auszuwirken und sie, wenn möglich, durch die Wegnahme und Schleifung von Corbie auch zu Lande zu unterstützen. Der Gouverneur von Ostende sollte Befehl erhalten, alle wohl aufzunehmen, die von den Verschworenen über England nach Holland geschickt würden u. s. w. Am Schluß empfahl sich Monterey dem Chevalier und wünschte ihm Glück zu dem hochherzigen Entschlusse, den er zu Gunsten des öffentlichen Wohles und der Ruhe Europas gefaßt habe.

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