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Ich erwähnte bereits, daß ich auf meiner Schlittenreise von Tigil aus den Korjäken einen Besuch abstattete. Mancherlei interessante Beobachtungen konnte ich dabei machen. Wir durchstrichen viele Täler und erreichten den Omanina-Fluß, der sich in das Ochotskische Meer ergießt. Unweit davon fand ich die ersten Spuren der Korjäken oder vielmehr die ihrer Rentiere. Es sah hier aus, als hätte eine Armee ihr Lager verlassen. Viele Tausende von Rentieren hatten den Schnee zerstampft und nach allen Richtungen Wege getreten, die für eine Schlittenfahrt sehr uneben waren. Am Abend trafen wir dann endlich auf die Korjäken selbst. Ich kehrte in der größten Hütte ein. Dem Besitzer gehörten wenigstens 2000 Rentiere, die unweit seiner Hütte weideten und von denen er sogleich zwei für mich, meine Begleiter und meine Hunde schlachten ließ. Das Mark aus den noch von Blut erwärmten Knochen wurde mir als Leckerbissen gereicht und die Zungen als besonders schmackhafter Teil sogleich gekocht.
Die Korjäken unterscheiden sich zwar in der Sprache, aber weder in Typus und Bildung beträchtlich von den Kamtschadalen. Auch ihre Kleidung ist fast die gleiche, nur daß sich an ihrem Kleide anstatt des Kragens eine Kapuze und unter dem Kinn statt des Schlitzes ein herabhängendes Bruststück befindet. Männer und Frauen sind nicht in ihrer Tracht, sondern nur dadurch voneinander unterschieden, daß die Frauen ihre Haare abschneiden. Bei den Männern habe ich keinen Bart bemerkt. Man versicherte mir, daß sie ihn mit kleinen Zangen ausreißen. Ihr Haar schien mir weniger dunkelschwarz als das der Kamtschadalen.
Diese Menschen wohnten in zuckerhutförmigen Hütten, deren Gerippe aus Stangen bestand, über das rohe, noch behaarte Rentierhäute gespannt waren. Das Tageslicht fiel von oben durch eine Öffnung, durch die auch der Rauch abzog. Rings um die Hütte meines Wirtes standen 60-70 Schlitten, auf denen bei Wanderungen Stangen, Häute und Geräte befördert werden. Diese große Zahl von Schlitten ist schon deshalb nötig, weil die Rentiere viel zu schwach sind und nur kleinere Lasten zu ziehen vermögen.
Im Inneren der Hütten waren kleine Abteilungen aus Rentierhäuten eingerichtet; ihre der Feuerstelle zugekehrte Seite war offen, konnte aber durch ein gegerbtes Fell wie durch einen Vorhang verdeckt werden. Das Oberhaupt wohnte in der etwas geräumigeren Abteilung gegenüber dem Eingang. Die Hütte sah im Innern wie eine Räucherkammer aus, und Schmutz lag allenthalben herum. Eine Menge großer Hunde, die meist zur Jagd abgerichtet waren und deren Felle zu Kleiderbesatz verwendet werden, hatten selbst zu den Schlafstätten Zutritt.
Das in den Rentiermägen noch unverdaute Moos wurde mit Tran vermischt und gekocht; es diente als Hundefutter, aber selbst die Menschen verschmähten es nicht. Es ist merkwürdig, hier wieder ein Volk zu finden, dessen Wohlstand und Reichtum, dessen Lebensweise und Unterhalt, dessen Nahrung und Kleidung fast einzig und allein von den Rentieren abhängt, ähnlich wie es für die Alëuten der Seehund ist. Hütte und Kleidung aller Art werden nämlich aus der Haut der Rentiere gemacht, deren Magen zur Aufbewahrung von Flüssigkeiten dient und deren Fleisch die tägliche Nahrung liefert. Anstatt der Schüsseln benutzte man Holztröge, die Menschen und Hunden gemeinsam dienten. Eis und Schnee, die beständig in einem Kessel über dem Feuer schmelzen, liefern den Menschen den größten Teil des Jahres das einzige Getränk.
Die Tätigkeit der Männer besteht in der Jagd auf Zobel, wilde Rentiere und Wildschafe sowie in der Aufsicht über ihre zahlreichen Herden, die in der Nähe der Hütten weiden. Soll das eine oder andere Tier geschlachtet werden, so wird es mit einem Lasso eingefangen und durch einen Messerstich ins Herz getötet. Die Frauen streifen das Tier ab, weiden es aus, richten das Fleisch für die Küche und bereiten die Haut für Kleidungsstücke zu. Weitere Frauenarbeiten sind das Errichten und spätere Abbrechen der Hütte sowie der Transport der einzelnen Hüttenteile auf Schlitten zum neuen Wohnort. Ist nämlich das Moos in der Umgebung der Hütten abgeweidet, so zieht die Horde mit ihren Rentieren einige Werst weiter, um hier ihr Standlager aufzuschlagen. Auf diese Art durchstreifen die Korjäken jährlich eine Strecke, die von Ischiga bis in die Mitte Kamtschatkas, etwa in die Gegend von Itschi, reicht.
Als Waffen dienen meist Bogen und Pfeil, doch ist der Gebrauch der Feuerwaffen bereits einzelnen bekannt. Außer einem mit Eisenringen versehenen Tamburin, auf das mit einem ausgestopften Hundefuß geschlagen wird, habe ich kein anderes Musikinstrument bemerkt. Ihr Gesang gleicht dem der Alëuten und der nordwestamerikanischen Indianer. Ihr Tanz ist ebenfalls eine einfache Körperbewegung, ohne daß man sich dabei von der einmal eingenommenen Stelle bewegt.