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Unsere Schiffsgesellschaft war nun geteilt; ich gehörte mit zu denen, die an Land weilten. Der Platz, den wir bewohnten, war eine kleine viereckige Halbinsel. Der innere, etwa 40 Schritt lange und 30 Schritt breite Hof, war von drei Seiten durch das Wohnhaus des Gesandten und die Packhäuser flankiert, die vierte Seite, die uns einen schönen Ausblick auf das Wasser hätte bieten können, war durch eine hohe Doppelwand aus Bambusrohr versperrt. Von den beiden Toren dieses Hofes führte das eine nach dem Wasser und wurde von Booten des Fürsten von Fisen bewacht, das andere öffnete sich nach der Stadt und war durch eine doppelte Wache des Fürsten von Omuru besetzt. Beide Tore wurden regelmäßig mit Schloß und Riegel gesperrt. Nach und nach wurden die Geschenke an Land gebracht, wobei japanische Beamte die Schiffslisten genau einsahen, damit ja nichts entwendet werden konnte. Am 22. brachten Dolmetscher die Nachricht, daß man gestern eine Antwort aus Jedo erhalten habe, die ein hoher Beamter im Namen des Gouverneurs noch heute überbringen werde.
Der »Große Herr« erschien endlich mit gewichtiger Miene und gab im Namen des Gouverneurs die Ankunft eines Kuriers aus Jedo bekannt, der die Erlaubnis des Kaisers von Japan mitgebracht habe, daß das russische Schiff nach Nagasaki kommen dürfe. Deshalb wurde am folgenden Tage unser Schiff in den Hafen bugsiert und in einer Entfernung von 1½ Werst von unserer Landwohnung Megasaki vor Anker gelegt. Trotz der Menge von Wachen und Wachtbooten machte man uns doch viele Schwierigkeiten und gestattete erst nach langen Verhandlungen eine freiere Verbindung zwischen dem Landkommando und der Schiffsbesatzung.
Während am 31. Dezember abends die Holländer den Jahreswechsel feierten, wurden uns, wie alle Tage, die Tore verriegelt. In der Nacht vom 1. zum 2. Januar 1805 hatte es gefroren, die Temperatur war ein Grad unter Null! Als uns am nächsten Tage Dolmetscher Material zur Reparatur unseres Schiffes brachten, vertrauten sie uns an, daß der Gouverneur angeordnet habe, alle Wachen einzuziehen, weil Japan mit Rußland im besten Einvernehmen stünde. Auf die Frage, warum es denn solange daure, ehe wir eine Antwort auf unser Ansuchen wegen einer Gesandtschaft nach Jedo erhielten, sagten sie, daß der weltliche Kaiser darüber nicht allein beschließen und dazu den Dairy oder geistlichen Kaiser zu Rate ziehen wolle, dieser aber noch nicht geantwortet habe.
Der halbe Monat verstrich wieder, ohne daß wir darüber eine Nachricht erhalten hätten. Dazu herrschte eine unangenehme kalte Witterung, die sich recht nachteilig auf die Gesundheit des Gesandten auswirkte. Am frühen Morgen des 16. Januar herrschte bei uns große Aufregung. Einer der aus Rußland zurückgekehrten Japaner hatte versucht, sich den Hals durchzuschneiden. Dieser Vorfall wurde sofort der japanischen Wache angezeigt, die einen Beamten und Arzt schickte. Ersterer nahm ein Protokoll über den ganzen Hergang auf, während der Arzt, dem ein schön lackiertes Kästchen mit Medizin vorangetragen wurde, verschiedene Kräuter zu einem Gurgelwasser mischte und außerdem ein niederschlagendes Pulver gab. Es stellte sich nämlich heraus, daß die Verletzung keineswegs schwer war. Der Patient wurde nun täglich von einem Arzt, einem Wundarzt und dessen Gehilfen besucht. Ersterer unterschied sich durch einen vollkommen kahlgeschorenen Kopf von dem anderen. Die übrigen Zivil- und Militärpersonen haben nämlich den Kopf nur auf dem Scheitel geschoren, während sie an den Seiten und im Nacken das Haar wachsen lassen.
Am 27. ließ der Gesandte einige Dolmetscher zu sich rufen und beauftragte sie, dem Gouverneur mitzuteilen, daß nunmehr seine Geduld erschöpft sei und er jetzt eine bestimmte Antwort haben oder doch wenigstens die Ursache wissen wolle, warum man ihn mit leeren Versprechungen von einem Tage zum andern vertröste. Daraufhin teilten uns die Dolmetscher geheimnisvoll mit, daß man in Jedo einen Reichsrat versammelt habe, um über Handelsbeziehungen mit Rußland zu beraten, nur dadurch sei die Verzögerung entstanden.
Da am kommenden Morgen des 30. Januar das japanische Neujahrsfest begann, wurden heute an jeder Pforte zwei Tannenbäume gepflanzt und diese unten am Fuß mit Holzscheiten umgeben. Über dem Eingang einer jeden Tür war mit Strohflechtwerk eine Trophäe angebracht, die aus einem gesottenen Krebs, einer Apfelsine, einer Kohle, aus vielen auf einem Stöckchen aufgespießten und getrockneten Früchten, zwei besonderen Tütchen mit Salz und Reis, einem Stückchen Seekraut (Fucus Saccharinus Linn.) und aus Bambusrohr mit Blättern und Farnkraut bestand.
Der Krebs, dessen Lebenskraft so stark ist, daß ganze Glieder (Scheren und Füße) wieder wachsen, ist bei den Japanern auch wegen seiner schönen roten Farbe das Sinnbild der Gesundheit. Die Apfelsine wird Dai-Dai genannt und bedeutet Nachkommenschaft, auf deren Vermehrung im neuen Jahr angespielt wird. Die Kohle heißt Sumi, womit der Japaner auch den Reichrum bezeichnet. Das übrige Beiwerk, das wahrscheinlich ähnliche symbolhafte Bedeutung hat, ist für die Bevölkerung gleichfalls unentbehrlich.
Am Abend wurde dem Gesandten ein im japanischen Geschmack sehr schönes Neujahrsgeschenk überreicht, wie es ein jeder Japaner dem andern entsprechend seinem Stande zuschickt. Das Geschenk für den Gesandten war für die hiesigen Verhältnisse sehr selten, weil es nur zwischen den vornehmsten und angesehensten Personen ausgetauscht wird. Es bestand aus einem sauber gearbeiteten Holzkästchen, darauf lagen zwei große runde Reiskuchen mit einem Krebs, einer Apfelsine, einem Stück Seetang, Salz und Reis, einer Kastanie, Feigen, Gras, verschiedenem Laubwerk, Stroh, und darauf, eine Zierschleife.
Am eigentlichen Neujahrstag machte ein jeder Japaner bis zum späten Abend Visiten und gab seine Billette ab. Dies dauerte drei Tage. Bei diesen und ähnlichen feierlichen Gelegenheiten tragen die Japaner ein besonderes Kleid, das vom Kaiser wie vom ärmsten Untertan über die gewöhnliche Kleidung gelegt wird. Es besteht aus hellblaugrauem Baumwollzeug, das bei allen von der gleichen Güte, von derselben Farbe und dem gleichen Zuschnitt ist.
Am 1.Februar traf ein Dolmetscher vom Gouverneur ein, der in diesem Aufputz dem Gesandten die Glückwünsche seines Vorgesetzten überbrachte und mitteilte, daß gestern wieder ein Kurier nach Jedo abgegangen sei, um die so lang ersehnte Antwort zu beschleunigen. Am 2. war der letzte Festtag, deshalb wurde am Eingang der beiden Tore der auf einem Ästchen aufgesteckte Kopf eines Strömlings angeschlagen; zugleich brachte man uns ein neues kleines Kästchen voll gerösteter Erbsen, die überall im Haus verstreut wurden, um böse Geister auszutreiben. Am 4. wurde der Festschmuck weggeräumt, und kleine Zweige mit Früchten wurden vor den Eingang gesetzt; es war das Zeichen des herannahenden Frühlings.
Endlich erhielten wir vom Gouverneur Nachricht, daß ein vornehmer Staatsbeamter von Jedo abgereist sei, der in einem Monat in Nagasaki erwartet werde. Da man uns sehr geschäftig bei den Ausbesserungsarbeiten an unserem Schiffe unterstützte, sich sehr für unseren Abreisetermin interessierte, glaubten wir nicht mehr, daß unsere Reise nach Jedo noch verwirklicht werden könnte.
Am 12. und 13. Februar wurden die Attribute des Neujahrsgeschenkes, nämlich Apfelsinen, Krebs, Stroh, Seegras usw., verbrannt und in der Mitte einer jeden Tür im Hause eine aus Holzspänen verfertigte zierliche Figur aufgehängt, um Krankheiten den Eingang in die Räume zu verwehren.
Mehrfach kamen Dolmetscher an Bord, um sich nach dem Fortgang der Arbeiten zu erkundigen. Unsere Fragen, wann wir denn endlich die Antwort aus Jedo erwarten könnten, wurden so ausweichend beantwortet, daß wir alle Hoffnung auf die Durchführung unserer Mission aufgaben. Und so war es auch. Am 12. März sagte uns ein Dolmetscher, daß der etwa in zehn Tagen eintreffende ``Große Herr´´ wahrscheinlich alle unsere Geschäfte in Nagasaki erledigen würde, so daß wir wohl im April oder Mai, wie beabsichtigt, wieder unter Segel gehen könnten. So wurden denn in den nächsten Tagen alle Anstalten getroffen, das Schiff wieder segelfertig zu machen.