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Für uns war es recht unterhaltend, wenn bei schönem Wetter Fahrzeuge mit neugierigen Menschen aus der Stadt gelockt wurden. Zuweilen kam ein ganzes Boot voller Kinder, so daß es den Anschein hatte, als würde einer ganzen Schule unser Schiff gezeigt. In anderen Booten waren Frauen, die nach ihrer reichen Kleidung der vornehmeren Klasse angehören mochten. In anderen wieder waren Mütter mit Kindern an der Brust, Mädchen mit Saiteninstrumenten, noch andere mit Fernrohren, die von Hand zu Hand gingen, kurz, alte und junge, verheiratete und unverheiratete untereinander. Die ersteren konnte man leicht bei ihrem öfteren Lachen an den schwarz gebeizten Zähnen erkennen, denn solange ein Mädchen unverheiratet ist, sind seine Zähne noch nicht gefärbt.
Auch am nahen Ufer war es sehr lebhaft. Ein kleiner Tempel in der Nachbarschaft unseres Ankerplatzes wurde häufig besucht. Interessant war es, diese Gruppen am Lande zu beobachten, wie sie z. B. mit zwei kleinen Stäbchen statt mit der Gabel den mitgebrachten Reis oder andere Speisen aus ihren schönlackierten Kästchen aßen.
Inzwischen hatte unser Gesandter energisch um den Besuch japanischer Beamter gebeten, die auch am 24. Oktober eintrafen. Herr v. Resanoff verhehlte ihnen gegenüber nicht, daß er es als Abgesandter des russischen Zaren als eine Herabsetzung empfinde, daß es ihm nach der langen und beschwerlichen Reise nicht erlaubt werde, sich an Land zu ergehen, um seine geschwächte Gesundheit wiederherzustellen. Die Japaner fühlten wohl die Berechtigung seines Unwillens und suchten alles auf die eigenartige Verfassung ihres Reiches und die Einhaltung ihrer Gesetze zu schieben. Als man sie fragte, wann der Kurier aus der Hauptstadt zurück sein könne, meinten sie, daß es noch 27-30 Tage dauern würde. Die Länge dieses Termins setzte uns in Erstaunen; um so mehr drangen wir darauf, in der Nähe unseres Ankerplatzes an Land gehen zu dürfen.
Am Nachmittag des 25. erlebten wir einen imposanten Aufzug. Es wurde ein großes, hohes und schönes, mit 36 bis 38 Rudern versehenes Fahrzeug unter taktmäßigem Geschrei von mehreren ansehnlichen Booten an unserem Schiff vorbeigezogen. Es führte nur eine einzige ponceaurote Flagge, in deren Mitte ein runder weißer Spiegel war, und wenige Ehrenstangen. Die Matrosen waren in dunkelblauen Kleidern mit einem weißen und blauen Querstrich über Brust und Rücken. Es wurde uns gesagt, daß der Neffe des japanischen Kaisers, Fürst Tschingodsin, an Bord sei.
Die Vorstellungen unseres Gesandten hatten wenigstens den Erfolg, daß der Gouverneur den Offizieren in der Nähe unseres Ankerplatzes einen Flecken, Kibatsch genannt, für Spaziergänge frei gab; unseren Matrosen war dazu keine Erlaubnis gegeben worden. Es war ein ringsum mit Bambusrohr eingefaßter Platz, der ungefähr zweimal so lang wie unser Schiff war; er war geebnet, aller Pflanzen beraubt und mit Sand bestreut worden. Ein kleines, nach vorn offenes Holzhäuschen sollte zum Schutz gegen Regen und zum Ausruhen dienen. Der Innenraum war etwa zwei Fuß erhöht und mit einem roten weichen Filzteppich belegt.
Der Gesandte hatte sich nach japanischer Sitte die kaiserlich russische Standarte vorantragen lassen und setzte sich im Häuschen auf einen Stuhl, den man von Bord mitgebracht hatte. Hierauf bewillkommneten ihn japanische Beamte im Namen des Gouverneurs und überreichten ihm ein Geschenk. Es bestand in einem zusammengelegten weißen, mit farbigen Papierfäden zusammengeschnürten, etwa drei Finger breiten Papierstreifen, an dessen beiden Enden kleine Stückchen von einem Fisch oder von einem Darm heraushingen. Zu gleicher Zeit brachten sie ein kleines, aus verschiedenen Einsätzen bestehendes neues und vom Gouverneur versiegeltes Kästchen, das Zuckerwerk enthielt. Die Japaner verließen uns bald, und auch wir begaben uns an Bord, denn es war kein Vergnügen, sich auf einem kleinen umzäunten Platz zu ergehen, auf dem sich zufällig drei Bäume befanden.
Heute, am 3. November, schloß ich mich einigen Offizieren an, die ohne den Gesandten an Land gingen. An das Lusthäuschen hatte man noch an der Vorderseite Schiebewände angebracht, die aus sehr regelmäßigen, mit Papier beklebten Fächern bestanden. Auch sonst waren Handwerker noch eifrig tätig. Dabei halfen Knaben von 12-13 Jahren schon als Tischler, hobelten, sägten und nagelten Bretter an. Ihre Werkzeuge waren in ihrer Form verschieden von den europäischen und mochten diesen wohl größtenteils überlegen sein.
Als am 8. November die Holländer die Anker lichteten, wurde unser Schiff bis auf drei Werst an die Stadt Nagasaki herangebracht und abgetakelt. Masten, Segelstangen, Balken und sonstige Geräte wurden an Land gebracht. Der anwesende japanische Dolmetscher sprach dabei derartig offen und freimütig wie kaum ein anderer zuvor. Alle die strengen Verfügungen der japanischen Regierung hielt er für lächerlich, bedauerte, ein Japaner zu sein, und äußerte den Wunsch, selbst fremde Länder zu bereisen. Er beklagte die Kurzsichtigkeit seiner Landsleute, schrieb sie der Erziehung des japanischen Kaisers und der Staatsbeamten zu und behauptete, die Untertanen seien nur deshalb blind, weil die Oberen selbst keine Kenntnisse besäßen und sich auch keine erwerben könnten. Der Mensch, sagte er, sei nicht geboren, um nur zu essen und zu trinken, sondern auch um sich zu unterrichten. Während seiner philosophischen Betrachtungen ließ er manches japanische Sprichwort mit einfließen, wie »Das Alter des Menschen reicht bis hundert Jahre, der Ruhm bis zur Ewigkeit«, oder »Des Menschen Leben ist kurz, sein Name kann ohne Ende sein«.
Die Kälte des nahenden Winters nahm tagtäglich zu und trug nicht zur Hebung unserer üblen Laune bei. Die Temperatur wechselte gewöhnlich zwischen 4 und 12 Grad. Die ärmeren Japaner auf den Fischerbooten und die Matrosen auf den Wachtfahrzeugen schienen morgens und abends nicht wenig zu frieren. Ihre einzige Bedeckung bestand in einem dünnen baumwollenen Kleid; nachts schliefen sie in den beinahe offenen Booten und hatten als Unterlage lediglich eine Strohmatte, als Decke ihre Kleider. Tagsüber trugen viele von ihnen überhaupt nur die Hüftbinde.
Am 1. Dezember abends sahen wir eine großartige Illumination auf Desima, dem Wohnort der Holländer; sie wirkte mit ihren mehreren hundert bunten Papierlaternen sehr geschmackvoll. Die holländische Faktorei versäumt nach Aussage der japanischen Dolmetscher keine Gelegenheit, um das Ansehen der Ostindischen Kompanie bei allen öffentlichen Gelegenheiten zum Ausdruck zu bringen, auch wenn ihr Handel jetzt unbeträchtlich ist.
In diesen Tagen meldeten Dolmetscher, daß für unseren Gesandten mit Rücksicht auf seine geschwächte Gesundheit und die vorgerückte Jahreszeit eine Wohnung zur Verfügung gehalten werde. Am 17. morgens kamen japanische Beamte an Bord und eröffneten dem Gesandten in feierlicher Form, daß der Gouverneur, obgleich er noch keine Anweisung dazu aus Jedo habe, aus besonderer Achtung für den russischen Bevollmächtigten eine Wohnung und für die Geschenke Magazinhäuser habe errichten lassen. Der Ort sei zwar klein und am Wasser gelegen, wie dies für die Niederlassungen aller fremden Nationen, die sich in Japan befänden, auch der Fall sei.
Einige Offiziere, die ich begleitete, wurden nun zur Besichtigung dieses Gesandtenhauses abgeschickt. Wir fuhren in unserer Schaluppe in Begleitung japanischer Fahrzeuge nach Megasaki – so hieß der für den Gesandten bestimmte Wohnsitz –, wo uns mehrere Dolmetscher die neue Wohnung zeigten. Es war ein einstöckiges Holzhaus mit neun Zimmern, alle mit neuen Strohmatten belegt, aber ohne Möbel, wenn man nicht mehrere große kupferne Kohlenbecken, die als Öfen dienten, dazu rechnen will. Die Fensterscheiben bestanden aus einem dünnen, nicht mit Öl getränkten Papier, das über ein niedlich gearbeitetes Fachwerk gespannt war. Wir fanden alles recht gut, und so zögerte unser Gesandter nicht, sich mit seinem Gefolge und der militärischen Ehrenwache auf das Fahrzeug des Landesfürsten von Fisen zu begeben. Dieses wurde trotz der an Bord befindlichen 60 Ruderer nicht gerudert, sondern von vielen kleinen Booten abgeschleppt, da dies nach Landessitte als vornehmer galt.
Das äußerst prachtvolle, 120 Fuß lange Fahrzeug besaß zwei Stockwerke, deren unteres von außen mit lilaseidenen Stoffen behangen und mit dem fürstlichen Wappen geschmückt war; das obere hatte Vorhänge aus Atlas in mancherlei Farben, die dem Ganzen ein buntes Aussehen gaben. Die Innenwände der verschiedenen Abteilungen waren sehr schön lackiert, der Fußboden teils überfirnißt und mit kostbaren Teppichen belegt. Das Hauptzimmer befand sich im untersten Stockwerk etwa in der Mitte des Bootes. Hier war das fürstliche Wappen an den spiegelglatten, schwarzlackierten Wänden mit Gold mosaikartig eingelegt, und Schirme mit kostbaren geschmackvollen Tapeten schmückten den Raum. Hier hielt sich nun der Gesandte auf, während die russischen Soldaten, von denen einer die kaiserliche Standarte hielt, auf dem oberen und hinteren Verdeck weilten.
Von zahllosen japanischen Fahrzeugen umringt, traten wir nun unsere Fahrt nach Megasaki an. Als wir die japanischen Wachthäuser und Festungen, in deren Nähe wir bisher vor Anker gelegen hatten, passierten, waren alle mit Soldaten besetzt, von denen einige Flinten, andere Fahnen, Standarten und kostbare Ehrenzeichen in der Hand hielten. Das nahe Ufer war von Tausenden von Menschen bevölkert, die dieses Schauspiel mit Interesse verfolgten. An Land wurde der Gesandte von mehreren japanischen Beamten empfangen; auch er fand die Unterbringung ziemlich gut. Die Küche war bereits aufs beste gerichtet, das Feuer brannte, das Wasser kochte, und Rindfleisch, Enten, Hühner und Reis standen bereit. Nach einer Stunde verließen uns die japanischen Würdenträger; die Tore unserer neuen Wohnung wurden von innen und außen verriegelt.