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Unsere Matrosen hatten sich unter dem günstigen Klima und bei der guten Verpflegung zusehends vom Skorbut erholt. Herr v. Resanoff hatte Korn und Hülsenfrüchte sowie gesalzenes Fleisch neben anderen wichtigen Lebensmitteln erstanden und verladen lassen. So konnten wir am 10. Mai (alter Zeitrechnung) die Rückreise antreten. Die spanische Kolonie, der wir für ihre gastliche Aufnahme soviel Dank schuldeten, winkte uns vom Strand noch lange Lebewohl zu.
Nach recht veränderlichem Wetter stellte sich schließlich ein günstiger Wind ein, so daß wir am 28. die Südspitze von Queen-Charlotte-Island sichteten und uns endlich am 8.Juni der Einfahrt zum Norfolk-Sund näherten.
In der russischen Niederlassung erwarteten uns keine guten Nachrichten. Ich selbst war des Aufenthaltes in diesen Breiten müde geworden und entschloß mich, an Bord des kleinen Schiffes, mit dem der amerikanische Freibürger DWolf nach Ochotsk segeln wollte, die Heimreise zu wagen. Am 19. Juni verließen wir frohen Herzens Neu-Archangel und erreichten glücklich am 16. Juli Kodiak. Die Niederlassung hatte dank der getroffenen Anordnungen des Herrn v.Resanoff bereits das Aussehen eines europäischen Ortes angenommen.
Nach Übernahme frischen Proviantes segelten wir am 24. Juli weiter. Ein furchtbarer Sturm ließ uns in der Bucht von Kukak an der Küste Alaskas Schutz suchen. Sofort kamen einige Boote auf unser Schiff zugerudert. In ihrem Äußeren sind diese Alasker wenig von den Konjägen auf Kodiak verschieden, eine Ausnahme bildete die Barttracht; denn hier zupften sich die Männer nicht die Barthaare aus, sondern trugen nach Art der alten Spanier einen Schnurr- und Spitzbart. Diese Leutchen waren von seltener Gutmütigkeit und begleiteten uns in die Bucht, in der wir gegen Abend Anker warfen.
Am nächsten Morgen stellten sich unsere Bekannten in Begleitung ihrer Frauen wieder ein. Auf unsere Aufforderung hin kamen sie ohne alle Scheu an Bord und brachten uns frische Fische und mancherlei Kleinigkeiten, wie Beutel, die aus Vogel- oder Seehundschlunden oder Fischhaut verfertigt waren, Schnüre aus gedrehten Wal- oder Rentiersehnen, geflochtene Körbchen, Mützen aus Zieselmausfell, Lippen- und Ohrschmuck u.a., wofür sie Tabak, Glaskorallen und Nähnadeln eintauschen wollten.
Da der Wind immer noch heftig wütete, besuchte ich mit Herrn DWolf die Sommerhütten der Eingeborenen am nordöstlichen Ufer der Bucht. Die Bewohner empfingen uns sehr freundlich in einer kleinen, mit Erde bedeckten und von außen mit Gras bewachsenen Hütte, deren Eingang so niedrig und schmal war, daß man nur gebückt hineinkriechen konnte. Alle saßen um das Hüttenfeuer, über dem ein Kessel mit Fischen hing. Einige kleine Salmen, die an einem Stäbchen aufgespießt und neben dem Feuer in die Erde gesteckt waren, wurden auf diese Art gebraten und uns mit Sarannawurzel vorgesetzt. Die letzteren hatten allerdings einen bittersüßen, unangenehmen Geschmack. Der Türöffnung gegenüber war der Fußboden mit Holzspänen und Heu bestreut, darauf lagen Seehundsfelle, auf die wir uns setzen mußten. Die Behausung war übrigens sauberer als die der Eingeborenen auf Kodiak. Auch waren hier die großen Lederboote so schön und vollkommen, wie wir Ähnliches in dieser Art noch nicht gesehen hatten.
Sitten, Gebräuche, Kleidung, ja selbst die Sprache, sind die gleichen wie auf Kodiak; nur in der Nahrung besteht ein merklicher Unterschied. Denn auf dieser amerikanischen Halbinsel leben eine Menge Rentiere und wilde Schafe, die von den hiesigen Bewohnern meist im Herbst gejagt werden und die ihnen Kleidung und Fleisch liefern.
Die Männer schienen ebensowenig eifersüchtig auf ihre Frauen zu sein, wie die jungen Mädchen freigebig im Verschenken ihrer Gunst waren. Die Gesichter einiger junger Frauen waren nicht unangenehm, aber durch die Tatauierung des Kinns und durch den Lippenschmuck sehr entstellt.
Am 29. Juli konnten wir endlich die Bucht verlassen und folgten nun vorsichtig unter wechselnder Witterung der Küste von Alaska, deren hohe, mit ewigem Schnee bedeckte Berge wir deutlich erkennen konnten. Wir machten sehr langsame Fahrt, so daß unser Kapitän veranlaßt wurde, Unalaska anzusteuern, um Proviant einzunehmen. Am 11. August liefen wir den Hafen Illuluk auf dieser Insel an. Hier wurde uns von einem interessanten Phänomen berichtet. Gerade westlich von der nördlichsten Landspitze von Unalaska steht in einer Entfernung von etwa 45 Werst ein Felsen. Den Alëuten ist er seit alter Zeit als Tummelplatz der Seehunde und Seelöwen bekannt und wurde gar manchmal zur Jagd aufgesucht.
Man schrieb das Jahr 1795, als die Eingeborenen in der Nachbarschaft dieses Felsens einen starken Nebel bemerkten, der auch bei heiterstem Horizont sich nicht verteilte. Dieser Zustand hielt jahrelang an und bekümmerte die Eingeborenen sehr, da sie ihre Jagdgründe nicht nützen konnten. Schließlich machte sich ein beherzter Alëute auf den Weg, um trotz des Nebels nach dem Felsen zu sehen und Seelöwen zu jagen. In großer Bestürzung kam er jedoch zurück und erzählte, daß die See in der Nachbarschaft des Felsens koche und daß der vermeintliche Nebel Rauch wäre. Niemand wollte nun diesen Ort, den man von bösen Geistern bewohnt glaubte, mehr aufsuchen, bis sich auf einmal im Jahre 1800 der Horizont aufheiterte und die Alëuten zu ihrem größten Erstaunen statt des bekannten Felsens eine völlig neue, vorher niemals bemerkte Insel sahen, die in der Form eines Piks unaufhörlich gleich einer Feueresse brannte und rauchte.
Während im Abgrund des Meeres die große Werkstätte der Natur in voller Tätigkeit war, spürte man in Unalaska beinahe in jedem Monat starke Erdbeben; besonders heftig und zum letzten Male geschah dies im Jahre 1802. Seit dieser Zeit hat der Vulkan zu rauchen aufgehört, dagegen tobte der Vulkan von Unalaska zum ersten Male wieder nach langen Jahren sehr heftig, und dieser wie die Vulkane auf Unimak und der neuen Insel brannten oder rauchten abwechselnd.
Am 17. August kehrten wir Unalaska den Rücken. Infolge heftiger Gegenwinde kamen wir nur langsam vorwärts, so daß wir uns, da die Jahreszeit weit vorgerückt war, entschließen mußten, auf Kamtschatka zu überwintern. Am 13.(25.) September erreichten wir endlich den Hafen St.Peter und St.Paul. Die Witterung war außerordentlich angenehm; seit unserer Abreise aus Neu-Archangel hatten wir keine so heiteren und warmen Tage gehabt.