Iwan Andrejewitsch Krylow
Fabeln
Iwan Andrejewitsch Krylow

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83. Der Löwe, die Gemse und der Fuchs

Der Löwe jagt die Gams auf Felsenstegen,
fast packt er sie schon im Genick,
das leckre Mahl schlingt schon sein gierig heißer Blick –
wie kam es ihm gelegen!
Die Gemse konnte sich, so schien's, nicht retten mehr,
denn eine breite Schlucht durchschnitt die Straße quer,
und doch verzagt das Tier noch nicht am Heile.
Es sammelt seine letzte Kraft,
und wie ein Pfeil vom Bogen
schnellt übern Abgrund es, der unten klafft,
und stehet drüben auf der Felsensteile;
der Leu sieht sich betrogen.
Da kommt sein Freund, der Fuchs, herangeschlichen,
wirft einen Blick auf diese schroffen Wände.
Und spricht: »Wie, du, der Starke, der Behende,
wärst einer solchen Ziege ausgewichen?
Wenn's dir beliebt, kannst Wunder du vollbringen.
Wenn auch der Abgrund gähnt, nur ein Entschluß,
und flugs wirst du hinüberspringen.
Glaub mir aufs Wort, ich sage, was ich muß,
und setzte nicht, als Freund, aufs Spiel dein Leben,
wär' es mir nicht bekannt,
wie kraftvoll du und wie gewandt.«
Im Löwen kocht das Blut, die Pulse beben,
dreist wagt er den gewalt'gen Sprung,
doch nimmer reicht so weit sein Schwung. –
Er überstürzt sich, fällt, sich nie mehr zu erheben.
Was hat sein edler Freund getan?
Er sucht zur Tiefe sacht sich eine Bahn,
und da er sieht, daß Schmeicheln und Hofieren
beim Leu zu nichts mehr führen,
so hat die Totenfeier er vollbracht –
und binnen Monatsfrist den Freund ganz kahl genagt.


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