Iwan Andrejewitsch Krylow
Fabeln
Iwan Andrejewitsch Krylow

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78. Der junge Kater und der Star

In einem Hause war ein Star –
ein schlechter Sänger zwar,
doch dafür kein geringer Philosoph.
Er machte freundschaftlich dem Katerchen den Hof,
dies junge Tier war groß, von Gliedern kräftig,
doch artig, friedlich und bescheiden;
drum mußt' es auch bei Tisch Verkürzung leiden.
Den Kater plagt der Hunger heftig,
er streicht betrübt umher,
er wedelt mit dem Schwanze so beweglich,
miaut so kläglich.
Da nimmt der Philosoph ihn in die Lehr'.
»Mein Freund«, sagt er, »du bist fürwahr zu simpel,
daß du gutwillig fastest,
derweil im Käfig vor dir hängt ein Gimpel.
Du wärst ein Kater nicht, wenn du lang spaßtest.« –
»Doch das Gewissen?« – »Oh, gar schlecht kennst du die Welt,
glaub mir, das Dogma vom Moralgesetz
ist nur ein leer Geschwätz,
davor erbebt kein Held;
das sind nur Vorurteile kleiner Seelen,
um die sich große Geister wenig quälen.
Wer in sich fühlt die Stärke,
geht, wie er will, zu Werke.
Beweise kann ich liefern und Belege.«
Alsbald wird sein Dozenteneifer rege,
es expliziert der Star gar gründlich sein System.
Dem Kater, der noch nüchtern,
klingt das ganz angenehm,
und nun auf einmal nicht mehr schüchtern,
heraus den Gimpel reißt er, frißt ihn auf.
Der Bissen schmeckt, wenn er auch satt nicht macht.
So weit hat er es nun gebracht,
und munter nimmt die Sache ihren Lauf.
Die nächste Lektion
hört er mit größtem Nutzen schon,
man wird gleich sehn:
Er sprach zum Star: »Mein Freund, ich danke schön,
daß du mich aufgeklärt« –
und hat den Lehrer selber dann verzehrt.


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