August Kopisch
Allerlei Geister
August Kopisch

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Nun waren wir mit unsern Zeichnungen fertig. Wir beschlossen, die Höhle weiter zu untersuchen, ich nahm die Laterne und ging spähend voran, die andern folgten. Wir kamen zuerst links in ein labyrinthisches Gewölbe von Tropfsteinen, und gingen über hohle Krusten hin, die uns, oft nur einen halben Zoll stark, dennoch sicher trugen.

Diese Abteilung der Grotte mündete wiederum mit einer Art Tor nach der größeren, eine der prächtigsten Ansichten gewährend. Wir kehrten wieder um, und fanden, mehr rechts gewandt, einen längern Gang. Diesen verfolgend, trafen wir einige Steine an, die wie Mauerwerk aussahen. –

»Hier ist ein Schatz, und der ist mein!« rief der Eigentümer, und warf sich darüber hin. Wir mußten herzlich lachen. Es fand sich nichts. Der Schatzsüchtige ließ sich indes nicht irre machen, und die Szene wiederholte sich an andern Stellen zu unsrem Vergnügen noch mehrere Male, bis ein kleiner Vorfall ihn auf einmal aus aller Fassung brachte. Indem er nämlich immer eifrig vor mir her ging, stutzte er plötzlich, und kam so eilig zurückgestürzt, daß er mir die Laterne beinah aus der Hand schlug.

»Was gibt es denn da?« fragte ich verwundert.

»Hört!« war seine Antwort, dabei drängte er sich leichenblaß an mich heran, und ich fühlte, wie er zitterte. Der Eseltreiber und der kleine Pagano legten die Hand auf die Lippen, schwiegen und zitterten ebenfalls; mein Reisegefährte sagte: »Nun?« und Totenstille war um uns her. Nun vernahm man deutlich einen Schall, der wie »piong, pang, pang, pang, pang« aus der schwarzen Tiefe des Ganges ertönte. – »Das ist nur Tropfwasser auf hohlen Stein!« rief ich aus, »vorwärts!« Damit schritt ich weiter voran; aber bald ging es sonderbar: hielt ich die Laterne niedrig, so brannte sie schlecht; hielt ich sie höher, brannte sie heller. – »Seht, wie wunderlich es hier bestellt ist! In der Höhle geht es nicht richtig zu, machen wir, daß wir hinauskommen!« flüsterte der Eigentümer den beiden andern Capreern zu, und alle drei bekreuzten sich.

»Hier ist nichts als schlechte Luft!« sagte ich zu den Erschreckten.

»Ja, ja, die allerschlimmste!« meinten sie; »gehn wir im Namen Gottes wieder hinaus!« – Wir Fremden hielten es nun selbst für das Beste wieder umzukehren, aber bevor wir das in Ausführung brachten, leuchtete ich noch ein wenig voran mit hochgehaltener Laterne. Da sahen wir an einer Stelle des Bodens etwas gleich einem schweren weißen Rauch gelagert. Wir hielten dieses Etwas für ein sogenanntes böses Wetter, und verweilten einen Augenblick, es zu betrachten; denn wir hatten nie dergleichen gesehen. Die Capreer aber beschworen uns, umzukehren und tappten bereits ins Dunkel zurück. Keiner von ihnen wollte der Hinterste bleiben. So lächerlich uns dieses eilige Forttaumeln anfänglich vorkam, so ernsthaft wurden wir, als wir bemerkten, daß wir nicht mehr in dem Gange waren, in dem wir zuerst hereingekommen. Das wirre Tappen der Voranstürzenden ließ mich den Irrtum selbst im Schein der Laterne nicht eher erkennen, bis der Ort, den wir erreichten, von den früheren Stellen auffallend verschieden war. »Gott erlöse uns!« riefen die Capreer. Da der Gang, in welchem wir uns nun befanden, aber viel geräumiger und regelmäßiger als der erste war, legte ich einige Steine in gewisser Ordnung als ein Merkzeichen an die Stelle nieder, wo wir den Irrtum erkannt, und ermahnte alle, diesen Gang ebenfalls zu untersuchen. Wahrscheinlich sei dieser der rechte Hauptgang, indem der andere für ein Römerwerk zu kleinlich erscheine, den andern aber würden wir nach dem Merkzeichen schon wiederfinden. Die Capreer baten mich flehentlich, das neue Unternehmen aufzugeben, und mein Freund wollte mich eben auf den Mangel des Öls in unserer Lampe aufmerksam machen, als sie plötzlich wirklich erlosch. – Da standen wir auf einmal in undurchdringlicher Finsternis, verirrt und ratlos; denn selbst das Merkzeichen, das ich eben hingelegt, vermochten wir, da mehr Steine umherlagen, in der dichten Dunkelheit nicht mehr wiederzufinden. »Wir müssen hier verhungern,« war das erste Wort meines Freundes; »hier finden wir nun und nimmer hinaus!« – Die Capreer klapperten vor Angst, wie in großer Kälte, und murmelten Gebete zu allen Heiligen. Ich, der mir die Schuld an aller Unglück beimaß, mußte alle Kraft zusammennehmen, die Besinnung nicht zu verlieren.

»Hier bleibt nichts übrig,« rief ich aus, »als daß wir auf Gott vertraun! Einer muß hier in irgendeiner Richtung fest stehen bleiben, wir andern vier aber müssen rings umhertappen und nach Ausgängen suchen, so gut es sich tun läßt. Durch Zurufen halten wir uns wohl zusammen und finden uns nach dem Stillstehenden so lange zurecht, bis wir unsern Zweck erreicht haben.« –

Mein deutscher Gefährte fand den Vorschlag nicht ohne Sinn, und half mir eben die Capreer zur Ausführung ermahnen, als ein furchtbares Geschrei wie das Geheul eines wilden Tieres durch die Finsternis zu uns herdrang. Unwillkürlich drängten wir uns alle aneinander. – Das Geschrei wiederholte sich. –»Gott sei Dank, es ist Angelos Stimme!« rief Michele, der Eseltreiber, »die Höhle macht den Schall nur gräßlich. Es ist Angelo, er ruft Michele!« – »Wahrhaftig ist es ein Engel!« rief ich.Der Name Angelo bedeutet einen Engel. »Er ist nicht weit, nun finden wir uns wohl hinaus!« – Wir gingen vorsichtig, bald rufend, bald horchend, in langer Linie dem Schalle nach, und der Vorderste war nicht fünfzig Schritte vorgedrungen, als er rief: »Ich sehe einen Schimmer, wir haben gewonnen!« – »Wir haben gewonnen!« rief einer dem andern zu, und nicht lange, so erblickte auch der Letzte das gehauene Fenster wieder. Nach der schrecklichen Dunkelheit erschien uns das Wunder des blauflammenden Wasserspiegels in doppelter Pracht, und alle begrüßten wir den guten Angelo mit einem jubelnden eh viva! Er schaukelte noch immer in seiner Kufe, das Feuer war jedoch ausgebrannt, und da wir so unendlich lange blieben, meinte er, es sei uns ein Unglück zugestoßen, und er hatte halb aus Angst für sich, halb aus Angst für uns, so furchtbar geschrien. Wir stürzten uns nun alle zusammen, aus Lust wieder in den unterirdischen Himmel. Er wallete nun stärker vom zunehmenden frischen Winde, und Angelo trieb uns, die Grotte zu verlassen. »Wollt Ihr die Insel noch umfahren, so haben wir zu eilen!« – Noch einmal erklommen wir das unterirdische Gestade, packten unsere Mappen und Feldstühle in die Kufe die das Feuer getragen, warfen uns wieder in das schöne Element, und schwammen entzückt hinaus, ohne das Wunder seiner Farbe nur irgend begriffen zu haben, ich aber mit dem festen Vorsatz, es ein andermal bis auf den Grund zu durchforschen. – Die Capreer dünkten sich nun Helden und blickten stolz auf den Eingang. »Wir sind doch wieder herausgekommen! Sant Antonio hat uns behütet!« – »Die Leute in Capri werden stehn und den Mund aufsperren!« meinte der Eseltreiber, packte die Kufen in das kleinere Boot, und bestieg es mit dem jungen Pagano; der alte war mit einem Fischer auf einem andern nach Capri gefahren. Wir bestiegen mit Angelo das große.

»Rudert uns niemand als Ihr?« fragte ich.

»Seid getrost,« antwortete Angelo, »ich bin Euch für zwei!« Damit ergriff er zween Ruder, hing sie an die Pflöcke, und fuhr uns aus der kleinen Bucht, links gewandt, um den nordwestlichen Teil der Insel. Dort fanden wir noch viele kleine Höhlen, und, da der Wind immer frischer wurde, an den unzähligen Rissen wunderschöne Brandungen. In einer keilförmigen Enge stiegen die Wogen immer zu einem Strahl empor, und schmückten sich, zerstäubt herabregnend, mit Irisfarben. Als wir, die vielen Klippen umfahrend, südlich kamen, gingen die Wogen immer höher, während die Ufer immer unerklimmbarer und mächtiger emporstiegen. Wir hatten Gelegenheit, unsern Angelo zu bewundern. Ganz allein bezwang er mit seinen zwei Ruderflossen all den Schwall schäumenden Wassers. Unsere Barke, mit ihren gemalten Augen, schoß gleich einem Delphin auf und nieder. Mein Freund konnte das prächtige Schauspiel von Angelos Kühnheit auf den Wogen nicht genießen. Er hatte kurz zuvor das Fieber gehabt, und vom Schaukeln empfand er Kopfweh.

»Sant Antonio!« scholl es auf einmal aus Angelos Munde. Ein Ruderpflock war in dem mächtigen Kampfe mit den Wellen gebrochen. Das Ruder aber trieb, Angelos Hand entschlüpft, auf dem donnernden Gewoge wider die Felswand. Ich erschrak, denn mit einem Ruder in solchem Aufruhr, was sollte da aus uns werden? Selbst schwimmend hätten wir nicht landen können, denn die zackigen Ufer hoben sich fast steilrecht über tausend Fuß hoch. Die Gefahr wurde durch unterseeische Klippen vermehrt, deren Anwesenheit der unregelmäßig emporspritzende Schaum verkündete. Ich bemerkte auf einer Zacke der Felswand einen Mann, der, an einem Seil herabgelassen, Gestrüpp fällte. Er lehnte das Beil hin und schlug die Hände zusammen, als er uns in solcher Gefahr sah. Er schien uns gern beistehen zu wollen, aber weiter herabzukommen war ihm unmöglich, an Hilfe von seiner Seite war daher nicht zu denken. – Doch Angelo hatte seine Fassung von Sant Antonio bereits wiedererhalten, und wußte mit dem einen Ruder das Boot nicht allein von der Felswand abzuhalten, sondern zugleich so zu lenken, daß ich, den günstigen Augenblick ersehend, das verlorne Ruder wieder erhaschen und ihm hinreichen konnte. Ehe er sich, einen Pflock zurück, damit wieder einzurichten vermochte, nahm uns eine ungeheure Woge, und trieb uns so wider die steile Wand, daß wir vor Entsetzen aufschrien; – aber Angelo hatte es bereits mit beiden Rudern der Woge abgewonnen, hielt ab, und weit zurückrollend, trieb sie uns fern von den umbrandeten Felsen. Der Holzfäller schrie von oben: »Bravo Angelo! bravo!« und wir riefen es von Herzen mit. Es war in der Tat ein Meisterstück der Ruderkunst. Angelos ganze Gestalt hatte sich in dem verhängnisvollen Moment erhöht. Die Ruder wuchsen ihm plötzlich in die Hand, sein Auge blickte fest, seine Füße wurzelten am Boden, ein sicherer Druck, und – wir waren gerettet. – Unser Beifallruf veränderte sein Gesicht wenig, er arbeitete ruhig fort; nach einigen Minuten aber sah er die Felswand, dann mich an, und sagte: »Gott sei Dank, saß Ihr mir das Ruder gabt, so sind wir entkommen!« – Dazu schlug er mit der Hand den neuen Pflock fester, und warf sich aufs neue mit Kraft in die Ruder.

Nun gelangten wir, etwas entfernt, mehreren Höhlen vorüber, deren schönste die »dell' Orefice« (des Goldschmieds) ist. Sie durchbohrt ein vorspringendes Riff gerade unter der zweitausend Fuß hohen Spitze der Insel. Das Durchfahren war uns diesmal unmöglich. Später habe ich diese durch bunte Farbe der Wände sehr merkwürdige Grotte zuweilen besucht. An einer Stelle zusammengestürzt, bildet sie eine kleine stille Bucht. In diese flüchtete sich einst ein Capreer Fischer vor einem verfolgenden Barbareskenschiff. Die Seeräuber glaubten ihn gefangen zu haben, wenn sie sich ruhig vor den Eingang der Bucht legten. Zum Glück für den Schiffer aber wußten sie nicht, daß er durch den Felsen entkommen könne, und lauerten noch immer vergeblich auf sein Wiedererscheinen, während er schon längst fröhlich bei den Seinigen angekommen war.

Jenes Riff umfahrend, gelangten wir bald zum Sirenenfelsen. Auf diesem platt vorliegenden Steine sahen wir schon von fern einen Mann und einen Knaben stehn und uns mit beiden Armen winken. Als wir näher kamen, hörten wir ihr Rufen. Es waren Michele der Eseltreiber und der kleine Pagano. Wir landeten in der sandigen Bucht neben dem Steine. Da sagte uns Michele: Don Pagano sei, weil die See so hoch gehe, in Angst um unser Leben und habe ihn herabgeschickt, nach uns zu sehen und uns das Weiterfahren abzuraten. Mein Gefährte, den ein Rückfall seines Fiebers schüttelte, beschloß mit dem kleinen Pagano nach Hause zu eilen und stieg ans Land. Ich aber veranlaßte Michele, sich mit in das Boot zu setzen und Angelo rudern zu helfen. Mit einem Satz war er bei uns und ergriff das Ruder. Nicht lange, so waren wir unter dem Berge Madonna della libera. Derselbe bildet mit seinem tausend Fuß hohen Zackengipfel nach dieser Seite fast nur eine Nische, so ungeheuer wölbt sich die schon erwähnte rettende Grotte, welche dem Berge den Namen della liberazione, Berg der Befreiung, gegeben, woraus unstreitig libera verstümmelt ward. An seinem Absturz befindet sich noch in ziemlicher Höhe eine zweite Höhle, wo hinein ein Gang aus dem nun verlassenen Karthäuser Kloster führt. Unten am Ufer aber ist mehr östlich die mächtige Grotte des Tiberischen Arsenals, mit vielen Trümmern römischen Mauerwerks. Nunmehr kamen wir den einzeln im Meer stehenden, bis dreihundert Fuß hohen Felsentürmen, den Faraglioni, immer näher und näher. Die Wogen umbrandeten sie mit furchtbarer Gewalt. Nun öffnete sich das prächtige Tor, welches der eine der Felsen bildete. So gewagt es bei der hochgehenden See schien, so mutig steuerten die beiden Männer unsere Barke hindurch; ja, als sie merkten, daß ich die Wände und Decke des Tores betrachten wollte, hielten sie an, und führten ihre Ruder so geschickt, daß ich, freilich gefährliche, Muße hatte, die schönen Tropfsteinbildungen zu betrachten, womit der ungeheure, gleichsam gothische Felsenbogen geschmückt ist. Der hohe Gipfel dieser Klippen wird beständig von Seevögeln umschwärmt und ist überall voll von deren Nestern; zuweilen wird er von mutigen Jünglingen erstiegen. Oben auf soll eine sehr mannigfaltige Vegetation sein.

Als uns die dunkelblauen Wogen zwischen den prächtigen, hier und da goldgelben Klippen hindurchgeschwungen hatten, entfaltete sich der überraschende Anblick des südöstlichen Ufers. Etwas Wilderes und Zerrisseneres von Felsküste habe ich nirgends angetroffen. Hier ist ein Überfluß an den mannigfaltigsten Formen von Zacken, Hängen, Abstürzen, Klüften, Toren, Rissen, Spalten und Land- und Meergrotten und nichts malerischer, als die Ansicht der Insel von Südosten im Mittagslicht. Es ist bisher keine Darstellung derselben bekannt geworden, vermutlich, weil die hier fast beständig hochgehenden Wogen das Zeichnen nach der Natur verhindern. Wir wurden gewaltig geschüttelt und fanden das Meer erst ruhiger, als wir in die Nähe der Mönchsgrotte kamen. Ich bat meine Schiffer, da zu landen, und fand die Grotte voll der schönsten Tropfsteine. In ihrem Innern wölbt sich eine zweite Grotte, wo hinein das Meer dringt, über ihr aber noch eine kleinere, wo die Tropfsteine Ähnlichkeit mit einer Prozession haben, wenigstens ist der eine vordere leicht für einen Mönch zu halten. Von diesem mag die Grotte den Namen del Monaco, des Mönches, haben. Wieder in die Barke gesprungen, schaukelten wir nun um das östliche Ende der Insel, unter der Jupitervilla Tibers und ihrer Grotte hin. Dort waren wir von der tausend Fuß hohen Felswand vollkommen gegen den Wind gedeckt. Dies kam uns um so erwünschter, als das Meer am nördlichen Strande, an welchem wir nun hinfuhren, mit lauter kleinen Klippen besät ist. Wer bei nur etwas Wind dazwischen gerät, ist verloren, denn sie sind von der Brandung so ausgewaschen, daß nur ihre härtesten Adern noch übrig sind, diese aber haben die Gestalt von Disteln mit unzähligen Stacheln. Einige ragen mit nur ganz dünnen Stielen über das Wasser. – Je mehr wir uns nun dem Ort unsrer Ausfahrt näherten, je schneller schwangen Michele und Angelo die Ruder; und wieder um eine Menge ins Meer hinabgerollter Felstrümmer fahrend, gelangten wir endlich in die nun ersehnte Bucht von Capri. Die Barke rauschte auf den Strand, und wir sprangen auf den Uferkies hinab. Die Leute, welche wir am Ufer trafen, sahen uns mit einem heimlichen Grauen an, stießen sich mit den Armen und sagten: »die kommen aus des Teufels Behausung« (casa del diavolo). Ich lachte und rief ihnen zu: wir brächten einen bösen Geist in einem Sacke mit; ob sie ihn sehen wollten? – »Sagt nicht so etwas!« fing Michele an, »die Leute glauben es wirklich und halten uns am Ende für Schwarzkünstler, das wäre nicht gut!« – Nun trat ich zu den Leuten, und sagte ihnen, daß ich gescherzt, und dazu, daß diese Grotte ebensowenig des Teufels Wohnung sei, als irgendeine andere in die sie täglich gingen. – Die Leute behielten aber, ich mochte sagen was ich wollte, ihr Grauen vor dem Unternehmen. –

Ich machte nun dem guten Angelo ein Geschenk für seine Tapferkeit, und ging mit Michele den langen Weg nach Capri hinauf.

Als wir bei des Notars Wohnung anlangten, kam die ganze Familie des Notars mir entgegen. Jedes gab mir eine Blume und drückte seine Freude darüber aus, daß wir alle glücklich am Leben geblieben seien und mit heiler Haut davon gekommen. »Wir haben aber auch für euch gebetet,« sagten sie, und nun erfuhr ich, daß der gute Canonico, während wir in der verrufenen Grotte waren, eigends eine Messe zum Heil seines leichtsinnigen Bruders gelesen, wobei das ganze Haus desselben, inbrünstig betend, gegenwärtig war. Die Freude der liebenswürdigen Leute, daß ihr Gebet erhört worden, war unbeschreiblich. Sie nahmen an unserem Mittagsmahle teil, und waren sehr empfänglich für alle unsere Scherze. Ich sagte ihnen: Angelo hätte eine Sirene gefangen von wunderbarer Schönheit; er halte sie in einem Netze im Meere, weil wir ihm gesagt, sie könne sterben, wenn er sie aus dem Wasser hier heraufbrächte. Die jungen Mädchen wollten schon nach der Marine hinab, sie anzusehen, als ich sie auslachte und sie den Scherz merkten. Bei dem Nachtisch fing der Notar an: »Don Augusto, jetzt laßt uns von etwas Ernsthaftem reden. Unsere Grotte da ist ein solches Weltwunder, daß sie wohl viele Fremde hier nach Capri locken könnte; macht davon eine Beschreibung in mein Fremdenbuch, wer weiß, ob das nicht mir und meinen Kindern zugute kommt.« – Ich war gern erbötig, seinem Wunsche zu willfahren, und schrieb ein – was nun schon viele gelesen und abgeschrieben haben. Als ich die Feder dazu ansetzte, hielt Don Pagano meine Hand zurück, und sagte: »Aber Don Augusto, noch eins! Wie nennen wir die Grotte? – bis jetzt hat sie noch keinen Namen.« – Ich las in seinen Zügen den Wunsch, ich möge sie nach seinem Namen Grotta Pagano nennen; ich hätte ihr auch diese Benennung gegeben, aber da ich ihn gleichsam erst mit Gewalt hineingebracht, hielt ich ihn der Ehre nicht völlig würdig, und antwortete ihm daher: ich wisse keinen besseren Namen für dieselbe vorzuschlagen als den: Grotta azurra, die himmelblaue Grotte. –

»Azurra?« fragte der gute Notar.

»Ja,« sagte ich, »azurra.«

»Azurra? – was soll das azurra heißen?« fragte er kopfschüttelnd.

Ich umschrieb ihm das Wort, so gut ich konnte.

Nachdem er eine Weile bedenklich geschwiegen, sagte er: »Mein lieber Don Augusto, azurra ist kein gutes Wort.«

»Warum nicht?«

»Weil es niemand versteht, es klingt so besonders!«

»Nun,« sagte ich; »das schadet nicht, die Grotte ist auch etwas Besonderes.«

»Ja,« sagte er, »das wohl; aber – fuhr er mit freundlicher Höflichkeit fort – warum gebt ihr der Grotte nicht lieber Euren Namen?« – Er erwartete nun, daß ich ihr aus Gegenhöflichkeit den seinigen geben würde; ich sagte ihm jedoch: meinen Namen könne in ganz Italien niemand aussprechen; überdies sei Angelo mit dem Feuer vorangeschwommen, und wolle man sie nach einem von uns nennen, müsse sie ganz allein nach dem ersten benannt werden. Ich zöge indeß vor, sie mit dem Namen azurra zu bezeichnen, dieser werde die Neugier der Fremden weit mehr locken, als irgendein Menschenname. »Nach Menschen heißen so viele Grotten!« schloß ich meine Rede.

»Ja, aber – fing Don Pagano wieder an – azurra ist kein gutes Italienisch!«

»So?« meinte ich, »soll ich Euch aus Büchern beweisen, daß es ein gutes Wort ist?« –

»Was bedarf es der Bücher? Ich bin ein geborener Italiener, und weiß, daß es weder gesagt noch geschrieben wird.«

»Herr Notar!« sagte ich, »laßt uns einmal in Eurer Bibliothek ein bißchen nachsehen, ich will das Wort schon finden!« – Ungern folgte er dahin, und noch ungerner sah er es, als ich ihm dasselbe Wort in sehr vielen Schriften nachwies. – Dennoch sträubte er sich dagegen, und meinte: »Aber lieber Don Augusto, hier auf Capri versteht es niemand.« – »Nun,« sagte ich, »die Fremden werden es schon verstehn, die lesen Eure Poeten, bei denen kommt das Wort oft genug vor! – Warum seid Ihr nicht zuerst in die Grotte geschwommen? dann hätte ich sie Grotta Pagano genannt.« – »Ja, sagte der Notar, ich war ein rechter * * * daß ich zurückblieb; aber in dem Augenblick fielen mir meine Kinder ein, und, ich leugne es nicht, auch die Geschichten von meinem Bruder, dem Canonico. Nun also gut, ich habe die Ehre nicht verdient; so heiße sie Grotta azurra!« – Damit ergab er sich in alles, und ließ mich schreiben was ich wollte.

Das angenehme Gefühl, von einem Phänomen so außerordentlicher Schönheit überrascht worden zu sein, wo ich nur alte Trümmer vermutet, ward dadurch bis zum Überreiz erhöht, daß das zauberisch flammende Blau des Wassers in der Grotte für mich damals ein unerklärbares Rätsel geblieben war. In Gedanken schwankte ich noch beständig auf dem unterirdischen Himmel umher, mit der schwindelnden Empfindung, als müsse ich in die unabsehbare Unendlichkeit fallen und fortfallen, wie man es wohl im Traum zu tun pflegt, und ich gab mir alle ersinnliche Mühe, irgendeinen Grund der wunderbaren Lichterscheinung aufzufinden; aber vergeblich. Diese fruchtlose Bemühung versetzte mich zuletzt in eine peinigende Unruhe, die natürlich nicht eher enden konnte, bis ich die Grotte von neuem untersucht. Da das Wetter fortwährend stürmisch war, litt ich mehrere Tage an einer wahren Hypothesenqual. Endlich heiterte der Himmel sich auf, und eines Nachmittages trat völlige Windstille ein. Da eilte ich, wie ich konnte, allein nach der Marine hinab. Der Strand wimmelte von Fischern, und ich gedachte nun augenblicklich ein Boot zu mieten und hinzufahren, aber – Angelo war nicht da, und keiner von allen den Schiffern wollte mich auch nur in die Nähe der Grotte fahren. Ja, sie riefen sich mein Begehren von einem Ende zum andern zu, und so weit ich sehen konnte, sah ich nichts, als die rechte Hand an den Hals halten – zum Zeichen der Verneinung. Die Leute traten auch wunderlich in Gruppen zusammen, murmelten untereinander und zeigten mit beiden Händen nach mir. Ein sehr alter Mann aber sprach zu mir: »Mein Herr, seid gesegnet, in der Höhle ist der Teufel.« – Was ich auch dagegen sagte und bot, niemand wollte Hand ans Ruder legen, »und wenn Ihr hundert Dukaten bötet!« schrien sie. Endlich, nachdem beinahe der Abend herangekommen war, schaukelte Angelo von der Tunnara her, in einem ganz kleinen Boot, ans Land. Ich lief ihm entgegen, und so müd er war, fand ich ihn doch bereit, meinen Wunsch zu erfüllen. Seine Freunde wollten ihn zwar von der Fahrt abreden, aber er sagte ihnen: »Gott hilft uns, was will uns da geschehn?« – »Was will uns da geschehn?« rief noch eine Stimme. Es war Michele, der mich von fern gesehen, und sich sehr willig bezeigte, das Wagestück noch einmal mitzumachen. Ich stieg mit ihm ein, und pfeilschnell durchfuhr das Boot die spiegelglatte Fläche. So ruhig war das Meer an jenem schönen Abende, daß Angelo, als wir bei der Grotte ankamen, sagte: »Heute brauchen wir nicht zu schwimmen, die See hat gar keine Wogen: ich will sehen, ob ich nicht mit dem ganzen Boot durch den Eingang schlüpfe.«

Gesagt, getan, wir schaukelten, drückten und bogen den kleinen Nachen in jener Enge so hin und her, daß er endlich plötzlich, wie geschnellt, in das Innere der Grotte fuhr. »Sant' Antonio!« rief Angelo, nahm die braune Kappe vom Kopf, faltete die Hände und fing an zu beten.

»Was habt Ihr, Angelo, welche Furcht befällt Euch?« fragte ich.

»Ja,« meinte Angelo, »herein wären wir nun; aber – wie kommen wir wieder heraus? Mein Schiffchen ist ganz zerschunden, so eng ist die Pforte; ich fürchte beinahe, wir müssen ewig hier bleiben!« –

»Kommt Ihr auch aus solchen Aberglauben?« sagte ich. »Habt guten Mut! Bringen wir die Barke nicht hinaus, wenn wir darin sitzen, so schöpfen wir sie halb voll Wasser und stoßen sie schwimmend hinaus.« –

»Ihr habt recht: so geht es!« meinte Angelo nun; »aber unsre Kleider werden naß werden!« – »Immerhin!« sagte ich.

Indessen waren wir in den Hintergrund der Grotte gekommen, und das Schauspiel, welches sich nun unsern Augen bot, war ganz neu und von unbeschreiblicher Anmut. Die Grotte war nämlich, da die Abendsonne an den Eingang schien, weit mehr erhellt, als an jenem Morgen, und ihre vielzackige Wölbung zeigte sich in voller Farbenpracht, wo sie heller war, leicht gespiegelt von dem himmelklaren Wasser. Ich ließ die Ruder einziehen; da ruhte das liebliche Element beinahe völlig, und man hätte es für den blauen Himmel selbst ansehn können, wären nicht bald hier, bald da, silberne Tropfen von der Decke herabgefallen, die es, melodisch tönend und blaue Funken stiebend, mit einem anmutigen Spiel von wallenden Ringen schmückten. In dieses melodische Geträufel stöhnte dann und wann, wie eine atmende Menschenbrust, die leise Brandung, erst außerhalb, dann innerhalb der Grotte. Ich sah nun auch Scharen von einer Art kleiner Fischchen, die, obwohl sie sonst bunt wie Kolibris erscheinen, hier wie schwarze Schwalben in dem Himmel unter mir umherflogen. Wie man ein fernes Gebirge zu erkennen glaubt, wähnte mein in das Blau hinabspähendes Auge nun endlich den Boden des Meeres in der Grotte zu erkennen. Ich machte die Schiffer darauf aufmerksam, wie die fast gelbbraunen Pfeiler, welche das Gewölbe trugen, mit einem grünlichen Schimmer unter dem Wasser fortgingen und in tiefster Tiefe einen weiten Felsenkessel umgäben. Da sie aber immer behaupteten, es sei der Spiegel des Gewölbes über uns, ließ ich endlich einen Stein, der sich im Boote vorfand, leise hinabsinken. Nach langer Zeit sah ich denselben sich, wo ich vermutet hatte, von Luftbläschen umgeben, wie einen Klumpen Silber lagern, und mein Beweis war geführt. – Ich zeichnete die Grotte nunmehr noch von zwei andern Punkten. Dabei bemerkte ich, wie das Blau nicht vom nördlichen Eingange her, sondern an der westlichen Felswand am hellsten leuchtete; auch schienen mir die Pfeiler daselbst nicht weiter hinunter fortzugehn, sondern nur gleichsam ins Wasser hineinzuhangen. Ich untersuchte den Fels mit dem Ruder, und fand, daß er unter dem Wasser, nach dem äußern tieferen Meer hin, eine ungeheure Öffnung hatte, so daß ein guter Taucher unter diesem Felsen hinweg in die Grotte hinein und heraus schwimmen könnte. Diesen Weg nehmen denn auch die Lichtstrahlen, und da das Wasser die Beleuchtung in die Grotte fortsetzt, während ihm selbst das tiefere Meer zum dunkeln Hintergrund dient, muß es als ein erleuchtetes Mittlere, gleich der Luft des Himmels am Tage, notwendig blau erscheinen, und eben so blaues Licht verbreiten. Da der Boden in der Grotte selbst erleuchtet ist, nimmt das Blau nach ihrem Innern hin allmählich ab, und wird mehr und mehr ein stumpferes Grüngrau, bis wo die Brandung an den bunten Saum der Felsen anschlägt und das empfangene Licht brillantiert vielfarbig zurückwirft. Ich ließ nun ein Ruder still in das Wasser halten, und die Beleuchtung desselben an verschiedenen Stellen der Grotte bestätigte meine Meinung, bis ich endlich, recht aufmerksam hinschauend, das ganze unterseeische Tor und den nach außen schroff abschüssigen Meergrund vollkommen unterscheiden konnte. Ein Gewimmel von Fischen, das nun hereingezogen kam und ebenso wieder hinausschwamm, ließ endlich darüber gar keinen Zweifel mehr übrig; – das Wunder war erklärt, und doppelt entzückt, vermochte ich mich kaum vom Ort zu trennen. Endlich machte mich Angelo darauf aufmerksam, wie es schon dunkler und dunkler werde. Die Sonne war im Sinken, – da eilten wir hinauszukommen; aber Eile mit Weile: wir mußten noch große Geduld anwenden, ehe die Dämonen uns entließen! Das Boot war zu breit, auch begann nach Sonnenuntergang ein Lüftchen Wellen aufzuregen, wodurch unsere Arbeit noch mehr erschwert wurde. Endlich stemmten wir uns gegen die Decke des Einganges, drückten das Boot etwas ins Wasser, und sieh, es gelang. Wir entkamen diesmal trocknen Fußes. Angelo rief: »Gott sei Dank, daß meine Barke heraus ist! hätte ich sie darin lassen müssen, so würde ganz Capri sagen, der Teufel habe sie behalten, und mich für nichts Gutes ansehn!« – »Ja,« meinte Michele, »schon wegen neulich betrachten die Meinigen mich als eine halb verlorne Seele!« –

Hoch erfreut von dem glücklichen Ausgange meines zweiten Besuches der Grotte, kehrte ich zu Don Pagano und meinem deutschen Freunde zurück.

Wie oft ich später auch in die Grotte, unter vielerlei anmutigen Verhältnissen, geschwommen und gefahren bin, wovon sich manches erzählen ließe, stehe hier zum Schlusse nur noch die kurze Schilderung eines Besuchs, den ich ihr in Gesellschaft des jungen kühnen Fürsten von T. und des Grafen von L. bei ziemlich heftigem Sturm gemacht. – Wir hatten mehrere Tage auf Capri vergeblich auf ruhiges Meer gehofft, so daß Fürst T. ungeduldig ward, und, als ein guter Schwimmer, dem Sturm zum Trotz das Eindringen in die Grotte zu erzwingen beschloß. Als er sich davon nicht abreden ließ, zeigten sich Graf L. und ich ebenfalls zu dem Abenteuer bereit. Nur mit Mühe wurden Angelo und Michele zur Fahrt beredet. Wir nahmen ein ziemlich großes Boot, und unsere Ruderer kämpften sich durch die weißschäumenden Wogen bis zur Bucht der Grotte hin.

»Hier ist die Grotte!« sagte ich.

»Wo?« fragte der Fürst. – Es war nichts von dem niedrigen Eingange zu sehen: die geschwollenen Wogen verbargen ihn gänzlich. Auf einmal, als die Woge hohl ging, erschien er in der Tiefe. – »Da unten ist der Eingang!« rief ich hastig. –

»Nun gut,« meinte der Fürst, »so erscheint er doch dann und wann, und wir können am Ende doch hinein schlüpfen?« Mit diesen Worten war er schon auf einen vorspringenden Felsen hinausgesprungen, und lud uns ein, ein Gleiches zu tun. – Angelo und Michele rangen nun wieder mit dem weißen Geschäum, und brachten das zurückgeworfene Schiff, nicht ohne Gefahr, wieder so nahe, daß Graf L. und ich ebenfalls hinausspringen konnten. Fürst T. hatte sich bereits zum Schwimmen entkleidet. Vergeblich versuchten wir ihn, indem wir uns auch entkleideten, von dem Wagstück abzureden. Ehe wir uns dessen versahen, war er von unsrer Seite verschwunden. – »Um Gottes willen, wo ist er hin?« rief Graf L.

»Gewiß ist er schon hinein!« antwortete ich, »es ist entsetzlich genug! Er kann an den Felsen zerschellt sein!« –

»Das ertrag ich nicht!« rief der Graf, »ich muß ihm nach!«

Ich wollte ihn zurückhalten und an seiner Statt hineinschwimmen; aber mit mir zugleich warf er sich wie verzweifelt auf das Wasser, und mit hohler Woge hineingeschlüpft, sahen wir uns in einem Augenblick in der Mitte der Grotte. Den verwegenen Fürsten fanden wir unversehrt. Jubelnd und jauchzend schwamm er in dem himmelblauen Aufruhr hin und her, und wir beide stimmten ein in sein entzücktes Rufen, welches freilich von dem Donner der Brandungen weit überhallt wurde. Das Schauspiel, welches sich unsern Blicken darbot, war in Wahrheit einzig. Zuweilen kamen die Wogen so hohl an, daß sie das unterseeische Tor auftaten und das Tageslicht unter dem Felsen durchschimmern ließen. Dann war die Brandung im Innern der Grotte furchtbar schön; denn wenn sie anschlug, war Tor und Eingang schon wieder geschlossen, und sie schlug über als eine mächtige blaue Lohe, wozu der zerstiebende Schaum sich wie Rauch gehabte. Kam die Woge jedoch voll an, so schoß ein voller silberner Strahl bogenförmig zum Eingange herein, und zerstob mit blauem Feuerregen auf dem innen tobenden Gewässer, das ein Geroll von Millionen Edelsteinen darstellte. –

Wir konnten uns des Anblicks nicht ersättigen, und wurden, immer hin und her schwimmend, endlich so kühn, daß wir zum Scherz hinaus- und hereinschwammen; zuletzt schwammen wir zu dem außen kämpfenden Boote, wo wir von Neapel mitgebrachte Wachsfackeln, Laterne, Feuerzeug, Meßstricke und ein gutes Frühstück, alles in eine Kufe gepackt, holten, und glücklich im Innern der Grotte landeten. Wir ließen in der Kufe nur einen langen Strick, woran ein gewaltiger Stein hing, und schwammen damit nach der Mitte des Bassins, dessen Tiefe zu messen, die – bei dem gewaltigen Gewoge natürlich, jeden Augenblick eine andre war. Wir ließen den Stein hinabfahren, dessen Strick sogleich einen von uns auf einen Augenblick mit hinabriß. – Nachdem wir das mittlere Maß in den Schwankungen genommen, gab das Heraufziehen des Steines unendlich viel zu lachen; denn weil derselbe so schwer war, tauchte jeder Heraufziehende immer etwas ins Wasser nieder, während die Wogen uns alle, samt der Kufe und dem Strick, auf die lächerlichste Weise durcheinander wirbelten. Endlich hatten wir den Stein wieder in der Kufe, und maßen nun die Grotte nach andern Richtungen. Wir fanden sie etwas über hundert Fuß lang, nicht völlig so breit und das Wasser darin halb so tief. Die sehr ungleiche Höhe der Wölbung über dem Wasser schätzten wir an ihrem Gipfel etwas über dreißig Fuß. – Nach dieser, eben nicht haarscharfen, aber doch nicht überschätzenden Messung stiegen wir am Innern Landungsplatze aus, wenn man ein Emporgeschleudertwerden und hastiges Anklammern, wobei wir ziemlich zerschunden wurden, irgend so nennen darf. Wir saßen dennoch sehr bald herzlich vergnügt auf der umgestülpten Kufe, und verzehrten, das prächtige Toben des Elementes betrachtend, gemütlich unser Frühstück. Aber als die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war, entzündeten wir die Fackeln, und eilten den Gang Tibers zu untersuchen. Wir drangen weiter vor als das erstemal, zuletzt aber verengte sich der Gang durch zum Teil neue Tropfsteinbildungen so, daß zuerst ich, dann der Fürst zurückbleiben mußten. So weit der schlankere Graf L. vorgedrungen war, wurde er zuletzt doch ebenfalls geklemmt, und mußte umkehren. Das Zurückgehen war nicht so leicht als das Hineingehn. Wir waren an einigen Stellen leicht hineingeschlüpft, aber beim Herausgehn hatten wir oft stachlichte Zacken gegen uns, so daß wir nicht mit heiler Haut durchkamen. – Den großen Gang, den ich bei meinem ersten Besuche der Grotte gesehen, konnten wir mit aller Anstrengung nicht wiederfinden. Hier und da sahen wir die Decke neu eingestürzt, und es ist zu vermuten, daß er so geschlossen worden. Die Fußtapfen, welche der erste Besuch der Grotte dem weichen Schlamm eingedrückt, fanden wir nun schon in harten Stein verwandelt. – Nach den herabgefallenen Tropfen der Wachsfackeln fanden wir uns sicher nach dem Landungsplatz hin, und warfen uns wieder in das prächtige Element, zogen die Kufe mit den Geräten hinein, und stießen sie jubelnd vor uns her durch den Eingang, erklommen den Felsen, und sprangen, schnell angekleidet, wieder in unser Boot. Da der Wind von Norden wehte, beschlossen wir, trotz der Bewegung des Meeres, die Insel zu umfahren, fanden auch die Wogen an der Südseite so mäßig, daß wir die Fahrt mit wahrem Behagen vollbrachten.

Seit jener Zeit wird die Grotte mehr und mehr von Einheimischen und Fremden besucht. Manchem erzählenden Dichter hat sie die Szenerie zu Episoden und Märchen geliehen; ich begnügte mich hier, einiges von dem zu schildern, was ich darin wirklich erlebt und erblickt habe. –


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