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Auf der glückseligen Insel Ischia, die mit allem Segen Gottes reichlich überschüttet ist, lebte zu einer Zeit ein vornehmer Mann, von den Leuten schlechthin Don Antonio genannt, welcher in seiner Lebensweise von den meisten seinesgleichen das Widerspiel war. Er verprahlte sein Geld nicht in der Residenz, weder mit schönen Tänzerinnen noch Sängerinnen, auch ward es weder verbankettiert noch vertändelt noch verspielt, noch auf schönen Pferden vergalloppiert. Er überließ die Verwaltung seiner Güter auch nicht, wie viele Herren, den Händen habgieriger oder fahrlässiger Schaffner, hielt es auch nicht für wohlgetan, alles in Bausch und Bogen zu verpachten, um in Gemächlichkeit gleichsam den Rahm von der Milch zu essen, während andre sich mühten und plagten. Nein, er hielt es für sehr anständig und vornehm, wirklich Herr der Scholle zu sein, womit Gott ihm ein Geschenk gemacht und zwar ein ziemlich ansehnliches: denn er besaß manches Obst- und Ackerland in den Niederungen am Meere, manche schöne Lehne mit guten Reben, dazu wohlgebaute Landhäuser mit mancherlei zierlichen Kunstwerken ausgeschmückt, alles sehr fröhlich und wohlgelegen. Seine gewaltigen Thunfischnetze ließ er weit ins Meer hinbreiten, seine Wachtelnetze hing er wie Spinneweben über alle Klippen.
Aber fröhlicher als alles dieses war der Herr selber, ein rascher rühriger Witwer. Sein Wahlspruch war: »des Herrn Auge macht die Kühe fett; aber nicht wenn es blind ist.« Daher kam ihm die Gewohnheit: mit allem, die seine Güter ihm bewirtschaften halfen, sehr häufig und genau zu rechnen, damit er beständig wüßte, wie er mit jedem daran wäre; »denn was man auf die lange Bank schiebt, verfault,« sprach er und war überall hurtig hinterdrein. Er bezahlte keinen Tagelohn; sondern sprach zu den Leuten: »wie viel wollt ihr, wenn ihr mir dies und das arbeitet?« und handelte sehr scharf; doch, wenn er zuletzt die Arbeit wohl bestellt fand, gab er manchen Groschen zu, so daß die braven Arbeiter fröhlich von ihm nach Hause gingen und nicht darben durften. Wer aber faul war, kam des geringen Lohnes wegen lange nicht wieder und, kam er endlich, so arbeitete derselbe Mann viel mehr als vorher – wegen der Groschen, welche der Herr zulegte. Daher kam es, daß alles Volk, welches da herum lebte, die Arbeit lieb gewann und den weisen Don Antonio: denn er war keineswegs geizig. Er war den Faulen nur genau, damit sie emsig würden, und teilte sonst gern mit, wo es not tat. Almosen jedoch gab er auch nur sparsam. Er sah lieber zu, wie er die Leute gründlich wieder aufbrächte, und pflegte darum nicht erst dann zu helfen, wenn einer schon ganz darniederlag; sondern wo er einen Ehrlichen sahe, der sich plagte mit seiner Wirtschaft und doch mehr zurück als vorwärts kam, – zu dem ging er hin und fragte: »Freund, wie steht es?« Und wenn er alles erforscht hatte, sprach er weiter: »ich will dir einen Rat geben: so und so mußt du es machen; aber ich sehe, deine Mittel sind zu schwach; darum komm zu mir und hole dir Werkzeug, silbernes und eisernes, damit magst du wirtschaften. Ich will dir Zweig und Samen geben und doch sehn, ob ich recht habe mit meinem Rate.«
So und noch viel besser wußte Don Antonio mit den Leuten zu sprechen und stand allen bei mit Rat und Tat und schlichtete manchen schlimmen Handel. Daher kamen alle Sorgenvollen auf der Insel zu ihm, und wem er half, der achtete sich damit gelobt und nahm sich zusammen, daß er seinem Helfer keine Schande machte. Durch solche Dinge war Don Antonio bei Vornehm und Gering groß angesehn. Sein aufrichtiges Tun und Treiben war so herrlich, daß er sich gar nichts damit vergab, wenn er schlichthin mit jedermann sprach und scherzte; dazu waren seine Reden in allen Stücken anmutig zu hören für jeden, er mochte sein wer er wollte, und wo ehrliche Leute fröhlich waren, sparte Don Antonio nichts, er gab mit Freuden her und lachte mit.
Da ihm nun jung und alt so zugetan war, so war, wie sich leicht denken läßt, auch großer Segen auf allem, was der weise Don Antonio bestellen hieß; besonders aber waren seine Fruchtfelder unter dem schönen Himmel ein beständiges Grünen, Blühen und Ernten. So viel geschah bei Don Antonio, daß man von Jahr zu Jahr die Gegend nicht mehr wiedererkannte. Die Regenbäche, welche sich im Winter von allen Bergen stürzten, ließ er nicht so wild ins Meer hineintaumeln. Nein, er verschloß sie bald oben in großen Klüften, aus denen er sie erst im Sommer wieder herausließ, die dürren Hänge zu wässern; denn er sagte: so ist die Erde: lassen wir sie dürsten, so läßt sie uns dürsten. Und wo er einen kahlen Felsen sah, sprach der fröhliche Mann vor seinen Leuten: »warte, du fauler Stein, du bratest dahier an der Sonne! Von dir wollen wir bald Wein trinken!« Und hieß Terrassen umherbaun und aufschütten, die er mit Reben umzog, immer bis zum obersten Gipfel hinan, so daß man wenige Zeit darnach die allerbesten Trauben lesen konnte, wo vorher der klirrende Felsen war.
Aber, aber, je schattiger es um Don Antonio rings auf allen Klippen wurde, – je lichter ward es auf seinem eigenen Haupte, und als er eines Tages seiner Gewohnheit nach auf freiem Felde gebetet hatte, hielt ihm sein alter Diener Pietro die Hand, womit er das Käppchen wieder aufsetzen wollte, und sprach, indem er des Herrn Schädel recht eigens betrachtete: »aber, mein lieber Don Antonio, wie werdet Ihr kahl!« –
»Jawohl, du alte Haut,« sprach Don Antonio lächelnd, »alles ist eitel! die Blätter fallen von den Bäumen. Doch – was tuts? – Wenn man nur munter ist, und frisch arbeiten kann.« –
Da sprach Pietro wiederum: »Aber mit Verlaub, gnädiger Herr, für wen plagt Ihr Euch so Tag und Nacht? Was hilft Euch all das Zeug, die vielen Felder und Schlösser, wenn Ihr so allein seid und keinen Sohn habt, dem Ihr alles nachlassen könnt? Es ist endlich Zeit, daß Ihr das Witwerkissen wegtut und wieder an das Heiraten gedenkt, eh Euch die paar Haare vollends ausgehn!« –
Da sprach Don Antonio: »Lieber Pietro, ich denke Tag und Nacht daran; denn ich will auch nicht von der Welt wegbrennen wie ein Talglicht, von dem nichts nachbleibt wie die letzte Schnuppe. Ich will gern heiraten, dazu sind aber zweie nötig.« –
»Ih, die zweie sind da,« sprach Pietro wiederum. »Geht nicht so lange Zeit um das schöne Weib, die junge Witwe herum, die Euch so gern sieht. Herr, wartet so lang Ihr wollt, schöner wird sie doch nicht! Also, flink zugelangt, so ist beiden wieder geholfen.«
»Flink zugelangt ist bald gesagt, lieber Pietro; doch Donna Teresa . . . .«
»Eh! Donna Teresa, gnädiger Herr,« fiel Pietro ein, »nehmt es mir nicht übel – aber Ihr seid ein wunderlicher Mann. Ihr seid herzhaft und entschlossen wie ein altes Pferd in allen vier Elementen, fürchtet Euch auch vor keinem Christen noch Heiden; nur vor den paar schwarzen Augen, da werdet Ihr wie ein Kürbiß. Wie oft soll ich meine Mütze noch mit Füßen treten, wenn ich Euch so mit ihr stehn sehe? Immer sag ich da bei mir selber: sprich, sprich, Don Antonio! Jetzt ist es Zeit! Drück ab, drück ab! Feuer! – Aber prosit die Mahlzeit, Ihr tut die Lippen nicht voneinander!« –
»Du redest, wie du es verstehst,« sprach der Herr wiederum. »Es schwärmen jetzt Freier um sie her, die ihr besser gefallen, Leute mit vollen Locken.«
Da sprach Pietro wieder: »Eh! Locken oder nicht! Wenn man aus allen Freiern in der Welt nur einen Mann macht – Ihr seid mehr wert wie alle zusammen! – Mein lieber Herr Don Antonio, wenn das Weib Fenster im Kopfe hat, muß sie doch sehen, daß Ihr viel frischer ausseht unter Eurer Glatze, wie die zwei jungen Maulaffen unter den Haarschnecken, welche sie alle Tage braten und ringeln; und muß denn auch ein Freier just überall rauh sein wie ein Bär? Glaubt mir, gerade die Glatze, wie sie jetzt ist, kleidet Euch viel besser, wie das Gemengsel von Haaren, das Ihr sonst hattet!«
»Mach keine Possen,« sprach der Herr lächelnd, »die Weiber sehn uns mit andern Augen und haben den Kopf der Männer lieber unten glatt als oben!« Hiermit brach Don Antonio das Gespräch ab und hieß Pietro weiter arbeiten.
Nicht lange darnach, zur Zeit des Karnevals, geschah es, daß zwei Grafen aus Neapel bei ihm einsprachen, um eine bedeutende Summe Geldes von ihm geliehen zu erhalten. Er empfing die Herren freundlich und bewirtete sie in seinem städtischen Palast zu Ischia, daß sich die Tafeln bogen, weigerte sich jedoch, ihnen die Summe vorzustrecken, weil sie dieselbe, wie er wohl bemerkte, nicht zur Verbesserung ihrer sehr vernachlässigten Güter, sondern nur zum Verprassen auf dem neapolitanischen Karneval haben wollten. Seine Weigerung traf die stolzen Herren sehr empfindlich, dennoch wußten sie, so lange sie noch in seiner Gesellschaft waren, den Ton der feinsten Höflichkeit zu halten. Der Ärger über den mißlungenen Plan brach erst aus, als Don Antonio sie an der Tür seines Palastes entlassen hatte. Da blieb der eine der Herrn, Don Ottavio, stolz und verachtend stehen und rief ihm über die Schulter nach: »geh zu, Kahlkopf!«
Dieses Wort hörte Don Antonio zwar nicht mehr, denn er war schon in das Haus gegangen; aber mehrere Leute, die auf der Straße standen, vernahmen es wohl und ein alter Sackträger sprach entrüstet zu dem Grafen Ottavio: »Herr, Ihr mögt sein wer Ihr wollt; aber einem Ehrenmanne, wie Don Antonio, dürft Ihr hier zu Lande dergleichen nicht nachrufen!«
»Geht es dich an, was ich rede, du Lasttier?« fragte Don Ottavio und ging stolz dahin.
Aber der Mann trat ihm munter in den Weg und sagte: »ja, Herr, uns Ischiesen geht alles an, was einer von Don Antonio spricht. Hier bin ich, tretet auf mich; aber von Don Antonio redet künftig wie es sich gebührt!«
»Ja, ja, seid artig, Herr Kavalier!« rief ein Zweiter, der alles mit angehört.
»Zieht den Hut ab, wenn Ihr Don Antonios Schafe seht!« sprach ein Dritter.
»Gurgelt Euch mit Rosenwasser, wenn Ihr seinen Namen in den Mund nehmt!« rief ein Vierter und sprang ihm keck in den Weg.
Da stand Don Ottavio still und sprach stolz zu seinen Bedienten: »schafft mir das Gesindel vom Halse!« Da stellte sich der erste Mann wieder vor ihn hin und fragte: »Wo ist denn hier ein Gesindel? Ich sehe keines. Aber Ihr, Herr, seht Euch vor, Ihr seid hier nicht zu Hause! Wir sind freie Ischiesen, die für Don Antonio durch alle vier Elemente gehn!«
»Was hat er denn mit Don Antonio?« fragten neugierige Schiffer, die hinzutraten. –
»Ih! Erst wirft er Don Antonio einen Kahlkopf nach, nun nennt er uns ein Gesindel!« –
»Er schimpft Don Antonio einen Kahlkopf und uns ein Gesindel!« rief alles empört.
»Macht mir Platz!« rief Don Ottavio wieder seinen Bedienten zu, und als diese nicht vortraten, wollte er selbst einige Leute, die vor ihm standen, seitwärts drücken; aber – diese standen wie die Mauern. Da wurde Don Ottavio noch heftiger und schalt immer mehr; denn er war, wie mancher Zornige, der Meinung, damit durchzudringen; – aber die Ischiesen verstanden das Schelten noch besser, und es ward ein so großer Lärm in der Straße, daß Don Antonio wieder aus seinem Hause kam. Als er nun sah, wie seine Gäste von den Leuten aufgehalten wurden, rief er: »Liebe Kinder, was macht ihr? Laßt sie frei gehn, es sind meine Gäste!« Da ließen alle Hände von dem Fremden ab, und der Schwarm öffnete sich vor Don Antonio. – »Der Herr da nennt uns ein Gesindel,« riefen einige. Da sprach Don Antonio beschwichtigend: »Herr Ottavio, Ihr habt sehr unrecht, diese Männer nicht nach Würden zu ehren. Ihr würdet dies auch gewiß tun, wenn Ihr sie kenntet. Es sind brave Leute, die mit ihren Armen manches Nützliche schaffen: Weingärtner, Fischer und Ackerleute. Doch ihr, liebe Kinder, müßt nicht gleich so heftig zufahren, wenn jemand, der euch nicht kennt, ein Wort fallen läßt, das niemandem gefällt.«
»Wisset, Herr Antonio, wir mußten wohl heftig werden, da er Euch beschimpft.«
»Warum aber sollte er mich denn beschimpft haben?«
»Warum, wissen wir nicht,« sagten einige, »aber er rief Euch einen Kahlkopf nach.«
»Nun, wenn es weiter nichts ist! Ein Kahlkopf bin ich wirklich,« sprach Don Antonio und nahm das Käppchen ab: »das weiß die Sonne, die mir die Haare wegsengt. Geht in Frieden, meine Herren. Ein Kahlkopf ist ja kein Schimpf, so lange die Ehrlichkeit nicht aus Zöpfen geflochten wird. Die Kahlköpfe sind mitunter die bravsten Leute. Da seht einmal hier den alten Delfin, den Fischer Jakob an. Er ist ein Kahlkopf, wie man ihn nur wünschen kann und doch – wer mag mit ihm um die Wette schwimmen, rudern und Netz werfen? Ist er nicht allemal der erste, wo es gilt, und hält er nicht das Steuer, wenn alles verzweifelt?«
»Mit Gottes Hilfe, das ist Euer schöner Mund, der das sagt,« sprach Jakob, Don Antonio den Ärmel küssend; »aber in Wahrheit, laut sag ich es vor allem Volk, mein Kahlkopf ist mir zur Ehre geworden, seit Don Antonio einen trägt!«
»Dergleichen Ehren gibt es mehr!« sprach ein andrer fröhlicher Mann und klopfte sich auf den Schädel.
»Hier auch!« sprach ein Dritter und zeigte seine Glatze.
»Hier ist wieder ein Kahlkopf!« rief ein Vierter, und neigte sich, damit alle das sehen könnten.
»Hier mein Mann ist auch einer!« rief ein muntres Weib und schob ihren Gatten vor.
»Mein Vater ist auch ein Kahlkopf!« rief ein kleiner Knabe.
»Heran, ihr braven Kahlköpfe!« rief der alte Jakob jubilierend. »Kommt daher und genießt die Ehre, die euch Gott beschieden, denn Don Antonio ist ein Kahlkopf!«
Beschämt, ohne nur eine Entschuldigung zu wagen, entfernten sich die Fremden; aber sie sahen noch von weitem, wie sich um Don Antonio immer mehr Kahlköpfe versammelten, Leute von allen Ständen, die es sich zur Ehre rechneten, zu sein wie er. Ja, der jubelnde Schwarm brach zuletzt in ein lautes Geschrei aus: »Es lebe Don Antonio, der brave Kahlkopf!« Don Antonio aber schüttelte allen freundlich die Hand und rief verwundert aus: »Der Tausend! welche Menge von blanken Schädeln!«
»O, in Casamicciola sind mehr wie hier!« riefen einige.
»In Lacco sind noch viel mehr!« riefen andre. –
»Nun, da möcht ich erst alle beisammen sehn, die auf der ganzen Insel sind,« sprach Don Antonio lachend, »da müssen ihrer ja sein wie Sand am Meere!« –
»Ja, ja, die Ischiesen sputen sich, daß sie flink kahl werden,« sprach ein leichtfertiger Vogel: »aber keinem läßt es so hübsch wie Don Antonio!« – Und alle riefen von neuem: »es lebe Don Antonio, der brave Kahlkopf!« Hiermit hoben ihn die nächsten besten auf ihre Schultern und trugen ihn, er mochte sich wehren wie er wollte, schwebend in sein Haus zurück. Dieser wunderliche Triumphzug ging dicht unter einem Balkone vorüber, auf welchem Donna Teresa mit Antonios lockigen Nebenbuhlern stand. Sie lachte von Herzen über den Spaß, den sie von Anfang mit angesehen, und nickte freundlich., Don Antonio konnte kaum den Gruß erwiedern, so schnell trug man ihn dahin, und das Volk jubelte noch lange vor dem Hause, als er schon auf seinem Zimmer war.
Der brave Mann freute sich herzlich über die harmlosen Äußerungen des Volkes und die wunderlichen Ehrenbezeugungen; doch gestand er sich zugleich, die Feier seines Kahlkopfes wäre ihm überall lieber gewesen, als gerade unter dem Balkone seiner Dame. »Nun, des Himmels Wille geschehe!« sprach der fromme Philosoph und ging wieder an seine Geschäfte.
Aber da es nun einmal Karnevalszeit war, ging das fröhliche Volk auf dem Markte nicht so bald auseinander. Im Gegenteil, es sammelte sich von neuem, als ein Freund des Gefeierten erschien, ebenfalls ein Kahlkopf, Don Carlo genannt, der ihm ziemlich glich an Reichtum und Sitten, aber weit ausgelassener und phantastischer zu scherzen pflegte. Er hatte so eben eine fröhliche Tafel verlassen und des lieblichen Weines nicht zu viel und nicht zu wenig genippt, sondern gerade genug, um in der allerbesten Laune gleichsam zu schweben. Als er nun über den wilden Schwarm von Kahlköpfen erstaunt, nach der Ursache des gewaltigen Gelächters und der sonderbaren Versammlung fragte, drängten sich, ihm den Vorfall zu erzählen, alle heran, wie Beeren sich, wenn sie voll wird, um den Stiel der Traube drängen. Alle Kehlen schrien und jedermann erzählte, die nahe standen, mit Worten, die ferne waren, mit Gebärden, bis Don Carlo sich die Ohren zuhielt und die Augen fest verschloß und selber schrie: »Schweigt! Ich weiß nun alles! Still und hört was ich euch sage!« Nach diesen Worten war es nicht so bald still, nein, alles schrie nun immer wieder von neuem: »Still und hört, was Don Carlo sagt!« bis auch dieses Geschrei leiser und leiser endlich in eine Totenstille verscholl.
»Nicht so feierlich!« sprach Don Carlo, »denn was ich sagen will, ist nicht zum Weinen! Die Geschichte da ist nicht mit Golde zu bezahlen, wiewohl euer Vortrag nicht viel besser war als tausend Ohrfeigen! Besonders war dahier ein Mann mit einer Trompetenstimme, der gleich einer Traufe beständig dasselbe Wort sprach, so daß ich zulegt nichts mehr hörte wie das; aber das war gut; denn es war ein Wort von Don Antonio! Sprich es noch einmal aus, Checco!«
Da trompetete Checco wiederum: »Don Antonio hat gesagt: er möchte wohl einmal alle Kahlköpfe beisammen sehn, die auf der ganzen Insel sind.«
»Ja, ja, das hat er gesagt!« riefen alle.
»Bravo!« rief Don Carlo: »er hat es gesagt und es soll geschehn! Ich habe schon manche Woche vergeblich über ein Karnevalsfest für meinen braven Don Antonio nachgedacht; nun aber will ich ihm eins geben, wie Meer und Erde und der Himmel da oben noch nicht gesehen hat. Also vernehmt: Auf übermorgen nachmittag sind hiermit alle guten ehrlichen Kahlköpfe, womit unser nach allen Seiten hin fruchtbares Eiland Ischia so reichlich gesegnet ist, Don Antonios Geburtstage zu Ehren, von mir zu einem großen Freudenfeste geladen und zwar in meinen Palast am Meere, zur Stunde, wenn Don Antonio sein Mittagsschläfchen hält, welche Stunde jedermann bekannt ist, weil wir alle zur selben Zeit ebenfalls zu nicken pflegen.«
»Aber, Don Carlo, womit wollt Ihr so großes Volk bewirten?« fielen einige Stimmen ein.
»Sonderbare Frage! – Mit Essen und Trinken!« sprach Don Carlo; »hier gilt das Wort, welches der gewaltige Redner Stomachus schon oftermalen ausgerufen: Tu dich auf, Keller und Speicher, und zeige dein Inwendiges! He! Antoniello, Pangrazio, Ricciardo, Pepo, Checco, Lunardo, Raffaele, Paolo, Giacomo, Pandolfo, Carluccio, Ciccio, kommt daher! Ihr seid in solchen Dingen die Flinksten! Auf, besorgt euch Trommeln, und sind nicht genug Trommeln da, so nehmt Kessel, damit geht auf der ganzen Insel umher, trommelt und macht Spektakel, singt und ladet ein!«
»Prächtig!« riefen alle.
»In was für Versen?« fragten einige.
»Ich will sie keinem vorschreiben,« sprach Don Carlo, »denn ihr seid insgesamt große Poeten! Reimt frisch darauf los, lockt sie wie die Wachteln in meinen Weizen!«
»Etwa so?« fragte Pepo und sang:
»Pittperwitt! Pittperwitt! Volle Spieße, volle Töpfe! Pittperwitt, ihr kahlen Köpfe! Von Don Carlo seid geladen, Pittperwitt, zu Wein und Fladen! Pittperwitt! Pittperwitt! Maccaroni wird es graupeln, Pittperwitt, und viel zu knaupeln! Don Antonio zu Ehren, Pittperwitt, gibts viel zu zehren! Pittperwitt! Pittperwitt! Schön maskiert zu Saus und Brause, Pittperwitt, kommt her zum Schmause! Keiner bleib in seiner Klause! Pittperwitt, es gilt keine Flause! Pittperwitt! Pittperwitt!« |
»Pittperwitt, Pittperwitt!« sangen alle mit Pepo, schnappten, wie er, mit den Fingern dazu, und tanzten und sprangen wie die Ziegenböcke.
»Bravo!« rief Don Carlo, »singe jeder, was ihm einfällt!«
»Hoch lebe Don Carlo!« schrie nun der ganze Schwarm, und die er aufgerufen, liefen nach Trommeln und Kesseln, während er weiter sprach: »wir, liebe Kinder, wollen indeß nicht müßig sein. Ich will euch meine großen Netze herausgeben, damit wollen wir alles, was Fisch heißt, aus dem Meere ziehen, auf daß kein Mangel sei. Etliche müssen nach dem Walde von Cumä hinüber rudern und Austern von FusaroVom See Fusaro, dem alten Acheron. , holen, der Jagdmeister des Königs wird mir schon ein fünf bis sechs wilde Schweinchen ablassen, vielleicht auch ein paar Hirschchen oder Rehchen. Rebhühner haben wir hier auf der Insel, die Schnepfen und die Kibitze, die Kaninchen und die Hasen werden uns auch nicht alle fortflattern und entlaufen, und ist das Wilde nicht zu haben, so spickt man das Zahme; nur Hund und Katzen lassen wir den Mailändern; sonst halten wir uns an alles was da ist. Von Hühnern, Enten und Truthähnen wimmelt es überall auf meinen Höfen, um Kälber und Ochsen wird auch keine Not werden, so lange wir noch da sind. Maccaroni und Fedelini und Broccoli und Sicilianer Artischocken und Selleri wird sich alles finden, wenn man nur darnach sucht. Die Stadtbäcker sollen Brot und Kuchen backen. Die Weinfässer dürfen nur angebohrt werden. Glaubt mir, es wird sich alles machen.«
»Hört, Don Carlo, da kommen sie schon mit Trommeln und Kesseln,« unterbrachen ihn einige, »berrumpumpum, berrumpumpum, papiongpingpang!«
»Still da!« rief Don Carlo; »Don Antonio soll noch nichts davon merken; es wäre wohl hübsch, wenn man ihn damit überraschen könnte!«
»Trommelt und lärmt immerzu,« sprach der alte Pietro, der mit einem Päckchen auf dem Rücken dabei stand, »mein Herr ist bereits auf sein äußerstes Vorwerk hinausgegangen. Ich zottle jetzt ganz sachte nach, mit diesem Päckchen. Vor übermorgen mittag kommen wir nicht wieder herunter.«
»Das trifft sich ja ganz vortrefflich,« sprach Don Carlo.
»I freilich, gnädiger Herr,« sprach Pietro, »ich geh ihm bis übermorgen mittag nicht von der Seite. Glaubt mir, so wahr ich Pietro bin, er soll euren Braten nicht riechen, bevor er gar ist. Laßt mich nur sorgen! Ich weiß, wie man etwas geheim hält. Jede Fliege, die daran geleckt hat, wird abgewischt, so bleibt ihm alles verborgen!«
»Nun, so verteilt euch! geht in alle Welt, trommelt und schreit, daß die Gassen übereinander fallen!« rief Don Carlo, und es hätte dieser starken Aufforderung zum Lärmen wahrlich nicht bedurft; denn kaum hatte sich jeder seinen Weg gewählt, so ward der Lärm auf einmal ganz übermäßig. Sechs Trommeln und sieben Kessel wurden fast zerschlagen. Alles was Odem hatte, jung und alt, schrie und tobte mit, Katzen miauten darein, und Hunde bellten. Es war auch zwischen diesem und dem jüngsten Tage kein Unterschied mehr, nur daß hier nicht die Toten aus den Gräbern, nur die Lebendigen aus allen Häusern kamen. Es zeigte sich auch noch außerdem großer Übermut, der am jüngsten Tage wohl wegbleiben wird: die Trommler nämlich sahen über ihre Trommeln verächtlich auf die Kesselschläger und schnitten ihnen gar schnöde Gesichter; die Kesselschläger aber meinten: bei solchen Einladungen zum Essen seien Kessel schicklicher wie Trommeln, und schrien beständig während des Schlagens: »heute sind sie toll, übermorgen voll!« und: »singt mit, wenn ihr könnt, ihr Lederpauker!« Da konnten die Trommler freilich nicht mitsingen; trommelten aber aus Zorn desto stärker. Zweie zerschlugen sogar die Trommeln und mußten sie umwenden. Diese wurden von den Kesselschlägern so verhöhnt und verlacht, daß sie froh waren, als sie durch ein Nebengäßchen ins Freie kamen.
Nun lassen wir die Lärmer ziehen: denn es wäre selbst dem großen Poeten Homerus unmöglich zu erzählen, was die sechs Trommler und sieben Kesselschläger auf ihrer Wanderung durch die anmutigen Gefilde und die zierlichen Ortschaften der Insel für Aufsehen erregten mit der wunderlichen Einladung und was sie an jedem Orte für tolles Zeug anzugeben wußten. Man fing überall damit an, daß man die lustigen Vögel mit ihren Reimen für betrunken hielt. Sie setzten ihre Köpfe wohl tausendmal zu Pfande, bevor ihnen irgend jemand nur ein Wort von allem glaubte. Dann zogen ihnen auch überall einzeln besonders pfiffige Leute nach, superkluge Spione, welche durchaus das Geständnis von ihnen heraus haben wollten, der ganze Spaß sei nur auf eine Fopperei abgesehn. Auch kamen von überall her Boten an Don Carlo zurück, welche sich im Namen ganzer Ortschaften feierlich nach dem wahren Verlauf des Dinges erkundigten. Diesen gab er nun die Einladung zu besserem Zeugnisse schriftlich mit. Dennoch währte das Hin- und Herfragen bis zum Abend des andern Tages, bevor man auf der ganzen Insel überzeugt wurde, die Sache sei wirklich außer dem Spaße.
Die sonderbaren Einladungen selbst, so große Fröhlichkeit sie im allgemeinen auf der ganzen Insel verbreiteten, wurden dennoch von manchem der Geladenen nicht ganz so harmlos aufgenommen, wie sie gemeint waren. Einige wurden zuerst bitterböse; doch ergaben sich zuletzt die meisten, da es einmal nicht anders war, in den allgemeinen Humor und lachten von Herzen mit.
Am übelsten wurde jedoch der Spaß von den heimlichen Kahlköpfen aufgenommen, welche sich unter künstlichen Locken verbargen; denn überall schwärmten freiwillige Spione herum, welche dergleichen Kontrebande ans Licht brachten, und mit der Keckheit, welche die Leute dort zu Lande zur Karnevalszeit allgemein zu befallen pflegt, riß man hie und da jenen Dohlen die fremden Federn aus und ein wahres Treibjagen von tausend Neckereien zwang dieselben wider Willen zur Teilnahme. Bei alledem gab es immer noch viele, welche die raffinierte Kunst der Haarkräusler vor aller Entdeckung zu schirmen schien: aber als Don Carlo gar anfing, seidene rosenfarbige Käppchen machen zu lassen, die er, wie es hieß, als falsche Platten Leuten mit vollen Locken schicken wollte, die an dem Feste teil zu nehmen Lust hätten, da wurde den meisten in ihrer Verborgenheit bange, weil sie glaubten, die Käppchen würden für sie genäht. Viele derselben hatten nun auf einmal höchst wichtige Sachen in Neapel abzumachen. So viel Plätze wurden auf den Barken, welche gewöhnlich dahin fuhren, belegt, daß es allgemein auffiel, besonders da der Wind nicht eben günstig zu werden schien.
Wer sich aber recht von Herzen über das unerhörte sonderbare Fest freute, war Donna Teresa. Von Natur zu Scherz und Lachen geneigt, konnte sie gar nicht begreifen, warum ihre beiden jungen Anbeter so wenig Vergnügen darüber empfanden. Diese wollten wieder nicht begreifen, wie eine so feine liebenswürdige Dame Geschmack an solchen Dingen finden könne, nannten den harmlosen Scherz einen plumpen Bauernspaß, und fanden es für einen Mann von Stande wie Don Carlo sehr ungeziemend, dergleichen abgeschmacktes Zeug zu veranstalten. Vergeblich warfen die schönen Lippen der fröhlichen Dame beständig ein, sie möchten nur bedenken, es sei Karneval, und ein Karneval sei je toller, je besser; beide blieben bei ihrer Ansicht und verließen die schöne Dame fast ein wenig mißgestimmt. Ja, sie kamen sogar am Morgen des Festtages zu ihr, um sich auf einige Tage zu beurlauben, weil sie nicht Zeugen eines so sinnlosen Volkstumultes abgeben wollten, welcher, wie sie behaupteten, jeden Nerv in ihnen empören würde. Donna Teresa jedoch lachte sie beständig aus und stellte ihnen vor, welchen widrigen Wind sie haben würden, wenn sie heute segelten. Vergeblich. »Das Meer wird sehr stürmisch werden, nicht wahr, mein Herr?« sprach sie zu Don Carlo, der eben eintrat. »Jawohl,« sagte dieser, »es wird weiß werden wie Schnee, ich bin froh, daß meine Fische gefangen sind! Wir bekommen Nordoststurm; darum, meine Herren, wollt noch ein Weilchen unsre Stadt mit eurem Aufenthalte beglücken und diesen Abend mein lustiges Fest mit eurer Gegenwart.« Hierbei zog Don Carlo zwei sauber in Papier eingeschlagene Käppchen hervor und wollte sie den Herren überreichen. Diese jedoch bedankten sich dieser Ehre ziemlich stolz und empfahlen sich mit vornehmer Kälte. Donna Teresa wollte sogar einen Anflug von Verlegenheit bei ihnen bemerkt haben, als die Käppchen zum Vorschein gekommen, doch flog sie leicht darüber hin und sprach zu Don Carlo: »Jetzt, wenn jene wunderlichen Käuze die Käppchen nicht annehmen wollen, gebt sie mir, ich will mit meinem Mühmchen vermummt auf Euer Fest kommen.« – »Viel Ehre für mein Fest,« sagte Don Carlo und legte die Käppchen in ihre schöne Hand, »kommt vermummt wie Ihr wollt, ich will Euch schon herauskennen.«
»Woran denn?« fragte Donna Teresa.
»An Eurem Foppen,« sprach Don Carlo, »denn Ihr könnt es nicht lassen!«
»Warum denn nicht?«
»Weil es Euch so gut läßt!« sagte Don Carlo neckend und huschte zur Tür hinaus und heim, wo er noch gewaltig viel zu tun fand. Denn, obwohl sein Haushofmeister ein tüchtiger Mann war, und bei allen Festen sonst die ganze Wirtschaft in großartiger Ordnung zu erhalten wußte, so war ihm diesmal doch die Aufgabe zu mächtig und Don Carlo mußte selbst in allen Winkeln hinterdrein sein. Die Herde der Küche, so übergroß sie der Erbauer seines Palastes angelegt hatte, gaben diesmal nicht Raum für die Hälfte der nötigen Spieße, Kessel und Töpfe; daher ward es nötig, in dem geräumigen Hofe Notherde zu bauen, die sich Altären gleich ausnahmen, um welche die lustigen Köche wie die Baalspfaffen sangen und sprangen. Die Eimer der Zisterne, welche die Mitte des Hofes einnahm, gingen beständig auf und nieder wie Sonne und Mond, weil die gewaltigen Meerfische zu kochen ein unermeßlicher Wall von Wasser nötig war. Don Carlo hatte nämlich befohlen, heute kein Tier zu zerschneiden, sondern alles ganz auf die Tafel zu bringen, – die Ragouts und Frikaseen ausgenommen. Daher fand er, als er heim kam, große Not um einen Schwertfisch von ungeheurer Länge. Dieser hatte den Fischern bereits viel Plage gemacht, bevor sie ihn aus dem mächtigen Netze, welches von ihm ganz zerrissen war, in das große Boot brachten, aus welchem er noch, allen Schlägen und Stichen zum Trotz, entwischt wäre, wenn sich nicht der alte Jakob beherzt auf das Schwert des Ungeheuers gestellt hätte. Nun aber war die Not bei den Köchen, und die Fischer lachten; denn wo man auch hinsandte, war kein Kessel zu finden, der ihn hätte fassen können. Da hieß Don Carlo den Schmied ein blechenes Dach von einem albernen japanischen Gartenhäuschen abnehmen, reinigen, und in aller Eil an den Seiten umbiegen. In diese Schwarte ward nun der Fisch gelegt, so lang er war, und zwischen den vier japanischen Drachen, die an den Ecken in die Höhe standen, unter großem Jubel der umhertanzenden Köche ganz vortrefflich gesotten, samt seinem übermannslangen Schwerte. Die wilden Schweine, die sonst im Cumäer Wald gegrunzt hatten, wurden ebenfalls unzerstückt im Hofe gebraten, auf Spießen von Lorbeerbäumen, welchen man die grünen Wipfel gelassen und mit Bändern geschmückt. Überhaupt ward alles nicht etwa nur so schlichthin betrieben, nein, Don Carlo ließ, nach dortiger Landesart, Haus, Hof, Küche und Keller mit Lorbeerbäumen und Myrtenkränzen ausputzen. Alles was gebraten wurde, hatte Zitronen oder Blumen in Schnauz und Schnabel, auch waren im Hofe Dudelsackpfeifer angestellt, welche zum Drehen der Spieße lustige Stückchen aufspielen mußten, damit den Drehleuten bei den dicken Braten die Zeit nicht zu lang würde. Sie hatten zwar ohnedem insgesamt Weinkrüge zur Unterhaltung neben sich, die ihnen an der dörrenden Glut so liebe Gesellschafter waren, daß beständig mehr davon an den Lippen als an der Erde stehen blieben, wie Don Carlo mit großer Lust bemerkte. Rings im ganzen Palaste stand alles offen. In allen Sälen, Zimmern und Hallen waren Tische und Bänke gestellt, doch so, daß überall Raum zur Belustigung blieb. In einem der Säle war – doch davon nachher, denken wir jetzt wieder an Don Antonio. Dieser war, wie wir bereits von Pietro wissen, nach seinem äußersten Landhause hinaufgeritten, welches er sich an der Lehne, die sich von dem zackigen Gipfel der Insel herabsenkt, erbaut hatte. Die Höhe war früher nackter Fels und mit vielen Steinen übersät; aber weil man von da herab alle seine Güter übersehen konnte, hatte Don Antonio das Unland in einen lachenden Weingarten umgeschaffen und von den umherliegenden Steinen ein ausnehmend zierliches Landhaus erbaut, in welchem er alljährlich den Morgen seines Geburtstages ganz einsam zu feiern pflegte. So war er auch diesen Morgen auf den Altan des Hauses herausgetreten und hatte Gott für alles, was er ihm verliehen, inbrünstig gedankt, auch jemanden, den wir bereits kennen, in sein lautes Gebet eingeschlossen: als er hinter sich mit seinem eignen ein ebenfalls recht lautes Amen vernahm. Er wandte sich um und sah Pietro hinter sich knien, welcher etwas verlegen aufstand und zu ihm sprach: »Verzeiht, Herr Don Antonio, ich gedachte dahier heimlich mit für Euch zu beten und Euch im stillen die Worte nachzusprechen, die Ihr so schön zu setzen wisset. Es ging auch alles gut und still ab, und ich wollte mich eben wieder fortschleichen, da muß ich just noch mit dem Amen so herausplatzen, weil ich Esel gewohnt bin, es immer so laut zu sagen!« – »Bleibe immer dabei, das schadet nicht, und zwei Amen sind besser wie eines,« sprach Don Antonio und küßte dem Alten, der sich zum Handkuß neigte, die Stirn; »läßt Gott mein Gebet in Erfüllung gehen, so soll es dir auch niemals fehlen! Komm, mein alter Pietro, hast du mit mir gebetet, so laß uns auch zusammen frühstücken! Stellen wir uns den Tisch hierher auf den Altan, da können wir die Gottesgaben im Angesicht von Himmel, Meer und Erde zu uns nehmen.« Nun mochte sich Pietro sträuben wie er wollte, Don Antonio trug alles mit ihm heraus, Tisch und Essen, stellte Pietros Stuhl hart neben seinen und sprach: »hier setze dich, mein alter Pietro, laß uns fröhlich sein, Gott wird uns ferner Gnade schenken.« Da setzte sich Pietro und trank das erste Glas, welches ihm der Herr eingeschenkt, fröhlich auf sein Wohlsein aus; bei dem zweiten Einschenken aber bat er ihn, aus der Flasche trinken zu dürfen. – »Immer trink, wie du es gewohnt bist,« sprach Antonio lachend. – »Darf ich auch mein Messer herausholen?« – »Mache was du willst, Pietro!« – Da tat Pietro Messer und Gabel, die auf dem Tische lagen, hinweg, und zog ein Ungeheuer von Taschenmesser hervor, womit er dem großen Ziegenkäse und dem gewaltigen Brote, wie auch der Honigwabe, womit der Tisch besetzt war, tüchtig zusetzte, wozu er seiner Gewohnheit nach hörbar gluckend aus der Flasche trank. Das einfache Frühstück mundete beiden ganz vortrefflich. Als sie damit zu Ende waren, lustwandelten sie noch ein wenig im Garten und bestiegen bald darauf ein paar muntere Tierchen, Esel genannt, die ein Knabe vor dem Tore des Gartens bereit hielt, welcher für diesen leichten Dienst an diesem Tage von seinem Paten Don Antonio jedesmal einen spanischen Piaster zum Geschenk erhielt; doch heute gab er ihm zwei. »Geht mit Gott, mein Herr Don Antonio!« rief der Kleine jubelnd, während der Herr und der alte Diener auf den zierlichen TierchenDie Esel auf der Insel Ischia sind ausnehmend zierlich gebaut und überaus munter und leicht. um die Hänge des Berges hinabschwebten. Der Morgen war, obwohl fern in Nordost Sturm drohte, wunderschön hell und klar. Fast windstill ruhte die Luft und Don Antonio sah, obwohl es Winter war, unter dem milden Himmel seine Felder himmelblau von blühendem Leine. Bohnen und Erbsen wucherten üppig überall, auch die andern Fruchtfelder waren mit lieblichem Grün bekleidet. An den Wegen blühten Narzissen und bunter Krokus, und Hagerosen streuten die fallenden Blätter umher. Immergrüne Gebüsche von Myrten und Lorbeern und andern duftenden Bäumen mischten sich in Hecken von indischen Feigen und mächtigen Aloen und machten den Winter vergessen. Überall war fröhliches Gedeihen, und Herr und Knecht unterhielten sich über alles, was ihr Fleiß gemeinsam angebaut, sehr angenehm und vertraulich, bis sie in der Stadt Ischia im Hofe Don Antonios abstiegen, in welchen sie diesmal auf Pietros Zureden nicht durch die Stadt, sondern durch den Orangengarten einritten: denn Pietro suchte den Herrn klug von allem abzuhalten, was ihm den Spaß Don Carlos hätte verraten können; hier aber war seine Sorgfalt überflüssig: denn Don Carlo hatte bereits überall gewandte Knaben als Wächter ausgestellt, die ihn von fern kommen gesehen und in der Stadt vorgemeldet. So blieb Don Antonio noch alles verborgen. Er speiste zu Mittag, wie er an diesem Tage zu tun pflegte, ganz ruhig mit den Waisenkindern, über die er Vormund war, und nachdem er viel mit ihnen gescherzt und gelacht und alle beschenkt entlassen, begab er sich, ohne das mindeste von dem Feste zu ahnen, in sein Gemach um – ein wenig zu nicken.