Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Nun lassen wir den Eremiten und denken wieder an Giovanni. Dieser ging, wie bereits erzählt worden, wieder das Gebirge hinab. Über eine Stunde war er gegangen . . . als er sich von allen Seiten beim Namen rufen hörte. Er vernahm zuerst des guten Don Ciccio Stimme, dann die Stimmen von mehreren seiner Freunde. Die braven Leute hatten überall ängstlich nach ihm gefragt und sich im Walde verteilt, ihn aufzufinden, weil sie, nach Pater Antonios Rede, nichts geringeres glaubten, als Giovanni sei ausgegangen, sich das Leben zu nehmen.
»Da ist er! da ist er!« rief Don Ciccio laut aus, als er ihn sah, und bald umringten den traurigen Jüngling alle seine liebsten Freunde, herzten ihn und küßten ihn und weinten an seinem Halse. Von dieser vielen Liebe und Teilnahme ward Giovanni herzlich gerührt. »Giovanni, Giovanni, was soll aus uns werden, wenn du nicht mehr bei uns bist!« riefen alle, »betrüb uns nicht, wir wollen dich trösten, so gut wir es vermögen. Alle jungen Leute zu Gragnano haben sich vorgenommen, dem alten Strintillo ein Charivari zu bringen, und der garstige Granco soll vor lauter Katzenmusik nicht schlafen können, bis beide vor Ärger den Verstand verlieren. O! Du bist nicht so allein, wie du glaubst, alle verschmähten Freier helfen mit Spektakel machen.« So betrübt Giovanni war, so mußte er doch über diese sonderbaren Äußerungen von Liebe lachen und sagte: »Herzlichen Dank, meine Freunde, für euren guten Willen; aber lasset das Gelärm, damit wird Strintillos Sinn nicht geändert und Grancos auch nicht. Unverbesserlich eigensinnig ist einer wie der andere, nein, wenn keine andere Hilfe kommt, muß ich mich in Gottes Schickung ergeben! Verzweifelnd ging ich aus, aber ein wunderbarer Vorfall, von dem ich zu schweigen versprochen, hat mich überzeugt, daß Gottes Hand sichtbar über mir ist, und daß ich noch leben soll.«
Unter solchen Gesprächen gingen sie durch den Wald hinab, in dem unzählige Nachtigallen schlugen. Die herrliche Natur und die Liebe der Freunde tröstete Giovanni, und sein herber Schmerz ward sanfte Wehmut. Als er heimkam, zwangen ihn seine Freunde, Speise und Trank zu nehmen, wogegen er einen Widerwillen gefaßt. »Trink ein Glas mehr, wie sonst, es wird dir gut tun,« sagte Ciccio. »Guten Ausgang!« riefen seine Freunde und stießen mit ihm an. »Gott kann noch alles wenden!« sagte Ciccio. – »Fast hoffe ich es,« sagte Giovanni und lachte, mit Tränen in den Augen. Seine Freunde blieben bei ihm, bis er vor Mattigkeit die Augen schloß: da legten sie ihn auf sein Bett, löschten seine Lampe aus und verließen ihn.
Des andern Tages kamen sie bei guter Zeit zu ihm, halfen ihm munter bei seinen Arbeiten und suchten ihn auf alle Art zu zerstreuen. Don Ciccio und Pater Antonio kamen auch und sprachen ihm treulich zu, gegen Abend bat er alle, ihn allein zu lassen: er wolle beten gehen! – Als er sich allein sah, ging er nach einer einsamen Kapelle, die sein seliger Vater erbaut hatte, und schmückte das Bild der heiligen Jungfrau mit frischen Kränzen. In ähnlicher Weise vergingen drei Tage. Unterdes war Granco emsiglich beschäftigt, alle Vorbereitungen zu seinem Fest zu bedenken; aber bei aller Emsigkeit brachte er wenig heraus: er war gewohnt, sparsam zu leben und wußte nicht, wie man etwas reichlich einrichtet. Besprach er sich mit seinen Freunden, so schienen ihm alle ihre Vorschläge zu hoch ins Geld zu gehn, sie waren mitunter auch sehr närrisch, so daß er endlich merkte, daß er von allen gefoppt werde. Häuschen von Würsten gebaut mit Fußböden von Rosinen und Mandeln und getrockneten Feigen, große Wasserfälle von Wein und Likör, das Auswerfen von Doppeldukaten unter das Landvolk, ein Feuerwerk eine halbe Meile breit, das Wegschenken von 60 geputzten Eseln, das Schlachten und Verteilen von 500 Hämmeln, 1000 Pfund gebratenen Mückenlebern, 30 Eimern Hühnermilchsuppe, und ähnliche Vorschläge wollten ihm durchaus nicht zu Sinne: dazu blieb jenes angedrohte Charivari, vor welchem ihn die dasigen Gerichte nicht zu schützen vermochten, nicht aus, und verfolgte ihn, wo er ging und stand; kurz, er rannte hin und her, ward zulegt ganz verwirrt und toll, und sagte: »Die Gragnaner verdienen meine Güte nicht, ich will meine Hochzeit ganz einfach und gediegen einrichten, der lumpige Giovanni wird doch nicht wagen, mit zu halten!« – So sprach er und beruhigte sich schon, als er plötzlich aus diesen süßen und bequemen Spargedanken durch ein Gerücht geweckt wurde, welches sich schnell durch die Ortschaft verbreitete. Ihm ward es von seinem albernen Diener Cetrullo hinterbracht, welcher ihm erzählte, seinem Nebenbuhler Giovanni sei, in vergangener Nacht, bei der Kapelle seines Vaters ein Engel erschienen, und habe ihm Hut, Rock, Kragen und alle Taschen voll Gold geschüttet, und der Glückliche rüste sich jetzt in allem Ernste zu einem großen Feste. – »Dummes Zeug!« rief Granco, der dies nicht glauben wollte, einmal über das andre aus: »dummes Zeug! dummes Zeug!« – Mit diesem Geschrei lief er schnurstracks auf Giovannis Behausung zu, wo er dessen Freunde in Menge versammelt fand. Alle jubelten und liefen geschäftig aus und ein; aber als Granco sich nun genauer erkundigen wollte, empfingen sie ihn mit einem so furchtbaren Charivari, daß er sich ganz erbost zurückzog und nun beschloß, Giovannin und aller Welt zum Trotz, das Fest so zuzurüsten, daß selbst der Sultan nicht sollte mithalten können!
Giovannis Erlebnis war wirklich eigener Art, er schwur seinen Freunden hoch und teuer, daß ihm, als er an seines Vaters Kapelle gebetet, ein Wesen in überirdischem Glanze erschienen sei, welches einen Regen von Gold über ihn ergossen und ihm mit himmlisch süßer Stimme zugesprochen und gesagt habe: »Da nimm, Giovanni, gehe, rüste alles reichlich und prächtig, am Abend des Festes will ich dir wieder erscheinen und noch mehr Segen über dich ausschütten. Gehe im Namen Gottes und der heiligen Jungfrau.« – »Aus dieser letzten Rede könnt ihr schließen, lieben Freunde,« setzte Giovanni hinzu, »daß es kein böser Geist war, der mir erschienen, nein, ein Bote Gottes, und ich habe festes Vertrauen, daß er am Abend des Festes wiederkehrt!« – Giovannis Freunde schüttelten die Kopfe; doch Giovanni war kein Schwärmer und hatte sich nie einer Lüge schuldig gemacht, auch lag das Gold sichtlich vor ihren Augen, alle waren überglücklich, vor allen aber Angiolina: sie tat mit der Muhme vor Freude nichts als Weinen und Beten. – Aber das bedeutendste Gesicht über diesen Vorfall machte – der alte Strintillo. Die Erscheinung des Engels paßte recht in seinen Kram. »Sieh, sieh, Strintillo, was daraus wird!« sprach er zu sich selbst: mein Traumwesen soll mir niemand mehr tadeln; denn wie es scheint, geschehen ihm zu Liebe Zeichen und Wunder, um alle Welt zu überzeugen, daß Strintillos Glaube kein Narrenglaube sei; nein, richtig und zutreffend nach allen Seiten und in allen Stücken!« Dabei freute sich der eitle Mann noch, daß seiner Tochter zu Ehren nun so große Feste zugerichtet würden, wodurch er hoffte, sein Name werde überall auf lange berühmt werden, ohne daß er dabei sonderlich viel Unkosten hätte. Alle diese Gedanken machten ihn so närrisch vergnügt, daß er zu seiner Tochter ging und sie streichelte und küßte, wie er nie getan, und bei jedem Kusse gab er ihr einen Schmeichelnamen, wie: »mein Zuckernüßchen, meine Taube, mein Wieselchen, mein Hündchen, mein Kätzchen, mein Affe, mein Eselchen, mein Lämmchen, mein Hühnchen, mein Kaninchen, gieb mir das Pfötchen, streichele dein Papachen, zupf ihn am Näschen, kraue ihn ums Bärtchen! So, so, gieb ihm ein Schmätzchen, du Zuckerbiene, laß dich anbeißen, du Marzipan, du Artischocke! Geh, du Senfgurke, du machst deinem Vater Kummer und Sorge, und doch liegst du ihm näher am Herzen, als das Hemde auf seinem Leibe! Du Meerkrebs du, warte, ich will dich folgen lehren, sei deinem Vater gut, komm, blase ihm aufs Äugelchen, so! aufs andre auch! O! mein Goldfischchen, deine Wängelchen sind wie die Äpfelchen! Ja, ja, die jungen Burschen müssen wie die Narren werden, wenn sie dich sehen, warte nur, du wirst zwei Hochzeitsfeste auf einmal erleben, so was hast du mir zu danken, denn wo bliebe das alles, wenn dein Vater nicht gut zu träumen verstände. Danke Gott täglich auf Knien, daß dein Vater im Schlafe besser sieht, wie jeder andere im Wachen. Das Tarantelchen! will sie wohl das Mündchen halten und nicht immer dreinreden, wenn der Vater Weisheit spricht!« So und noch viel närrischer gebärdete sich Don Strintillo vor Freuden, daß sich zu seinen Träumen so sonderbare Dinge gesellten, und die Muhme mußte ihn mit Gewalt von der Tochter reißen, er hätte sie umgebracht!
Doch eilen wir wieder zu Giovanni. Dieser hatte nun alle seine vorige Lebhaftigkeit wieder gewonnen. Im Schatten einer traulichen Reblaube, um eine runde Tafel, bei süßen Feigen und blinkendem Weine, saß er mit seinen Freunden und beriet sich über das, was nun geschehen sollte. Kam die Summe des über ihn ausgeschütteten Goldes auch lange nicht dem Vermögen Grancos gleich, so vertraute er doch fest auf des Engels Wiedererscheinen, und das Empfangene war immer mehr als hinreichend zu Ausrüstung eines überprächtigen Festes. »Spare diesmal nichts!« hatte der Engel zu ihm gesagt.
»Nun, so muß das Fest etwas ganz Besonderes werden!« meinte Don Ciccio. – »Jawohl!« schrien alle. – »Gewiß,« sagte Giovanni, »und ich denke schon lange darüber nach. Still, still, nun hab ich es!« fuhr er auf einmal auf.
»Nun, was denn, was denn?« riefen die Freunde.
»Ich will . . . doch nein, . . . besser ist es, ihr erfahrt es später. Ihr würdet glauben, daß es nicht möglich sei, und mich nur abreden wollen. Morgen sollt ihr alles erfahren! Doch euch, Don Ciccio, bitte ich mit tausend Küssen: kommt mit mir nach Neapel, dort wollen wir einen Freund holen, dessen ich zu meinem Vorhaben bedarf, wie meiner Augen zum Sehen!« – »Aber sagt mir nur, was Ihr wollt?« – »In Neapel erfahrt Ihr alles! Kommt nur, Don Ciccio, verlieren wir keine Zeit!«
Schnell waren zwei gesattelte Maultiere herbeigeschafft und die beiden Freunde nahmen Abschied: »Morgen kommen wir wieder, dann erfahrt ihr alles!« – Hiermit ließen sie die andern verwundert stehen, und trabten den lustigen Weg nach Castellamare hinunter, wo sie einen zweirädrigen Wagen mit zwei Pferden nahmen, oder, besser gesagt, einen geschnellten Pfeil, aus dem sie längs des Ufers am schönen Golf hinflogen; denn die Pferde liefen, als hätten sie Feuer gefressen! Unterweges fragte Ciccio Giovanni zu wiederholten Malen: wen er aus Neapel holen wolle?
»Das werdet Ihr sehen, lieber, lieber Don Ciccio!« war Giovannis einzige Antwort: »laßt mich, ich bin glückselig, glückselig!« und damit fiel der Jüngling dem braven Notar um den Hals, küßte ihn und drückte ihn unaufhörlich so heftig, bis dieser ihm endlich seinen Mantel hinhielt und sagte: »Hier, wenn du durchaus so heftig drücken und küssen mußt, nimm meinen Mantel in die Arme, quetsche ihn und balge ihn nach Herzenslust, der hält es aus, aber mit einer lebendigen Seele habe Geduld und lasse sie leben! Wenn einer sich freut, muß denn der andere dabei zugrunde gehen?« Alle diese Reden aber halfen nichts, und Don Ciccio hatte noch viele Qual auszustehen. Lachend wandte sich der Kutscher und rief: »Der junge Herr ist verliebt, das merkt man, nun Gottes Segen!« – »Ich danke,« rief Giovanni: »Da, Pepo, nimm das Goldstück, laß die Pferde fliegen wie die Schwalben, dann mögen sie hundert Jahre ruhen!« – »Keine Sorge!« rief Pepo zurück: »Meine Tiere fressen den Weg, sie laufen die Wände hinan, über Land und Wasser! Wollt ihr über das Meer fahren? Ihr sollt nicht naß werden!« – Hierbei lenkte der feurige Knabe nach der Brandung hin . . . »Mach keine Possen!« rief Ciccio ihn haltend, und, schnell wieder zurücklenkend, fuhr Pepo die Straße lachend dahin und ließ den Staub weit hinter dem Wagen. Kaum gönnte sich Giovanni unterweges einige Erquickung, und es war zur Zeit des Mittagschlafes, als sie in Neapel einrollten. Vor einem halb verfallnen Palast ließ Giovanni halt machen.
»Kommt, kommt!« rief Giovanni zu Ciccio, und eilte vor ihm eine alte Treppe so rasch hinan, daß Ciccio rief: »Du wilde Ziege! kannst du nicht warten, bis ich nachkomme?«
Als Ciccio oben ankam, fand er den Jüngling ungeduldig an eine Tür pochend, zu welcher der dicke Mann kaum hindurch konnte, vor lauter gemalten Wolken und Thronen und Altären und Triumphwagen und Gespenstern und Teufelsschlangen und Theaterdrachen, die sie von allen Seiten zu verschlingen drohten. Er machte sich eben vom Takelwerk eines römischen Schiffes los, als ein junger freundlicher Mann mit dem Kopf aus der Tür sah: »Giovanni!« – »Sacchetti!« und die Jünglinge lagen sich in den Armen.
»Herzensfreund, besuchst du mich einmal? Sei willkommen! Womit kann ich dienen?«
»Lieber Sacchetti, ich komme hier mit meinem Freunde, dem Herrn Notar Ciccio Camarano, rette mir das Leben; du kannst es!«
»Wie, das Leben? Will dich jemand umbringen? Mit dieser Herkuleskeule stehe ich dir bei, wer bringt dich um?« rief Sacchetti und ergriff eine papierne Keule.
»Die Liebe, hilf mir du!« –
»Von Herzen gern, wenn ich kann!« rief Sacchetti und führte die Freunde in eine Malerwerkstatt, worin es noch wunderlicher aussah, als vor der Tür. Alles stand voll von Räderwerk und Teufelsspuk und Feerei. Überall stolperte man über Stricke, Kloben und Winden, Farbentöpfe, Pinsel und gerollte Leinewanden . . . . »Hier ist wenig Platz,« rief Sacchetti: »Ihr müßt Geduld haben, kommt hier hinan!« Damit führte er sie einige Stufen hinauf, und sie nahmen auf Wolken vor einer vergoldeten Sonne Platz. »So, setzen wir uns hier! In diesem Himmel, vor dieser hellen Sonne, wird uns alles klar werden!« Lachend setzten sich die Freunde, und Giovanni erzählte in Eile die Geschichte seiner Liebe und schloß mit folgender Bitte: »Nun, mein lieber Sacchetti, sieh, auf dich hab ich, nächst dem Himmel, am meisten gerechnet. Auf dieser Erde gibt es ja nicht Fisch nicht Vogel, nicht Tier nicht Kraut, nicht Baum nicht Strauch, das du nicht darstellen könntest mit deiner großen Kunst, als wenn es wirklich wäre. Komm und hilf mir in meinem Weinberge ein Fest anrichten, welches den Sinn des harten Mannes bezwingt.« – »Von Herzen gern,« sagte Sacchetti: »Sage nur wie?« – Hierauf teilte ihm Giovanni einen Plan mit, welchen der Erzähler noch verschweigen muß; aber zu dem Sacchetti rief: »Vortrefflich, vortrefflich!« – »Doch alles wird nichts ohne dich,« sagte Giovanni: »Hilf mir, lieber, lieber Sacchetti, du kannst es und tust es!«
»Ich tu es und will sehen, ob ich es kann,« sagte Sacchetti: »Wir haben aber kaum drei Tage Zeit; und ich zweifle fast, ob ich alles zustande bringe? . . . Doch ja, es geht! . . . Für das Glück eines solchen lieben Freundes arbeit ich auch die Nacht. Der alte Strintillo soll Wunder sehen!«
»Engel Gottes!« rief Giovanni und weinte an Sacchettis Halse.
»Nun, drücke ihn nicht auch tot!« sagte Ciccio, und machte den Maler frei, der fortfuhr und sagte: »Jetzt, Freund Giovanni, fahr du mit deinem Freunde ruhig wieder heim. Besorge du nur Haken, Spaten und eine Menge alter Weintonnen! Halte alles geheim, morgen abend im Dunkeln komme ich mit Gehilfen und Farben und Pappen, mit Töpfen, Tiegeln, Zangen, Hämmern, Nägeln und Pinseln und mit Hölle und Teufel hinaus, und richte dir alles so ein, daß die Gragnaner ewig von mir erzählen sollen!«
»Hier, hast du eine Hand voll Gold zum Einkauf, lieber Sacchetti!«
»So, das tut not,« sagte der Maler. »Denn meine Schulden will niemand für bar Geld annehmen.«
»Hast du Schulden?« fragte teilnehmend Giovanni.
»Nein, eigentlich doch nicht; aber immer leere Taschen, das Geld liebt mich nicht!«
»Nun, spare jetzt auch nichts, daß alles recht prächtig wird!« sagte Giovanni im Gehen: »ich verlasse mich auf dich! Leb wohl!«
»Auf Wiedersehen! Leb wohl bis morgen!« sagte Sacchetti, und geleitete die Freunde hinab, zur Tür hinaus, durch Drachen und Schlangen, hinunter bis vor die Haustür, wo er sie freundlich entließ.
Als Giovanni noch einigen Schmuck für seine Angiolina gekauft hatte, nahmen sie frische Pferde, und eilten nach Gragnano so schnell wieder zurück, als sie gekommen waren.
Obwohl es darüber fast Mitternacht geworden war, eilte Giovanni doch unter das Fenster seiner Geliebten und weckte sie mit süßem Gesange, erzählte ihr sein Vorhaben und wie weit es damit gediehen, und rief einmal über das andere: »Sacchetti ist durch seine Kunst ein Zauberer, größer als Bajalardo oder Virgilio, und mein Herzensfreund, verlasse dich auf ihn, wir werden siegen!« Die Liebenden warfen sich Küsse zu und gingen zur Ruhe. Lange konnte Giovanni nicht einschlafen; doch als er erwachte, war die Sonne schon hoch am Himmel, und seine Freunde umstanden sein Bett mit neugierigen Fragen. Giovanni sprang auf und kleidete sich an: »Alles sollt ihr erfahren, lieben Freunde, habt mich lieb und wartet nur bis auf den Abend, hier ist Geld, tut mir den Gefallen, und kauft, ein jeder so heimlich als möglich, recht viele alte Weintonnen zusammen, die wir dann bei Nacht in meinen Weinberg schaffen wollen; weder Don Granco noch irgend jemand darf merken, was hier vorgeht!« – »Ja, lieber Giovanni, alles soll geschehen, was du willst!« riefen die Freunde und zerstreuten sich, die Einkäufe zu machen. – »Lieber Don Ciccio,« sagte Giovanni zu dem Kommenden: »Herzlich bitte ich Euch, seid in diesen Tagen mein Beistand, besonders was Fisch und Fleisch betrifft. Ihr seid ein Kenner und wißt, was gut ist: macht meine Einkäufe, mir schwindelt der Kopf, ich möchte mich leicht betrügen lassen.« Sie setzten sich hin und rechneten aus, was sie nötig hätten, Ciccio erhielt das Geld, ging aus, und tat sich überall nach allem Besten um. Beim fröhlichen Mittagmahle kamen die Freunde wieder zusammen, alle Besorgungen gingen rasch und aufs beste, weil überall herzliche Teilnahme handelte. Über solchen Dingen kam der Abend heran, es wurden Wachen ausgestellt und im Schleier der Nacht Weinfaß nach Weinfaß über die Gartenmauer hereingekugelt. Man ging um so behutsamer damit um, weil der Garten an den Don Grancos anstieß, welcher am wenigsten davon erfahren sollte.
Unterdessen kam auch der brave Sacchetti auf Nebenwegen an, jubelnd empfing ihn Giovanni, und in einem großen Schuppen ward abgeladen und ausgepackt.
»Du hast doch für alles gesorgt.« sagte Giovanni, indem er die Sachen überflog und ihn küßte. – »Hier sind eine Menge Röhren, die wir noch wohl brauchen werden, hier Stricke, da Farbentöpfe, hier Pinsel, Nägel, Schrauben, Zangen, Hammer, hier Gelenke und Rollen mit Zugschnüren u. s. w., kurz, es fehlt an nichts! Nun aber laß mich das Terrain betrachten!« – »Jetzt bei Nacht?« – »Ja freilich, meine Vorstellung ist für den Abend berechnet!« – So gingen sie, mit ein paar Fackeln, in die geräumige Kluft, worin die Fässer lagen. »Das Terrain ist herrlich, und schon sind fast zu viel Fässer da! Glaubt mir, alles wird sich machen! Don Strintillo muß hierher erst von Grancos Feste kommen und ein kleines Hiebchen haben, dann wird alles gehen, wie es soll! Nun zu Bett, morgen ist wieder ein Tag, ich bin matt und müde und muß etwas ruhen. Ich zieh die Kleider nicht aus, denn morgen muß es früh wieder losgehn.« – »Legt Euch nicht zu Giovanni,« sagte Ciccio: »Sonst erwürgt er Euch die Nacht vor Freude.« – »Er hat sein Zimmer besonders,« sagte Giovanni: »Sonst würde ich nicht aufhören, mit ihm zu plaudern!« Alle gingen fröhlich auseinander, fanden sich am andern Morgen zeitig wieder ein und arbeiteten nun Tag und Nacht mit Sacchettis Leuten und unter seiner Leitung so emsig, als gelte es einen geschwollenen Strom abzuwehren oder ein Feuer zu löschen. Das schönste Wetter begünstigte sie, und sie waren fertig, ehe sie sich dessen versahen, schon vor dem bestimmten Tage, und konnten nun alle gemächlich ruhen und sich am Tage selbst ganz ihren Launen überlassen. – Don Ciccio hatte seine Einkäufe vortrefflich ausgeführt, gute Köche gedungen, und alles war bereit, um gemächlich bei der Hand zu sein.
In denselben Tagen ging es bei Don Granco ebenso emsig, aber nicht ganz so fröhlich her: denn da wußte sich niemand ordentlich Rat in irgendeiner Sache. Zwar hatte der Mann das Knausern mit Geld aufgegeben, sein Kopf aber knauserte fort mit Gedanken. Zuletzt gedachte er nur daran, wie es zu machen wäre, daß es schiene, als wenn recht viel dabei aufginge. Er schickte weit umher nach berühmten Fressern und Säufern, auf deren Kunst man Wetten machen sollte, und ließ viel falsches Blattgold holen, um damit alles zu vergolden; weil er, kindischerweise, in dieses Gefunkel alle Schönheit setzte. Immer war ihm bange, daß Giovanni ihn übertreffen könne! und er schickte aus Neugier bald diesen, bald jenen Boten, um Giovanni etwas abzusehen. Aber die Boten kamen nur mit Lügen wieder, da sie von ausgestellten Wachen abgehalten wurden und jene Kluft so glücklich mitten in Giovannis Garten lag, daß man von anderwärts her nicht hineinsehen konnte. Granco wollte vor Neugier sterben; denn er selbst getraute sich wegen des Charivaris nicht wieder hin. Aber als nun der Nachmittag erschien, an welchem das Fest stattfinden sollte, und alles schön vergoldet war, bildete sich Don Granco dennoch ein, bei ihm sei alles unübertrefflich! machte sich auf, geputzt wie ein Osterei, holte Don Strintillo und den Richter des Orts ab und sprach, indem er beide mit stolzem Behagen bei seinen zahlreichen Gästen, die mehrenteils von fern gekommen, einführte: »Hier, meine Herren, ist der ehrenwerte Richter von Gragnano, Herr Don Orzo, und hier mein künftiger Schwiegervater, und hier,« zu Strintillo gewendet, »ist meine Hochzeit!« – »Halt! halt! Herr Granco,« meinte Strintillo, »bis jetzt sagt nur Euer Fest und Herr Strintillo; ob Ihr Hochzeit und Schwiegervater sagen dürft, das wird sich nachher zeigen! Jetzt sehen wir uns um, wie es bei Euch aussieht? Herr Don Orzo, der Richter, wird mir beistehen, um alles wohl zu betrachten!« – »Von Herzen gern,« meinte Don Orzo, und beide gingen, ihre Stockknöpfe bedeutsam an die Unterlippen haltend, umher, zu sehen, was es daselbst alles gebe? Was ihnen zuerst auffiel, waren zwei ungeheuer lange Tafeln, die unter der Last von Speisen fast zusammenbrachen; aber fast kein Gericht war da, welches nicht wenigstens am Rand oder in der Mitte vergoldet gewesen wäre! ja etwas, worauf sich Granco am meisten einbildete. war eine vergoldete Laube mit einer Bank. Auf letztere mußten sich die beiden Herren setzen. Die Laube selbst glich mehr einem Käfig, so klein hatte sie Granco machen lassen, um sie, ohne zu große Unkosten, über und über vergolden lassen zu können; hier und da hatte sie sein Diener mit ebenfalls ganz vergoldeten Würsten und langen Käsen und Kürbissen so behangen, daß sie ziemlich unbequem war und Strintillo rief: »Hier ist ja ein völliger Weihnachtsmarkt!« – »Wer kauft Wurst, wer kauft Käse,« rief scherzend der Richter. – »Nun, meine Herren, werdet ihr etwas sehen, was ihr euer Lebtag nicht gesehen habt!« sagte Granco und lud auch die übrigen Gäste ein, sich dort umher auf Bänken und Stühlen niederzulassen. Sein Knecht Cetrullo ging mit vergoldeten Flaschen umher und schenkte ein, so viel man wollte: als zwei mit Blumen ausgeschmückte Fässer in die Mitte getragen wurden, an welchen das Gold ebenfalls nicht gespart war! Hierauf wurden zwei Tische gebracht, auf deren jedem ein ganzer gebratener Hammel lag; zu jeder Tonne trat schön geputzt ein berühmter Trinker, zu jedem Tisch, ebenfalls schön geputzt, ein berühmter Esser, alle weither berufen zu diesem Feste. Die Gäste wurden eingeladen, aus diesen oder jenen zu wetten und sich an ihren Bemühungen zu vergnügen! So lächerlich diese Art der Unterhaltung den Gästen anfänglich erschien, so langweilig wurde sie ihnen in kurzer Zeit, und Don Strintillo und der Richter stiegen aus ihrem Käfig heraus, wobei ihnen die goldenen Würste um die Ohren schlugen, und zogen es vor, umherzugehen und zu sehen, was es noch weiter gebe; aber – mit Verwunderung bemerkten sie, daß Grancos Phantasie eben nur bis so weit gereicht hatte! – »Nicht wahr,« sagte er zu ihnen tretend: »Die Leute essen recht manierlich, man bekommt selbst Appetit! Da! kostet von diesem Huhn! Hier ist ein Gläschen Wein: wollt ihr Likör? hier ist welcher von Bari. Den Käse müßt ihr versuchen, blast das Gold herunter, es könnte euch schaden! Hier ist wieder ein Weinchen, das seinesgleichen sucht! Da ist Wildschwein; hier stehen Puten; seht, wie alles funkelt! Junge Lämmer mit Zwiebel scheinen mir auch nicht übel! Nun, Don Strintillo, wie seid Ihr zufrieden mit meinem Fest?«
»Ich sage gar nichts,« sagte Strintillo und trank vergnügt ein Glas Wein von einer Sorte, die er überaus liebte.
»Wie schmeckt Euch der Wein?«
»Vortrefflich!«
»Nun, das ist mir lieb, so will ich Euch eine Tonne voll einschenken!« –
Damit ergriff er ein ungeheures Glas, welches die Form einer Tonne hatte, und reichte es Don Strintillo, welcher sich damit behaglich in ein Winkelchen setzte und es sich schmecken ließ; der Richter empfing ein Gleiches und setzte sich zu ihm. Granco trug ihnen mit emsiger Hast Zwiebäckchen und allerlei Süßigkeiten zu, war so vergnügt wie ein Maikätzchen, sprang hin und her und flüsterte bald diesem bald jenem Gast ins Ohr: »Glaubt mir, die Braut ist mein: seht mein Schwiegerväterchen, wie es dasitzt und sich gütlich tut!« Dann rief er wieder laut: »Meine Herren und Frauen, die berühmten Esser und Trinker hier und Don Strintillo gehen euch mit gutem Beispiel voran, eßt und trinkt, hier ist alles vollauf! Schäme sich niemand! hier muß es drunter und drüber gehen! – Musikanten, spielt auf!« –
Da setzten sich zween Dudelsackpfeifer und ein Knabe mit einer Violine in Bewegung, und machten eine Musik wie das Meer, wenn es rast! Mancher Gast hielt sich die Ohren zu; aber Granco rief lachend: »Ja! nicht wahr, die Kerls spielen stark? Dafür haben sie heut aber auch satt gegessen und getrunken!« –
In dieser Art war das Fest Grancos bestellt, welches selbst dem guten Don Strintillo langweilig vorgekommen wäre, wenn ihn nicht das Glas in Gestalt eines Tönnchens und die angenehme Gesellschaft Don Orzos getröstet hätte. So ward er mehr und mehr zufrieden und sagte zuletzt zu allem: »Ja, ja!« so daß sich Granco vor Freude gar nicht mehr zu lassen wußte.
Darüber ward es dunkel: ein Esser war schon mit seinem Hammel, ein Trinker schon mit seiner Tonne fertig. Wetten waren gewonnen und verloren. Da wußte Don Granco weiter nichts mehr als: »Setzen wir uns nun an die Tafel, meine werten Herren und Frauen, alles ist bereit.« Auch diesmal hätte Don Strintillo wieder »ja, ja!« gesagt; aber der Richter erinnerte ihn, daß er, wenn er gerecht sein wolle, das andre Fest ebenfalls in Augenschein nehmen müsse. »Ja, ja!« sagte Don Strintillo. – »Da gehe ich mit,« sagte Granco, »ich bin selbst neugierig, was Giovanni angerichtet hat?« – So gingen sie aus dem Garten nach Giovannis Hofe. Giovanni kam ihnen entgegen und lud Orzo und Strintillo freundlich ein, willigte jedoch in Grancos Gegenwart nur unter der Bedingung, daß er schwiege, ja, es ward der Trumpf darauf gesetzt, daß er, wenn er den mindesten Laut von sich gäbe, die Braut verloren haben solle. Don Granco war dies zufrieden und gelobte in die Hand des Richters, zu schweigen, mit Worten wie mit Zeichen. – Giovanni bat auch den Richter, anfangs kein Wort zu Strintillo zu reden, sondern ihm stumm zu folgen; denn so verlange es die Haupteinrichtung seines Festes, bis sie zu den eigentlichen Gästen kämen. »Sonderbar!« sagte der Richter, »sonderbar!« Strintillo, und »hm, hm!« Don Granco. Da winkte ihm der Richter, daß er schwiege. Hierauf ging Strintillo mit Giovanni voran, hinter ihnen der Richter mit Granco. So kamen sie in den Garten, wo sie am Eingang jener Kluft eine Tür fanden, mit der flammenden Inschrift darüber: Tor von Strintillos Traume. – »Tor von Strintillos Traume? was bedeutet das?« fragte Strintillo. – »Geht hindurch und sehet selbst zu, Herr Strintillo,« sagte Giovanni: »Folgt ihm, meine Herren und sprecht kein Wort zu ihm.«
Hiermit verließ Giovanni die Herren, welche Strintillon lange Zeit durch einen dunkeln Gang nachtappten, während sich das laute Schreien einer Gans vernehmen ließ. Strintillo sprach beständig mit sich: »Still, ich höre die Gans aus meinem Traume! . . . Strintillos Traum? was soll das bedeuten? – O, o, o! nun wird es heller! Was ist das hier? . . . Hier ist ja meine Weinlaube mit den großen Trauben! O! wie viel ihrer sind, wie sie wachsen, wie sie groß werden! und da kommt Don Ciccio, richtig, es ist mein Traum wie er leibt und lebt!« – »Ja und hier bin ich,« sagte Ciccio, »um Euch wieder zum Bräutigam zu führen, seht, wie die Trauben wachsen! Machen wir, daß wir weiter gehen; sie kommen von allen Seiten, wir können sonst nicht mehr hindurch!« – Strintillo blieb immer erstaunt stehen: »Nein, das ist ganz mein Traum, mein Traum!« – Auch Granco und selbst der Richter wurden von den sonderbaren Dingen sehr in Verwunderung gesetzt, und begriffen nicht, wie alles zuging. Granco aber fing an, für sein Glück bange zu werden. – »Was sind das für Bretter hier am Boden?« – fragte Strintillo Ciccion. – »Mit diesen Brettern sind heute die Goldstücke, in die Ihr neulich versunken seid, bedeckt worden, damit man besser gehn könne; da seht, hier leuchten welche durch die Ritzen. Ich will Euch ein paar aufheben.« – Damit scharrte er einige Goldstücke aus den Ritzen und gab sie Strintillo, der sie verwundert betrachtete. »Wahrhaftig, pure Goldstücke! Mein Traum, mein Traum!« – Nun hätte Granco vor Wut alles zerreißen mögen; aber er fürchtete nur einen Finger zu bewegen; weil er die Braut dann ganz verloren glaubte. So traten sie in einen Keller, der ganz voll Weinfässer war: Ciccio zapfte eines an und gab den Herren zu kosten; man bot auch Granco an, aber so gern er getrunken hätte, er stand wie eine steinerne Säule, und gab kein Zeichen von sich; weil er sich beständig irgendeiner Falschheit vermutend war. Strintillo fand den Wein vortrefflich. Nun gingen sie eine lange Weile zwischen lauter Fässern, welche nach Sacchettis Angabe so künstlich gestellt waren, daß sie ein Labyrinth bildeten, welches Ciccio mit einer schwachen Kerze immer anders und anders anleuchtete, so daß alle, selbst der Richter, getäuscht wurden, um so mehr, weil Sacchetti unbemerkt nachschlich und in Eil immer mit Kreide das Datum an den Fässern veränderte. Als Granco nun kein Ende und immer anderes Datum sah, ging es ihm über den Spaß, und er dachte bei sich: hier hat der Teufel sein Spiel; solch einen langen Keller hab ich mein Lebtag nicht gesehen! – Wie aber ward ihm zumute, als sie auf den freien Platz kamen, und hinter einem Zaun von Dornen die lustigen Gäste um die Käsetische, die Springbrunnen von Wein, den Bratofen mit Ochsen, die Teiche mit gebackenen Fischen, den Hof mit dem gebratenen Geflügel, die Maccaroni-Bäume und alles sahen, wie Strintillo es geträumt hatte. Ciccio reichte den Herren zum Beweis von allem Einzelnen zu kosten, da hätte Granco innerlich bersten mögen vor Ärger; aber noch hielt er sich tapfer. Endlich kamen sie um eine Ecke, als ihnen eine helle Sonne im Brillantfeuer entgegenleuchtete, und Giovanni, Angiolinen an der Hand, Strintillo entgegentrat und um seinen Segen bat. Hinter ihnen die Muhme und eine Anzahl Gäste. Strintillo war vor Staunen außer sich: »Mein Traum, mein Traum!« rief er einmal über das andre, und wollte eben die Hand Giovannis in die seiner Tochter legen, da konnte sich Granco nicht mehr halten und schrie: »Don Strintillo, Don Strintillo! haltet ein! Hier geht es mit dem Teufel zu! – Gebt Giovanni Euer Kind nicht, sonst nimmt er sie mit in die ewigen Flammen!«
Da ward Strintillo einen Augenblick stutzig und ließ die Hände wieder sinken, sah in die Höhe und schien sehr ernsthaft nachzudenken. »Aber was ist das da oben?« rief er auf einmal erstaunt aus. – Alle folgten seinem Blick und erstaunten wie er, denn von wunderbarem Licht umstrahlt, schien eine weiße Gestalt über einem Felsen gleichsam emporzuschweben. Alles war totenstill und die Gestalt rief: »Giovanni, empfange diesen Schatz mit dem Segen des Himmels!« – Die Gestalt verschwand, und man sah auf dem Felsen etwas Glänzendes schimmern. Giovanni eilte hinauf und brachte nicht ohne Mühe einen Kasten herab, welcher kostbar gearbeitet und im Verhältnis zu seiner Größe über alle Maßen schwer war. – »Seht selbst,« sagte Giovanni: »Ob ich neulich gelogen?« und alles drängte sich um den Kasten: er ward auf einen Tisch gehoben und dem Richter übergeben, ihn zu öffnen.
»Das geht alles mit dem Teufel zu!« sagte Granco. – »Versündige dich nicht,« sagte Strintillo: »Wie könnte der Teufel den Segen des Himmels geben? Schweige und laß uns sehen, was in dem Kasten ist?« – Derselbe war nicht so leicht zu öffnen, weil das Schlüsselloch künstlich verborgen war, und der Richter hielt eben nachdenklich die Hand an den Mund, als sich durch das fröhliche Gedränge ein Mann in rauhen Kleidern hindurcharbeitete. Es war – jener von Checco geprellte Waldbruder.
»Herr Don Orzo,« begann er atemlos: »Ich habe Euch wichtige Dinge zu sagen, die nicht aufgeschoben werden können, hört mich armen Mann und dann richtet!« –
Alles war mäuschenstill.
»Rede,« sprach Don Orzo.
»Diesen Morgen,« fuhr der Eremit fort: »Diesen Morgen erfuhr ich von einem Pilger, der zu mir kam, daß hier in Gragnano ein Engel mit einem Goldregen erschienen sei und diesen Abend wiedererscheinen wolle.« –
»Ja, eben war er da!« riefen alle.
»Das habe ich eben gehört,« sagte der Eremit: »Und ich komme nun über den Engel zu berichten!«
»Aha!« rief Don Granco, »nun werden wir etwas hören!«
»Still!« rief der Richter.
»Auch ich habe Engelserscheinungen gehabt,« sprach der Eremit: »Obwohl sie mich nicht so glücklich machten als den Bräutigam hier!« –
»Nun erzählt, erzählt!« riefen alle. –
»Fünf Nächte sind vergangen, seit ich einsam in meiner friedlichen Hütte schlief; da ward ich plötzlich von einer traurigen Musik erweckt, die Türe tat sich wie von selbst auf, ein Licht verbreitete sich in meiner Zelle, und, brennende Kerzen in der Hand, traten drei Jünglinge herein, die mir Engel schienen, weil sie Flügel hatten!« – Hier schwieg der Eremit und weinte.
»Nun, und was taten die Engel?« –
»Sie stellten sich um mich her und sangen ein Lied, und war ich erst erschrocken, so war ich es jetzt noch mehr; denn sie sangen: als ob mein Ende nahe wäre und ich das Irdische verlassen müsse! Da rieselte es mir eiskalt durch alle Glieder und ich tappte an mir herum, ob ich noch im Leibe wäre? – Vielleicht hätte ich mich noch wiederum gefaßt; aber nun erschien an der Tür ein rauher schwarzer Dämon, mit gräßlichen feurigen Augen und rief: ›Bist du reif, alter Geizhals?‹ Damit reckte er die Krallen nach mir aus und wollte mich fassen; aber die Engel wehreten ihm, und fragten ihn: ›Was willst du, Drache?‹ – ›Des Schatzgräbers Seele will ich!‹ brüllte der Rauhe. Aber der Engel hatte ein Rauchfaß und schwang es vor ihn und sprach: ›Der Schatz, den er gefunden, ist ein heiliger Schatz und rettet seine Seele. Hebe dich weg, Satanas!‹ – Aber Satanas wollte nicht weichen, und zählte alle meine Sünden her und forderte meine Seele. Da hatte der andere Engel ein blitzendes Schwert und trieb ihn damit hinweg, daß ich ihn nicht mehr sah: aber der dritte sprach zu mir: ›Sei getrost, deiner Sünden sind viel, aber sie sind dir vergeben um des Schatzes willen, der ein heiliger Schatz ist; zeuch ihn hervor und folge uns damit ins Paradies, so wird Satan dich nimmer erlangen!‹ – Da ward ich etwas getroster, doch zitterte ich noch immer und nahm weinend einen Hebel und hub den Stein empor, der die Schätze barg, die ich unlängst gefunden, einen neben dem andern. Als ich sie mit großer Mühe vorgezogen, sagte der Engel mit dem Rauchfasse, indem er es über mich schwang: ›Wohl dir, daß du gehorcht! Aber wirf dich nieder auf dein Angesicht und bete. Stirb ab der niedern Welt, so ist der Himmel dein!‹ –
»Ich tat es und der dritte Engel warf ein schwarzes Tuch über mich, unter dem lag ich wie eine Nonne, die eingekleidet wird, und die Engel sangen wieder ein Lied, wovon ich wenig verstand, weil ich unter dem Tuche lag. Auch wurde der Gesang immer schwächer und schwächer und schien sich zu entfernen, bis er endlich gar aufhörte. Ich aber zitterte noch immer unter der Decke und wagte nicht, sie emporzuheben und aufzustehen; denn ich war noch immer der Meinung, ich solle wirklich ins himmlische Paradies gehen. Mehr als zwei Stunden blieb ich liegen und wagte kaum zu atmen. Endlich hörte ich Gesang von Vögeln und vernahm Tritte, die mir nahe kamen; bald darauf ward mein Tuch aufgehoben und ein heller Glanz schien mir in die Augen. Ich meinte den Glanz des Paradieses zu schauen und die Engel; aber – der Tag war angebrochen und Tommaso der Ziegenhirt stand vor mir mit einer Kumme Milch und die Engel – kamen nicht wieder!« –
Als der Eremit hier herzlich seufzend inne hielt, brach die ganze Versammlung in ein lautes Gelächter aus: »Vor ihm stand Tommaso der Ziegenhirt mit einer Kumme Milch und die Engel kamen nicht wieder!«
»Und der Schatz war weg!« jammerte der Eremit darein und zerraufte sich und zerschlug sich. Da nahm das Gelächter immer mehr überhand, bis der Richter Schweigen gebot und zum Eremiten sprach: »Verzeiht, wenn ich mitlache, aber es ist sonderbar, einen Mann, der sich in die Waldeinöde zurückgezogen, in solcher Art um irdische Schätze jammern zu hören.«
»Lacht wie Ihr wollt; aber hört mich weiter!« sagte der Eremit: »Und schützt mich den Gesetzen nach, gegen Raub und Einbruch! Ich höre, daß der Gragnaner Engel soeben einen Schatz gebracht hat und wette, daß es einer der meinigen ist. Ich will ihn genau beschreiben; es ist ein schön gearbeiteter Kasten, mit vielem Messing beschlagen und geht von unten zu öffnen: inwendig liegt zu oberst ein Pergament, darunter Gold und Juwelen.«
»Habt Ihr die Schrift davon gelesen?«
»Nein, lesen kann ich nicht; aber es sind viel Schnörkel darauf und es hängen gewaltige Siegel daran.«
»Könnt Ihr den Kasten öffnen?«
»O ja, sogleich, und hier ist der Schlüssel!« Mit Behendigkeit wandte der Eremit den Kasten, öffnete ihn und der Richter fand alles, wie jener es beschrieben.
Schon wollte der Eremit nach dem Kasten langen und sich den Besitz desselben wieder zueignen, schon wurden Giovanni und Angiolina bleich und Granco froh; als der Richter sagte:
»Halt! Erst laßt uns lesen, was hier geschrieben steht?« – Er entfaltete das Pergament und las:
»Hiermit sei jedwedem kund und zu wissen, daß ein jeder, welcher diesen Schatz auffindet und denselben den wahren Erben oder Nachkommen des Don Bernardo Carino nicht zukommen läßt, verdammt sein soll bis in alle Ewigkeit, als ein schändlicher Räuber und Entwender fremden Gutes. Er soll krumm werden und lahm und blind bleiben, bis seine Seele hinunterfährt, wo keine Erlösung ist!«
Don Orzo hatte noch nicht ausgeredet, als alle riefen: »Bernardo Carino? Bernardo Carino? war das nicht dein Urgroßvater, Giovanni, von dem alle Welt sagt, daß er der reichste Mann vor dem Kriege war?«
»Jawohl,« rief Giovanni: »Und ich kann es gerichtlich beweisen!«
»Das weiß ich selbst genau,« sagte der Richter: »Ich habe deinen Großvater noch wohl gekannt. Aber Ihr, mein frommer Waldbruder, verlangt Ihr dieses Geld noch samt jenem Fluche des Verstorbenen?«
»Nein!« sagte der Eremit und weinte, daß ihm die Tränen über die Wangen liefen: »Aber was habe ich nun für das Ausgraben des Schatzes?« –
»Du sollst über meinen Geiz nicht klagen,« sagte Giovanni: »Und, wenn dir die Armut so schwer fällt, so will ich mit dir teilen!«
»Bravo!« rief der Richter: »Aber ein Vierteil genügt dem Finder, das andere behalte mit Gottes Segen!« –
»Und hier nimm meine Tochter Angiolina dazu!« sprach Don Strintillo und legte ihre Hand in Giovannis.
»Aber die Geschichte mit den Engeln ist ja noch nicht im Klaren?!« rief Granco dazwischen.
»Schweigt Granco, das Reden hilft Euch doch nichts,« sagte Strintillo: »Mein Traum ist erfüllt, um und um und nach allen Seiten und in allen Stücken. Was der Himmel tut, darüber dürfen wir nicht grübeln, die Engel sind gut, die Tochter ist meine Tochter, Giovanni mein Schwiegersohn, ich bin Don Strintillo, und was ich haben will, muß geschehn!« –