Adolph Freiherr Knigge
Geschichte Peter Clausens
Adolph Freiherr Knigge

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Viertes Capitel

Anfang des Manuscripts. Sturm auf der See.
Sie werden nach Dänemark verschlagen.

»Erzählung derjenigen Begebenheiten, welche mir, Christoph Heinrich Brick, seit meiner Abreise aus Braunschweig begegnet sind.

Ich will die wenigen Augenblicke, welche ich vielleicht noch zu leben habe, zum Besten meiner lieben Freunde, welche mich in meiner Krankheit so treulich verpflegt haben, anwenden, indem ich Euch eine höchstwichtige Nachricht melden will, welche, wenn Ihr sie in gute Hände liefert, Euch und ganz Europa beträchtliche Vortheile bringen kann. Es ist dies nämlich die Beschreibung einiger, durch sonderbare Zufälle von mir ganz allein entdeckten unbekannten Länder unter dem Südpol. Kein Europäer außer mir weiß die Lage noch den Weg dahin. Am Ende dieser Handschrift aber werdet Ihr beydes auf das genaueste bezeichnet finden. Wenn Ihr irgendeiner Seemacht diese Entdeckungen mittheilet, so lasset Euch gut dafür bezahlen! Versichert Euch der Bedingungen vorher, ehe Ihr die Reise antretet, denn Ihr wißt, daß die großen Herrn oft treulos und eidbrüchig handeln und daß selbst die englische Nation zuweilen unedel mit Denen umgeht, die sie durch große Versprechungen angelockt hat, ihr Kräfte und Gesundheit zu widmen, um in fremden, wilden Gegenden Leben, Gut und Blut zum Besten der Nation daranzuwagen. Höret nun meine Erzählung!

Es sind, wie Ihr wißt, ungefähr vierzehn Jahre, nämlich in der Mitte von 1766, als der edle Reyerberg in Braunschweig im goldenen EngelErster Theil, Seite 50 bis 55. mein niedergeschlagenes Herz mit Trost erfüllte und dadurch, daß er mich einem Schauspieldirector empfahl, mir Mittel verschaffte, einen ehrlichen Unterhalt zu haben. Ich blieb eine Zeitlang bey dieser Gesellschaft, bis ich Gelegenheit fand, von dem Herrn Abt, welcher in Holland eine Gesellschaft führte, einen Ruf zu erhalten. Ich ging hin und hielt mich zwey Jahre dort auf, wo ich, nicht ohne Beyfall des Publicums, die größten Rollen übernahm. Allein ich hatte immer Lust gehabt, fremde Länder zu sehn, und in der That überlegte ich auch, daß man doch bey dem Schauspielerleben nur ungewisse Aussichten für sein hohes Alter hat. Da ich nun mit einem Kaufmanne bekannt geworden war, der viel Wohlwollen für mich zeigte und überhaupt ein gutthätiger Mann war, eröffnete ich Diesem von Zeit zu Zeit den Wunsch, bald eine andre Aussicht zu meinem Glücke ausfindig machen zu können, ›und wäre es auch‹, fügte ich hinzu, ›in einem fernen Welttheile‹ – ›Wenn das Ihr Ernst ist‹, antwortete der Kaufmann, ›so kann ich Ihnen, da Sie der Feder mächtig sind, vielleicht in kurzer Zeit eine gute Stelle auf einem Schiffe, das nach Cap de bonne espérance und weiter geht, verschaffen.‹ Ich bat ihn, diese Güte für mich zu haben. Er hielt Wort, und ich reiste bald nachher in Diensten eines reichen Negotianten ab.

Wir hatten die glücklichste Fahrt, die man sich nur wünschen kann, und ich war beynahe der Einzige von der Equipage, welcher die ganze lange Reise hindurch fast immer frisch und gesund blieb. Allein kaum kamen wir von dem Vorgebirge der guten Hoffnung nach Batavia, als ich anfing zu kränkeln. Die große Hitze, die ungesunden Dünste, die schlechten Nahrungsmittel, der Mangel an frischem Wasser, die hitzigen Getränke – Kurz! die ganze ungewohnte Lebensart zog mir eine hitzige Brustkrankheit zu, an welcher ich lange in Batavia schwer krank lag, welche mir ein schleichendes Fieber und eine Mattigkeit zurückließ, die mich zu allen Geschäften unlustig machte und mir den Wunsch einflößte, wieder nach Europa zurückkehren zu können.

Ich war indes nach dem Cap zurückgekehrt, wo die Luft gesünder ist, und erwartete hier eine schickliche Gelegenheit, als der Capitain Cook im Jahre 1772 bey seiner großen Reise um die Welt dort ankam. Da wurde ich dann durch die Lust, ferne, unbekannte Länder zu sehn, durch die Hoffnung, daß die gemildertere Luft im Süden, wohin Cooks Fahrt gerichtet war, meine in Batavia zerrüttete Gesundheit wieder herstellen würde, und endlich die Ungewißheit, wie bald ich ein Schiff finden würde, das mich nach Europa brächte (wo ich im Grunde doch auch nichts zu erwarten hatte, wenn ich auch die lange und heiße Reise aushielte) – durch dies alles, sage ich, wurde ich bewogen, den Capitain Cook zu bitten, mir einen Platz in seinem Gefolge zu geben, welches er willig that und mir eine Schreibersstelle anwies, worauf ich um meinen Abschied bat und mit dem berühmten Seefahrer am 27sten November 1772 vom Vorgebirge der guten Hoffnung wegfuhr.

Wir stachen frisch in die See, und der Zweck der Reise war, wie bekannt, zu untersuchen, ob unter dem Südpol nicht ein großes festes Land befindlich sey. Wir kreuzten hin und her, stießen aber immer auf große Eisflächen, durch welche es unmöglich war, hindurchzukommen.

Am 9ten März 1773 trennten sich die beyden Schiffe, und mich traf die Wahl, auf demjenigen zu bleiben, wovon der Capitain Furneaux Befehlshaber war. In Neu-Zeeland trafen wir wieder zusammen, ohne weiter sehr wichtige Entdeckungen gemacht zu haben, und fuhren dann miteinander auf Tahiti zu.

In dieser schönen Insel wurde meine Gesundheit, welche schon auf der Reise sich merklich gebessert hatte, gänzlich hergestellt. Ich erinnere mich, nie vorher so frohe, sorgenlose Tage verlebt zu haben wie hier, glaubte auch damals nicht, daß es ein glücklichers Volk geben könne wie die guten Tahitier.

So wie indessen mein Körper an Gesundheit und Stärke zunahm, wurde er dann auch empfänglicher für die sinnlichen Eindrücke. Eine junge Tahitierin, welche uns oft besuchte und sich durch Sittsamkeit, Unschuld und Naivität von den Übrigen ihres Geschlechts sehr unterschied, gefiel mir unbeschreiblich wohl. Ich war fünfunddreyßig Jahre alt und hatte noch nie in meinem Leben mit ganzem Herzen geliebt, auch waren mir immer die gezierten Manieren der Europäerinnen, ihre grobe und feine Coketterie, ihr Mangel an wahrhaftem reinen, innigen Gefühle, die stets durchschimmernde Eitelkeit oder Sinnlichkeit an der Stelle der Liebe, die conventionelle Tugend, die studierte Sprödigkeit und die bedächtliche Ergebung nach Zeit und Umständen in den Tod zuwider gewesen. War es daher Wunder, wenn hier Schönheit und Einfalt Eindruck auf mich machten? Meine junge Schöne schien auch bald für mich mehr wie gemeine Zuneigung zu fühlen, und diese stieg endlich bis zur größten Zärtlichkeit. Sie lebte nur für mich, brachte mir die schönsten Früchte und war besorgt um mich, sooft ich nur einen trüben Blick auf sie warf. Und das kam nun freylich oft, denn wenn ich dachte, welche selige Tage ich hier verlebte und wie das alles auf einmal vorbey, auf ewig vorbey seyn würde, wenn unsre Schiffe wieder abführen, wie ich dann wieder in den gezwungnen europäischen Circeln eingesperrt, von Sorgen, Leidenschaften, Vorurtheilen und unnützen Bedürfnissen in einem Wirbel umhergetrieben werden würde, dann konnte ich mich wahrlich oft der Thränen nicht enthalten.

Meine Geliebte, deren Sprache ich in kurzer Zeit gelernt hatte (die Liebe ist eine herrliche Lehrmeisterin), lockte mir endlich mein Geheimnis ab, und ich bekannte es ihr, wie sehr mein Herz von dem Gedanken, sie bald zu verlieren, zerrissen würde. ›O! wenn Du sonst keinen Kummer hast‹, rief sie da aus und umschlang mich mit ihren schönen Armen, ›so sey ruhig! Nichts soll uns trennen; ich folge Dir durch die ganze Welt.‹ ›Armes Mädchen!‹ rief ich. ›Nein! so unglücklich will ich Dich und mich nicht machen. Du kennst diese glänzenden, geputzten Europäer noch nicht. Ich sollte Dich aus dem Schoße Deiner Eltern, aus diesen glücklichen, schönen Gefilden fortreißen, um Deine Ruhe und Unschuld meinen verderbten Landesleuten preiszugeben? – Nimmermehr! Ach! Könnte ich doch hier bey Dir bleiben!‹ – ›Und was hindert Dich, das zu thun?‹ sagte sie – ›O! bester, liebster Bricki!‹ (so nannte sie mich) ›o! bleibe hier!‹ – Sie bat und flehete so dringend, führte mich zu ihrem Vater, der ein guter alter Mann war und seine Bitten mit den ihrigen vereinigte – Kurz! ich gab nach, verschwieg meinen Entschluß vor unsern Leuten und ging in der letzten Nacht vor Abfahrt der Schiffe in das Haus des alten Vaters, der mir seinen ältesten Sohn mitgab, welcher nebst meiner Geliebten mich tief in das Land hineinführte, dort in einem Walde versteckte – und so war ich dann nun ein Einwohner von Tahiti, im Besitz eines lieben Weibes, vergaß Vaterland und Landesleute. Dem Capitain Cook aber schickte ich durch einen Wilden einen Brief, darin ich ihm meinen Entschluß meldete und ihn bat, sich die verlorne Mühe zu ersparen, mich aufzusuchen. Ich dankte ihm für seine mir bezeigte Güte und ließ den größten Theil meiner elenden Habseligkeiten auf dem Schiffe.

Nie habe ich lebhafter empfunden wie damals, welches Elend wir uns selbst durch Vervielfältigung unsrer Bedürfnisse aufladen. Glücklich in dem Besitze eines lieben Weibes; an ihrer Seite, unter dem Schatten eines Baums ruhend, dessen wohlschmeckende Frucht mir zugleich die herrlichste und gesundeste Nahrung gab; in einer einfachen Hütte gegen die Launen des Wetters geschützt; bezaubert von dem schönen Anblicke der reichen, immer neuen, unterhaltenden Natur; gekleidet und bedeckt mit einem Stoffe, dessen Zubereitung mir sowohl gesunde Bewegung wie Zeitvertreib verschaffte; unverfolgt von dem Neide, der Hinterlist und der Habsucht, ungekränkt von dem Stolze der feinen Europäer; da wo kein wollüstiger Fürst meinem treuen Weibe nachstellen, kein dummer Tyrann meine gesunden Glieder an auswärtige Potentaten verkaufen noch mein Vieh aus dem Stalle holen konnte, um eine Arie trillern zu hören, eine Pastete zu fressen, einen Dieb mehr zu besolden, einen Hirsch mehr totzumartern oder ein rares unnützes Thier mehr in der Menagerie zu füttern – Wer hätte nicht sagen sollen, daß man in diesem seligen Zustande Ewigkeiten lang vergnügt, ohne mehr zu wünschen noch zu fürchten, fortleben könnte? – Aber die Mängel einer unzweckmäßigen Erziehung drückten mich auch hier. Sobald der erste Reiz der Neuheit (leider! das Einzige, womit man den verwöhnten Kunstmenschen fesseln kann) vorüber war, da fing ich an, mehr zu wünschen. Bald erzählte ich meinem Weibe von europäischen Künsten und Wissenschaften, damit ich Gelegenheit haben möchte, durch ihre Fragen und Gespräche wieder an jene glänzende Armseligkeiten erinnert zu werden. Dann wollte ich mich bemühn, sie unsre rauhen unbiegsamen Sprachen reden und schreiben zu lehren. Ein andermal schnitt ich mir eine Flöte aus Schilf und begleitete den einfachen Herzensgesang der Natur mit meinen erkünstelten Tönen. Ich wünschte mir Bücher und hatte doch das große Buch des Schöpfers, das man nie auswendig lernt, vor mir. Ich war nicht gewöhnt, wenn ich aß, meinen Hunger, sondern meinen Appetit zu fragen, aß mehr, trank mehr, wie ich nöthig gehabt hätte; dann war mir die Speise zuwider geworden und ich suchte Abwechselung. Oder ich empfand Kopfschmerzen und wünschte mir, aus der Apotheke ein schmerzstillendes Gift holen zu können. Meine Schnupftabaksdose war leer, ich suchte Kräuter, die mir das Gehirn kitzeln und mich betäuben könnten. Ich legte künstliche, nach der Schnur gezogene Gärten an, da, wo der Schöpfer Mannigfaltigkeit verordnet hatte, und pflanzte auf einem Fleck zusammen, was die Natur in so herrlicher Schattierung vertheilt. Dann hätte ich gern die Eingeweide der mütterlichen Erde durchwühlen und das unglückliche Metall herausholen mögen. Auch fing ich an, die Jugend zu cultivieren. Sie mußten die Füße auswärts setzen, welche Gott gradehin hat wachsen lassen, und wenn sie die Heiterkeit ihres frohen Herzens in ungezwungnen Sprüngen entfalten wollten, lehrte ich sie, nach einer schalen Weise, in der Figur von gothischen Zahlen, von Schneckenlinien und Ketten, sich gleichförmig durcheinander hindurchzwängen – Ja! soll ich es bekennen? Wenn dann mein Geblüt erhitzt war und ich sah, mit welcher natürlichen Grazie ein junges blühendes Mädchen dahinhüpfte, dann erwachten strafbare Begierden in meiner Seele – Pfui! sagte ich zu mir selbst, schändlicher Europäer! Wie wenig verdienst Du, unter unverderbten Menschen zu leben, und doch bist Du keiner der Schlechtesten unter Deinen Landesleuten.

Auf diese Art nagte das Gefühl meiner eignen Unwürdigkeit, die unruhige Thätigkeit und das gewöhnte Verlangen nach immerwährendem Wechsel (Welch ein Widerspruch!) an meinem Gemüthe. Mein Weib sah es, sie war im fünften Monate schwanger und härmte sich darüber, daß ich nicht mehr so heiter wie ehemals aussah.

Eines Morgens, nachdem ich ungefähr dreyundzwanzig Wochen in Tahiti gelebt hatte, ergriff mich auf einmal ein verzweifelter Gedanke. Ich saß einsam am Ufer des unruhigen Meers und machte mir selbst Vorwürfe, daß ich im Begriff wäre, ein ruhiges Völkchen durch meine armselige Cultur um Glück und Frieden zu bringen – Flieh, weil es noch Zeit ist, und sollte es Dich das Leben kosten! rief ich aus und sprang plötzlich auf. – Es stand ein Nachen, ein kleiner unsichrer Nachen am Strande. Ich schwang mich hinein – Wohin willst Du, Elender? Du wirst den Tod in den Wellen finden – Bleib – Was wird Dein treues Weib sagen? Es war zu spät. Eine Welle hob das leichte Fahrzeug und trieb mich schnell vom Lande weg. Außer einem kleinen Ruder und einigen Nahrungsmitteln, welche von ungefähr in dem Nachen lagen, fand ich nichts darin. Ich mußte der Gewalt des starken Elements weichen und erwartete ruhig, wohin ich verschlagen werden könnte.

Umsonst würde ich es versuchen, Euch die Gemüthsverfassung zu schildern, in der ich drey Tage hindurch zubrachte, während welchen ich so schnell fortgetrieben wurde, daß ich zuweilen in Ströme gerieth, welche mich geschwinder wie ein Pfeil fortschossen. Der Nachen war federleicht. Es gelang mir, mit meinem alten Hute das einschlagende Wasser auszuschöpfen – Die Hand der Vorsehung erhielt mein Leben, um mich größere Erfahrungen machen und dann hier in meinem Vaterlande auf dem Bette meinen Geist aufgeben zu lassen.

Nachdem gegen den vierten Tag meine Nahrungsmittel beynahe aufgezehrt waren und ich schon den nahen Tod vor Augen zu sehn glaubte, stieß ich grade auf die große Eisfläche, durch welche Cooks Schiffe nicht kommen konnten. Schon war ich im Begriff, mich aus Verzweiflung in die See zu stürzen, als ein reißender Strom, mitten durch die ungeheuren Eisschollen hindurch, mir einen Weg bahnte. Mein kleines Fahrzeug wurde mit ungeheurer Schnelligkeit auf diesem schmalen Canal fortgetrieben, und – o! überschwengliches Wunder! nach acht Stunden kam ich durch alle diese Berge von Eis hindurch in ein stilles Meer, das, je näher ich dem Südpol rückte, um desto wärmer und lieblicher schien.

Nun wurde mein Herz von einer nie zuvor gefühlten Wonne durchströmt. Ich bekam Muth, Hoffnung, das unter dem Pol liegende Land zu erreichen, und diese Hoffnung trog mich nicht. Nachdem ich mein Ruder ergriffen und, soviel die durch Freudigkeit gestärkten Kräfte erlaubten, gearbeitet hatte, sah ich gegen Abend das flache Ufer eines schönen Landes voll herrlicher Gewächse und Bäume vor mir hingebreitet. Ich verdoppelte meine Mühe, kam glücklich hin, stieg an das Land, warf mich auf die mütterliche Erde nieder und dankte mit heißen Thränen meinem Schöpfer und Erretter.«

 

So weit hatte ich Bricks Manuscript gelesen, indes das Wetter jeden Augenblick stürmischer wurde und uns immer mehr rechter Hand von unserm Wege abtrieb. Aber so emsig las ich, daß ich kaum merkte, in welcher Gefahr wir schwebten. Allein gegen Abend erhob sich ein so fürchterlicher Sturm, daß ich Ihnen Allen, meine schönen Damen und Herrn! nimmermehr wünsche, dergleichen zu erleben.

Seit einer Stunde schlage ich alle alten und neuen, poetischen und prosaischen Schriftsteller, die ich in meiner kleinen Büchersammlung habe, nach, um für Sie ein recht dichterisches Gemälde eines Seesturms abzuschreiben. Aber sie gefallen mir alle nicht. Man sieht es ihnen vielmehr an, daß sie beym warmen Ofen geschrieben sind und daß der Mann sich seinen eigenen Wind geschaffen hat – Mich soll der Henker holen, wenn Sie Sich nur einen Begriff davon machen können, ohne das Schauspiel selbst erlebt zu haben. Denn, sehen Sie, das Meer wird so schwarz, ja! wie soll ich nun gleich sagen? so schwarz, wie – meine manschesternen Beinkleider, und schäumt, schäumt, wie – wie Bartseife, und noch ärger. Dann thürmt sich auf einmal alles in die Höhe und kocht wie – aber im Großen – wie wenn ein Topf voll Erbsen überkocht, und wirft dann das Schiff, das große schwere Schiff – ja! denken Sie nur! – als wenn es ein Ball wäre, meiner Seele! so hoch in die Höhe, daß man meint, man müßte sich den Kopf am Monde einstoßen. Die Wolken hängen pechbraun, couleur de puce und in allerley Farben dicht über dem Scheitel und werden fortgewälzt, als wenn der böse Feind hinter ihnen wäre. Aus Bosheit halten sie dann nicht fest, sondern gießen ganze Fässer voll trübes Wasser auf die armen Reisenden hinab, die doch wahrhaftig nichts dafür können und schon da unten der Plage genug haben, denn in dem Schiffe selbst, Mord, Pestilenz! da geht es erst recht bunt her. Krick, krack! und immer hin und wider. Dort stürzt Einer über den Andern und bittet nicht einmal um Verzeyhung, und dann ist ein Lärm, ein Rufen, ein Toben, ein Bethen – Man meint, man müßte toll und rasend werden.

So natürlich, wie ich Ihnen das Ding beschrieben habe, ja! grade so ging es bey uns zu. Es dauerte die ganze Nacht durch, und als der Tag herankam, sahen wir, daß wir nahe bey Dänemark waren.

»Was ist nun zu thun?« sagten die Schiffsleute. »Das Schiff ist schadhaft an allen Ecken, ein Mast ist geborsten. Gott Lob! daß wir nur Alle noch leben! Wir müssen nach Dänemark und dort erst das Schiff ausbessern.« Es blieb keine Wahl übrig. Ich war, scheint es, bestimmt, ein Stück dieses Reichs zu sehn. Wir segelten darauf los und kamen um zwölf Uhr mittags in Kopenhagen, dem Zollhaus gegenüber, bey Christianhafen vor Anker.


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