Egon Erwin Kisch
Prager Pitaval
Egon Erwin Kisch

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Drei Prozesse eines trinkfesten Herzogs

Die Regierung des Herzogs Heinrich XI. von Niederschlesien (1560 bis 1581) war solcherart: Er zechte auf Pump und pumpte auf die Zeche. »Leben und leben lassen« mag seine Devise gewesen sein, und er wurde ihr zumeist auf fremde Kosten gerecht. Alltäglich betrank er sich mit seinen Freunden und seinem Hofstaat, immerfort war er auf Reisen, ließ sich durch Geschenke erfreuen und erfreute durch Geschenke. Solch schlaraffisch Treiben behagte allen denen, die daran beteiligt; aber weidlich auszuschroten wußten es die Feinde und Neider, deren er genug hatte.

Seine Gattin Sophia von Anspach, die vier Jahre älter war als er, ließ er nicht ins Schlafgemach, sondern hatte fremde Weiblein und Mägdlein viel lieber; und als sich die Frau Herzogin einmal über die Anwesenheit eines solchen Dämchens an der Hoftafel beklagte, gab Seine Fürstliche Gnaden Ihrer Fürstlichen Gnaden eine Maulschelle, welche männiglich von der anspachischen Sippschaft gegen ihn aufbrachte.

Aus dem Piastengeschlechte stammend, hoffte er, die Nachfolge des kinderlosen Königs von Polen antreten zu können. Als ihm Heinrich von Valois vorgezogen wurde, faßte er den noch abenteuerlicheren Plan, die jungfräuliche Königin Elisabeth von England zu heiraten. Dann wollte er im Dienste des Prinzen von Condé, des Hugenottenführers, in Frankreich Kriegsdienste leisten. Es kam aber nicht zur Aktion, und der Herr Herzog, halb Gargantua und halb Don Quichotte, zog weiterhin zechend und zechprellerisch durch die deutschen Lande.

Niemand wollte ihn mehr aufnehmen, längst waren seine Kleinodien den Händen der Wucherer verfallen, zu Hause in Liegnitz ging alles drunter und drüber. Von seinem Bruder, dem Herzog Friedrich IV. in Hainau, geschürt, lehnten sich die niederschlesischen Landstände gegen ihren bummelnden Fürsten auf, und Kaiser Rudolf II. mußte einschreiten. Wie sehr der bleiche Habsburger, der sich auf dem Hradschin eingesponnen hat in Mystizismus, Katholizismus und Kunst, den freizügigen, der Völlerei ergebenen Schlesier lutheranischen Ketzerglaubens und slawischen Stammes hassen mag, der sich als Soldat immer auf antihabsburgischer Seite engagiert – man kann es sich denken.

Da Heinrich zum erstenmal in Sachen seines Streites mit den Landständen am Prager Hofe weilt, ist Rudolf allerdings noch nicht Kaiser; wir schreiben 1575, seines Vaters letztes Regierungsjahr. Über die Fahrt erzählt uns der drollige Hans von Schweinichen, des Herzogs Kämmerer und Pumpmarschall, Famulus und Sancho Pansa, Mundschenk und Saufkumpan, in seinen Memoiren: »Am 13. August dieses 1575ten Jahres sind wir von Liegnitz aufgebrochen mit zwei Kutschen, eine zu sechs und eine zu vier Rossen, und sind Herr Aßmann von Küttlitz, ich, Kaspar Heilung, Andre Mohaupt, ein Secretarius und zwei Jungen mitgewesen. Wir zogen über Hainau, Bunzlau, Görlitz, Zittau, Jung-Bunzlau, Brandeis auf Prag zu. Da denn Ihro Römisch-Kaiserliche Majestät, um der Liegnitzschen Landschaft in den schweren Schuldensachen wider Ihro Fürstliche Gnaden Herzog Heinrich zu helfen, nach Prag Gerichtstag angesetzt hatten, wollten Ihro Fürstliche Gnaden zuvor etliche Reichs- und Kurfürsten um ihren Beistand ersuchen. Zum Kaiser kam der Herzog gar nicht, sondern ließ durch mich bei dem Oberst-Hofmeister die Ursache vermelden, warum er die Post nehme, um ins Reich zu reiten, womit Ihro Kaiserliche Majestät auch zufrieden waren. Also ritten Ihro Fürstliche Gnaden von Prag aus weg. Für je zwei Meilen Postweg mußte für einen Klepper eine Krone gegeben werden. Den ersten Tag postierten wir zwölf Meilen bis nach Pilsen. Allda waren Ihro Fürstliche Gnaden und die Diener so müde, daß ich vor meine Person mag zeitlebens nicht müder gewesen sein. Ich hätte zwar den Abend gerne gegessen, hatte aber die Kraft nicht mehr, um mir ein Ei aufzuschlagen, blieb ungegessen, nahm das Kissen, das ich auf dem Sattel führte, legte es mir zu Häupten auf eine Bank und schlief so sanft, als ich mein Tage im Bette nicht geschlafen habe. Wir waren im Posthause liegengeblieben, der Meinung, um Mitternacht wieder auf zu sein, doch tat der Schlaf so sanfte, daß wir des Tages nicht gewahr wurden.« Von Pilsen geht die Kavalkade über Waldmünchen, Regensburg und Augsburg nach Heidelberg zum Kurfürsten, der eben dem verjagten Prinzen von Condé Zuflucht gewährt und auch dem Liegnitzer Herzog zusagt, »daß er ihm Beistand wider seine Untertanen und Landschaft gen Prag zuordnen wolle«.

In Mainz bekommt Heinrich vom Kurfürsten ein Interzessionsschreiben, in Speyer hält der Herzog mit den hervorragendsten Juristen Rat ab und läßt sich von ihnen für hundert Gulden ungarisch ein Rechtsgutachten über den Streit mit den Landständen ausstellen, im Kloster Pfaffenhofen verspricht der bayrische Herzog dem schlesischen seine Einflußnahme am Kaiserhof, und in Neuburg der Pfalzgraf.

Dann geht es nach Prag zurück. Die Reise hat fünfzehnhundert Taler gekostet, »und sind in dieser kurzen Zeit, nämlich in zwei und einer halben Woche, über zweihundertneun Meilen gereist, dabei auch viele Tage stille gelegen und nichtsdestoweniger auch sehr getrunken . . . Wie Ihro Fürstliche Gnaden nun nach Prag gekommen waren, ritten sie alsbald nach Hofe und meldeten sich bei den Herren Offizieren (Beamten) an und erlangten von Ihro Kaiserlichen Majestät, daß das Verhör auf acht Tage aufgeschoben ward, bis Ihro Fürstliche Gnaden den erbetenen Beistand erlangen konnte. Also mußte die Landschaft mit großen Kosten daliegen. Die Verhandlung verzog sich von einem Tag zum anderen, bis zuletzt nach etwan sechs Wochen Ihro Fürstliche Gnaden vor den Offizieren eine Stunde verhört wurden. Trotzdem der Herzog achtzehn Kur- und fürstliche Reichs-Abgesandte zum Beistand hatten, ward aus der Sache nichts, sondern es kam der Bescheid, Ihro Kaiserliche Majestät wollten ehestens eine Commission in Schlesien legen, von der sollten die Sachen gehört und verglichen oder beschieden werden. Es zog also die Landschaft wieder anheim, und es blieb alles, wie es zuvor gewesen«.

Den Herzog ficht's wenig an. Er bleibt in Prag, was man verständlich finden muß; denn einerseits lockt ihn nichts nach Liegnitz, wo die Kommission auch ohne sein Beisein feststellen wird, daß er sich und dem Lande eine Schuldenlast von nicht weniger als 485 466 Talern und 25 Weißgroschen aufgebürdet hat, und andererseits ist ein Aufenthalt in Prag nicht das Schlimmste; wird ja gerade die Königskrönung Rudolfs vorbereitet mit Turnieren, Ringrennen und wohl auch mächtigen Zechgelagen, bei denen sich der lebenslustige Liegnitzer gerne finden läßt. »Ich hatte die Zeit eine schwere Aufwartung«, seufzt Schweinichen, sein treuer Wardein, »vornehmlich als dem frommen Herrn das Geld ausging und ich die Hebräer ersuchen mußte, auf Pfand zu leihen. Indessen nahmen Ihro Fürstliche Gnaden einige Teilungen vor und bekamen dadurch etliche hundert Taler, so daß sie fünf ganze Wochen nach der Audienz in Prag endlich abzahlen konnten.«

Die Kolonne bricht wieder auf, der Herzog und sein Hofmarschall Schweinichen, der Thüringer Kaspar Heilung, der Breslauer Martin Seidenberger, der Sekretär Andreas Mohaupt, zwei Jungen, drei reisige Knechte, ein Koch und die Kutsch- und Pferdeknechte. Mit vier Reitpferden, einem sechsspännigen Wagen und einer dreispännigen Breslauer Mietkutsche fahren sie aus dem Prager Stadttor. Der Herzog hat keinen Pfifferling mehr als dreihundertdreiundfünfzig Taler bei sich, der Reisemarschall trägt in seinem Beutel ein Privatvermögen von – drei Talern. Wollen sie damit bis Liegnitz auskommen? Oh, Heinrich XI. von Niederschlesien will noch viel weiter, will nach Venedig, nach Welschland und auf die Armada – nach Hispanien.

Keineswegs kommen sie so weit. Sie unterhalten sich zwar ganz gut, dieser vorshakespearesche und ungebesserte Prinz Heinz, sein Falstaff mit dem Schweinenamen und die übrige Sippschaft, aber sie haben mehr Schande als Ehre zu bestehen; Gerichtsverhandlungen, Pfändungen, Prellereien, Bettelgänge und Abweisungen, schimpfliche Händel in Köln, Utrecht und Emmerich sind die Etappen dieses zwei Jahre währenden Bummels.

Im Januar 1579 reitet der Herzog mitsamt seinem Stabe nach Krummau – »Krommenau« steht in Schweinichens Memoiren – zur Hochzeit des reichen Herrn Wilhelm von Rosenberg. »Die goldenen Ketten aber und was sonst zu einem stattlichen Aufzug nötig war, mußten wiederum geliehen werden, und zur Zehrung hatten Ihro Fürstliche Gnaden nicht über zweihundert Taler bei sich. Folgenden Tages ritten Ihro Fürstliche Gnaden mit dem Herrn Bräutigam der Braut entgegen, welche eine Pfalzgräfin von Platten war, hatten zweiunddreißig Rosse und drei Trompeter bei sich und waren viel besser staffiert als die sechshundert böhmischen Herren.« Beim Einzug hatte man das Gespenst, die »Loretta« genannt, um den Turmknauf herumtanzen sehen, welches kein gutes Zeichen gewesen sein soll. Sieben Tage hat man mit Tanzen, Fechten, Ringelrennen, Mummerei, Feuerwerk und anderer Kurzweil zugebracht.

Mit schmatzendem Behagen schreibt Schweinichen das Verzeichnis des Aufwandes ab, das er sich aus der Küche verschafft hat: 113 ganze Hirsche, 98 Wildschweine, 162 Rehe, 2229 Hasen, 470 Fasanen, 3910 Rebhühner, 22 687 Krammetsvögel, 88 westfälische Schinken, 600 indianische Hühner, 3000 gemästete Kapaunen, 12 888 gemästete Hühner, 2500 junge Hühner, 2687 Schöpse, 1579 Kälber, 3550 Gänse, 40 837 Eier, 117 Zentner Schmalz, 39 Tonnen Fett, 15 800 Hechte; er spezialisiert die 6000 Eimer verschiedenen Weines und die 7000 Eimer verschiedenen Bieres und notiert die Gesamtpreise für Gewürz und Marzipan und Pferdefutter. »Die Kleidung, Mummerei, Feuerwerk und dergleichen«, so fährt er fort, »soll allein über 40 000 Taler gekostet haben, und außerdem hat man in allen Dörfern der Herrschaft arme Leute gespeist. Was dabei draufgegangen, kann man nicht wissen. Wie nun die Hochzeit ein Ende hatte, konnten Ihro Fürstliche Gnaden wegen Mangels an Geld nicht aus der Herberge kommen. Nachdem ich den Herrn Bräutigam vergebens angesprochen hatte, lieh mir endlich ein Zwerg hundert Gulden auf die Kette der Herzogin . . .«

Im selbigen Jahre sind Heinrich, seine Gemahlin, ihre Töchter und ein großmächtiger Hofstaat wieder in Prag. Täglich speisen über zweiundfünfzig Personen an ihrer Tafel, und da kein Geld und keine Ordnung im Haushalt ist, wachsen die Schulden während dieses anderthalb Jahre dauernden Prager Aufenthalt ins Ungemeine.

Ein böhmischer Landedelmann, der Herr von Schwamberg, läßt beim Herrn Herzog anfragen, ob er dessen Tochter Emilie zur Gemahlin erhalten könne; bejahendenfalls würde er dem herzoglichen Schwiegervater zehntausend Taler leihen. Zur Anfrage bedient sich der Aristokrat eines »Schadchens«, wie jüdische Ehevermittler wohl schon damals geheißen haben. Den Herzog locken die zehntausend Taler, die ihm als Bezahlung seines fürstlichen Samens selbstverständlich vorkommen mögen, aber das Fräulein hat keine Lust, sich zu diesem Kuhhandel herzugeben. Nichtsdestoweniger bemüht sich der Ehevermittler um die Angelegenheit, so daß der Haushofmeister Schweinichen beauftragt wird, auf das Schloß des Freiers zu reisen und sich von der Ernsthaftigkeit seiner Absichten (betreffs der zehntausend Taler vor allem!) zu überzeugen: »Wie ich nun dahin komme, finde ich zwar alle Dinge vollauf wie bei einem reichen Manne, aber in jedem Winkel steckte eine Hure, und der Herr hatte die FranzosenSyphilis. dazu, war auch ziemlich alt; Wie ich nun sonsten mit dem Herrn wohlbekannt wurde, rühmte er mir seinen Hurenstand höchlichst, führte mich auch zu den räudigen Frauenzimmern zum Trunk. Da sagte ich zu dem Herrn, wenn es aus der Heirat mit meines Herrn Tochter etwas werden sollte, so müsse er diese Mäuslein alle von sich tun. Darauf merkte ich wohl, daß es dem Herrn um seine Frauenzimmer mehr zu tun war als um das Fürstliche, und befand, daß es mir nicht gebühren würde, in dieser Sache ferner zu handeln. Es kam auch heraus, daß der Vermittler auf eigene Hand, um ein Geschenk zu erlangen, meinem Herrn blauen Dunst vorgemacht hatte. Mit der Darleihung der zehntausend Taler wurde es nun nichts, er bewilligte mir nur, nebst einem anderen Herrn, für fünfhundert Taler Bürge zu werden.«

Um die zweite Herzogstochter, Prinzessin Anna Marie, wirbt ein reicher und schöner Herr aus Österreich; der Herr von Kaischan will Prinzessin Anna Marie heiraten und erbietet sich, hunderttausend Taler als Widerlager in Schlesien anzulegen, die ihr nach seinem Tode gehören sollen. Der Herzogin gefällt der Brautwerber, und der Prinzessin wäre er recht, wenn sie auch vorgibt, sie wolle nicht außerhalb des Fürstenstandes freien.

Aber der Herzog, so scharf er auf die hunderttausend Taler ist, gibt nicht die Einwilligung zur nicht standesgemäßen Ehe seiner Tochter. Er möchte gerne den Nikolaus von Hassenstein zum Schwiegersohn, und zu dem ist wieder das Fräulein nicht zu bereden.

So zergehen diese Ehegeschäfte, und im herzoglichen Haushalt in Prag führt Schmalhans statt Schweinichen das Amt des Küchenmeisters. Der Herzog frißt und säuft sich zwar an der Tafel der Freunde an, jedoch die Herzogin und die Fräuleins müssen beinahe fasten, und die Rosse kriegen einmal zwölf Tage lang kein Futter, so daß sie an den Krippen zu nagen beginnen und umstehen. Trotz aller Interventionen wird der Rechtsstreit, der zwischen Heinrich XI. und seinem Bruder Friedrich und den mit diesem verbündeten niederschlesischen Ständen bei Hofe anhängig ist, immer wieder verschleppt. Und wie drängen die Gläubiger!

In diesen Jammertagen wendet sich der protestantische Fürst eigenhändig an den päpstlichen Gesandten am Prager Schloß um ein Darlehen von zweihundert Gulden. Und es ist für die Zeit wie für beide Teile charakteristisch, wie sie sich verhalten. Der Nuntius antwortet: »Wenn der Herzog die alte katholische Religion wiederaufnehmen und in seinem Lande fortpflanzen will, so soll er nicht zweihundert, sondern tausend und aber tausend Gulden erhalten, auch alsbald wieder in sein Fürstentum eingesetzt werden; sonst kann ich es vor dem Heiligen Vater nicht verantworten, seinen Religionsfeinden in der Not beizuspringen; das hieße dem Teufel ein Licht anstecken.« Obwohl die Bedrängnis groß ist, hängt der sonst so leichtfertige, ja, beim Geldborgen vollkommen skrupellose Herzog aus slawischem Dynastenhause doch zu fest an der Lehre Martin Luthers, um nicht den versucherischen Brief von sich zu werfen: »Was liegt mir an dem losen Pfaffen; will er mir nicht Geld leihen, so mag er es lassen. Wenn der Teufel den Pfaffen geholt haben wird, will ich schon Geld haben!«

Erst am 28. September 1580 wird der Liegnitzer Streit vor dem Kaiser erledigt. Alle Fürsten und Adelsherren, die Herzog Heinrich XI. zum Beistand hatte bitten lassen, stellten sich am Morgen dieses Tages in seiner Wohnung ein und ritten, ihrer sechsundfünfzig, mit ihm nach Hofe, welches auf Kaiser Rudolf gewiß Eindruck machte. Heinrichs Bruder und Prozeßgegner, Herzog Friedrich IV., hatte nur zwei seiner Hofbeamten und einen Rechtsgelehrten aus Glogau mit sich. Die Verhandlung währte eine halbe Stunde, als der Kaiser erschien und der oberste Kanzler die kaiserliche Entscheidung verlas, derzufolge sich die beiden Herren aus Liegnitz nach Hause begeben sollten. Ihre Kaiserliche Majestät hätten bei dem Oberamt in Schlesien Befehle deponiert, wie ein jeder sich verhalten sollte, und weil Herzog Heinrich so emsig und untertänig um Restituierung in sein Fürstentum angehalten, so wolle der Kaiser diese Bitte genehmigen. Alles übrige werde der Bischof von Breslau anordnen. Mit diesem Bescheid war Heinrich sehr zufrieden, bedankte sich in einer zierlichen Rede für das gerechte Urteil und fuhr nach Schlesien zurück, wo wieder starke Räusche gefielen. Am 27. Oktober ward auf dem Liegnitzer Schloß durch den Bischof von Breslau die kaiserliche Resolution eröffnet, dahin lautend, Herzog Heinrich solle zu Liegnitz und Herzog Friedrich zu Hainau residieren, beide zugleich Regenten sein und die Einkommen friedlich und brüderlich miteinander teilen.

Kommt nun Ordnung und Einigung zustande? Keineswegs. Auf Heinrichs XI. Schloß fängt das Gesaufe und Gepumpe wieder an, der Herzog »administrieret keine justitia« und bekommt Händel mit der Landschaft, die von neuem gegen ihn harte Klage führt. Deshalb geht er auch nicht selbst zum Fürstentag, der für den 28. April 1581 nach Breslau ausgeschrieben ist, sondern schickt zwei Gesandte hin, womit er klug handelt, denn man hätte ihn ins Gefängnis gesteckt, wäre er selbst gekommen. In seiner Abwesenheit wird gegen ihn ein Beschluß gefaßt und in Klageform dem Kaiser überreicht, wie aus einem Gedicht zu ersehen ist, das in zeitgenössischer Handschrift in der Berliner Staatsbibliothek liegt, achtundvierzig Strophen auf acht Quartblättern und des Titels: »Daz lied vom liegnitzer Putter Kriege.«

Dieser Butterkrieg war dadurch entstanden, daß der Kaiser kurz nach dem Breslauer Fürstentag den Herzog Heinrich zur Ableistung seines Lehenseides nach Prag fordert. Seine Fürstliche Gnaden entschuldigt sein Fernbleiben – mit Krätze und bleibt auch, als die Aufforderung wiederholt wird, dabei, wegen Krätze nicht am Kaiserhof erscheinen zu können. Daraufhin befiehlt Rudolf II. den schlesischen Ständen, Liegnitz mit Krieg zu überziehen und den Herzog zum Gehorsam zu zwingen. Es kommt nun am 8. Juni zu einer ziemlich fidelen Umzingelung von Liegnitz, bei der die Belagerten der feindlichen Belagerungsarmee erlauben, rottweise, das heißt zu zehn Mann auf einmal, in die Stadt zu kommen und sich Proviant zu kaufen, zumeist Brot und Butter, woher auch der Spottname »Butterkrieg« stammt. Das erwähnte Spottgedicht beschreibt diese recht unkriegerische Maßnahme so:

»Der feinde man sich erbarmen must
Zwo stund vor abendt man sie einließ
Mit einer Anzal Volck,
Speis und Tranck wardt in aus der stad gefolgt
Umbs gelt wer daz nur wolte.«

Der »Krieg« endet nach kurzer Dauer damit, daß der Herzog im Lager des Gegners den Lehenseid leistet und sich verpflichtet, der kaiserlichen Vorladung Folge zu leisten. Schweinichen beschließt seine Beschreibung des Feldzuges mit einem Stoßseufzer über die Greuel des Krieges: »Es waren doch dabei drei Personen umgekommen, ob sie aus Furcht oder anderen Ursachen gestorben, ist mir nicht wissend, aber erschossen ist keiner worden. Gott behüte uns vor dergleichen Unrat gnädig. Amen!«

Nach dergestalt heiterer Kampagne zieht Herzog Heinrich zum dritten Male gen Prag vor des Kaisers Gericht. Und hier wird nun seines Lebens Fastnachtsspiel zur Tragödie. Herzog Friedrich, der Bruder, ist auch da und zeugt wider ihn – ein Bruderzwist am Hof des Bruderzwists. Heinrich ist beschuldigt, gegen den Kaiser gerüstet, mit den Polen konspiriert, Schulden gehäuft, keine Gerichtsbarkeit eingerichtet zu haben, und er erfährt, daß er »bestrickt«, das heißt in Haft genommen werden soll.

Zur Flucht will er sich anfangs nicht entschließen, hernach ist sein Quartier – er ist im Hause der kaiserlichen Furiere untergebracht – allzu gut bewacht. »Am 12. August 1581«, so erzählt das Tagebuch Schweinichens, »kommt ein kaiserlicher Trabant und zeigt an, daß der Herzog sich morgen um neun Uhr in der Tafelstube einstellen sollte und ferneren Bescheids erwarten. Da schoß ihm das Blatt und wäre diese Nacht gerne fortgewesen, doch war das Haus auf allen Seiten mit Wachen umstellt, auch eine ins Haus gelegt worden. Des Morgens früh, um sieben Uhr, ritten Ihro Fürstliche Gnaden gen Hof, um, wie bräuchlich, in dem großen (Wladislawschen) Saal allda zu spazieren, während ich für meine Person ins Wartezimmer ging, um mich nach neuer Zeitung umzutun. Wie ich nun dahin komme, höre ich, daß dem Kaiser sein Thron aufgeschlagen und allenthalben Schranken gezogen worden seien, gerade wie damals, als Ihro Majestät einem Böhmen Leib und Leben abgesprochen hatten. Dessen erschrak ich denn sehr und meldete es Ihro Fürstliche Gnaden. Wie es nun an neun Uhr kommt, zieht die Guardia (Wache) mit Trommeln und Pfeifen auf, welches Ihro Fürstliche Gnaden noch furchtsamer machte, da es sonst an Wochentagen nicht bräuchlich, die Wache aufzuführen. Ihro Fürstliche Gnaden schickten wohl mich und andere auf Kundschaft aus, aber es war alles still und nichts lautbar. Sie wären noch gerne fortgewesen, aber es war unmöglich, da die Wachen allbereit heimlich bestallt waren. Wie nun der Herzog um neun Uhr ins Wartezimmer kommt, stund allbereit die ganze Guardia in dem Zimmer, wo der Aktus vorgenommen werden sollte, im gleichen war auch alles Hofgesinde, Herzog Friedrich und die Gesandten der Landschaft präsent. Ihro Fürstliche Gnaden stellten sich etwas freudiger als sie waren, damit man ihr die Bangigkeit nicht anmerken sollte. Kurz darauf wird des Kaisers Zimmer eröffnet, und der Herr von Rosenberg, Herr von Bernstein und andere Offiziere der Krone Böhmens kommen heraus, und der Herr von Rosenberg setzt sich zu Füßen des kaiserlichen Thrones, bis das Volk ein wenig stille war. Darauf stund er auf und eröffnete mit einer zierlichen Rede Ihrer Kaiserlichen Majestät Gemüte, worin alle Punkte wiederholt waren, welche meinem Herrn auch im Liegnitzischen Kriege vorgehalten worden waren. Der Beschluß der Rede war der Befehl, Herzog Heinrich sollte sich in des Kaisers Gehorsam geben und sich einstellen, wohin er gewiesen werde. Darauf führte der Herzog eine solche Rede, daß sich männiglich darüber verwunderte, und widerlegte mit gewissen starken Gründen alle die Bezichten, so ihm aufgelegt werden wollten. Letztlich bat er, der Kaiser wollte ihn mit dieser Bestricknis allergnädigst verschonen und ihn selbst zu Verantwortung kommen lassen, und zwar mit solchem Eifer, daß die kaiserlichen Offiziere (Beamten) aufstunden mit Vermeldung, sie wollten Ihrer Majestät solche Entschuldigung untertänigst vorbringen.

Bald kamen sie wieder, und der von Rosenberg zeigte an, daß der Kaiser es bei der vorigen Anordnung verbleiben ließ, sich aber erböte, der Sachen nachzudenken und alsdann den Herzog ferner zu bescheiden. Obwohl nun der Herzog seine Unschuld ferner ausführen wollte, so war doch kein Gehör mehr, sondern der von Rosenberg brach ab, nahm Ihro Fürstliche Gnaden bei der Hand und sagte: ›Es wäre also des Kaisers Befehl, Ihro Fürstliche Gnaden sollten mit ihm gehen.‹ Darauf schrie er überlaut: ›Hans Schramm, der Kanzler, soll dem Schloßhauptmann folgen.‹ Worauf Brandano von Zedlitz zu dem Schloßhauptmann sagt, indem er auf Schrammen weiset: ›Hier steht das ehrliche Männlein.‹ Darauf zog die Guardia fort und war ein groß Gedränge, denn jeder wollte sehen, wo es hinauswollte. Es ging der Rosenberg mit dem Herzog aus dem Wartezimmer über den Platz (dritten Burghof) in die Oberzimmer über dem großen Saal. Den Kanzler sah ich dem Schloßhauptmann folgen, den alten Lossen hatte ich verloren. Ich war nicht wenig in Ängsten, da ich meinen Herrn gefangen fortführen sah, und drang mit großer Begierde nach, wie Petrus unserm Herrgott folgte, konnte aber des Gedränges wegen auf der Stiege nicht nachkommen.«

Man gestattet dem Herzog, daß ihm während seiner Haft von Schweinichen aufgewartet werde, doch stellt sich heraus, daß ergebenes Lakaientum und täglich besiegelte Zechbruderschaft keine Bindungen sind: Schweinichen erweist sich als richtiger Höfling, er verläßt seinen Herrn in der Not, um daheim auf Schlesisch-Mertschütz frohe Honigmonde mit seinem jungen Ehegespons zu feiern und in den Dienst von Friedrich IV. zu treten, dem Feind und Nachfolger seines bisherigen Herrn.

Der Herzog Heinrich XI. hat beim Abschied von Schweinichen wie ein Kind geweint, vielleicht um solchen Undanks willen, und hat ihn mehreremal schriftlich gebeten, doch wieder zu ihm nach Prag zu kommen; aber Schweinichen hat bloß zur Antwort, »daß mein Durst nunmehro ein Ende habe, und ich könnte mich nicht aufs neue einlassen«.

So sehr hat sich alles verkehrt, daß Falstaff den Prinzen Heinz verläßt. Aber ist denn das noch der Prinz Heinz? Der Vergleich paßt nicht mehr. Er ist ein König Lear geworden, der, von Undank verfolgt, gehetzt aus einer Haft in die andere, wanken, fliehen und arm durch die Lande irren muß, eines elenden Todes stirbt und schimpflich begraben wird. Krakau 1588.

 


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