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Dritter Teil.
Tänzer

Die Wiesenthals

Drei Schwestern

(1909)

I.

So was lebt nicht noch einmal
Wie die Schwestern Wiesenthal.
Krudelhold, wenn sie erscheinen
Mit den wiesengrünen Beinen;
Wiegen sich auf grünen Stengerln,
Tanzen jauchzend wie die Engerln  …

II.

Frühlingshaare … Flatterbändchen …
Else, wie du lächeln kannst …
Denk' an Gottfrieds Tanzlegendchen
(Die, wo in den Himmel tanzt!).
Else … unter Veilchenbüschen
Seh' ich dich eratmend gleiten,
Dich verzaubern, dich erfrischen
An den eignen Seligkeiten …
Niemand, Mädel, kommt dir gleich –
So was wächst in Osterreich!

III.

 … Die sich spitz-phantastisch drehte,
Schlank und blaß und schmal, – ist Grete.
Etwas schläft in ihren Zügen
Von dem schluchzenden Vergnügen
Einer (mit beglücktem Sinn)
Blinden Harfenspielerin …
Dennoch wird sie niemals weich;
Küß die Hand – mein Österreich!

IV.

Mädelhaare. Frühlingskränze,
Schubert-Walzer, Lanner-Tänze.
So was lebt nicht noch einmal
Wie die Schwestern Wiesenthal …

Nur Zwei

Blanke Lichter, schlanke Hälse.
Schwester Berta, Schwester Else,
Nett besohlt und nett beseelt
Aaaaber – Schwester Grete fehlt.

Gaukeln weidlich, wippen seitlich,
Gucken lieblich, tanzen leidlich  …
Meine innere Stimme spricht:
Schwester Grete seh' ich nicht.

Mahnend murmelt jede Geste:
Grete fehlt – es fehlt das Beste.
Nett besohlt und nett beseelt,
Aaaaber … Schwester Grete fehlt.

1910. 8. November.

Grete Wiesenthal

I.

Auch die Lebenden reiten manchmal schnell.

Sie entfernen sich von uns, auf beschleunigtem Gaul. Oder entfernen wir uns?

Nein; allem Edlen, was die Prüfung überwährt, bleibt man fast bürgerlich treu. Bis zum letzten Röcheln dankbar für eine Kunst; für ein Dahingenommenes; für eine Schönheit; für ein Wetterleuchten; für einen Beginn; für ein Abendglück; für eine Zukunft. Wenn ihr nur durchhaltet! Ob Kaffern und Äffchen dräuen, der Kritiker wird sagen: ich bleibe bei dir.

(Wenn ihr durchhaltet.)

II.

Diesen Schwestern, will sagen der Grete, wird man immer dankbar sein  … für einen frühen Augenblick: für ein junges Versprechen und Erfüllen; für eine Erinnerung; für ein Damals. Aber sie reiten, sie reiten.

Beleuchtungen und Stoffe. Die Kitschbewegung des londonisierten Theaters (der man es besorgen muß) hat sie erfaßt. Hofmannsthal gab dazu eine wesenlose Mißlungenheit, »Amor und Psyche«; was ein Schatten hätte sein dürfen, wenn es nicht ein so umrißarmer Schatten geblieben wäre.

Einst schenkte sie Beseeltes, gewissermaßen auf einem Tablett. Mit nichts. Und hierin liegt alle Kunst, hierin aller innerste Maßstab: Beseeltes auf einem Tablett. Mit nichts.

Es bleibt wenig zu sagen. Wo ist an dieser etwas prall und zufrieden und zerstreut gewordenen Künstlerin die süße durchblinkte Schlichtheit? … War es ein Ausbleiben? Nur der Zufall eines Abends? wo ist die krudelschöne Gloria der Österreicherin? wo ihr Blütenschrei? wo ist das Aprilentzücken – das man verherrlicht hat? Blamier' mich nicht, mein schönes Kind.

III.

Es war der Zufall eines Abends. Sie bot zwar hinterdrein »Das fremde Mädchen« (worin Hofmannsthal das Kino lyrisiert, möcht' man sprechen, und unverständlich bleibt). Sie versagte wiederum beinahe ganz.

Es war, zum Donnerwetter, der Zufall eines Abends. Sie wird zurückkehren. Sie wird sein, was sie ist. Sie wird ihr altes Herz aus der alten Schublade nehmen. Sie wird ihre alten Augen wiederfinden.

Und wir den alten Dank.

1911. 17. September.


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