Arthur Kahane
Theater
Arthur Kahane

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Ausländerei

Natürlich gibt es nationale Verschiedenheiten. Natürlich sind die Künste deren lebendigste Inkarnationen und wurzeln in den Differenzierungen der Völker und Rassen. In ihrer Gegenüberstellung liegt eine Welt von Reizen: und ebenso, wie sich daraus das Kunstverständnis erhöht und vertieft, schärft die Kunst unser Ohr für nationale Eigenart. Humor und Komik leben von nationalen, ja sogar von lokalen Besonderheiten.

Aber aus dieser Existenz etwas anderes folgern zu wollen als den Ruf zu Verständnis und Liebe: geistige Zollschranken zu errichten, eine künstliche Absperrung zu verlangen, Konkurrenz zu unterdrücken, wie dies in einer in Kunstdingen so gern »gelben« Presse häufig geschieht, ist nicht bloß engherzig und borniert, sondern barbarisch und kunstfeindlich.

Das Theater aber braucht Freizügigkeit. Vollständige, ohne Grenzen, ohne Schranken. Immer wieder Zufuhr neuer Kräfte, frische, neue Winde, immer wieder Fühlung und Berührung mit der ganzen Welt.

Das Theater will ein Weltbild geben. Die ganze Welt will es umspannen. Es hat den Drang zur Vollständigkeit und Komplettheit. Und darum sucht es nach immer neuen Milieus und nach den Leidenschaften der neuen Milieus. Oder wenigstens nach 149 neuen Zeichen und Gebärden der Leidenschaft. Es braucht neue Temperamente und Individualitäten, neue Dichter und Schauspieler. An ihnen hält es sich warm und jung. Was schadet's, wenn sie aus der Fremde, aus der Ferne kommen!

Es gibt kein Volk, und sei es noch so klein und politisch bedeutungslos, das nicht einmal seinen dramatischen Tag erlebt. Und dieser Tag gehört der ganzen Welt. Gerade in den kleinen Völkern, in denen, die lange stumm gelebt und wortlos gelitten haben, wühlt soviel Verhaltenes, Aufgespeichertes, Merkwürdiges, das einmal ans Licht will. Eine derartige Explosion ist oft furchtbarer, in der Form wie im Temperament, als die erstarrten Künste alter Kulturnationen.

Eine solche Explosion können Werke, können auch Menschen sein. Nach ihnen verlangt die Bühne. Sie führen uns frisches Blut zu, rütteln an unserer Ruhe, zwingen die alten, erstarrenden Kräfte, selbst wieder jung zu werden und sich um neue Zeichen, neue Gebärden, neue Formen zu bemühen, zeigen uns neue Menschlichkeiten. Neugier und Gier nach Neuem aber ist das Lebenselement des Theaters. Vielleicht nur deshalb, um immer wieder seine alte Lieblingsthese zu beweisen, daß es, unter allen wechselnden Formen der Menschlichkeiten, überall auf der Welt nur ein und dieselbe Menschlichkeit gibt. 150

 


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