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» Mama!«
»Militta?«
»Was heißt das, Mama, Triton von Prinz aus der Leda?«
»Aber Militta!«
»Ich weiß es wirklich nicht, Mama. Beim Rennen …«
»Schweig still! Du solltest nachgrade wissen, daß man davon nicht spricht.«
»Wovon, Mama?«
»Von solchen Dingen.«
»Weshalb nicht? Es steht doch im ›Sporn‹. Sieh hier! Triton von …«
»Schweig! … Militta! Mädchen! … Es ist schrecklich, so ein Kind! … Du bist beinahe siebzehn. Du mußt doch fühlen …«
»Was soll ich fühlen, Mama?«
»Was der Anstand verbietet. Was ladylike ist.«
»Der Anstand? Aber Mama! Der ›Sporn‹ liegt offen auf dem Tisch. Jeder liest darin. Du [23] auch. Und wenn ich etwas nicht verstehe, muß ich doch fragen. Auch bei Baron Dellfft … Alle lesen sie im ›Sporn‹. Lucie erst recht. Du hast immer gesagt, ich soll sie mir zum Muster nehmen … Wenn wir zum Rennen fahren … Ich will nicht immer die Dumme sein. Kann ich dafür, daß mir keiner sagt, was es heißt, Triton von Prinz …«
»Nun ist es genug! Du erzürnst mich ernstlich. Das sind Dinge für Herren. Hörst Du? Für Herren!«
»Weißt Du es, Mama?«
»Für Herren und für verheiratete Frauen will ich noch sagen.«
»Siehst Du, Mama! Ich dachte es gleich. Triton und Prinz und Leda sind ja Pferde. Pferde, Mama! Und Du sprichst von heiraten!«
»Genug! Kein Wort mehr! Weder zu mir noch zu sonst jemand. Ich hoffe, Du verstehst mich.«
* * *
»Kurt!«
»Was wünscht mein Schwesterchen?«
»Ist der Sport anständig, Kurt?«
»Anständig? Der Sport? Aber Kind! Militta! Welche Frage! Lebenselement ist er. Für den Kavalier natürlich. Er erhebt über die gemeine Welt. Der [24] Sport, siehst Du, darüber hinaus giebts nichts. Obenan steht der Rennsport.«
»Ist es ladylike, davon zu sprechen, Kurt?«
»Aber gewiß! … Sehr! … Wie kommst Du darauf? Wovon willst Du sonst sprechen?«
»Ich verstehe manches nicht, Kurt.«
»Närrchen! Was man nicht weiß, danach fragt man. Hast mich ja. Nicht jeder Dame wards so gut. Dein Bruder ist Sportsman, Militta. Sieh mich mal drauf an!«
»Kurt!« …
»Militta?« …
»Weißt Du alles, Kurt?«
»Alles? Die reine Gewissensfrage. «
»Vom Sport, meine ich.«
»Na ob! Man hört meine Meinung auf dem turf.«
»Wirst Du mir sagen, wonach ich Dich frage?«
»Natürlich! Fange nur an! Was möchtest Du wissen?«
»Im ›Sporn‹ steht: Triton von Prinz aus der Leda. Was heißt das, Kurt?«
»Hm! … Ja … Was das heißt, willst Du wissen … Was wirds denn heißen? … Siehst Du, Militta … ist ein eigen Ding … das … Wenn mans recht bedenkt … natürlich … Prinz und Leda sind Tritons Papa und Mama … sozusagen. «
[25] »Ach geh, Kurt! Du bist garstig. Du hast mich zum besten. Pferde heiraten doch nicht.«
»Nun thu mir 'n Gefallen, Militta! Wie werden sie heiraten! Du sprichst, als wärst Du sieben statt siebzehn.«
»Ich bin dumm, Kurt. Ich weiß es. Deshalb frage ich grade. Mußt nicht schelten! Tritons Papa und Mama … Das leuchtet mir ein. Aber weshalb schreiben sie das nicht? Weshalb heißt es … Von … aus? … Bedenke doch … aus! Das verstehe ich nicht … Von – aus … Wie ist das, Kurt?«
»Bist ein Kindskopf, Militta … Wie wirds denn sein? … Das ist … weißt Du … eine Überraschung ist es. Ganz recht. Eine Überraschung, die jeder Mann seiner Frau bereitet. Selbst bereitet.«
»Was ist eine Überraschung, Kurt?«
»Närrchen! Du weißt doch, wovon Du sprichst. Mein Schwager … Dein künftiger Mann wird es Dir selbst sagen. Er würde mir böse sein … sehr böse … wenn ichs verriete. Wäre ja keine Überraschung mehr … Also laß gut sein! … Nach der Hochzeit erfährst Du es. Heirate nur bald!«
»Spricht man dann von Pferden? … Ich denke, man sagt sich, wie lieb man sich hat.«
»Kindskopf! … Das gehört doch auch dazu.«
»Es ist also bei uns … ich meine, bei den Menschen ist es auch so … von … aus?«
[26] »Ja! Zum Kuckuck, ja!«
»Aber wie ist das?«
»Nun laß endlich gut sein, Militta! Man spricht nicht darüber. Mit Mädchen nicht.«
* * *
»Weißt Du es, Lucie?«
»Du bist garstig, Litta. Davon darf man nicht sprechen.«
»Aber Du weißt es, Lucie? Sage, ob Du's weißt! Und dann erzählst Du es mir. Bitte! Bitte!«
»Du bist so aufgeregt. Wenn Dich jemand hörte! Kein Mensch darf es ahnen. Man muß immer thun, als wüßte man nichts. Das nennen sie Unschuld. Mädchen müssen unschuldig sein.«
»Wir gehn in Deine Stube. Komm, Lucie! Die Thür schließen wir zu. Dann sagst Du es mir … Ganz leise … Heimlich!«
»Du bist noch viel zu jung dazu.«
»Acht Monate bist Du älter. Was Rechtes! Aber ich weiß auch was und sag's Dir nicht. Kein Wort erfährst Du. Besuchen will ich Dich auch nicht mehr. Was thu ich mit solcher Freundin! Ich will's schon gar nicht mehr wissen. Leb wohl, Lucie!«
»Aber so bleib doch! Komm in meine Stube! Dort hört uns keiner. Wenn Du aber plauderst! …«
»Ganz gewiß nicht … Ich schwöre es Dir.«
[27] »Dann komm! … Den Schlüssel dreh ich um, daß niemand herein kann … Ins Sofa setzen wir uns. Dicht zusammen.«
»Ach, Lucie, ich bin furchtbar neugierig! Fühle mal, wie mein Herz klopft! Ich denke immer dran, wie es sein kann … Abends im Bett … Manchmal halte ichs beinahe nicht aus. Dann wirds mir so heiß … o so heiß! … Noch heißer als jetzt … Das läßt sich gar nicht beschreiben. Mir ist … Nein, das kann ich nicht sagen.«
»Erzähl doch, Litte!«
»Erst bist Du an der Reihe. Du bist älter. Nachher lachst Du mich aus …«
»Dann erfährst Du auch nicht, was ich gesehn habe. Du solltest nur wissen! O … aber ich sags Dir nicht … wenn Du so bist.«
»Lucie!«
»Eine Freundin muß der andern alles mitteilen.«
»Du erzählst mir auch nichts.«
»Doch! Ganz gewiß! Aber Du mußt anfangen. … Dann sollst Du hören … Wundern wirst Du Dich! …«
»Wenn Du mich aber anführst …«
»Ich schwörs Dir.«
»Komm in Deine Stube! … Daß uns keiner sieht! Das sage ich gleich … laut kann ichs nicht aussprechen … Ansehn darfst Du mich auch nicht. [28] … Du mußt die Augen zuhalten … Und zuschließen mußt Du … Komm schnell!«
* * *
»Für eine junge Dame von Stand, die einige Zeit in Zurückgezogenheit zu leben wünscht, wird bei einem Arzt auf dem Lande Pension gesucht. Diskretion verlangt. Adressen sub …«