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190 | Ihm antwortete drauf die Seele des großen Atreiden: Glücklicher Sohn Laertes, erfindungsreicher Odysseus, Wahrlich dir ward ein Weib von großer Tugend beschieden! Welche treffliche Seele hat doch Ikarios' Tochter Penelopeia! Wie treu die Edle dem Manne der Jugend, |
195 | Ihrem Odysseus, blieb! O nimmer verschwindet der Nachruhm Ihrer Tugend; die Götter verewigen unter den Menschen Durch den schönsten Gesang die keusche Penelopeia! Nicht wie Tyndareos' Tochter verübte sie schändliche Taten, Welche den Mann der Jugend erschlug, und ein ewiges Schandlied |
200 | Unter den Sterblichen ist; denn sie hat auf immer der Weiber Namen entehrt, wenn eine sich auch des Guten befleißigt! Also besprachen sich jetzo die Luftgebilde der Toten, Jene gingen den Weg von der Stadt hinunter, und kamen |
205 | Bald zu dem wohlbestellten und schönen Hofe Laertes', Welchen er selber vordem durch Heldentaten erworben. Allda hatt' er sein Haus; und wirtschaftliche Gebäude Liefen rings um den Hof; es speiseten, saßen und schliefen Hier die nötigen Knechte, die seine Geschäfte bestellten. |
210 | Auch war dort eine alte Sikelerin, welche des Greises Fern von der Stadt auf dem Lande mit treuer Sorge sich annahm. Aber Odysseus sprach zu Telemachos und zu den Hirten: Geht ihr jetzo hinein in die schöngebauete Wohnung, |
215 | Ich will indes hingehen, um unsern Vater zu prüfen: Ob er mich wohl noch kennt, wenn seine Augen mich sehen; Oder ob ich ihm fremd bin, nach meiner langen Entfernung. Also sprach er, und gab den Hirten die kriegrische Rüstung. |
220 | Eilte zu seinem Vater im obstbeladenen Fruchthain. Und er fand, da er eilig den langen Garten hinabging, Weder Dolios dort, noch Dolios' Knechte und Söhne. Diese waren aufs Feld gegangen, und sammelten Dornen Zu des Gartens Geheg', und der alte Mann war ihr Führer. |
225 | Nur Laertes fand er im schöngeordneten Fruchthain. Um ein Bäumchen die Erd' auflockern. Ein schmutziger Leibrock Deckt' ihn, geflickt und grob; und seine Schenkel umhüllten Gegen die ritzenden Dornen geflickte Stiefeln von Stierhaut; Und Handschuhe die Hände der Disteln wegen; die Scheitel |
230 | Eine Kappe von Ziegenfell: so traurte sein Vater. Als er ihn jetzo erblickte, der herrliche Dulder Odysseus, Wie er vom Alter entkräftet und tief in der Seele betrübt war; Sah er ihm weinend zu im Schatten des ragenden Birnbaums. Dann bedacht' er sich hin und her, mit wankendem Vorsatz: |
235 | Ob er ihn küssend umarmte, den lieben Vater, und alles Sagte, wie er nun endlich zur Heimat wiedergekehrt sei; Oder ihn erst ausfragte, um seine Seele zu prüfen. Dieser Gedanke schien dem Zweifelnden endlich der beste: Erst mit sanftem Tadel des Vaters Seele zu prüfen. |
240 | Dieses beschloß Odysseus, und eilte hin zu Laertes, Der, mit gesenktem Haupte, des Baumes Wurzel umhackte; Und der treffliche Sohn trat nahe zum Vater, und sagte: Alter, es fehlet dir nicht an Kunst den Garten zu bauen! |
245 | Keine Rebe vermißt, kein Ölbaum, Feigen- und Birnbaum, Keines der Beet' im Garten vermißt die gehörige Pflege! Eins erinnre ich nur; nimm mir's nicht übel, o Vater! Du wirst selber nicht gut gepflegt! Wie kümmerlich gehst du, Schwach vor Alter, und schmutzig dabei, und häßlich bekleidet! |
250 | Wegen der Faulheit gewiß kann dich dein Herr nicht versäumen! Selbst der Gedank' an Knechtschaft verschwindet einem Betrachter Deiner Gestalt und Größe; du hast ein königlich Ansehn: Gleich als ob dir gebührte, dich nach dem Bad und der Mahlzeit Sanft zur Ruhe zu legen; denn das ist die Pflege der Alten. |
255 | Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit: Welcher Mann ist dein Herr, und wessen Garten besorgst du? Auch verkündige mir aufrichtig, damit ich es wisse: Sind wir denn wirklich hier in Ithaka, wie mir ein Mann dort Sagte, welchem ich eben begegnete, als ich hieher ging? |
260 | Aber der Mann war nicht so artig, mir alles zu sagen, Oder auf meine Frage zu achten, wegen des Gastfreunds, Den ich in Ithaka habe: ob dieser noch lebt und gesund ist; Oder ob er schon starb, und zu den Schatten hinabfuhr. Denn ich sage dir an; merk auf, und höre die Worte: |
265 | Einen Mann hab' ich einst im Vaterlande bewirtet, Welcher mein Haus besuchte; so viel ich auch Fremde beherbergt, Ist kein werterer Gast in meine Wohnung gekommen! Dieser sagte, er stammt aus Ithakas felsichtem Eiland, Und Arkeisios' Sohn Laertes wäre sein Vater. |
270 | Und ich führte den werten Gast in unsere Wohnung. Freundlich bewirtet' ich ihn von des Hauses reichlichem Vorrat, Und verehrt' ihm Geschenke zum Denkmal unserer Freundschaft: Schenkt' ihm sieben Talente des künstlichgebildeten Goldes; Einen silberner Kelch mit schönerhobenen Blumen; |
275 | Feiner Teppiche zwölf, und zwölf der einfachen Mäntel; Zwölf Leibröcke dazu, mit prächtigen Purpurgewanden; Über dieses schenkt' ich ihm vier untadliche Jungfraun, Kunstverständig und schön, die er sich selber gewählet. Ihm antwortete drauf sein Vater, Tränen vergießend: |
280 | Fremdling, du bist gewiß in dem Lande, nach welchem du fragest! Aber hier wohnen freche und übermütige Männer! Und vergeblich hast du die vielen Geschenke verschwendet! Hättest du ihn lebendig in Ithakas Volke gefunden, Dann entließ er gewiß dich reichlich wiederbeschenket |
285 | Und anständig bewirtet; denn Pflicht ist des Guten Vergeltung. Aber verkündige mir, und sage die lautete Wahrheit. Wie viel Jahre sind es, seitdem dich jener besuchte? Dein unglücklicher Freund, mein Sohn, so lang' ich ihn hatte! Armer Sohn, den fern von der Heimat und seinen Geliebten |
290 | Schon die Fische des Meeres verzehreten, oder zu Lande Vögel und Tiere zerrissen! Ihn hat die liebende Mutter Nicht einkleidend beweint, noch der Vater, die wir ihn zeugten; Noch sein edles Weib, die keusche Penelopeia, Schluchzend am Sterbebette des lieben Gemahles gejammert, |
295 | Und ihm die Augen geschlossen: die letzte Ehre der Toten! Auch verkündige mir aufrichtig, damit ich es wisse: Wer, wes Volkes bist du? und wo ist deine Geburtstadt? Und wo liegt das Schiff, das dich und die tapfern Genossen Brachte? Kamst du vielleicht in einem gedungenen Schiffe, |
300 | Und die Schiffer setzten dich aus, und fuhren dann weiter?
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
305 | Und mein Namen ist Eperitos. Aber ein Dämon Trieb mich durch Stürme hieher, als ich gen Sikania steurte. Und mein Schiff liegt außer der Stadt am freien Gestade. Jetzo sind's fünf Jahre, seitdem der edle Odysseus Wieder von dannen fuhr, und Alybas' Ufer zurückließ. |
310 | Armer Freund! Und ihm flogen doch heilweissagende Vögel, Als er zu Schiffe ging: drum sah ich freudig ihn scheiden, Und er freute sich auch; denn wir hofften, einer den andern Künftig noch oft zu bewirten, und schöne Geschenke zu wechseln. Sprach's; und den Vater umhüllte die schwarze Wolke des Kummers. |
315 | Siehe, er nahm mit den Händen des dürren Staubes, und streut' ihn Über sein graues Haupt, und weint' und jammerte herzlich. Aber Odysseus ergrimmte im Geist, und es schnob in der Nase Ihm der erschütternde Schmerz, beim Anblick des liebenden Vaters. Küssend sprang er hinzu mit umschlingenden Armen, und sagte: |
320 |
Vater, ich bin es selbst, mein Vater, nach welchem du fragest, |
325 | Und ihr Trotzen bestraft und die seelenkränkenden Greuel!
Ihm antwortete drauf sein alter Vater Laertes: Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
330 | Erstlich betrachte hier mit deinen Augen die Narbe, Die ein Eber mir einst mit weißem Zahne gehauen, Ferne von hier am Parnassos: denn du und die treffliche Mutter Sandtet mich dort zu Autolykos hin, die Geschenke zu holen, Die mir bei der Geburt ihr besuchender Vater verheißen. |
335 | Jetzo will ich dir auch die Bäume des lieblichen Fruchthains Nennen, die du mir einst auf meine Bitte geschenkt hast; Denn ich begleitete dich als Knab' im Garten; wir gingen Unter den Bäumen umher, und du nanntest und zeigtest mir jeden. Dreizehn Bäume mit Birnen, und zehn voll rötlicher Äpfel |
340 | Schenktest du mir, und vierzig der Feigenbäume; und nanntest Fünfzig Rebengeländer mit lauter fruchtbaren Stöcken, Die du mir schenken wolltest: sie hangen voll mancherlei Trauben, Wenn sie der Segen Gottes mit mildem Gewitter erfreuet. Also sprach er; und jenem erzitterten Herz und Kniee, |
345 | Als er die Zeichen erkannte, die ihm Odysseus verkündet. Seinen geliebtesten Sohn umarmend, sank er in Ohnmacht An sein Herz; ihn hielt der herrliche Dulder Odysseus. Als er zu atmen begann, und sein Geist dem Herzen zurückkam; Da erhub er die Stimme, und rief mit lautem Entzücken: |
350 |
Vater Zeus! ja noch lebt ihr Götter im hohen Olympos, |
355 |
Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
360 |
Also besprachen sie sich, und gingen zur prächtigen Wohnung. |
365 | Badete jetzo die treue Sikelerin, salbte mit Öl ihn, Und umhüllt' ihn dann mit dem prächtigen Mantel; Athene Schmückt' unsichtbar mit Kraft und Größe den Hirten der Völker, Schuf ihn höher an Wuchs, und jugendlicher an Bildung. Und er stieg aus dem Bade. Mit Staunen erblickte der Sohn ihn, |
370 | Wie er gleich an Gestalt den unsterblichen Göttern einherging. Und er redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte: Wahrlich, o Vater, es hat ein unsterblicher Gott des Olympos |