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Also sprach sie; da schwoll mein Herz vor inniger Sehnsucht, | |
205 | Sie zu umarmen, die Seele von meiner gestorbenen Mutter. Dreimal sprang ich hinzu, an mein Herz die Geliebte zu drücken; Dreimal entschwebte sie leicht, wie ein Schatten oder ein Traumbild, Meinen umschlingenden Armen; und stärker ergriff mich die Wehmut. Und ich redte sie an, und sprach die geflügelten Worte: |
210 |
Meine Mutter, warum entfliehst du meiner Umarmung? |
215 |
Also sprach ich; mir gab die treffliche Mutter zur Antwort: |
220 | Sondern die große Gewalt der brennenden Flamme verzehret Alles, sobald der Geist die weißen Gebeine verlassen. Und die Seele entfliegt, wie ein Traum, zu den Schatten der Tiefe. Aber nun eile geschwinde zum Lichte zurück, und behalte Alles, damit du es einst der lieben Gattin erzählest. |
225 |
Also besprachen wir uns miteinander. Siehe da kamen |
230 | Aber von allen Entwürfen gefiel mir dieser am besten: Eilend zog ich das lange Schwert von der nervichten Hüfte, Und verwehrte den Seelen, zugleich des Blutes zu trinken. Also nahten sie sich nacheinander; jede besonders Meldete mir ihr Geschlecht; und so befragt' ich sie alle. |
235 |
Jetzo erblickt' ich zuerst die edelentsprossene Tyro, |
240 | Einst lustwandelte sie an Enipeus' schönen Gewässern; Siehe da nahm der Erderschüttrer seine Gestalt an, Und beschlief sie im Sand', an der Mündung des wirbelnden Stromes. Rings um die Liebenden stand, wie ein Berg, die purpurne Woge, Hochgewölbt, und verbarg den Gott und die sterbliche Jungfrau. |
245 | Schmeichelnd löst' er den Gürtel der Keuschheit, und ließ sie entschlummern. Und da jetzo der Gott das Werk der Liebe vollendet; Drückt' er des Mädchens Hand, und sagte mit freundlicher Stimme: Freue dich, Mädchen, der Liebe! Du wirst im Laufe des Jahres |
250 | Streut ein unsterblicher Gott. Du pfleg' und nähre sie sorgsam. Jetzo gehe zu Haus', und schweig, und sage dies niemand: Ich, dein Geliebter, bin der Erderschüttrer Poseidon. Also sprach er, und sprang in des Meers hochwallende Woge. |
255 | Welche beide des großen Zeus' gewaltige Diener Wurden: Pelias einst, der iaolkischen Fluren Herdenreicher Beherrscher, und Neleus, der sandigen Pylos. Andere Söhne gebar dem Kretheus die Fürstin der Weiber, Äson und Pheres, und drauf Amythaon, den Tummler der Rosse. |
260 |
Auch Antiope kam, die schöne Tochter Asopos', |
265 | Beide, wie stark sie auch waren, die große Thebä nicht schützen.
Hierauf kam Alkmene, Amphitryons Ehegenossin, |
270 | Und des nimmerbezwungnen Amphitryoniden Gemahlin.
Hierauf kam Epikaste, die schöne, Ödipus' Mutter, |
275 | Ödipus herrschte, mit Kummer behäuft, in der lieblichen Thebä, Über Kadmos' Geschlecht, durch der Götter verderblichen Ratschluß. Aber sie fuhr hinab zu den festen Toren des Todes, Denn sie knüpft' an das hohe Gebälk, in der Wut der Verzweiflung, Selbst das erdrosselnde Seil, und ließ unnennbares Elend |
280 | Jenem zurück, den Fluch der blutgeschändeten Mutter.
Jetzo nahte sich Chloris, die schöne Gemahlin von Neleus. |
285 | Pylos Fürstin gebar dem Neleus herrliche Söhne, Nestor gebar sie ihm, und Chromios, und den berühmten Periklymenos; drauf die weitbewunderte Pero. Diese liebeten alle benachbarten Fürsten; doch Neleus Gab sie keinem, der nicht des mächtigen Königs Iphikles' |
290 | Breitgestirnete Rinder aus Phylakes Auen entführte. Schwer war die Tat, und nur der treffliche Seher Melampus Unternahm sie: allein ihn hinderte Gottes Verhängnis, Seine grausamen Band', und die Hirten der weidenden Rinder. Aber nachdem die Monden und Tage waren vollendet, |
295 | Und ein neues Jahr mit den kreisenden Horen herankam; Siehe da löste den Seher der mächtige König Iphikles, Weil er ihm prophezeit. So geschah der Wille Kronions. Jetzo erblickt' ich Leda, Tyndareos' Ehegenossin, |
300 | Kastor durch Rosse berühmt, und Polydeikes im Faustkampf. Diese leben noch beid' in der allernährenden Erde. Denn auch unter der Erde beehrte sie Zeus mit dem Vorrecht, Daß sie beid' abwechselnd den einen Tag um den andern Leben und wieder sterben, und göttlicher Ehre genießen. |
305 |
Drauf kam Iphimedeia, die Ehegenossin Aloeus, |
310 | Und bei weitem die schönsten, nach jenem berühmten Orion. Denn im neunten Jahre, da maß neun Ellen die Breite Ihres Rumpfes, da maß neun Klaftern die Höhe des Hauptes. Und sie drohten sogar den Unsterblichen, ihren Olympos Mit verheerendem Sturm und Schlachtengetümmel zu füllen. |
315 | Ossa mühten sie sich auf Olympos zu setzen, auf Ossa Pelions Waldgebirg', um hinauf in den Himmel zu steigen. Und sie hätten's vollbracht, wär' ihre Jugend gereifet. Aber sie traf Zeus' Sohn, den die reizende Leto geboren, Beide mit Todesgeschoß, eh' unter den Schläfen des Bartes |
320 | Blume wuchs, und dem Kinn die zarten Sprößlinge bräunten.
Drauf kam Phädra und Prokris, und Ariadne die schöne, |
325 | Hielt sie Artemis an, auf Dionysos Verkündung.
Mära und Klymene kam, und das schändliche Weib Eriphyle, Aber ich kann unmöglich sie alle beschreiben und nennen, |
330 | Sonst vergeht die ambrosische Nacht; und die Stunde gebeut mir, Schlafen zu gehn, bei den Freunden in unserm gerüsteten Schiffe, Oder auch hier, Die Reise befehl' ich euch und den Göttern. Also sprach er; und alle verstummten umher, und schwiegen, |
335 | Endlich begann Arete, die lilienarmige Fürstin:
Sagt mir doch, ihr Phäaken, was haltet ihr von dem Manne, |
340 | Bei dem darbenden Manne nicht allzukärglich; ihr habt ja Reiche Schätze daheim, durch die Gnade der Götter, verwahret! Hierauf sprach zur Versammlung der graue Held Echeneos, Freunde, nicht unserem Wunsch, noch unsrer Erwartung entgegen, |
345 | Redete jetzt voll Weisheit die Königin; darum gehorchet! Aber Alkinoos selber gebührt es zu reden und handeln. Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und sagte: |
350 | Aber der Fremdling wolle, wie sehr er zur Heimat verlanget, Noch bis morgen bei uns verweilen, bis ich das ganze Ehrengeschenk ihm bereitet. Die Fahrt liegt allen am Herzen, Aber vor allen mir; denn mein ist die Herrschaft des Volkes. Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
355 | Weitgepriesener Held, Alkinoos, mächtigster König! Zwänget ihr mich allhier auch ein ganzes Jahr zu verweilen, Und betriebt nur die Fahrt, und schenktet mir Ehrengeschenke; Gerne willigt' ich ein; auch wäre mir besser geraten, Wenn ich mit vollerer Hand in mein liebes Vaterland kehrte. |
360 | Weit willkommener würd' ich und weit ehrwürdiger allen Männern in Ithaka sein, die mich Heimkehrenden sähen. Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und sagte: |
365 | Sonst die verbreiteten Völker der schwarzen Erde durchstreifen, Welche Lügen erdichten, woher sie keiner vermutet. Aber in deinen Worten ist Anmut und edle Gesinnung; Gleich dem weisesten Sänger, erzähltest du die Geschichte Von des argeiischen Heers und deinen traurigen Leiden. |
370 | Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit, Ob du einige sahst der göttlichen Freunde, die mit dir Hin gen Ilion zogen, und dort ihr Schicksal erreichten. Diese Nächte sind lang, sehr lang! und noch ist die Stunde Schlafen zu gehn nicht da. Erzähle mir Wundergeschichten. |
375 | Selbst bis zur heiligen Frühe vermöcht' ich zu hören, so lange Du in diesem Gemache mir deine Leiden erzähltest! Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus: |
380 | Aber wenn du verlangst, mich weiter zu hören, so will ich Ohne Weigern dir jetzt noch tränenwerteres Unglück Meiner Freunde verkünden, die nachmals ihr Leben verloren; Die den blutigen Schlachten des troischen Krieges entrannen, Und auf der Heimkehr starben, durch List des heillosen Weibes. |
385 |
Als sich auf den Befehl der schrecklichen Persephoneia |
390 | Dieser erkannte mich gleich, sobald er des Blutes gekostet. Und nun weint' er laut, und vergoß die bittersten Tränen, Streckte die Hände nach mir, und strebte mich zu umarmen. Aber ihm mangelte jetzo die spannende Kraft und die Schnelle, Welche die biegsamen Glieder des Helden vormals belebte. |
395 | Weinend erblickt' ich ihn, und fühlete herzliches Mitleid; Und ich redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte: Atreus' rühmlicher Sohn, weitherrschender Held Agamemnon, |
400 | Da er den wilden Orkan lautbrausender Winde dir sandte? Oder ermordeten dich auf dem Lande feindliche Männer, Als du die schönen Herden der Rinder und Schafe hinwegtriebst, Oder indem sie die Stadt und ihre Weiber verfochten? |