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375 | Und nun hielt ich die Spitze des Knittels in glimmende Asche, Bis sie Feuer fing, und stärkte mit herzhaften Worten Meine Gefährten, daß keiner sich feig' im Winkel verkröche. Aber da eben jetzo der Ölbaumknittel im Feuer Drohte zu brennen, so grün er auch war, und fürchterlich glühte; |
380 | Zog ich ihn eilend zurück aus dem Feuer, und meine Gefährten Standen um mich; und ein Himmlischer haucht' uns Mut in die Seele. Und sie faßten den spitzen Olivenknittel, und stießen Ihn dem Kyklopen ins Aug', und ich, in die Höhe mich reckend, Drehete. Wie wenn ein Mann, den Bohrer lenkend, ein Schiffholz |
385 | Bohrt; die Unteren ziehn an beiden Enden des Riemens, Wirbeln ihn hin und her; und er flieget in dringender Eile: Also hielten auch wir in das Auge den glühenden Knittel, Drehten, und heißes Blut umquoll die dringende Spitze. Alle Wimpern und Augenborsten versengte die Lohe |
390 | Seines entflammten Sterns; es prasselten brennend die Wurzeln. Wie wenn ein kluger Schmied die Holzaxt oder das Schlichtbeil Aus der Ess' in den kühlenden Trog, der sprudelnd emporbraust, Wirft und härtet; denn dieses ersetzt die Kräfte des Eisens: Also zischte das Aug' um die feurige Spitze des Ölbrands. |
395 | Fürchterlich heult' er auf, daß rings die dumpfige Kluft scholl. Und wir erschraken und flohn in den innersten Winkel. Doch jener Riß aus dem Auge den Knittel, mit vielem Blute besudelt, Schleudert' ihn ferne von dannen mit ungebärdigem Grimme; Und nun ruft er mit Zetergebrüll den andern Kyklopen, |
400 | Welche ringsum die Klüfte des stürmischen Felsen bewohnten. Und sie vernehmen das Brüllen, und drängten sich dorther und daher, Standen rund um die Höhl', und fragten, was ihn betrübte: Was geschah dir für Leid, Polyphemos, daß du so brülltest |
405 | Raubt der Sterblichen einer dir deine Ziegen und Schafe? Oder würgt man dich selbst, arglistig oder gewaltsam? Ihnen erwiderte drauf aus der Felsenkluft Polyphemos: Drauf antworteten sie, und schrien die geflügelten Worte: |
410 | Wenn dir denn keiner Gewalt antut in der einsamen Höhle; Gegen Schmerzen, die Zeus dir schickt, ist kein anderes Mittel: Flehe zu deinem Vater, dem Meerbeherrscher Poseidon! Also schrien sie, und gingen. Mir lachte die Seele vor Freude, |
415 | Aber ächzend vor Qual, mit jammervollem Gewinsel Tappte der blinde Kyklop, und nahm den Stein von der Pforte, Setzte sich dann in die Pforte, mit ausgebreiteten Händen, Tastend, ob nicht vielleicht mit den Schafen einer entwischte. So einfältig hielt mich in seinem Herzen der Riese. |
420 | Aber ich sann umher, das sicherste Mittel zu finden, Wie ich meine Gefährten und mich von dem schrecklichen Tode Rettete. Tausend Entwürf' und Listen wurden ersonnen; Denn es galt das Leben; und fürchterlich drang die Entscheidung! Doch von allen Entwürfen gefiel mir dieser am besten. |
425 |
Seine Widder waren sehr feist, dickbuschichter Vliese, |
430 | Und zween gingen beiher, und schirmten meine Gefährten. Also trugen jeglichen Mann drei Widder. Ich selber Wählte mir einen Bock, den trefflichsten unter der Herde. Diesen ergriff ich schnell beim Rücken, wälzte mich nieder Unter den wollichten Bauch, und lag mit duldendem Herzen, |
435 | Beide Hände fest im Gekräusel der Flocken verwickelt. Also erwarteten wir mit Seufzen die heilige Frühe. Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, |
440 | Denn die Euter strotzten von Milch. Der grausame Wütrich Saß von Schmerzen gefoltert, und tastete sorgsam die Rücken Aller steigenden Widder, und ahnete nicht in der Dummheit, Daß ich sie unter die Brust der wollichten Böcke gebunden. Langsam folgte nun der übrigen Herde mein Widder, |
445 | Schwerbeladen mit Wolle, und mir, der mancherlei dachte. Streichelnd betastet' auch ihn das Ungeheuer, und sagte: Süßes Böckchen, wie geht's? Du kommst zuletzt aus der Höhle? |
450 | Gräschen und Blümelein; eilst auch zuerst in die Wellen der Flüsse; Trachtest auch immer zuerst in den Stall zu kommen des Abends! Nun der letzte von allen? Ach geht dir etwa das Auge Deines Herren so nach? Der Bösewicht hat mir's entrissen, Er samt seinem Gesindel, indem er mit Wein mich berauschte, |
455 | Niemand! Ich mein', er ist mir noch nicht dem Verderben entronnen! Hättest du nur Gedanken wie ich, und verstündest die Sprache; Daß du mir sagtest, wo jener vor meiner Stärke sich hinbirgt! Ha! auf den Boden geschmettert, wie sollte sein Hirn durch die Höhle Hiehin und dahin zerspritzen! Wie würde mein Herz von dem Jammer |
460 | Sich erlaben, den mir der Taugenicht machte, der Niemand!
Also sprach er, und ließ den Widder von sich hinausgehn. |
465 | Hochgeschenkelten Böcke durch mancherlei Krümmen zum Schiffe. Und mit herzlicher Freud' empfingen die lieben Gefährten Uns Entflohne des Todes, und klagten schluchzend die andern. Aber ich ließ es nicht zu; ich deutete jedem mit Blicken, Nicht zu weinen; befahl dann, die schöne wollichte Herde |
470 | Hurtig ins Schiff zu werfen, und über die Wogen zu steuern. Und sie traten ins Schiff, und setzten sich hin auf die Bänke. Saßen in Reihn, und schlugen die graue Woge mit Rudern. Als ich so weit nun war, wie die Stimme des Rufenden schallet, Da begann ich, und rief dem Kyklopen mit schmähenden Worten: |
475 |
Ha, Kyklope, so recht! Nicht eines Feigen Gefährten |
480 |
Also rief ich. Noch wütender tobte der blinde Kyklope, |
485 | Raffte mit Ungestüm der strudelnde Schwall der Gewässer, Landwärts flutend, das Schiff, und warf es zurück an das Ufer. Aber ich nahm mit den Händen geschwind eine mächtige Stange, Stieß es vom Land', und trieb und ermahnete meine Gefährten, Hurtig die Ruder zu regen, daß wir dem Verderben entrönnen, |
490 | Deutend und nickend; sie flogen ans Werk, und ruderten keuchend.
Als wir nun doppelt so weit in das hohe Meer uns gerettet, Waghals! willst du noch mehr den grausamen Riesen erbittern, |
495 | Welcher mit seinem Geschoß in die See hinspielet, und eben Wieder ans Ufer uns warf, wo Tod und Verderben uns drohte? Hätt' er von dir nur ein Wort, nur deine Stimme vernommen; Wahrlich mit einem geschleuderten Fels hätt' er unsere Schädel Samt den Balken des Schiffes zerschellt! Er versteht sich aufs Schleudern! |
500 |
Aber sie strebten umsonst, mein edles Herz zu bewegen. |
505 | Der in Ithaka wohnt, der hat mein Auge geblendet!
Also rief ich ihm zu; und heulend gab er zur Antwort: |
510 | Und bis ins Alter beschäftigt, sie uns Kyklopen zu deuten; Der weissagte mir alles, was jetzt nach Jahren erfüllt wird: Durch Odysseus' Hände würd' ich mein Auge verlieren. Doch erwartet' ich immer, ein großer und stattlicher Riese Würde mich hier besuchen, mit großer Stärke gerüstet! |
515 | Und nun kommt so ein Ding, so ein elender Wicht, so ein Weichling, Und verbrennt mir das Auge, nachdem er mit Wein mich berauschet! Komm doch her, Odysseus! Ich will dich herrlich bewirten, Und dir ein sicher Geleit vom hohen Poseidon verschaffen. Denn ich bin sein Sohn, und rühmend nennt er sich Vater! |
520 | Dieser kann mich auch heilen, wenn's ihm gelüstet; kein andrer Unter den seligen Göttern, noch unter den sterblichen Menschen! Also sprach der Kyklop! ich gab ihm dieses zur Antwort: |
525 | Als dein Auge selbst der hohe Poseidon nicht heilet!
Also sprach ich. Da streckt' er empor zum sternichten Himmel Höre mich, Erdumgürter, du bläulichgelockter Poseidon, |
530 | Gib, daß Odysseus, der Sohn Laertes, der Städteverwüster, Der in Ithaka wohnt, nicht wiederkehre zur Heimat! Oder ward ihm bestimmt, die Freunde wiederzusehen, Und sein prächtiges Haus, und seiner Väter Gefilde; Laß ihn spät, unglücklich, und ohne Gefährten, zur Heimat |
535 | Kehren auf fremdem Schiff', und Elend finden im Hause!
Also sprach er flehend; ihn hörte der Bläulichgelockte. |
540 | Nieder, und wenig gefehlt, so traf er die Spitze des Steuers. Hochauf wogte das Meer von dem stürzenden Felsen; und vorwärts Trieben die Fluten das Schiff, und warfen es an das Gestade. Also erreichten wir des Eilands Bucht, wo die andern |
545 | Traurend die Freunde saßen, und uns beständig erwartend. Jetzo landeten wir am sandigen Ufer des Eilands, Stiegen dann aus dem Schiff ans krumme Gestade des Meeres, Nahmen vom hohlen Schiffe die Herd', und teilten sie alle Unter uns gleich, daß keiner leer von der Beute mir ausging. |
550 | Aber den Widder schenkten die schöngeharnischten Freunde Mir bei der Teilung voraus. Ihn opfert' ich an dem Gestade Zeus Kronion, dem Wolkenversammler, der alles beherrschet, Und verbrannte die Lenden. Doch er verschmähte das Opfer; Unversöhnt beschloß er in seinem Rate Vertilgung |
555 | Aller rüstigen Schiff' und meiner lieben Gefährten.
Also saßen wir dort den Tag, bis die Sonne sich neigte, Als die Sonne nun sank, und Dunkel die Erde bedeckte, |
560 | Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, Trat ich selber ins Schiff, und ermahnete meine Gefährten, Einzusteigen, und schnell die Seile vom Ufer zu lösen. Und sie traten ins Schiff, und setzten sich hin auf die Bänke, Saßen in Reihn, und schlugen die graue Woge mit Rudern. |
565 | Also steuerten wir mit trauriger Seele von dannen, Froh der bestandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefährten. |