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Weniger gekannt und gepriesen, obgleich theilweise nicht weniger verdienstlich, als der Todtentanz, sind die Historiarum Veteris Testamenti Icones, die, in ein Bändchen gesammelt, zuerst von den Gebrüdern Melchior und Gaspar Trechsel (sub scuto coloniensi) in Lyon, 1538, herausgegeben wurden, zu gleicher Zeit also mit dem Todtentanz, da dessen vermeinte Edition von 1530 noch niemand gesehen hat. – Diese Lyoner Ausgabe findet sich in dem Königlichen Kupferstichkabinette zu Dresden, wie auch auf der öffentlichen Bibliothek zu Basel, und ist vermuthlich dieselbe, welcher Papillon das Jahr 1539 angibt. Sie enthält nur neunzig Bilder, von denen die vier ersten die nämlichen Vorstellungen von Adam und Eva sind, die auch zum Todtentanz gebraucht worden. 340 Eine spätere Ausgabe ist von 1543, auch Lugduni (sub scuto coloniensi), aber jetzt apud Joannem et Francicsum Frellonios, fratres. Diese hat vier und neunzig Bilder, wovon jedoch wenigstens zwei, Joel und Zacharias, offenbar von andrer roher Hand geschnitten seyn müssen.
Dieser Ausgabe entspricht auch die von 1547, Lugd. apud Jo. Frellonium, an Zahl und Beschaffenheit der BlätterDie Ausgaben von 1543 und 1547 besitzt der Verfasser.. – Alle diese Bilder, die vier ersten ausgenommen, haben die Höhe von zwei Zoll, drei Linien, und drei Zoll, drei Linien Breite; sind in Geist und Charakter der Zeichnung dem Todtentanz ähnlich, aber sehr verschieden in der xylographischen Ausführung; man findet nicht die feinen engen Striche und Punkte, in denen Papillon die unerreichbare Kunst sieht, nicht den sich überall gleich bleibenden Fleiß, indem die Behandlung viel freier und flüchtiger, aber nicht minder geistreich ist. Die Art des Schnittes ist nicht bei allen Blättern die gleiche; einige, worunter sehr gefällige, zeigen länglich laufende Striche, andre gerundete, kürzere, je nach der Laune des Zeichners, oder Flüchtigkeit des Stechers; beinahe aber sollte man glauben, daß mehr als ein Formschneider daran Theil gehabt habe.
341 Voran der Sammlung geht ein lateinisches Carmen, und ein griechisches Epigramm von Nicolaus Borbonius, voll überschwänglichen Lobes auf Hans Holbein und auf diese biblischen VorstellungenIlle artis gloria prima suae. –
Icones hae sacrae tanti sunt (optime lector)
Artificis, dignum quod venereris opus.
Das sind noch die lauesten Ausdrücke dieses feurigen Lobes., die er ein Holbeinisches Werk (opus Holbinae manus) nennt, so daß man, nach diesem Zeugnisse des gleichzeitigen Freundes, beides, Zeichnung und Schnitt für die Arbeit Holbeins halten dürfte. Jedes Bild hat eine kurze lateinische Erklärung oben, und unterhalb vier französische Verse, die in den verschiedenen Ausgaben etwas verändert sind.
Ein wunderschönes Exemplar, mit Abdrücken nur auf Einer Seite des Blattes, ist auf der Basler Bibliothek, wo alle Abdrücke von der reinsten Bestimmtheit und Sauberkeit sind, und auch das technische Verfahren im schönsten Lichte erscheint. Es ist kein Titel bei diesem Abdruck, er war demnach noch kein buchhändlerischer Verlag. Die vier ersten aus dem Todtentanz genommenen Vorstellungen fehlen, hingegen ist statt derselben ein einzelnes Blatt eingerückt, Adam und Eva unterm Baum, in Format und 342 Schnitt gleich den übrigen. Noch fehlen auch vier bis fünf andre Stücke, und da diese fehlenden gerade die schwächsten aus der spätern Folge sind, so mögen sie mit Recht für unzulässig gelten.
Papillon zeichnet siebenzehen dieser Vorstellungen aus, die er lobpreist; van Mander hat wiederum andre ausgezeichnet; somit kann man annehmen, daß die wenigsten unerheblich seyen. Van Mander bemerkt, daß dieselben in verschiedenen Bibeln, abgedruckt und nachgestochen vorkommenSie erschienen in: Biblia utriusque Testamenti juxta vulgatam translationem, Fol. Lugduni apud Hugonem a Porta, MDXXXVIII.. – Höchst wahrscheinlich sind sie ein älteres Werk Holbeins, und müssen schon früher bekannt gewesen seyn, als der Todtentanz, indem schon die bei Christoff Froschauer 1531 in Zürich gedruckte deutsche Bibel in Folio unter den vielen Holzschnitten, womit sie geziert ist, auch Copien fast aller dieser Holbeinischen Bilder hat, die sich trefflich vor den andern Stücken in dem Bibelwerke auszeichnen, freilich keine Vergleichung mit der geistigen Leichtigkeit der Originale aushalten, jedoch von einem mechanisch geschickten Formschneider zeugen, so daß, wenn Jene nicht vorhanden wären, man diese Nachahmungen 343 vielleicht dafür genommen hätteHiedurch werden die Vermuthungen des Herrn von Rumohr (Kunstbl. 1823, No. 31. &c.), der diese biblischen Icones für beträchtlich jünger, als den Todtentanz hält, widerlegt.. – Diese Bibel hat, so wie auch ihre folgenden Auflagen, und noch andre Froschauersche Werke, mehrere große Anfangsbuchstaben mit biblischen Gegenständen, die theils wirklich nach Holbein geschnitten sind, theils seinen Charakter tragen, und einen geübten Formschneider verrathen; man schreibt sie, nach Christs und Papillons Ausspruche, dem Sigmund Holbein zu. Wenn dem so ist, so könnte sein Neffe Hans ihm wohl die Zeichnungen dazu geliefert haben.
Es sind auch diese alttestamentlichen Bilder, gleichfalls nicht übel nachgemacht, in eine Sammlung biblischer Holzschnitte aufgenommen, die unter dem Titel: Biblische Historien, künstlich fürgemalet, zu Frankfurt bei Herrmann Gülfferich, 1551, in Octav herausgekommen ist. Rost (Handbuch I. 189.) schreibt sie dem Hans Brosamer zu. –
Ohne Zweifel erschienen sie auch an andern Orten, denn ärger, als die Nachdrucker jetziger Zeit mit Büchern, trieben damals und später die Buchhändler einen verderblichen Kram mit Holzschnitten. Hatten solche, größern Werken eingerückt, Beifall gefunden, so wurden sie noch 344 in besondere Sammlung abgedruckt, und mit einzelnen Versen begleitet. Ein Unternehmer kaufte die Holzblöcke dem andern ab, und ließ, wenn er des Formschneiders habhaft werden konnte, mehrere dazu schneiden, fügte dann noch andre bei, die er schon besessen, oder an sich zu bringen gewußt hatte, und gab sie so zusammen heraus, oder rückte sie einzeln, oft sehr unpassend, neuen Büchern ein. Hinwieder ließen andre, was gut war, wiederholt, kleiner und größer, gut und schlecht copiren, und machten daraus einen noch vielfältigern Gewerb, als er mit den Urbildern getrieben wurde. So geschah es, daß Bilder aus der Bibel, besonders aus der Leidensgeschichte und der Offenbarung, auch weltliche Gegenstände, Vignetten und Randleisten, die sich zu Büchertiteln zusammensetzen ließen, Anfangsbuchstaben und dergleichen, in unzähligen Weisen nachgemacht und zu Fratzenbildern entstellt wurden. Auch Holbeins Meisterstücke mußten sich dieß gefallen lassen.
Von seinem ältesten Holzschnitte, dem schon angeführten Titelblatte zu Frobenischen Flugschriften von 1516, mit dem Namen Hans Holb. und von andern ähnlichen frühen Producten, die das Monogramm H.H. tragen; von diesen an, die der Kunst eben keine Ehre machen, bis in seine spätern Zeiten, finden sich noch manche einzelne 345 Stücke von guter Zeichnung, die für seine Arbeit gehalten werden, die auch als Holzschnitte nicht ohne Verdienst sind: Buchdruckerzeichen, Randverzierungen, DolchscheidenBeschrieben im Kunstblatt 1823, No. 32., Hercules gallicus, Bild des Hoflebens, Weg des menschlichen Lebens (eine Art Cebetischer Tafel, so häufig copirt worden), das doppelte Titelblatt zu dem Stadtrechte der Stadt Freyburg im Breisgau von 1519, und anderes mehr. Vorzügliches dieser Art hat auch die im Jahre 1522 bei Adam Petri in Basel herausgekommene deutsche Uebersetzung des Neuen Testaments, in Fol.Ochs (Gesch. der Stadt Basel. V. 442.) gedenkt ihrer und des Titelblattes von Holbein., wo das Titelblatt mit den zwei Aposteln Petrus und Paulus, so auch die kleinern Blätter zu Anfang der Evangelien und Episteln, in eben der Manier und nicht viel geringer gearbeitet sind, als der Erasmus mit dem Terminus.
Noch ein berühmtes Werk mit Holbeinischen Holzschnitten, aber so selten, daß man davon fast nur, wie von dem Mann im Monde spricht, ist der Cranmerische Katechismus: Set foorthe by the moost reverend father in God, Thomas Arch-Bishop of Canterburie. Gualterus Lynne 346 excudebat 1548. 8. Das Buch soll sich weder in der Königlichen Bibliothek, noch in dem Britischen Museum, noch in der Bodleianischen Sammlung in Oxford findenNach schriftlicher Versicherung Herrn Carlisle's, Königl. Bibliothekars, dessen Bericht zufolge es auch noch spätere, eben so seltene Editionen geben soll.. Aber nach Dibdin's BeschreibungTypographical antiquities. IV. 231. – Auch Fiorillo läßt vermuthen (Mal. in Deutschland. II. 398.), er habe das Original gesehen. »Diese Holzschnitte, sagt er, sind einfach, aber sehr zart, und man entdeckt gleich die geübte Hand des Meisters. Auf dem Holzschnitte zu S. 217. hat sich Holbein in ganzer Figur abgebildet, und an zwei Orten kommen die Buchstaben I. H. vor.« hat die niedliche Titeleinfassung oben das Bild des Sieges, und auf beiden Seiten die Bilder der Gerechtigkeit und der Klugheit, unten das königliche Wappen; auf der Rückseite sieht man einen saubern Holzschnitt von König Eduard auf seinem Thron, der in der Rechten ein Schwert hält, mit der Linken die Bibel dem Erzbischof und Gefolge übergibt. Das Buch ist nicht in Frag' und Antwort geschrieben, sondern enthält kurze Vermahnungen über einige Hauptlehren des Christenthums. Vor jedem Abschnitt steht ein hübscher Holzschnitt von Holbein u. s. w. – H. Walpole spricht auch sehr unsicher, und wie von bloßem Hörensagen darüber; einer der Holzschnitte, bemerkt 347 er, habe Holbeins Namen. So viel oder so wenig sagt auch DouceThe dance of death etc. by Hollar., rühmt die Erfindung, findet aber die Ausführung weit unter dem Todtentanz; den Holzschnitten gibt er das Zeichen H. H.
WalpoleCatalogue of Engravers etc. pag. 8. gedenkt auch eines andern beträchtlichen und seltenen Werkes, das um die Mitte des XVI Jahrhunderts bei John Rastell herausgekommen, betitelt: Zeitvertreib des Volks (Pastyme of the people), oder: Rastell's Chronik. Es soll von großem Format und mit vielen Holzschnitten geziert seyn, wovon achtzehn in Groß-Folio die Könige von England vorstellen, so gut gezeichnet und kräftig ausgeführt, daß man es für ein Kunstwerk Holbeins halte; woran aber Walpole zweifelt, ohne zu sagen warum.
Im St. Johannes-Collegium zu Cambridge wird Heinrichs VIII. Bibel, in Pergament gedruckt, aufbewahrt, mit den zierlich illuminirten Holzschnitten Holbeins, und den Bildnissen Heinrichs, Cromwells und Andrer. Wenn diese Ausmalung, wie es wohl seyn könnte, eine Arbeit Holbeins ist, so muß man bedauern, 348 daß Walpole, der dies anführt, nicht mehr davon meldetAnecd. of painting, I. 155.
Nach Fiorillo (Mal. in Deutschl. II. 402.) hat ein Engländer die Werke aufgezählt, in welchen man Holzschnitte von Holbein findet: Works ornamented from designs of Hans Holbein etc. in Gentl. Magazine, 1813. T. LXXXIII..
Man hat Holbein sogar einen Schüler in dieser Kunst gegeben, und ihn Alexius Pirnbaum genannt. Dieß ist ein Irrthum, der von Prof. Christ herrührt, der in seiner Auslegung der Monogramme ein verschlungenes A und P, das er auf Titelblättern alter Basler Bücher gesehen, auf diesen Namen deutete, indem er die Holzschnitte so »fein und künstlich« fand, daß sie, seiner Meinung nach, entweder von Holbein selbst, oder von einem, der sein Schüler oder Meister gewesen, herrühren müssen. Diese Vermuthung, der auch Papillon als einer Gewißheit beitrat, pflanzte sich fort, und ging stereotypisch in die Kunstgeschichte über. Allein das vermeintliche Monogramm des Künstlers ist nichts anders, als der Namenszug Adam Petri's, eines Baslerischen Buchdruckers, und die Holzschnitte gehören zu den bessern, welche man gewöhnlich Holbein zuzählte; wer sie geschnitten habe, das 349 ist die alte unerörterte Frage. Jener Alexius Pirnbaum war, nach dem Zeugnisse J. HellersGeschichte der Holzschneidekunst. S. 107., der es wissen kann, weiter nichts, als ein geschickter Schreiber zu Nürnberg und Kirchner bei St. Lorenzen daselbst. 350