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Im Spätjahre von 1529 kehrte Holbein nach einer Abwesenheit von drei Jahren zu einem kurzen Besuch in die Schweiz zurück. Den eigentlichen Beweggrund findet man nirgend angegeben, er ist aber leicht einzusehen, wenn man bedenkt, daß er Weib und Kinder eben nicht in glänzenden Umständen in Basel zurückgelassen hatte, und sich jetzt, sey es durch eignen oder fremden Antrieb, gedrungen fühlen mußte, allervorderst Fürsorge für dieselben zu treffen. Zudem machten auch seine bürgerlichen Verhältnisse diese Rückkehr erforderlich, indem nach einer noch neuen Verordnung kein Bürger von Basel ohne Erlaubniß des Magistrats in fremder Herren Dienste treten durfte»Sonnabend nach Lucä 1521 wurde vom Großen Rath eidlich verordnet: daß Niemand zu Stadt und Land künftig zu ewigen Zeiten weder durch sich selbst, sein Weib oder Hausgesind, noch niemand anders, keine Pension noch Dienstgeld von keinem Fürsten, Herrn, Commun noch niemand anderm bei seinem geschwornen Eide erwerben, haben, nehmen noch empfangen solle.« (Ochs Gesch. v. Basel. V. 367.), und er 235 nur die Bewilligung zu einer Reise nach England, nicht aber zum bleibenden Aufenthalt daselbst, erhalten hatte. Vielleicht gab ihm auch der König selbst einige Aufträge in's Ausland, wie dieß nachher mehrere Male der Fall war.
Bei der Rückkunft in's Vaterland überbrachte Holbein dem Erasmus, der sich damals zu Freyburg im Breisgau aufhielt, einen köstlichen Gruß von seinem Freunde Thomas Morus, nämlich dessen Familienbild, wie solches aus noch vorhandenen Briefen erhellet, woraus Einiges anzuführen hier erlaubt sey. Ein langes Schreiben an Morus, vom 5. September 1529, über andre Gegenstände, schließt Erasmus mit dem Wunsche, daß ihm das Glück möchte zu Theil werden, noch einmal in seinem Leben die theuren Freunde zu sehen, deren Anblick ihm in der Abbildung, die Holbein überbracht, so viel Vergnügen gewähre. – Wärmer drückt er sich gleich darauf an die Margaretha Roper, des Morus vorzüglichste Tochter, aus: »Ich habe keine Worte,« schreibt er, »meiner Freundin, der Zierde Britanniens, die Freude zu schildern, die mir der 236 Familienverein gemacht hat, den Holbeins Meisterhand so glücklich mir vor Augen stellt, daß ich sie alle, als wäre ich mitten unter ihnen, erkannt, und mich zurückgesehnt habe, nach dem unvergeßlichen Hause, dem ich so viel meines Glückes und Ruhmes schuldig bin.« Er fügt hinzu: »Omnes agnovi, sed neminem magis, quam te. Videre mihi videbar per pulcherrimum domiciliuin relucentem animum multo pulchriorem.« Und endet mit Grüßen an alle, besonders auch an ihre Mutter (ornatissimam matronam): Ei me commendabis et amanter et diligenter; Effigiem illius, quando coram non licuit, libenter sum exosculatusDaß jedoch dieser freundschaftliche Scherz nicht ganz buchstäblich zu nehmen sey, zeigt ein Brief, den er bald nachher an Quirinus Talefius schrieb, worin er sagt: Morus habet vetulam nimis vivacem, quae si migrasset, potuisset ille opulentissimae clarissimaeque foeminae maritus esse..«
Etwas auffallend ist es, da Erasmus gleich den folgenden Tag an Pirkhaimer schrieb, und ihm für eine geschenkte künstliche Schale dankte, daß er demselben, dessen Kunstliebe ihm doch bekannt war, von dieser Seelenfreude über das erhaltene Holbeinische Bild mit keinem Worte Meldung thut. Ihm lagen wohl seine gelehrten 237 Streitigkeiten über alles am Herzen; oder war es Schonung gegen Pirkhaimer, der nicht lange vorher seinen geliebten Dürer verloren hatte?
Im November dankte die edle Margaretha ihrem Lehrer und Freunde Erasmus für seinen Brief, und freuete sich seiner Freude über die Ankunft des Malers, der ihm dieses Familienbild (utriusque mei parentis nostrumque omnium effigiem depictam) überbracht habe.
Was ist nun aus diesem Bilde geworden? Wahrscheinlich war es nichts anders, als die Federzeichnung in bloßen Umrissen, die sich noch auf der Bibliothek zu Basel befindet. Das große Gemälde in Wasserfarben, wovon oben die Rede war, das de Loo in Amsterdam besessen hatte, kann es nicht wohl seyn, noch irgend ein andres bekanntes Oehlgemälde, denn Amerbach, Erbe des Erasmus, Freund des Morus, und emsiger Sammler Holbeinischer Kunst, hätte so ein Werk voll inniger Bedeutung für ihn, gewiß nicht fahren lassen. – Aus dem den Personen dieser Umrisse beigeschriebenen Alter ergiebt es sich, daß Holbein die Zeichnung kurz vor seiner Abreise gemacht haben müsse, denn das Alter von Morus ist auf funfzig Jahre angegeben; war er nun, wie die Meisten annehmen, 1480 geboren, so konnte er jetzt (1529) im funfzigsten Jahre seyn.
238 Auch bei dieser Rückkehr nach Basel können Patin und seine gelehrte Tochter die Verunglimpfung Holbeins nicht lassen. Sie melden, er habe die ganze Zeit über mit seinen alten Saufbrüdern gezecht, und die angesehensten Bürger der Stadt Basel, die ihm jetzt entgegenkommen und seine Freundschaft suchen wollten, auf schnöde Art von sich gewiesenVita Holbenii. – Sie schreibt ihm gar Dummheit zu: Infelicis memoriae, ne dicam stoliditatis erat; (Tab. select. et expl. a C. C. Patina. p. 192.). So ein strenges Urtheil gegen verdiente Menschen ist oft die Sprache gezierter Tugend, die sich durch sittliches Vornehmthun ein Ansehen geben will. Der Vorwurf beharrlicher Schlechtigkeit kann doch schwerlich auf den mehrjährigen Hausgenossen des Morus und den Günstling Heinrichs VIII. passen. – Holbein kam nach Basel, weil er mußte, und that, was er sollte; er unterstützte seine Familie, legte dem Magistrat seine Anstellung am Hofe zu London vor, und hielt um die Erlaubniß an, noch auf einige Zeit dahin zurückzukehren. – Daß er seine alten Freudegenossen nicht verschmähte, wohl gar einer höhern Classe vorzog, die sich jetzt zu dem Emporgestiegenen drängte, den sie früher gering geschätzt hatte, ist dem lebenslustigen, freigesinnten 239 Manne wohl zu verzeihen; er kannte größere Herren, als die, so sich in Basel dafür hielten.
Ohne Arbeit blieb er gewiß nicht. Am wahrscheinlichsten gehört die Verfertigung des berühmtesten seiner Bilder zu Dresden in diesen ZeitpunktWahrscheinlicher, als nach der oben (Abschn. Holbeins Jugendgemälde) angeführten Muthmaßung in P. Ochs Geschichte von Basel.; denn der darin vorgestellte Jakob Meier nahm keinen Antheil an der eben im heftigsten Ausbruche begriffenen Reformation, sondern hielt sich, unzufrieden, daß ihm das Ruder des Staates entrissen worden, leidenschaftlich zur GegenpartheiOchs. V. 632., und sah es vermuthlich als ein verdienstliches Werk an, sich jetzt, in Anbetung der heiligen Jungfrau begriffen, malen zu lassen. Späterhin wäre das in Basel kaum mehr angegangen, und gegen eine frühere Zeit spricht die außerordentliche Vollendung, die Holbein sich erst in England in diesem Grad angewöhnt hatte.
Auf der Bibliothek zu Basel sind auch einige Zeichnungen von ihm, welche die Jahrzahl 1529 haben. Seine Zeichnungen historischen Inhalts sind meistens mit Tusch, die Entwürfe zu Porträten mit schwarzer Kreide gemacht.
Als Künstler kam er jetzt aber zu ungelegener Zeit 240 nach Hause. Das ganze Jahr hindurch hatten die Stürme der Reformation gewüthet; Erasmus und viele seiner Freunde waren aus der Stadt gewichen; vornehme geistliche und weltliche Personen hatten sich geflüchtet; die Klosterzwinger waren aufgeschlossen, und alle Kunstwerke in den Kirchen zerschlagen oder öffentlich verbrannt wordenErasmus schrieb an Bil. Pirkhaimer den 9. Mai 1529 über die Bilderstürmerei in Basel: Statuarum nihil relictum est, nec in templis, nec in vestibulis, nec in porticibus, nec in monasteriis. Quicquid erat pictarum imaginum, calcea incrustura oblitum est; quod erat capax ignis in rogum conjectum est, quod secus frustulatim comminutum. Nec pretium nec ars impetravit, ut cuiquam omnino parceretur.. – Daß unter diesen Schlachtopfern nicht nur das große Nachtmahlstück, sondern auch noch andre Gemälde Holbeins gewesen, ist außer Zweifel. Alles dieß konnte keine Einladung zu verlängertem Aufenthalte seyn, wenn es auch seine Absicht gewesen wäre, zumal da die Zerstörung sich bei Vielen auch auf Kunstgegenstände in ihrem eignen Besitz ausdehnte, ja der Abscheu vor dem Bilderdienst so ausschweifend war, daß selbst Maler der fernern Ausübung ihrer Kunst entsagten, und wie Hans HerbstNe artis suae operibus idolatriam faveret, a pictura sibi penitus abstinendum putavit. – Theodor Zwinger in Theatr. vitae hum. Bas. 1586. S. 3701. erzählt seine Geschichte. 241 lieber in Armuth sterben, als gegen das zweite Gebot sich vergehen wollten.
Bei so bewandten Umständen, wo viele Bürger ohne zu fragen die Stadt verließen, mußte es auch für Holbein, der gültige Beweggründe angeben konnte, nicht schwer seyn, Urlaub auf unbestimmte Zeit zu erhalten. Ihn drängte der Wunsch des Königs und seine eigne Lage von Basel hinweg. – Daß er auch dieß Mal Frau und Kinder zurückgelassen, ist nicht befremdlich, da sie mit Geld unterstützt in der Heimath noch besser für sich selbst sorgen konnten, als er, der stets außer dem Hause beschäftigte Mann, in der großen Stadt zu thun im Stande gewesen wäre. Was hätte er überdieß mit der eben nicht feinen Schweizerfrau in dem fremden Lande anfangen sollen? Es geräth Malern selten zur Befriedigung, sich von ihren Weibern begleiten zu lassen. Albrecht Dürer hatte auch manchmal die liebe Noth mit der Seinigen in den Niederlanden. – Gewiß sah die Frau das Alles selbst ein, und begehrte nicht mitzugehen.
Die Regierung von Basel, die auch in den gefährlichsten Verwirrungen, die sie seit einem Jahrhunderte umgeben hatten, nie den Kopf verlor, ließ auch in diesem Sturme den Zügel der Gesetze nicht aus der Hand, und suchte mit der gewaltigen Kraft des guten und festen 242 Willens die republikanisch-bürgerliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Wie das in bedeutenden Angelegenheiten geschah, so war es auch in Holbeins geringerem Verhältnisse der Fall; er wurde seiner Bürgerpflichten nicht entlassen, da er seine Familie zurückließ, und erhielt nur Vergünstigung zu einjähriger EntfernungWenn ein Bürger sich im Auslande niederlassen und dennoch sein Bürgerrecht nicht aufgeben wollte, so mußte er die Erlaubniß dazu begehren. Ochs. VI. 493.. Daher auch in dem noch vorhandenen Zunftbuche ungeachtet der Abwesenheit immerfort sein Name als eines zum Panner geordneten Bürgers erscheint.
Sein Wiederkommen verzog sich aber etwas länger, und war erst die Folge einer Aufforderung des Rathes, die also lautetOchs Gesch. V. 395.:
»Meister Hansen Holbein dem Mahler, jetzt in England.«
»Wir Jakob MeierZum Hirschen, nicht der auf dem Dresdner Gemälde., Bürgermeister und Rath der Stadt Basel, entbieten hiemit unserm lieben Bürger, Hansen Holbein, unsern Gruß, und dabey zu vernehmen, daß es uns gefallen wollte, daß du dich zum förderlichsten wieder anheim verfügest. So wollen wir, 243 damit du desto besser bey Haus bleiben, dein Weib und Kind ernähren mögest, dich des Jahrs mit dreyssig Stücken Geldes, bis wir dich besser versehen mögen, freundlich bedenken und versehen; (solches) haben wir dir, dich hienach wüßtest zu verhalten, nicht unangezeigt wollen lassen. Datum Montags 2 September 1532.«
Es war also Ends 1532 oder Anfangs 1533, daß er seine Vaterstadt wiedersah. In diesem Jahre hatte eine Zusammenkunft in Frankreich zwischen Heinrich VIII. und Franz I., wie schon 1520 geschehen, statt, wobei auch von beiden Königen Geschenke von Kunstsachen gewechselt wurden. Heinrich empfing von Franz I. eine Madonna von Lenardo da VinciCath. Patina redet davon in den Tabellis select. etc. Seite 30., und gab ihm dagegen Gemälde von Holbein. Bei dieser Gelegenheit war es, daß Holbein im Gefolge des Königs auf das feste Land hinüber kam, und Basel besuchte. Es scheint auch glaubwürdig, daß er auf dieser Hin- und Herreise den König von Frankreich gemalt habe, von dem noch einige Porträte vorhanden sind, die diesem Meister zugeschrieben werden. Eines ist in der Gallerie zu Florenz, wo der König zu Pferd im Kleinen gemalt erscheint, das von außerordentlich feiner Ausführung seyn soll. Ein anderes befand sich zu Rom 244 in der Gallerie Lucians Bonaparte, welches dieser nach England verkauft hatIm Kunstblatt 1824, No. 64. wird es von einem Kenner herrlich und mit Recht berühmt genannt.. WalpoleAnecd. I. 157. führt drei Vorstellungen von Franz I. an, die auf dem Schlosse Coudray als Werke Holbeins angegeben wurden, von denen eine großes Verdienst gehabt haben soll. Da aber Coudray 1793 im Feuer aufging, so war es auch um die Gemälde geschehen.
Da Holbein seine Werke nur selten mit der Jahrzahl bezeichnete, so können auch wenige Bildnisse aus diesen Jahren mit Gewißheit angegeben werden. Von 1532 ist das Brustbild eines jungen braunbartigen Mannes mit krausen Haaren und flacher Mütze, auf der Wiener Gallerie, und eben daselbst von 1533 ein Bildniß mit dem Namen Geryck Tybis, eines schwarz gekleideten Mannes, der einen Brief siegelt; vielleicht auch der dort befindliche Erasmus, in seinen letzten Lebensjahren gemaltMechels Bildergallerie in Wien. S. 249, 260, 262..– Auch das schon angeführte Porträt Georg Gysi's gehört in diese Zeit. Desgleichen das von Hollar gut gestochene Bildniß Hans von Zürch, eines künstlichen Goldschmiedes, der in England nach Holbeinischen Zeichnungen arbeitete.
245 So war auch dieser Aufenthalt in Basel nicht von langer Dauer; er wußte auch dieß Mal bei der Obrigkeit sich auf den Dienst des Königs berufend, weitern Urlaub zu erhalten, und, wie es scheint, auch Frau und Kinder über seine Abwesenheit zu trösten. Da es sich aber aus Allem ergibt, daß er in Aufträgen seines Herrn mehrmals Sendungen nach dem festen Lande gehabt, so ist auch anzunehmen, daß er diese Zeit mitunter zum Besuche der Heimath benutzt habe; worüber aber keine nähere Auskunft zu finden ist. 246