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Unter seine frühern Werke aus diesem Zeitpunkte gehören die Bildnisse Lord Denny's, Kassenaufsehers, und seiner Gemahlin, welche die Jahrzahl 1527 tragen; sie waren zu Walpole's Zeiten in Northumberlandhouse. – Vorzügliche Beachtung aber verdient das schöne Bild W. Warham's, Erzbischofes von Canterbury, im Königlichen Museum zu Paris, das laut Unterschrift 1528 im siebzigsten Jahre des Mannes gemacht worden. Warham war ein Freund von Morus und Gönner von Erasmus, es scheint deswegen mit Vorliebe des Malers verfertigt worden zu seyn. Ein herrliches Mannsgesicht voll Wahrheit und sprechenden Charakters. Denselben Ausdruck trägt auch die farbige Zeichnung dieses Erzbischofs in dem Chamberlainischen Werke, unaussprechlich natürlich blickend, 225 redend in allen Zügen, die wahrste Harmonie der Persönlichkeit.
In dieses Jahr fällt auch noch ein andres Gemälde, das nicht übergangen werden darf, das Bildniß Nikolaus Kratzer's, eines Deutschen, der als Astronom in Diensten König Heinrichs stand. WalpoleAnecd. I. 125. erwähnt zweier Porträte desselben, wovon er einem vom Jahre 1528, das mit mathematischen Instrumenten umgeben und mit einer Inschrift begleitet sey, großes Lob beilegt. Auch soll sein Kopf sich unter den Holbeinischen Zeichnungen zu Kensington befinden. In der Königlichen Sammlung zu Paris ist ebenfalls sein Bild zu sehen, mit weichem, feinem und markichtem Pinsel ausgeführt, nur findet man daselbst die Umrisse zu hart, wodurch die schöne Malerei etwas flach erscheint. Dieß möchte wohl das nämliche Bild seyn, von welchem van Mander rühmend spricht, das seiner Zeit im Besitze von Andreas de Loo, einem großen Liebhaber Holbeinischer Kunst, war. Dieser KratzerVan Mander erzählt von ihm, er habe dem König, der ihn im Scherz fragte, wie es komme, daß er nach so langem Aufenthalte in England nicht besser spreche, geantwortet. Ew. Maj. nehmen nicht übel, was kann einer Englisch lernen in Zeit von dreißig Jahren? muß 226 ein nicht unbedeutender Mann gewesen seyn; Erasmus erwähnt seiner mehrmals in Briefen an Aegydius, und Albrecht Dürer meldet in seinem Reisejournal 1520: »ich hab conterfet (in Antorf) Herrn Nicolaum, ein Astronomus, wohnet bey dem König in England, der mir zu viel Ding fast förderlich und nützlich ist gewesen; er ist ein Deutscher von München bürtig.« – Lehrreich und einer vielumfassenden Gallerie angemessen wäre es, zwei Bildnisse desselben Mannes von zwei so berühmten Meistern zusammenzustellen, um ihre verschiedene Behandlung vergleichen zu können.
Doch jetzt im Dienste des Kunst und Pracht und Sich selbst liebenden Königs, an wem hätte Holbein allervorderst seine Geschicklichkeit erweisen sollen, als an dem Bilde des Monarchen selbst? Das geschah auch, und, wie es nicht fehlen konnte, zu dessen vielfältiger Befriedigung; denn ungeachtet der Länge der Zeit, des bürgerlichen Krieges, und der Brandunglücke, die über den Pallast zu Whitehall und die Stadt London selbst ergangen sind, finden sich noch jetzt mehrere von Holbein verfertigte Bildnisse Heinrichs VIII., und man erfährt nirgends, daß der König sich nach der Hand von einem andern Maler habe abbilden lassen, als von ihm, den er für den vorzüglichsten hielt. Vor allem aus preist van Mander eine 227 Abbildung des Königs in ganzer lebensgroßer Figur; so wahr in's Leben hingestellt, sagt er, daß jeder davor erschrickt. Dieß Bild hat er noch in Whitehall gesehen; bei dem Brande des Pallastes, 1697, muß es verloren gegangen seyn; so wie daselbst noch ein andres Porträt von dem Könige zu sehen war, das in seinem Schlafzimmer hing, nebst dem von seiner Gemahlin Anna Seymour, und drei Kindern, Eduard, Maria und Elisabeth, die aber erst später gemalt worden. Van Mander und Patin gedenken ihrer, so wie auch Walpole, welcher meldet, daß davon eine Copie sich noch in einem der königlichen Schlösser befinde, die Remée (Remigius van Lemput), ein Schüler van Dycks, für Carl II. gemacht und dafür hundert funfzig Pfund erhalten habeWonach Vertue seinen Kupferstich verfertigte.. – Auch kannte er eine Originalzeichnung in schwarzer Kreide, von des Königs ganzer Lebensgröße, die dem Herzoge von Devonshire gehörteChristian von Mechel, der diese Zeichnung 1792 in dem Schlosse des Herzogs zu Chatworth in Derbyshire sah, nennt es die größte im Umfang, die er je von Holbein gesehen habe. Er fand, sie sey mit Tusch auf Papier gezeichnet, und auf Tuch gezogen, habe aber sehr gelitten, besonders am Kopfe des Königs. (Handschriftlicher Nachlaß.). – Mehrere Bilder übrigens von Heinrich VIII., die auf Holbeins Namen kommen, sollen nach dem Urtheil 228 dieses eifrigen Forschers keine Originale seyn; das ist auch bei der großen Menge von Künstlern, die damals in England lebten, und Holbein nachahmten, so wie bei dem Verhältnisse der Hofleute zu dem selbstischen Könige wohl zu begreifen. Jedoch in Kensington, sagt Walpole, ist ein Kopf desselben, der nicht nur echt, sondern vielleicht das vollkommenste aller Werke Holbeins ist, und das Urtheil von Despiles, Zuccharo und Golzius rechtfertigen möchte, die ihn im Colorit über Raphael setztenIl y a des places honorables au dessous du grand Raphael, sagt Descamps.. – Vertue gedenkt einer schönen Miniatur von Heinrich und seinen drei Kindern, in künstlich geschnitzten Rahmen; sagt aber nicht, wo er sie gesehen. – In der Beschreibung der königlichen Gallerie zu Dresden wird auch ein Brustbild Heinrichs VIII. mit einem Hermelinmantel &c. angeführt. – In England werden Holbein sogar in Stein und Holz geschnitzte und künstlich vollendete Bilder des Königs beigelegtWalpole. I. 153, und Mechels handschriftl. Nachlaß., jedoch, wie es scheint, ohne sichere Beglaubigung.
Da in dem berühmten Gemälde in der Halle der Wundärzte (Surgeon's hall) zu London, wo die gesammte Innung die Urkunde ihrer Privilegien empfängt, der König 229 die Hauptperson ausmacht, so gehört die Anzeige dieses Bildes, wiewohl es eine spätere Arbeit ist, auch hieher. Es ist nach Mechels autoptischer Angabe auf Holz gemalt, neun Fuß breit, und sechs hoch. Der Monarch sitzt in Lebensgröße, und, wie Walpole bemerkt, in vollem Ausdrucke aufgeblasener Majestät auf dem Throne, und vor ihm zu beiden Seiten knien die Wundärzte, deren Vorsteher die Urkunde mit großer Ehrfurcht empfängt. Die Personen sind alle nach dem Leben gemalt, und die Köpfe sehr schön ausgeführt. Es sind ihrer neun auf jeder Seite, und über jedem steht sein Name. Einer davon ist Dr. Butts, dessen Andenken Shakespear in dem Leben Heinrichs VIII. auf eine rühmliche Weise allen Zeiten aufbewahrt hat; ein beneidenswerthes Loos, durch Shakespears Feder und Holbeins Pinsel in der Nachwelt zu leben! – Von dem letzten, der zur rechten Seite des Königes kniet, J. Chambers, einem sauerblickenden Alten, soll, nach Mechels Ansicht, der es wissen konnte, auch ein Bild als Studium für das große Gemälde, sich in der K. K. Bildergallerie zu WienDeutscher Katalog. S. 256. – Chambers Kopf ist auch von W. Hollar gestochen worden. befinden, mit der Bezeichnung seines Alters, 88 Jahre. – Das große Gemälde 230 sey retuschirt, meint Walpole, und van Mander berichtet, daß schon zu seiner Zeit Einige dafür gehalten, dasselbe sey von Holbein nur angefangen und von einer andern Hand vollendet worden, bemerkt aber, wenn dem so wäre, müßte der Vollender so geschickt als Holbein selbst gewesen seyn. Man hat davon einen Kupferstich von B. Baron.
Als ein Beweis der Gunst, worin Holbein bei dem König gestanden, wird auch mit Recht eine Geschichte angeführt, die zwar allbekannt, und durch den Kernspruch, den Heinrich dabei äußerte, in die Apophthegmensammlungen übergegangen ist, jedoch in der Lebensbeschreibung des Mannes nicht darf ausgelassen werden. Sie scheint in die ersten Jahre seines Aufenthaltes in London zu gehören, wo der derbe Schweizer noch nicht ganz mit der Hofsitte vertraut war. Eines Tages nämlich, als Holbein mit einer geheimen Arbeit für den König beschäftigt warPrivatly drawing some Lady's picture for the king, sagt Walpole., kam ein Englischer Graf und verlangte seine Arbeit zu sehen. Holbein wollte die Thüre nicht aufmachen, und wies den Lord erst mit guten Worten zurück, der sich aber dadurch beleidigt fand; so daß es bald zu heftigem 231 Wortwechsel kam, wodurch er noch mehr gereizt wurde, und anfing die Thüre einzubrechen. Ergrimmt sprang Holbein hinaus, und stieß den Eindringenden die Treppe hinunter, merkte aber bald aus den kläglichen Tönen des Lords und dem Lärmen der Bedienten, daß es nicht ohne Beschädigung abgelaufen. Erschrocken zog er sich in sein Gemach zurück, verriegelte die Thüre, und flüchtete sich durch's Fenster über ein Dach aus dem Hause, und that das Klügste, was er thun konnte, er eilte geraden Weges zum König, und flehte ihn um Gnade an. Der König gewährte sie ihm mit der Bedingung, daß er den Herrn um Verzeihung bitten sollte. Inzwischen wurde dieser selbst zum Könige gebracht mit verbundenem Kopf, übel zugerichtet und bitter klagend. Seine Beschuldigungen, obgleich der König merkte, daß sie übertrieben waren, wurden ruhig angehört, und er ermahnt, mit geziemender Abbitte des Malers, der indessen in ein Nebenzimmer abgetreten war, und mit dem scharfen Verweise, den er bekommen sollte, sich zu begnügen. Der Lord aber, der eine ganz andre Genugthuung für einen Mann von seinem Stande erwartet hatte, vergaß sich, und brach vor dem König in die Drohung aus, daß er sich selbst Recht schaffen wollte. Das war gerade das Mittel, dem beängstigten Holbein aus der Noth zu helfen; denn der Monarch, 232 der keine Heftigkeit als seine eigne vertragen mochte, gerieth über die Aeußerungen des Grafen in Zorn. »Nun habt Ihr mit mir zu thun,« rief er, »geht, und denkt daran, daß ich die mindeste Selbstrache, die Ihr an dem Maler nehmen werdet, ahnden will, als wäre sie gegen meine Person gerichtet. Meint Ihr, daß mir wenig an diesem Manne gelegen sey, so wisset, daß ich aus sieben Bauern eben so viele Lords machen kann, aber aus sieben Lords nicht Einen Holbein!« – Van Mander, selbst ein Maler, nennt diese Geschichte: eine schöne Perle in der Künstlerkrone. Walpole, selbst ein Lord, spricht mit Achselzucken davon.
Von der ersten Gemahlin Heinrichs, der Catharine von Arragonien, besaß Walpole zwei Bildnisse, Eines in Miniatur auf blauem Grund, auf das Schönste vollendet; das Andre auf Holz in Oehl gemalt, in ihren spätern Jahren; letzteres soll auch gestochen seynIn dem Werke: the heads of illustrious persons of Great Britain, engr. by Mr. Houbraken and Mr. Vertue. London. 1743. Fol.; worunter noch mehrere Köpfe nach Holbeinischen Vorbildern gestochen sind, deren einige unsichere Namensangaben haben.. Diese müssen ebenfalls zu Holbeins frühern Arbeiten in England gezählt werden, indem die Königin schon 1531 gezwungen war, 233 den Hof zu verlassen, und schon einige Jahre früher von dem König, wegen seiner Leidenschaft für Anna Bullen, vernachlässigt wurde. Aber auch jenes schöne Miniaturbild kann nicht aus der Jugendzeit der Königin seyn, wenn es Holbein gemacht haben soll, denn Sie war schon 1483 geboren, und Er trat erst 1528 in Königliche Dienste. Es beweist indessen, daß Holbein sich gleich anfangs in England mit dieser Malerei im Kleinen beschäftigt habe. Carl van Mander sagt, Holbein habe früher, ehe er zu dem König gekommen, nichts in Miniatur gethan, und erst, als er die Bekanntschaft des L. Cornelisk gemacht und seine schönen Arbeiten gesehen, habe er auch Hand an's Werk gelegt, und den Lucas bald so sehr übertroffen, als die Sonne den Mond an Klarheit übertreffe. Daraus entstand bei den Nachfolgern van Manders die Sage, als hätte er die Miniatur förmlich bei Lucas gelernt.
Da die Neigung Heinrichs zu Anna Bullen schon vor 1530 begann, so mögen auch einige Bildnisse von ihr in diesen Zeitpunkt der königlichen Liebesflamme fallen. 234