Ulrich Hegner
Hans Holbein der Jüngere
Ulrich Hegner

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Holbeins Freunde und Gönner in Basel.

Erasmus.

Mit Mühe und Arbeit, denn ohne dieß kann dem Sterblichen wohl Reichthum und Ehre, aber kein bleibender Ruhm zu Theil werden, schwang sich der junge Holbein allmählich auf eine Höhe der Kunst, nach welcher die Leute unten mit Aufmerksamkeit zu blicken anfingen. Der schaffende Geist vorzüglicher Art, den ihm die Gnade des Himmels verliehen, machte sich Bahn durch alle Hindernisse, auch durch die, welche in den habituellen Neigungen des Künstlers selbst liegen mochten. Erwarben ihm jene Neigungen Freunde, wo nicht bei der guten, doch bei der lustigen Gesellschaft»Tages Arbeit, Abends Gäste,
Saure Wochen, frohe Feste!«
, so verschaffte ihm sein steigender Ruf Gönner, die sich ihn hervorzuziehen bemühten. 135 Unter diesen zeichneten sich besonders Amerbach, Erasmus und Frobenius aus.

Erasmus, der berühmteste dieser Gönner, war schon in der frühern Zeit der Entwickelung Holbeins nach Basel gekommenBayle meint, bald nach 1513. Später aber muß er sich wieder einige Jahre in den Niederlanden aufgehalten haben, bis er 1521 Basel zu seinem beständigen Aufenthalte wählte., und wohnte in dem Hause des gelehrten Buchdruckers Johannes Frobenius, wo er wahrscheinlich den jungen Künstler, der dem Buchdrucker Visirungen zu Holzschnitten und Verlagszeichen lieferte, kennen lernte und ihm seine Gewogenheit schenkte. Später in Basel angesessen, ließ er sich mehrmals von demselben malen, fand Freude an dessen Randzeichnungen zu seinem Buche, und war ihm nachher zur Reise nach England behülflich. Er war ihm günstig, weil er, was er selbst besaß, Frohsinn und Geist an dem jungen Manne zu schätzen wußte, aber die Verschiedenheit des Alters von ein und dreißig Jahren, und wohl auch der Lebensart und äußerlichen Würde, gestatteten ihm keine freundschaftliche Annäherung inniger Art, die man auch in seinen Schriften nirgends findet, so daß Bayle, der den Holbein son ami particulier nennt, und wer es ihm nachschreibt, zu weit geht. Es war nicht die Freundschaft, die Pirkhaimer für seinen 136 geliebten Dürer hatte, der in seinen Briefen, wo er immer kann, dessen mit Liebe gedenkt, und seinen Tod mit so inniger Treue beweint hatEpistolae ad Erasmum. - B. Pirkheimeri opera. Fol. Francof. 1610.. Pirkhaimern zu Lieb erhebt darum auch Erasmus, der gern bedeutenden Freunden gefällig war, in seinen Antworten auf solche Briefe, den würdigen, damals schon hochberühmten Albrecht nach Verdienen, nennt ihn artis Apelleae principem, dignum qui nunquam moriatur, gedenkt hingegen Holbeins nie mit einem Worte, wie er doch wohl in Erwiederung gethan hätte, wäre sein Wohlwollen für denselben wärmerer Art gewesen. Freilich hatte Holbein damals noch keinen großen Namen, und von Unberühmten sprechen die Berühmten meist eben so ungern mit lautem Antheil, als die Vornehmen von den Geringen. Zudem hatte Erasmus immerfort mit dem Unglücke seiner Celebrität zu thun und zu kämpfenEr schrieb in seinem letzten Lebensjahre 1535: Si olim scissem, quid sit celebre nomen, summa vi fuissem adnixus, ne quis praeter domesticos novisset Erasmum; nunc frustra placet illud Epicuri: λαϑε βιωσας.. – Als Pirkhaimer ihn ermahnte, dem noch lebenden Dürer in öffentlicher Schrift ein Denkmal zu setzen, antwortete er1527. Epist. DCCCCV., er habe von selbst 137 daran gedacht, doch sey ihm die Aufforderung angenehm. Und als Dürer das folgende Jahr starb, und Pirkhaimer über seinen Tod wehmüthig klagte, war seine ganze AntwortEpist. DCCCCLVII.: »Quid attinet Dureri mortem deplorare, quum simus mortales omnes? Epitaphium illi paatum est in libello meo,« worauf er dann sogleich wieder von seinen eignen Händeln zu sprechen anfängt, als wenn mit der Zusicherung des unsterblichen Epitaphiums alles gethan wäre. Dieses Ehrengedächtniß erschien dann auch in demselben Jahre in der Schrift de recte latini graecique sermonis pronunciatione, und mag, als des Verfassers Kunstgeschmack bezeichnende Stelle, hier einen Platz in Anspruch nehmen: »Dureri nomen jam olim novi, inter pingendi artifices primae celebritatis. Quidam appellant horum temporum Apellem. Equidem arbitror, si nunc viveret Apelles, ut erat ingenuus et candidus, Alberto nostro cessurum hujus palmae gloriam. - Apelles coloribus, licet paucioribus minusque ambitiosis, tamen coloribus adjuvabatur. Durerus quanquam et alias admirandus, in monochromatis, hoc est nigris lineis, quid non exprimit? Umbras, lumen, 138 splendorem, eminentias, depressiones: ad haec, ex situ, rei unius non unam speciem sese oculis intuentium offerentem, observat exacte symmetrias et harmonias. Quin ille pingit et quae pingi non possunt, ignem, radios, tonitrua, fulgetra, fulgura, vel nebulas, ut ajunt, in pariete, sensus, affectus omnes, denique totum hominis animum in habitu corporis relucentem; ac pene vocem ipsam. Haec felicissimis lineis iisque nigris sic ponit ob oculos, ut si colorem illinas, injuriam facias operi. An hoc non mirabilius, absque colorum lenocinio praestare, quod Apelles praestitit colorum praesidio?«

Das schönste Lob gebührt dem edlen Dürer allerdings, nur kann man sich bei dieser Lobpreisung der ins Feld der Kunstgeschichte gehörigen Frage nicht enthalten: Hätte wohl Erasmus sich auf diese Weise ausgedrückt, wenn er in frühern Zeiten selbst die Malerei, und zwar mit so außerordentlichem Gelingen, getrieben hätte, wie DescampsVie des peintres. I. Art. Erasme. meldet?

Erasmus hat sich gar oft von Holbein malen lassen, klein und groß, jünger und älter, vorn und seitwärts, 139 wie dieß so viele Cabinette, die sich solcher Bildnisse rühmen, bezeugen. Patin führt sieben verschiedene Bilder desselben an, und fügt noch hinzu: »Erasmum saepius ab Holbenio pictum, et in Galliam, Angliam, aliaque loca delatum fuisse, ex illius epistolis liquet.« In Basel besitzt die öffentliche Bibliothek zwei dergleichen, ein kleines rundes halb von vornen mit dem größten Fleiße wie Miniatur, auf Holz, und ein größ'res auf Pergament, etwas flach und trocken gemalt; letzteres ist der durch alte Copien und Kupferstiche bekannte schreibende Erasmus; und mit dem Besitze des Feschischen Museums sind noch zwei andere hinzugekommen, wovon eines wenigstens ein sehr schönes Original ist. Von vielen andern in auswärtigen Sammlungen sey es genügend, nur noch dasjenige anzuführen, welches in der k. k. Bildergallerie zu Wien zu sehen istMechels Verzeichniß &c. S. 262., weil es den Erasmus in seiner letzten Lebenszeit vorstellt, in Viertel-Lebensgröße, und zum Nebenbilde Holbeins eigenes Porträt, in dessen besten Jahren, genau von gleicher Größe, hat, so daß demnach beide zusammen gemalt wurden, welches von wirklichem freundschaftlichen Verhältnisse beider Männer in spätern Jahren zu zeugen scheint.

140 Erasmus schreibt zwar von sich selbst, er habe keine Freude an seinem eignen Antlitz gehabt, und daß er sich malen lassen, sey ihm kaum durch zudringliches Bitten seiner Freunde abgenöthigt worden»Ac ne facie quidem propria delectabatur, vixque extortum est amicorum precibus, ut se pingi pateretur.« Vita Erasmi, Erasmo auctore.. Fast sollte man aber daran zweifeln, wenn man an die Menge seiner Bildnisse denkt.

Nicht erst durch Holbein (wie man gewöhnlich annimmt), der 1526 nach England ging, sondern früher schon schickte er Bilder von sich dorthin und nach Frankreich, wie aus einem Briefe an Pirkhaimer von 1524 erhellet: »Rursus nuper misi in Angliam Erasmum bis pictum ab artifice satis eleganti,« welches kaum ein andrer als Holbein seyn kann; aber er mag ihn nicht einmal nennen. Is me detulit pictum in Galliam. Auch dieß wäre wieder ein Zeugniß für Holbeins künstlerische Wanderungen.

Ungeachtet des bezeugten Mißfallens an seinen eignen Gesichtszügen, ließ er sich nicht nur von Holbein, sondern auch von andern Malern abbilden. Schon 1517 malte Quintin Messis in Antwerpen ihn und seinen Freund Petrus Aegidius auf Eine hölzerne Tafel, die für Thomas 141 Morus zum Geschenke bestimmt warNach den zwischen Morus, Aegidius und Erasmus gewechselten Briefen vom Jahre 1517. (Opp. omn.). Dieß Gemälde kam nachher in Dr. Mead's Sammlung, und später nach Longford in WildshireWalpole, Anecd. of painting. I. 108. – Lord Radnor bezahlte bei der Meadischen Auction 110 Pf. 5 sh. Sterling dafür, als für ein Holbeinisches Bild. (Dallaway, les beaux arts en Anglet. trad. p. Millin. II. 214.), und wurde nach den Versen, die Mead dazu gemacht, fälschlich dem Holbein zugeschrieben. Morus war darüber entzücktEr nennt es (opp. Erasm. III. 1635.) ein wunderbares Kunststück, das man eher für ein Werk der Bildhauerei halten sollte, so sehr heben sich die Figuren heraus. Besonders erstaunte er (die Facsimile waren damals noch nicht Mode) über seine nachgemachte Handschrift in einem Briefe, der dem Aegidius in die Hand gegeben war. Er machte auch Verse darüber, die er diesem zuschickte, mit dem Bedeuten, wenn er sie erträglich finde, möchte er sie dem Erasmus mittheilen, sonst verbrennen. – Einige Wochen darauf freuete er sich, daß Erasmus Gefallen an den Versen gefunden, und schickte ihm, nach Art der Poeten, noch mehrere zu. Das Verbrennen wäre ihm sonach nicht gleichgültig gewesen.; Walpole aber nennt den Kopf des Erasmus steif und flach, und bemerkt, Holbein habe nicht Ursache gehabt, eifersüchtig auf Quintin zu seyn, da dieser bei allem Fleiß doch das Zarte und Glänzende der Farben von jenem nicht erreicht habe.

142 Auch Albrecht Dürer schreibt in seinen Reisenachrichten aus den Niederlanden 1520Murr's Journal zur Kunstgeschichte. VII. Theile.: »Ich habe den Erasmum Roterodam noch einmahl conterfet.« Also zwei Mal, und ein Mal hat er ihn in Kupfer gestochen. Und 1525 äußert Erasmus gegen Pirkhaimer: A Durero cuperem pingi, quid ni a tanto artifice? und thut, besorgt für sein Aeußeres noch hinzu, er dürfe ihn wohl etwas fetter machen: faciat in me quod in te fecit, cui addidit aliquid obesitatis. – Sollte man aus diesem allen nicht meinen, Erasmus habe sich gern conterfeten lassenNach Dürers Tode, 1528, schrieb Erasmus an H. Botteus: pinxit me (abhinc aliquot annis) Durerus, sed nihil simile.?

Was Holbeins gutem Verhältnisse mit Erasmus noch mehr Ansehen und bleibenden Ruhm gab, das sind die Randzeichnungen, die er zu dessen Lob der Narrheit machte. Was es damit für eine Bewandniß habe, und wie Oswald Müller in der Freude über diese herrliche Verzierung des Buches durch seinen Freund dasselbe dem Verfasser mitgetheilt habe, ist schon oben erzählt worden. – Das Werk wird mit geziemender Sorgfalt in der Bibliothek zu Basel aufbewahrt. Es ist die Ausgabe, so bei Frobenius 1514 erschienen, mit einer von Urs Graf in Holz 143 geschnittenen Titeleinfassung, die auch zu andern Titeln gebraucht worden. Unter derselben steht geschrieben: Est Oswaldi Molitoris Lucernensis, und von diesem sind auch die angeführten Anekdoten in das Buch eingetragen, nebst andern seltsamen Dingen, sowohl den Besitzer des Buchs, als die Stadt Basel betreffend. Die Figuren, drei und achtzig an der Zahl, und durch das ganze Buch zerstreut, sind mit einer feinen Feder und mit ungleicher Dinte, in freier geistreicher Manier gezeichnet, nicht immer zum Inhalt passend, sondern wie es dem Zeichner einfiel, und wie er es verstand, auch an Gehalt ungleich, und fleißiger ausgeführt die einen, als die andern.

Mit Recht freute sich der erste Eigenthümer dieses köstlichen Erwerbnisses sein Leben lang. Nach seinem Tode muß es aber einige Zeit von Basel weggekommen seyn, denn es finden sich auf der Bibliothek zwei Briefe von einem Jakob Clauser, Maler in Mühlhausen, an Basilius Amerbach von 1578, wonach ein Herr Daniel daselbst im Besitze des Buches war, welcher es dem Clauser, der den Auftrag hatte, ihm nachzufragen, um Geld und gute Worte abtrat. Es kam dann in die Amerbachische Sammlung, und von da an die öffentliche Bibliothek.

Diese Randzeichnungen sind in mehrern neuen Ausgaben und Uebersetzungen der Moria nachgestochen worden; 144 am besten in der Ausgabe von Charles PatinStultitiae laus, D. Erasmi Rot. Declamatio, cum comm. G. Listrii et fig. Jo. Holbenii. 8. Basil. 1676., der dieselben, mit Vergünstigung des Magistrats, von Wilhelm Stettler aus BernStettleri perita et Holbenio non indigna manu. Ibid. Dedic. copiren und von Caspar Merian aus Frankfurt stechen ließ. Doch auch diese geben keinen anschaulichen Begriff von den feinen Zügen des Originals; der Ausdruck ist wohl da, aber die Ausführung ist zu breit und zu roh, auch sind die Figuren mehrentheils etwas größer.

Man hat auch einen sehr schönen Holzschnitt in Folio, der den Erasmus in ganzer Figur vorstellt, wie er sich mit der rechten Hand auf den Terminus, sein Symbol, stützt. Ueber ihm hängt an einem reich verzierten Bogen eine Tafel mit der Inschrift: ER. ROT. – Auf dem Fußgestelle sind gedruckte Verse zu lesen, die nicht in allen Abdrücken gleich lautenAuf einem, wahrscheinlich ältern, Abdrucke heißt es:
        Corporis effigiem si quis non vidit Erasmi,
        Hunc scite ad vivum picta tabella dabit.

Auf einem andern:
        Pallas Apellaeam nuper mirata tabellam,
        Hanc ait, aeternum Bibliotheca colat.
        Daedaleam monstrat Musis Holbeinnius artem,
        Et summi ingenii Magnus Erasmus opes.
. Mit Recht 145 wird dieses wahre Kunststück dem Holbein zugeschrieben. Wer hätte auch den Erasmus mit seinen feinen Zügen, seiner sinnigen Miene, den zarten Händen, und in seiner schwächlichen Haltung, so wahr auffassen und meisterlich darstellen können, als der, dessen Talent eben eine solche Wahrheit der Darstellung war, und der seinen Gegenstand so gut kannte? Auf die Frage, ob Holbein nur die Zeichnung gemacht, oder sie auch selbst in Holz ausgeführt habe, kann man wenigstens so viel mit Gewißheit sagen, daß der Kopf so fein und zart, sicher und frei geschnitten ist, als irgend eine Platte des Todtentanzes, so daß, wenn er das Eine gemacht hat, gewiß auch das Andere von ihm herrührt.

Da die wirkliche hölzerne Platte dieses Bildes noch urthümlich in der Basler Sammlung aufbewahrt liegt, so fallen alle gelehrten Untersuchungen, ob das Bild in Holz oder Metall geschnitten sey, von selbst weg. – Hiebei ist auch zwei in Holz geschnittener Köpfe des Erasmus zu gedenken, die man in Seb. Münsters Cosmographie findet, deren Einer, von vornen gezeichnet, nicht unter die schlechten gehört.

Noch hängt auf der Bibliothek hinter Glas und Rahmen ein mit Bleistift auf Pergament gezeichnetes todtes Angesicht des Erasmus, mit der Aufschrift: ERASMVS ROTERODAMVS MORT DESCRIPTVS EST. Todte halbgeschlossene Augen und offener Mund, leicht hingeworfen, mit wenig Schatten. Diese physiognomisch merkwürdige Zeichnung soll auch Holbein gemacht haben; es ist möglich, wenn er im Jahre 1536, wo Erasmus gestorben, in Basel war, dessen jedoch keine Spur vorhanden ist. Muß aber auch alles von Holbein seyn; könnte den leichten Umriß nicht auch ein Anderer gemacht haben?

Und so viel von Erasmus, in so weit er mit Holbein und seiner Kunst in Verbindung stand. Einiges wird noch nachgeholt werden. 147

 


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