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Obwohl ihm also nur zwei Jahre zu der Abwesenheit von seiner Vaterstadt vergönnt waren, und ungeachtet des Werthes, den der Magistrat auf seine Gegenwart setzte, muß er dennoch seine bleibende Heimkehr immer zu verzögern gewußt haben, wie sich dieß aus dem Wohlwollen des Königs und dem leichtern Erwerb, den er in England fand, wohl erklären läßt. – MechelHandschriftlicher Nachlaß. meint, er habe nach seinem letzten Besuch in der Schweiz Frau und Kinder mit sich genommen, weil man von ihnen weiter gar nichts in Basel wisse; man weiß aber in England noch weniger.
253 Heinrich VIII. war, wie Dallaway bemerktLes beaux arts en Angleterre. Trad. de l'Anglais et augmenté de notes par A. L. Millin. 2 T. 8. Paris, 1807. Gibt Nachrichten von vielen zerstreuten Kunstwerken in England, ist aber voll Unrichtigkeiten. Millin's Noten sind noch das Beste., der Erste, der die königlichen Häuser mit Gemälden aus der Profangeschichte zierte. Er fand, als er noch an der römisch-katholischen Religion hing, wirklichen Geschmack an den bildenden Künsten, und hatte aus jedem Fache derselben geschickte Leute um sich. Welsche und niederländische Maler, Architekten, Bildhauer, Arbeiter in Mosaik und gewirkten Teppichen, Siegel und Steinschneider, und andreDeren Namen sich bei Walpole und Fiorillo finden., wurden aus der Ferne berufen, und fanden Arbeit; nicht zu gedenken der inländischen Meister, noch der mährchenhaften funfzehntausend flamändischer Künstler, die er wegschickte. Aber sein Geschmack hatte keine ausschließende Richtung; die Kunstwelt war noch nicht so theoretisch in Schulregionen gesondert, und wieder gesondert, wie es heut zu Tage, weder der Wahrheit noch der Kunst zur Steuer, in übertriebenem Maaße geschiehtIm Kunstblatt No. 80. 1824. sind bei einer Nachricht von der Kunstsammlung im Schlosse Wallerstein, allein aus Oberdeutschland, vier Malerschulen angegeben: die Schwäbische, Nürnbergische, Baierische und Cranachische Schule; und in No. 89. ist diese Abtheilung umgeändert in die charakterlose und die Entwicklungsmalerei; dann in vier Künstlercyclen: 1. Cyclus von Schön, 2. Cyclus von Zeitblom und Schaffner, 3. Cyclus von Wohlgemuth und Dürer, 4. Cyclus von Holbein. – Jeder große Mann hat seine Schüler und Nachahmer, die eine Zeit lang in seiner Manier fortarbeiten, bis die Manier ausartet oder in eine andre übergeht; aber diese Dauer kann man nicht einen Cyclus nennen, es ist, in gemäßerem Ausdruck, nur die Schule des Meisters.. Wer es ihm am 254 besten machte, war ihm unter allem Künstlervolk der vorzüglichste.
Hofmaler, die es nicht blos aus Gnaden sind, müssen den Hof malen, und so fand Holbein Arbeit genug. Der Bildnisse von den zwei ersten Gemahlinnen des Königs ist schon Erwähnung geschehen. Von der dritten, Johanne Seymour, mit der er sich, 1536, den Tag nachher vermählte, als er der zweiten den Kopf abschlagen lassen, sind, außer einem großen Bilde, welches in Whitehall verbrannteWalpole. I. 127., noch mehrere Porträte vorhanden; ein sehr schönes unter andern in der Wiener Gallerie; auch hat W. Hollar eines aus der Arundelischen Sammlung gar sauber gestochen. – Nach ihrem Tode wurde Holbein, ungefähr 1539, nach Flandern geschickt, um eilends das Bildniß von der Herzogin von Mayland, Christiania, Wittwe von Franz Sforza, die dem König zur vierten 255 Gemahlin war empfohlen worden, aufzunehmenWalpole. I. 113.. Er soll, wie Lord Herbert berichtet, das Gemälde in drei Stunden gemacht und dasselbe des Königs Beifall erhalten haben; als aber dieser um die Herzogin förmlich anhalten ließ, soll die Antwort gewesen seyn: Sie habe nur Einen Kopf, hätte sie Zwei, so würde einer davon Sr. Majestät zu Dienste stehen. Vertue will ein Bild dieser Prinzessin in einer englischen Sammlung gesehen haben. Auch in Joachims von Sandrart Lebenslauf (Nürnberg, 1675) ist eines Porträts von ihr gedacht. – Für seinen Unterhalt auf dieser Reise bezog Holbein, wie WalpoleAnecd. I. 161. aus alten Rechnungen des Königlichen Schatzmeisters anführt, zehen Pfund; vom königlichen Gnadengeschenk wird nichts erwähnt.
Da der König wieder eine Frau haben mußte, so fiel Thomas Cromwell, der damals Alles galt, darauf, ihm die Prinzessin Anna von Cleve zur vierten Gemahlin vorzuschlagen. Holbein mußte also wieder über Meer, um ein Abbild von ihr zur Präcognition für den königlichen Geschmack zu holen, und brachte, nach Cromwells Befehl, ein so vollendetes Miniaturstück zurück, daß der König 256 ungeduldig war, bis er ihrer als leidenschaftlicher Freyer ansichtig werden konnte. Er ritt ihr unbekannt bis Rochester entgegen, hatte aber die arme Prinzessin kaum erblickt, so sprengte er voll Zorn zurück, gab ihr einen Schimpfnamen, und wollte nichts mehr von ihr hören. Zuletzt ließ er sich durch Vorstellungen zur Heirath bewegen, behielt diese Gemahlin aber nicht länger als ein halbes Jahr, und warf von nun an einen Groll auf Cromwell, der sich nur mit dessen Hinrichtung endete. Wie der Maler der Ungnade zu entgehen gewußt, ist nicht bekannt; vermuthlich bekam er auch nicht die besten Worte.
Dieses Miniaturbild der Anna von Cleve ist noch vorhanden; es befand sich zu Walpole's Zeiten im Besitze Mr. Barrett's von Lee in der Grafschaft Kent, noch vollkommen erhalten, und soll in ausgesuchtester Vollendung allen Werken Holbeins voranstehenDallaway findet nichts Vorzügliches daran; wahrscheinlich urtheilte er blos nach dem Kupferstiche, den Walpole auch nicht rühmt. Ueberdem ist Dallaway voll Irrthum und Unwissenheit.. Dasselbe wird noch in der elfenbeinernen Kapsel aufbewahrt, worin es Holbein herüber gebracht hatte, die als eine Rose so künstlich geschnitten ist, daß man sie für würdig hält 257 des Kleinod's, das sie einschließtWalpole. I. 113.. – Im Königlichen Museum zu Paris wird ebenfalls ein Bildniß dieser Königin gesehen, das Erwähnung verdient. Es ist auf Pergament, das auf Holz gezogen ist, ganz von vornen in Oehl gemalt, in reinster Heiterkeit. Auch kömmt ihr crayonirtes Bild unter den Chamberlaineschen Köpfen vor, wo sie wie ein geduldiges Lamm aussieht, das sie auch mag gewesen seyn.
Kaum getrennt von dieser Gemahlin, vielleicht noch eher, verliebte sich Heinrich in Catharine Howard, die er auch sogleich (1540) heirathete, aber nach Verfluß von zwei Jahren auf vermeintliche Entdeckung, daß sie vor der Vermählung mit ihm schon geliebt habe, hinrichten ließ. Dieß mag der Grund seyn, warum man wenig Abbildungen mit ihrem Namen kennet. Doch findet man sie unter den Köpfen berühmter Engländer, gestochen von Houbraken, nach einem Miniaturbilde von Holbein aus der Arundelischen Sammlung, das Walpole besaß, der dabei bemerkt, daß auch W. Hollar dasselbe in Kupfer gebracht habe, unter dem irrigen Namen von Maria, Königin von Frankreich, nachheriger Gemahlin Carl Brandon's, Herzogs von Suffolk.
258 Von Catharina Parr, der sechsten Gemahlin Heinrichs VIII., mit der er alsobald nach Vollziehung des Todesurtheils der Catharine Howard, 1542, sich verband, ist kein Holbeinisches Porträt bekannt. Gleichwohl ist anzunehmen, daß sie als Geliebte des Königs und als eine sehr schöne Person sich der Abbildung nicht habe entziehen können noch wollen, und daß unter den vielen Holbeinischen Gemälden köstlich geschmückter Englischer Damen, die man in Sammlungen und Gallerien antrifft, sich auch ihr Bild incognito befinden möchte; ja es ist sich zu verwundern, daß nicht schon irgend ein Besitzer eines solchen namenlosen Bildes diese Taufe nach hergebrachtem englischen Ritus gewagt hat.
Nächst dem Könige, vor dessen reizbarer Ungnade Holbein sich stets zu bewahren wußte, sind als seine besondern Gönner bekannt, Thomas Lord Vaux, der ihm (nach Chamberlaine) viel Arbeit verschaffte; sein schöner Kopf ist unter den Chamberlaineschen Zeichnungen; – und Thomas Howard, Herzog von Norfolk, von dem man den meisterhaften Kupferstich durch Lucas Vorsterman hat, nach einem Gemälde Holbeins, das sich zu Walpole's Zeiten in Leicesterhouse befand. Die zwei Stäbe, die der Herzog trägt, und die Holbein wahrscheinlich anzubringen gezwungen war, bedeuten die Marschals- 259 und Großschatzmeisters-Würde. Nach Dallaway sollen noch mehrere Porträte dieses Mannes vorhanden seyn.
Wenn Dichter auch unter die bedeutenden Gönner zu zählen sind, und billig sind sie das, denn durch sie gelangt der Nachruhm oft besser zu der Nachwelt, als durch große Herren, so verdient hier Nicolas Bourbon auch einen Platz. Er war ein gelehrter Franzose, und sehr geachteter lateinischer Poet, der sich mehrere Jahre in England aufgehalten hat, und mit Holbein wohl bekannt gewesen ist, zu dessen Lobe er, wie man hernach sehen wird, zierliche Verse machte. Auch sein Kopf findet sich in der Chamberlaineschen Sammlung mit einem Impromtü des DichtersDum divina meos vultus mens exprimit Hansi,
Per tabulam docta praecipitante manu,
Ipse et ego interea sic uno carmine pinxi:
Hansus me pingens major Apelle fuit..
Die Vorliebe der Engländer ging von jeher auf Bildnisse; alle fremden Künstler, selbst italiänische Geschichtsmaler, mußten diesem Nationalgeschmacke huldigen; auch van Dyck that wenig andres in England. Und diese Vorliebe, wenn sie auch dermalen nicht mehr herrschend seyn soll, erstreckte sich doch bis zu Ende des vorigen 260 Jahrhunderts, denn WalpoleAnecd. IV, 131. Portraiture is the one thing necessary to a painter in this country. findet noch, daß Bildnißmalen das Einzignothwendige eines Malers in England sey. Auch Millin macht, 1807, noch eine ähnliche BemerkungIn seiner Uebersetzung von Dallaway. II. 210. – Nach Kunstbl. No. 101. 1823 soll dieser Geschmack für Bildnisse noch jetzt in England vorherrschen.. Dessen gibt auch Zeugniß die unendliche Menge gestochener Köpfe berühmter und unberühmter Männer und Frauen, an denen keine Nation einen solchen Ueberfluß hat. Die Engländer wollen wissen, wie ihre Vorfahren und ihre großen Männer ausgesehen haben; und darin haben sie recht, denn erst die wahre leibliche Abbildung vollendet die richtige Vorstellung eines menschlichen Charakters.
Da nun Holbein in diesem Fache der größte Meister in England war, so mußte er auch für dasselbe seine meiste Zeit verwenden, und so entstand die große Anzahl von Porträten vornehmer Leute, die noch zu Manders Zeiten zu seiner Verwunderung über des Künstlers Arbeitsamkeit daselbst zu sehen waren. Unter allen diesen Bildern aber bleibt dieser Biograph vorzugsweise bei dem lebensgroßen Gemälde einer englischen Dame in 261 schwarzem Atlaskleide stehen, das in der Pembrockischen Sammlung war, und von Friedrich Zuccharo so sehr bewundert wurde, daß er sich soll geäußert haben, ihm sey zu Rom selbst nichts so Vortreffliches dieser Art zu Gesicht gekommen. Dieses Stück scheint aber nicht mehr in England vorhanden, wenigstens nicht bekannt zu seyn, so wenig als manche andre, die jener noch daselbst gesehen, oder die von Wenzel Hollar und andern frühern Künstlern in Kupfer gebracht worden sind.
Auch der Abfall Heinrichs VIII. von dem römisch-katholischen Glauben, für dessen Wahrheit er früher als Schriftsteller aufgetreten, und vom Pabst zu dessen Vertheidiger (Defensor Fidei) förmlich ernannt worden warDie wahre Ursache dieser wichtigen Glaubensveränderung war, was Horaz teterrimam belli causam nennt., half ebenfalls dazu, die Kunst fast einzig auf das Bildnißmalen zu beschränken. Denn wenn gleich Heinrich im Anfang glimpflich mit den Bildern verfuhr, so währte es doch nicht lange, daß auch die Kirchen ihrer sinnlichen Zierden beraubt wurden. Dieser Eifer nahm späterhin noch mehr überhand, weil er von der Geistlichkeit zu einer Glaubenssache gemacht wurde, und viele alte Kunstwerke 262 gingen so als Gegenstände vermeintlichen Götzendienstes zu GrundeSchon unter Heinrichs Regierung wurden, nach dem Zeugniß Lord Herberts, 647 Klöster, 90 Collegien, 2374 Capellen und 110 Hospitäler aufgehoben..
Ungeachtet dieser Begrenzung auf Ein Fach fanden und finden sich noch in England mehrere historische Werke von Holbeins Hand. Einiger beträchtlicher Stücke ist oben schon gedacht worden; dazu gehört auchNach Walpole's Angabe. I. 136. ein großes Gemälde in Bridewell, wie Eduard VI. dem Lord Mayor von London die Urkunde der Abtretung dieses Pallastes zu einem Hospital übergibt; Holbein konnte aber das Gemälde, worin er seinen eignen Kopf angebracht haben soll, nicht mehr vollenden, daher mag es kommen, daß man davon wenig Nachricht antrifft. Es wurde von Georg Vertue in Kupfer gebracht.
In der Capelle zu Whitehall befand sich eine Grablegung Christi, und zu St. James die Auferweckung Lazari; beide sind nicht mehr.
Walpole führt, nach einem Katalog des Herzogs von Buckingham, acht Holbeinische historische Bilder, die derselbe besessen, an, mit besondrer Auszeichnung der Geschichte von Jupiter und Io.
263 In Coudray, einem kunsterfüllten, späterhin abgebrannten, Landhause eines Englischen Großen, waren mehrere beträchtliche historische Bilder angeblich von Holbein. Walpole, der sie noch gesehen, will aber eher Janet für den Verfasser gehalten wissen, mit Ausnahme eines einzigen Caminstückes, das reich und zierlich im besten Geschmacke Holbeins gemalt gewesen sey. Auch soll er sich nur einen Monat dort aufgehalten haben.
Noch werden eine Menge Handzeichnungen von geschichtlichen Gegenständen in Englischen Sammlungen aufgehoben; wie man auch dergleichen, als die Königin von Saba bei Salomon, eine Kreuzabnahme, den Geizhals mit seinem Weibe, und mehrere kleine und große, von W. Hollar und Andern in Kupfer gestochen findet. Alles dieses beweist, daß Holbein der Geschichtsmalerei nie ganz entsagt habe.
Von seinem häuslichen Leben weiß man auch in England wenig. Was Walpole davon sagt, betrifft meist seine frühere Zeit, und ist unzuverlässig aus van Mander und Patin nachgeschrieben und willkührlich verstellt. Von spätern Lebensumständen kömmt so viel wie nichts vor; einzig führt erAnecd. I. 161. aus der Büchersammlung der Königl. 264 Societät ein Verzeichniß von Jahresbesoldungen an, die der Privatzahlmeister des Königs zu machen hatte. Es fängt mit 1538, dem 29sten Regierungsjahre Heinrichs VIII. an; daselbst kömmt folgende Rechnung vor:
»Bezahlt an Hans Holbein, den Mahler, acht Pfund, zehen Schilling, den vierteljährigen Gehalt, so auf U. L. Frauentag verfallen gewesen.« –
»Eben so auf St. Johannis.«
»Item: Hans Holbein dem Mahler einen halben Jahresgehalt vorausbezahlt, auf Abrechnung von abgewichenem L. Frauentag desselben Jahres, die Summe von dreyssig Pfund.«
»Den 30. December, im 30. Jahre (der königlichen Regierung) für seine Auslagen auf einer Reise ins Hochburgund in gewissen Angelegenheiten des Königs, zehen Pfund, als Vergütung.« – Der Grund dieser Reise ist schon oben berührt worden.
»Im September des 31. (Regierungs-) Jahres zufolge Königlichen Befehls an den Mahler Holbein einen Vorschuß gemacht nach Maaßgabe seines Jahrgeldes von dreyssig Pfund.«
Wenn diese Vorausbezahlung nicht eine bestimmte Abrede war, wie sie doch auch hätte seyn können, so läßt sich allerdings mit Walpole daraus folgern, sowohl 265 daß er bei dem Könige gut angeschrieben gewesen, denn ohne dieß zahlen die Fürsten nicht zum Voraus; als auch daß er in England ebenfalls nicht haushälterisch gelebt habe, wie ihm dieß schon in Basel zur Last gelegt worden. Dem sey so; was die strenge Moral nicht billigen kann, wird oft vom Talente gemildert!
Nach einem andern, 1531 verfaßten, und bei der Gesellschaft der Alterthümer liegenden Verzeichniß der Neujahrsgeschenke, die nach damaligem in England und Frankreich herrschendem Gebrauche, von dem König angenommen und gegeben wurden, überreichte Holbein der Majestät ihr eigen Bild, und erhielt hinwiederum einen vergoldeten Becher mit Deckel, zehn Unzen am Gewicht.
Nicht nur Holbein aber, sondern auch alle andre Künstler von Bedeutung, die sich zu selbiger Zeit in England aufhielten, theilten das gleiche Schicksal, daß von ihren Lebensumständen wenig literarische Notiz genommen wurde. Die politischen und religiösen Bewegungen im Lande beschäftigten alle Federn, und der Kunstfedern gab es ohnehin noch wenige.
Nach dem Tode Heinrichs VIII. (1547), der für Holbein ein guter Herr gewesen war, bestieg Eduard VI., als neunjähriger Knabe, den Thron. Er hatte Anlage und Neigung zu allem Guten, auch zu den Künsten, denen 266 aber auch jetzt der immer strenger um sich greifende Glaubenseifer gegen die Bilder zum großen Nachtheil gereichte. – Daß jedoch Holbein auch unter dieser Regierung nicht unthätig und ohne Anstellung gewesen, bezeugen mehrere Bildnisse, die er, wie Walpole berichtetAnecd. I. 201., und Kupferstiche darthun, von dem jungen Könige und seinem Oheim, dem Protector Eduard Seymour, gemacht hat. – In diese Zeit fällt auch der Catechismus des Erzbischofs von Canterbury, Thomas Cranmer, der 1548 erschien, wovon später Nachricht gegeben wird.
Vermuthlich geschah es auch während der damaligen religiösen Gährungen in England, daß Holbein die kleine satyrische Passionsgeschichte zeichnete, die in sechszehen Sedezblättern von Hollar, obgleich ohne seinen Namen, in Kupfer geätzt worden. Es ist ein Werk durchaus spottenden Inhalts gegen das Pabstthum, indem die Verfolger und Peiniger des Herrn alle mit priesterlichen und Mönchsgewändern angethan sind, und statt der Waffen Kreuze, Bischofsstäbe, Meßleuchter und andre Kirchengeräthe tragen. Judas erscheint als Capuziner, Annas als Cardinal, Caiphas als Bischof u. s. w. Als Türke gekleidet empfängt Pilatus Geschenke von Mönchen; der 267 Schächer zur Linken ist auch ein Klostermann. Ueber der Höllenpforte, die Christus betritt, sind päbstliche Bullen und Wappen aufgehängt, und der Gebietsherr, mit dreifacher Krone geziert, sucht ihm den Eingang zu wehren, indem er ihm Weihwasser entgegen sprengt. – Jedes Blatt ist mit vier erklärenden englischen Versen begleitetEiner mag für alle gelten. Der des XV. Blattes, wo Christus die Unterwelt betritt, lautet:
Lo the Popes kitchin where his souls are fried,
Call'd Purgatorie, see his pardons tied
On stringes; his Triple-crown the divell weares;
And ore the dore the Popes owne armes he beares.. In dem fünften Blatte, Christus vor Caiphas, liest man an der Wand die deutsche Inschrift: Wer wider die Römischen der soll sterbenWarum deutsch, wenn die Zeichnungen in England gemacht worden? – Weil Holbein kein Englisch schreiben konnte, meint Mechel (handschriftlicher Nachlaß), und aus allen seinen Zeichnungen, auch denen, die er in England machte, seine Bemerkungen deutsch, häufig gar in der Basler Mundart hingeschrieben habe.. – Hollar hat seinen Namen nicht unterzeichnet, vermuthlich weil ihn der Inhalt besorgt machte; doch hat der Stich seine Manier, wenn er gleich nicht unter seine guten Arbeiten gehört. Wohl aber steht unter dem ersten Stück: H. Holbein inv.
Allem Anschein nach hat Holbein dieses Spottwerk auf Angeben eines Parteimannes von Bedeutung 268 verfertigt. Man erlaubte sich damals zur Ehre des Evangeliums alle Arten von Waffen gegen die Gegner seiner Meinungen. Die Papisten thaten das Gleiche. In Rom war ein Buch herausgekommen, worin Luther, Zwingli und Erasmus die Kriegsknechte des Pilatus, die Christum gekreuziget, genannt werdenPatin führt im Leben des Erasmus mehrere Beispiele der tollsten Mönchswuth gegen denselben an.. Könnte nicht eine solche Verlästerung seines verehrten Erasmus auch dazu beigetragen haben, den Künstler zur Wiedervergeltung zu reizen?
Sandrart erwähnt eines kleinen Büchleins, das er mehrmals bei dem Grafen von Arundel in England gesehen habe, welches die ganze Passion aus zwei und zwanzig Blättern von Holbeins edler Hand enthielt, voll kleiner Bilder, die auf das fleißigste ausgeführt gewesen, als obs eitel Miniatur wäre. Man könnte dieß Büchlein mit dem oben beschriebenen für Einerlei halten, um so viel mehr, da auch Hollar seine meisten Blätter nach Holbein aus dem Arundelischen Cabinette genommen, wenn nicht Sandrart hinzuthäte, das Bild des Erlösers sey jedes Mal in Gestalt eines schwarzgekleideten Mönchs gezeichnet, welches bei Hollar gerade umgekehrt ist, wo 269 die Gegenpartei es ist, die in Mönchsgestalten auftritt. Da jedoch Sandrart von dieser nichts sagt, und gegen seine Gewohnheit die Vorstellung weiter nicht beschreibt, so ließe sich fast annehmen, er habe den Spott zu anzüglich gefunden, und sich absichtlich »als ein weltkluger Cavalier« in der Bekleidung des Erlösers geirrt.
Als der junge König Eduard schon 1553 gestorben, und die Prinzessin Maria auf den Thron gelangt war, und mit ihr das Römische Glaubensbekenntniß wieder herrschend wurde, das sie mit Feuer und Schwert zu behaupten suchte, scheint Holbein von dem Schauplatz, auf dem er eine so glückliche Rolle gespielt hatte, allmählig sich zurückgezogen zu haben. Obgleich in der katholischen Religion erzogen, und auch bei Morus unstreitig dazu angehalten, muß er doch unter Heinrich und Eduard sich zu der herrschenden Denkungsart bequemt haben, wie solches auch ermeldtes Passionsbüchlein darthut, dessen Geheimhaltung ihm jetzt gewiß mancherlei Sorgen machte.
Als Prinzessin hatte er Maria, so wie alle königlichen Kinder gemalt, aber von ihr als Königin, sind keine Holbeinischen Bildnisse bekannt, außer einem, das Patin in dem Verzeichniß Holbeinischer Werke, No. 57, anführt, und selbst besessen haben will.
270 Eine noch kränkendere Zurücksetzung, als die Abnahme königlicher Gnade, hätte allem Anschein nach auf den alternden Künstler gewartet; denn es kam in seiner letzten Lebenszeit Anton Moro, auch ein trefflicher Meister, mit Empfehlungen Philipps II., der um Maria freite, aus Spanien nach England, und war in großen Gnaden, so daß er viele Bildnisse von der Königin und andern Personen vom Hofe machen mußte, und das Glück hatte, übermäßig bezahlt zu werdenWalpole. I. 208., welches bei der vornehmen Welt schon an sich für einen Vorzug gilt. – Jedoch bald befreite der Tod Holbein von Sorge und Verdruß.
Unter die Arbeiten seines spätern Lebens mag auch das Kniestück in Lebensgröße von Thomas Pope, dem Stifter des Dreifaltigkeits-Collegiums in Oxford, gehören, das der Graf Guilford in Wroxton besaß, und vielleicht jetzt noch besitzt. – Desgleichen die (nachherige) Königin ElisabethIst im Winklerischen Katalog folgender Maaßen angegeben: La Reine Elisabeth d'Angleterre, en pied, dans le costume de son tems et dans tous ses atours. H. Holbein pinx. Anno 1551. J. Faber fecit in Mezzotinto 1742. La meilleure estampe du graveur. – Aber 1551 war Elisabeth noch nicht Königin, das macht das Bild etwas verdächtig., muthmaßlich zu gleicher Zeit gemalt 271 mit Th. Pope, bei dem sie einige Zeit unter Aufsicht stand. – Und wenn das schöne Gesicht, welches R. W. Sievier, 1822, aus der Sammlung des Col. Elliot von Nottingham, unter dem Namen Lady Jane Grey gestochen hat, wirklich diese vortreffliche Person ist, wie sie es wenigstens nach den engelreinen Zügen seyn könnte, und wenn es wirklich von Holbein gemalt ist, wie die Art der Darstellung glauben macht, so muß das Gemälde, nach dem Alter der Johanna zu schließen, die 1537 geboren war, in seine späteste Zeit fallen.
Im Jahr 1554 starb der kunstreiche Mann in London an der Pest, seines Alters sechs und funfzig Jahre. – Das ist alles, was die Kunstgeschichte von seinem Tode weiß; auch der Ort seines Begräbnisses ist unbekannt. Thomas Howard, Graf von Arundel, der berühmte Sammler von Alterthümern und Kunstsachen unter Carl I., wollte sein Andenken durch ein Grabmahl ehren, soll aber sein Vorhaben aufgegeben haben, weil man seine Grabstätte nicht wußte. Was schadet's? Monumente sind für Todte, welche sonst kein bleibendes Andenken haben; 272 für Männer ewigen Ruhmes sind sie eitele Beiwerke; der Geist, der die Welt durchfliegt, ist doch nicht da, wo der Leichnam in Staub zerfällt. Was hätte der Wanderer bei diesem Denkmal empfinden oder sagen können, als: Hier liegt also Holbein todt und begraben, aber in seinen Werken lebt er, laßt uns seine Werke besehen! 273