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Aber auch Basel hat erhebliche Gründe, sich den Geburtsort des berühmten Malers zu nennen. Bei Ausländern ist dieß allgemein angenommen; Engländer und Franzosen weisen ihm ohne weiters da seine Vaterstadt an, wo man die ersten Spuren seines Lebens und Wirkens findet. Nähere Angaben aber finden sich allererst bey Carl van Mander, der 1548, noch bei Lebzeiten Holbeins, geboren war, und etwa dreißig Jahre später persönlich in Basel sich aufgehalten hatte. Dieser, wiewohl er es seltsam findet, daß aus dem hartsteinigten wüsten SchweizerlandeUyt thartsteenighe woest Switzer-lant. Schilder Boeck etc. Amst. 1618. Diese Ansicht hat sich seitdem geändert. – Doch schon der Italiäner Aen. Sylvius fand die Gegend von Basel so wüst und steinigt nicht, wie dieser Holländer. Sita est Basilea in agro feraci et ubere gleba, vino ac tritico jocundishime abundans . . . Urbem placidissimi colles ambiunt et opaca nemora etc. – Selbst Erasmus, doch auch aus dem flachen Holland gebürtig, schrieb an Th. Morus, 1518: Eloqui vix possum, quantopere mihi placeat hoc coelum Basileense, quantopere genus hominum etc. Und an einen andern Freund, 1533: Habet ea civitas peculiaris cujusdam civilitatis non obscura vestigia, a Synodo universali relicla etc. ein 27 in der Kunst so hochberühmter Mann habe hervorgehen können, läßt ihn doch, nach allem, was er von ihm habe ausfindig machen können, in Basel 1498 geboren werden, obgleich, sagt er, viele behaupten, daß er von Augsburg herkomme, weil einer desselben Namens, auch ein ziemlich guter Maler, dort geboren worden. Nähere Umstände von Holbeins Leben konnte van Mander nicht von Basel erhalten, weil man ihm für dergleichen Untersuchungen, die mit Mühe begleitet seyen, eine Entschädigung forderte, worüber er sich mit Recht als über eine tadelnswerthe Gleichgültigkeit für die Ehre der Stadt aufhält.
Dann verdient allerdings auch das Zeugniß von Charles Patin alle Aufmerksamkeit, der, selbst ein Liebhaber der Kunst, Alles, was er von Holbeins Leben und Werken in Basel bei verlängertem Aufenthalt erfahren konnte, gesammelt hat, und nach Allem, was sich aus der großen Dunkelheit seiner Sippschaft ans Licht bringen 28 ließMorias Encomion, ex edit. Car. Patini. Basil. 1676. in vita Holbenii. – In quantum eruere licuit ex tanta familiae ejus obscuritate., Basel als dessen Geburtsort angiebt, ungeachtet, sagt er, ihn einige von Augsburg, andre von Grünstadt herkommen lassen. Zu Bekräftigung seiner Angabe führt er an, daß noch zwei Brüder von ihm, Ambrosius und Bruno, in Basel als Maler gelebt und Denkmähler ihrer Kunst zurückgelassen haben. Eine dortige Künstlerfamilie also, die nothwendig von einem Vater, der die Kunst berufsmäßig getrieben habe, müsse ausgegangen seyn, sonst wären nicht alle Söhne demselben Berufe gewidmet worden. Auch findet es Patin wahrscheinlich, daß dieser Vater schon bei des Sohnes Geburt in Basel ansässig gewesen sey, indem die frühzeitige außerordentliche Geschicklichkeit des Knaben nicht anders, als durch einen stäten Unterricht von Kindheit an, und durch ruhige, fortgesetzte Uebung habe erlangt werden könnenAb ineunte aetate a patre institutum, arte atque exercitatione ingenium perfecisse, vix est quod dubitemus. Ibid..
Häufiger noch als die Meinungen für Augsburg sind die Zeugnisse dieser beiden Gewährsmänner für Basel von spätern Schriftstellern angenommen worden, was freilich 29 nichts entscheidet. Merkwürdiger aber sind die Spuren, die man noch in Baselschen Urkunden von einem weit ältern Geschlechte der Holbeine findet. Wir geben solche an, wie wir sie empfangen habenVon dem in Geschichten seiner Vaterstadt gründlich erfahrnen Herrn Antistes Falkeisen..
»Auszug aus St. Leonhards Weiß-Buch, von Ao. 1500. Pag. 77 b.«
»Andres Mayer Ffstetl. 2 ß. 3 Pf. von dem Hus zum Bobst, an der Gerbergaß.«
»De hac domo habetur libro pergameno Folio 87. Ubi in margine scribitur: Domus Holbein, quae nomen habet Babst.«
»Pag. 157 b.«
»Litera venditionis jure hereditario cujusdam domus site in der Suterstrassen (Gerbergassen) inter domum dicti Mayer Ardonis et Alberti de Holbayn pro annuo censu 18 Pf.«
»Auszug aus dem alten pergamentenen Buch von ca. 1288«
»Domus Holbein quā no ht Babest. in margine eines Instruments von Ao 1311.«
30 Vielleicht fänden sich in Baselschen alten Rechnungs- und Bürgerregistern noch mehrere Erwähnungen dieses Geschlechtsnamens, jedoch ist kaum anzunehmen, daß daraus eine genealogische Folge könnte zusammengebracht werden, weil dergleichen Register vorzeiten nicht mit der Genauigkeit wie heut zu Tage geführt wurden, und die Bürgerrechte nicht so fortdauernd waren, sondern bald da bald dort aufgegeben oder angenommen wurden. Zudem ist ein solches Nachsuchen nur einem Archivar zuzumuthen, der weiß wo er suchen soll, und es aus eigner Liebhaberei thut.
Und so ist auch für Basel, in Hinsicht des wirklichen Geburtsortes Holbeins, nichts Gewisses herauszubringen, vielmehr scheint sich die größte Wahrscheinlichkeit auf die Seite der Stadt Augsburg zu neigen; denn der Sohn war zu Ende des XV Jahrhunderts geboren, und es zeigt sich ersichtlich aus allem, daß der Vater damals und zu Anfang des folgenden als Bürger in Augsburg gelebt und gearbeitet habe. So daß die Meinung Sandrarts, Pauls von Stetten, Iselin's und andrer das Uebergewicht zu machen scheint, nämlich, daß Hans Holbein in Augsburg zur Welt gekommen, und von dort aus als junger Knabe mit seinem Vater nach Basel gezogen sey.
31 Noch ein seltsames Aktenstück, das, wenn nicht zur Erklärung, doch zur Verwirrung dieser Streitfrage dienen kann, hat sich unter den hinterlassenen Handschriften Christians von Mechel, der allerlei zum Leben Holbeins sammelte, vorgefunden. Es ist nämlich: »Eine Supplication von 1611 (Philipp Holbeins, Kaiserlichen Hofjuwelirs und Bürgers in Augsburg) bei dem Kaiser Matthias um Confirmir- und Besserung seines uralten adelichen Wappens, worin ihm auch gnädiglich willfahret wurde durch einen den 1. October 1612 verliehenen Adel- und Wappenbrief.« Die Supplication fängt an:
»Ew. Kaiserl. Majestät berichte ich hiemit allerunterthänigst, wie daß meine lieben Vorältern die Holbain (so ihre Ankunft und Geburt außer Schweizerland mehr als vor zweihundert Jahren haben) unterstehend adeliches Wappen in und allwegen, auch noch ehe und zuvorn die Schweizerischen Cantonen verändert, und der Adel hin und her an andern Orten sowohl in als außerhalb des heil. Reichs zertheilt worden, geführet und gebraucht, und sich in ermeldtem Schweizerland erstlich meines Uranherrn Vater Jacob Holbein in der Stadt Uri, sein Sohn Ambrosi meines Großvaters Vater zu Basel in vornemmen Diensten und Aemtern, mein rechter Anherr Johann in der Mahlerey, als ein zu selber Zeit in ganz Europa weit 32 berühmter Mahler (von dessen Hand E. M. nicht nur Ein sondern viel Stück, unter welchen sonder Zweifel das uralt Holbeinische adeliche Wappen zu befinden, haben werden) gebrauchen lassen, wie nicht weniger mein lieber Vater sel. Philipp Holbain von Basel, weyland Kaiser Carl V und Ferdinand, christseligen Gedächtniß in Kriegswesen und in anderm Werk. Ich für meine Person aber nun in die acht und zwanzig Jahre u. s. w.«
Nach diesem wäre des Bittstellers Vater gewesen Philipp Holbein von Basel, und dieser ein Sohn (oder Enkel) des Malers, dessen Vater aber hier Ambrosi geheißen wird, und in Basel ansehnliche Bedienungen bekleidet haben soll, wovon man aber dort nichts weiß, so wenig als von dem Philipp. Hingegen finden sich noch Gemälde daselbst von einem Ambrosius Holbein, der ein Bruder des berühmten Malers war. – Zum Vater seines Urgroßvaters macht der Bittsteller einen Jacob Holbein, der sich in der Stadt Uri habe brauchen lassen. Eine Stadt Uri giebt es nicht, aber in Altorf, dem Hauptflecken des Landes, öfters auch von den Einwohnern die Stadt genannt, sollen sich doch ungewöhnlich viele und beträchtliche Holbeinische Gemälde befunden haben, und zum Theil noch befindenMorgenblatt 1821. No. 254.. – Seine 33 noch früherern Vorfahren läßt der Adelsbegierige außerhalb der Schweiz wohnen; er sagt aber, oder weiß vielleicht selbst nicht, wo; man kann es also nach Belieben da oder dorthin, wo ein dem Holbeinischen ähnliches Wappen gefunden wird, deuten. Dieser Wappenschild aber, wie er noch auf der Malerzunft in Basel (angeblich von Holbein selbst gemalt) zu sehen, und wie er in Drollingers Gedichten abgebildet ist, ist auch dasselbe Wappen, dessen sich das Land Uri bedient: ein schwarzer Ochsenkopf in goldenem Felde, mit einem Ring in der Nase; nur hat der Urner Stier den Stern zwischen den Hörnern nicht. Woher diese Uebereinstimmung, bleibt unerörtert.
Wahrscheinlich hat es der Kaiser Matthias in Gewährung dieser Bitte mit dem etwas verworrenen Stammbaume nicht so genau genommen, wie das bei Adelsbekräftigungen öfters der Fall ist. – Daß aber der Mann nach allem, was er von seinen Vorfahren erzählt, und da er schon seit 1600 in Wien seßhaft warNach Mechels Angabe, Msc., sich noch 1611 Bürger in Augsburg schreibt, deutet wieder auf den alten dort eingebornen Geschlechtsstamm.
»Gegen Ende des XVI Jahrhunderts,« schreibt 34 Paul von StettenKunst und Geschichte von Augsburg. I. 144., »waren schon mehrere vom Wasser getriebene Werke zum Steinschneiden angelegt, davon eines einem Diamantschneider, Philipp Holbein, gehörte.« Dieser wird wohl mit dem künstlichen Hofjuwelier dieselbe Person seyn.
So unsicher übrigens die in der Adelspetition gegebenen ältern Nachrichten von diesem Stamme seyn mögen, so ist doch gewiß, daß gegenwärtig noch in Wien adeliche Nachkommen des K. K. Juweliers leben. Derselbe hinterließ zwei Söhne, von denen einer wieder Hofjuwelier wurde, von welchem der durch mannichfache Verdienste ums Theater bekannte Schauspieldichter Franz von Holbein abstammtNach desselben eigner gefälliger Nachricht.. Man kann aus dieser Nachkommenschaft abnehmen, daß der Kunstsinn nie ganz von dem Geschlechte gewichen. Auch der andere Zweig der Familie lebt noch in Wien unter dem Namen von Holbeinsberg. 35