Adalbert von Hanstein
Das jüngste Deutschland
Adalbert von Hanstein

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Schluß.

So erstrebt die letzte der vielen Dichterschulen am Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Auflösung der rauhen Wirklichkeit in klangvolle gedankenreiche Schönheit. – Mit dem Kampfe gegen das Herkömmliche und Triviale für Schönheit, Kraft und Gedankenstärke hatte der Kampf der jungen Dichter im Anfange der achtziger Jahre begonnen. Dann kam die Forderung hinzu, die soziale Frage und die Arbeit des Tages in diese Kunst der Schönheit hineinzuziehen. Dann entrüstete man sich über die Schönheit, verwarf den Vers und wollte nur noch die Prosa des Arbeitslebens dargestellt sehen. Man lachte über die Liedersänger. Man wollte nur noch den Roman und das Drama anerkennen, und beide sollten nur noch die krasse Wirklichkeit im Buche und auf der Bühne zeigen. Jetzt machte man die Ungerechtigkeit der Welt in der künstlerischen Darstellung noch ungerechter und den Schmutz noch schmutziger, bis einige auf den Einfall kamen, daß doch auch der Reichtum und die Ueppigkeit in der Wirklichkeit vorhanden waren. Und nun schwelgten die Realisten an den Tafeln der Reichen, hielten es mit den Glücklichen und den »Starken« und gewöhnten sich, mit diesen über die Ungerechtigkeit der Welt vornehm zu lachen. An Stelle des Hinterhausdramas trat die Salonsatire, an Stelle der naturalistischen Armutsdarstellung der leichtfertige Dirnenroman. – Und dann tauchte plötzlich die Schönheit wieder auf. Berauschend, wie eine neue Offenbarung, strömten die Verse wieder daher; sie erklangen auf der Bühne, sie weihten den Roman wieder zum Epos, und sie ließen tausendfältig die Lust und das Leid der Menschen wiedererklingen aus jungem Herzen. – Und nun kommt wieder eine Schar von Poeten, die sich »vornehm« zurückziehen von der Welt, die in der Alltagsarbeit etwas Entweihendes für die Dichtung sehen, die sich berauschen in Schönheitsklängen und in Versbildern, und die Gedanken in Wortmusik wollen erklingen lassen und die Kunst nur pflegen wollen um der Kunst willen. – Der Kreislauf ist beendet.

Diesen Kreislauf zu schildern war der Zweck des vorliegenden Buches. Wenn es der Wahrheit entspricht, so muß es sich darstellen wie eine Geschichte 357 fortlaufender Zusammenscharungen und Gruppenbildungen. Nie hat das Vereinsleben eine solche Rolle in der Litteratur gespielt wie in dieser Periode. Der mächtige Einfluß, den vorübergehend der Berliner Verein »Freie Bühne« geübt hat, ist geschichtlich nur dann ganz verständlich, wenn man beachtet, wie beständig ihm Vereinsbildungen vorausgegangen waren und Vereinsbildungen folgten. Die ganze Zeit war beherrscht von dem Gedanken, daß auf diesem Wege eine Neubelebung der deutschen Litteratur herbeigeführt werden könnte – und doch war es ein so gefährlicher Irrweg, denn nur freischaffende Individualitäten können wirklich große Künstler sein – frei vor allen Dingen von jedem einseitigen ästhetischen Dogma.

Und nie hat das ästhetische Dogma eine größere Rolle in der deutschen Litteratur gespielt, als auch gerade wiederum in dem Zeitraume, den wir eben durchmaßen. Naturalismus, Symbolismus, Verismus, Phantastizisums, Impressionismus, Realismus, Neuidealismus, – wie flogen uns alle diese Ausdrücke gleich Granatsplittern um die Ohren, als wir diesen sonderbarsten aller Litteraturkämpfe an uns vorüberziehen ließen. Wahrhaftig: es war das Zeitalter der . . ismen und der . . aner.

Und gerade das Ergebnis dieses Kampfes mußte darin bestehen, daß die letzten Aner die Nietzscheaner und der letzte Ismus der rücksichtslose Individualismus wurde. Auch dieses letzte Extrem muß nun wieder überwunden werden, ehe auf dem blutgetränkten Schlachtfelde die friedlichen Blumen der echten Dichtung wieder erblühen können. Das wäre das wertvollste Ergebnis dieser stürmischen Revolution, wenn man – und das wäre nun doch wirklich möglich! – nun endlich gelernt haben würde: Zusammenrottungen führen wohl zu vorübergehendem äußeren Erfolge, aber sie töten die Eigenart der Aufwärtsringenden und sie hemmen den ruhigen Fortschritt des Geisteslebens.

Individualitäten, einzelne für sich emporstrebende Menschen, sind auch aus diesem verheerenden Kampfe lebend zurückgeblieben. Das sehen wir auch deutlich in derjenigen Dichtungsgattung, die seit mehr als einem Jahrhundert im breitesten Strome daherrauscht: im Roman.

Es konnte nicht die Aufgabe dieses Buches sein, die Geschichte des deutschen Romans der letzten zwanzig Jahre erschöpfend zu behandeln. Nur wo er in die Wogen dieses Litteraturkampfes bestimmend hineingezogen wurde, habe ich ihn in seinen charakteristischsten Vertretern berührt. Wir sahen da, wie auch der Roman von den verschiedenen ästhetischen Dogmen wechselnd beeinflußt, wie er naturalistisch, symbolistisch, salonmäßig cynisch wurde – und auch der Roman hat sich von all diesen Dogmen wieder befreit.

Aber was heißt der Roman? Gerade diese Dichtungsgattung kann nie so vollständig in ein Schema gezwängt werden, wie das Drama oder die Lyrik. Denn das Drama hat keinen Wert, wenn es nicht aufgeführt wird, und die Bühnenleiter folgen der Mode, weil der Mode auch die Theaterkasse folgt. Und der Lyriker, der in Deutschland überhaupt schwer einen Verleger findet, findet ihn noch am ehesten, wenn er ein Tagesschlagwort auf den Titel setzen kann. Aber 358 der Roman findet seine Leser und seine Käufer in den weitesten Schichten der Bevölkerung, und die Leihbibliotheken so gut, wie der Händler auf dem Eisenbahnhofe oder wie der Sortimenter, der sein Lager für Weihnachten »assortiert« – wissen, daß sie manchen etwas bringen werden, wenn sie vieles bringen. Daher floß denn auch ein großer Strom der Romandichtung – der wertvollen sowohl, wie der wertlosen – unberührt um den ganzen Lärm des Kampfes, und mancher Wikkinger aus der Kriegszeit steuerte nachher langsam aber sicher sein gerettetes Boot in den großen Strom zurück.

Es kann nun natürlich auch nicht meine Aufgabe sein, am Schlusse meiner Darstellung des ganzen Kampfes nun auch noch den ganzen Roman der Gegenwart zu schildern. Ich müßte die Anzahl der bisher bedruckten Blätter dann, statt sie jetzt zielbewußt abzuschließen, um das Doppelte vermehren.

Will man aber eine allgemeine Charakteristik des »Neuen Romans« in seiner Gesamtheit geben, so kann man sagen: Er hat sich verinnerlicht, obwohl der Naturalismus ihn vorübergehend veräußerlichen wollte. An Stelle der reichen äußeren Handlung ist die feinsinnige Schilderung seelischer Entwickelung getreten. Auch die Spannung sucht der litterarische Roman jetzt weniger als je in der zermalmenden Wucht der äußeren Verhältnisse – wie der soziale Roman es that – sondern mehr in dem lückenlos fesselnden Aufbau eines menschlichen Charakters: wie es einst schon der Werther-Dichter anbahnte im Gegensatze zu seinen deutschen Vorgängern. Freilich – eins hat das in der neueren Dichtung zur Folge gehabt. Es gilt nicht mehr Wilhelm von Schlegel's Grundsatz, daß das erste Erfordernis für einen Roman ein bedeutendes Menschenleben sei. Im Gegenteil: gerade darin sucht man vielfach die Kunst, auch den Durchschnittsmenschen interessant zu machen durch vollständige Enthüllung seiner geheimsten Seelenregungen nach dem Grundsatze, daß für den Menschen nichts interessanter sein könne, als der Mensch. Nicht mehr die Helden, wie bei Walther Scott, nicht mehr die Originale wie bei Dickens, nein: die schlichten Menschen stehen im Vordergrunde der Romanerzählung. Zu einer wirklichen Kunst brachte es auf diesem Gebiete von den Neuesten namentlich Georg von Ompteda, dessen litterarische Anfänge mit seinen »Freilichtbildern« in die Zeit der Gründung der Münchner Gesellschaft für Modernes Leben fallen. Als ein ehemaliger Offizier nahm er sich die 359 Schilderung seines einstigen Standes zu seinem besonderen Bereich, und nachdem er mit seinen knapp und kernig erzählten »Drohnen« und mit seiner lebensvollen Schilderung »Unser Regiment« sich glänzend eingeführt hatte, erreichte er nach einigen, wenig erfreulichen, pikanten Abschweifungen den Höhepunkt seines Könnens in »Sylvester von Geyer«, der dichterischen Lebensgeschichte eines sächsischen Offiziers, die er völlig zutreffend als »ein Menschenleben« bezeichnet. – Von anderen jüngeren Kräften seien noch genannt Wilhelm von Polenz, der in seinem etwas breiten Religionsromane: »Der Pfarrer von Breitendorf«, und der humorvoll veranlagte Wilhelm Hegeler, der in seiner »Mutter Bertha« sein Bestes leistete, während Peter Altenbergs »Wie ich es sehe« – sonderbare Abwege sucht. Auch die Kämpen aus der Revolution schreiben natürlich rüstig weiter. Ernst von Wolzogen tummelt wahllos sein humoristisches Roß und reitet immer mehr in das Gebiet des prickelnd Pikanten hinüber. Dem Ich-Kultus huldigte er in seinem Ecce ego! Die Emanzipierten verspottete er in seinem »Dritten Geschlecht«. Max Kretzer zeigte sich in dem »Gesicht Christi« von der erwachenden religiösen Strömung weihevoll berührt. Hans Land, der seine besten Skizzen unter dem Titel »Sünden« gesammelt hatte, überraschte mit einem geschichtlichen Spartacusroman voll packender Poesie »Von zwei Erlösern«. Kirchbach zeigte sich als Realist im »Leben auf der Walze« und als geistreicher Denker mit eigenartiger Weltanschauung in »Weltfahrer«. – Jacobowski bot einen »Werther, der Jude« dar u. s. w. Anton 360 und Karl von Perfall, Hans und Fedor von Zobeltitz, Eduard Bertz u. a. suchen das moderne Leben überall zu fassen, während J. E. Heer und Rudolf Stratz gleich Ganghofer wesentlich die Naturschilderung in ihren Romanen pflegen. Wie wenig aber jemand noch Lust hat, sich in irgend ein ästhetisches Dogma einzwängen zu lassen, das zeigte sich, als der Verleger Storm im Jahre 1894 einen Verein für freies Schrifttum gründete und darin veröffentlichte: einen symbolischen Roman von Conrad (»In purpurner Finsternis«), einen historischen von Conrad Alberti (»Die Rose von Hildesheim«), einen spiritistischen von Gumppenberg (»Der fünfte Prophet«), einen humoristischen von Bierbaum (»Die Freiersfahrten und Freiersmeinungen des weiberfeindlichen Herrn Pankrazius Graunzer«); einen realistischen von Gustav Falke (»Landen und Stranden«), einen tendenziösen von Oscar Mysing (»Die Bildungsmüden«), Bearbeitung von Carl Schneidt, dem geistreichen Spottvogel-Redakteur (nach Valles humorvollem »Vingtras' junge Leiden«,) einen phantastischen von Paul Scheerbart (»Tarub, Bagdads berühmte Köchin«) und einen satirischen von mir (»Die Aktien des Glücks«).

Trotz alledem kann man noch eine Gruppe von Romanen unter einem einheitlichen Gesichtspunkte zusammenfassen: das sind diejenigen der neuen Frauengeneration. Nicht als ob sie ihres Geschlechtes wegen von den männlichen Dichtern getrennt werden sollten. Im Gegenteil sahen wir ja, wie im Drama und in der Lyrik die Frauen sich zwanglos den verschiedenen Dichtungsströmungen anschlossen, in denen ihre männlichen Genossen den Ton angegeben hatten. Im geraden Gegensatze dazu aber wurden im Romane die Frauen in den neunziger Jahren selbst die Angeberinnen eines neuen Tones. Und das ging sehr natürlich zu.

Der Naturalismus hatte das Bestreben geweckt, neue Lebensverhältnisse durch dichterische Darstellung aufzudecken: dabei war auch die moderne Frau »entdeckt« worden. Wer aber konnte diese besser kennen als die Frauen selbst? Nun hatte sich aus dem naturalistischen der Seelenroman entwickelt: wer konnte hier besser zu Hause sein als wiederum die Frau selbst? Zudem hatten die Frauen für sich eine soziale Aufgabe zu lösen in der modernen Frauenbewegung, und während der soziale Roman bei den Männern langsam in den Hintergrund trat, mußten die Frauen naturgemäß ihm von ihrem Standpunkte aus ein neues Leben einblasen. Und da der weibliche Geist von vornherein das Einzelne schärfer ins Auge faßt, und statt des großen Ueberblicks über das Ganze die Teile und die Teilchen schneller erfaßt, so eignete sich für die moderne Spielart des Romans – mit seiner feinen Filigranarbeit und dem Sekundenstil seiner Seelenbeobachtung – gerade die Dichterin. So ist die neue Gruppe der Frauenromane wohl aus dem jüngsten Deutschland hervorgegangen, aber auch sie schließt nicht ab mit dem Ende der naturalistischen Revolution, sondern auch sie hebt dort eigentlich erst an. Auch ihre erschöpfende Behandlung gehört daher nicht an den Schluß dieser meiner Darstellung, sondern auch sie verlangt eine Darstellung für sich, und die könnte nur gelingen im Zusammenhange mit einer eingehenden Schilderung der modernen Frauenbewegung. Hier also nur einige allgemeine Umrisse.

361 Noch gilt Frau Ebner-Eschenbach als die erste, denn mit ihren Erzählungen: »Das Gemeindekind«, »Unsühnbar« (1891) und »Glaubenslos« (1893) hatte sie sich auf der Höhe ihrer herben, starken Kunst erhalten. Emilie Mataja (Emil Marriot) ist noch immer am größten in der Schilderung religiöser Seelenkämpfe. Neben ihr ist eine Reihe von Novellistinnen erstanden, die mit scharfem Realismus der Beobachtung besonders die Landschaft ihrer Heimat in ihren Erzählungen hervortreten lassen. So schreibt die Badenserin Hermine Villinger (geboren in Karlsruhe am 6. Februar 1849) mit Vorliebe aus ihrer schönen Heimat am Fuße des Schwarzwaldes, wobei sie besonders das Kleinleben berücksichtigt und in Schulmädchen- und Bauerngeschichten eine scharfe Beobachtungsgabe beweist. Und während ihre württembergische Genossin, die uns schon als Lyrikerin bekannt gewordene Isolde Kurz, mit ihrer regen Phantasie am liebsten in Italien weilt, läßt die Hamburgerin Ilse Frapan (geboren am 3. Februar 1852) die Welt »zwischen Elbe und Alster«, in der sie heimisch ist, »Zu Wasser und zu Lande« lebensvoll erstehen, und ihre »Querköpfe« (1895) sind echte hamburger Originale. Eine ganz andere Landschaft, die bisher der Dichtung ganz fern gelegen hatte, führte das frische Talent von Clara Viebig (vermählt mit dem Verlagsbuchhändler Cohn) in die Dichtung ein. Als eine geborene Triererin hat sie »Die Kinder der Eifel« litteraturfähig gemacht, und wenn ihre Schauspiele »Barbara Holzer« und »Pharisäer« auch noch zu keinen Bühnenerfolgen führten, so hat ihr Künstlerroman »Es lebe die Kunst« und vor allem die kecke Lebensfrische ihres »Weiberdorfs« (1900) ihr einen der ersten Plätze unter diesen modernsten Schriftstellerinnen verschafft. – Die holsteinische Ebene, der Duft der Heide und die geschichtliche Ueberlieferung des jetzt wieder deutschen Dänenlandes von Hamburg bis zur schleswig'schen Grenze findet treue Naturtöne in den Schöpfungen von Charlotte Niese (geboren zu Burg a./F.).

Ist es bei diesen Schriftstellerinnen wesentlich ein landschaftlich ethnographischer 362 Realismus, der das »Moderne« in ihren Erzählungen ausmacht, so erscheinen andere wesentlich als Vorkämpferinnen ihres Geschlechts. Eine That in dieser Hinsicht vollbrachte Gabriele Reuter in ihrem mit Recht so schnell berühmt gewordenen Roman »Aus guter Familie«, in dem die Leidensgeschichte eines jungen Mädchens der sogenannten besseren Stände geschildert wird, das für alles andere erzogen worden ist: nur nicht für den Kampf mit dem Leben (1895); und dieser Ausruf zur verständigeren Handhabung der Erziehung des weiblichen Geschlechts findet ein Gegenstück in ihrem neueren Romane »Frau Bürgelin und ihre Söhne«, in dem eine erziehende Mutter die Heldin ist. – Helene Böhlau (Frau al Raschid Bey) führte sich gleichfalls als Realistin ein mit ihren »Ratsmädelgeschichten« (1888), denen sie mehrere Fortsetzungen folgen ließ; und ihre scharfe, ja krasse Kritik an der modernen Frau und ihrem Bildungsstande erreichte den Höhepunkt in ihrem Buch »Das Halbtier« (1899). – Daß übrigens diese kritischen Naturalistinnen von jenen Landschaftsschildererinnen durchaus nicht grundsätzlich getrennt sind, das bezeugt als eins von vielen Beispielen Ilse Frapans: »Wir Frauen haben kein Vaterland«. – Wie sehr aber auch bei einer Frau der Naturalismus der Schilderung alles Maß und alle Grenzen übersteigen kann, das beweist die junge Helene von Monbart, die sich Hans von Kahlenberg nennt (geboren zu Heiligenstadt am 23. Februar 1870), die Verfasserin z. B. von »Die Familie von Barchwitz« und »Nixchen« (1899). Auch E. Vely, Elsbeth Meyer-Förster, Dora Duncker, Anny Bock ringen nach modernen Zielen, und von jüngerem Nachwuchs sind u. a. 363 zu erwähnen Emmy von Egidy, Anna Behnisch, Emma Böhmer u. s. w. Als völlig selbständig jedoch und nur in gutem Sinne als eine Schülerin Gottfried Kellers bewährte sich Ricarda Huch (Frau Ceconi) in ihrem rein menschlich-schönen Buche: »Erinnerungen von Ludolf Ursleu dem Jüngeren«.

Doch genug! Nur allgemeine Umrisse sollten hier geboten werden und einige Namen zur Stichprobe.

Auch an neuen journalistischen Gruppenbildungen fehlt es nicht. Als eigentliches Organ der Jüngstdeutschen hat sich vor einigen Jahren »Die Jugend« aufgethan, sich aber von den Extremen ferngehalten, die im »Simplizissimus« und in Bierbaums neuester barocker Gründung der Zeitschrift »Die Insel« sich wunderlich und unerfreulich auswachsen. Gegenüber den ewigen Sonderbündeleien schuf Grotthuß in seinem »Türmer« eine Zeitschrift, die sich freihalten will von allen Schlagworten, und Lienhard erstrebt eine künftige Heimatkunst in seiner »Heimat«.

Alles dies beweist, daß die Anregungen des litterarischen Krieges noch fortdauern, und niemand kann wissen, zu welchen neuen Spaltungen und Spannungen, Gruppierungen und Richtungen die litterarische Folgezeit noch führen mag. Prophezeien soll und kann man nicht über die litterarische Zukunft, aber ein Wunsch steht jedem frei, und so möchte ich denn mit einem solchen diese Darstellung schließen:

Möchte die nächste Zukunft der deutschen Dichtung nicht von Schulen und Richtungen, sondern von einzeln für sich dastehenden, groß und frei schaffenden Persönlichkeiten beeinflußt werden; und möchten sich diese dessen bewußt sein, daß alle echte Kunst ihre älteste Lehrmeisterin in der Natur sieht, daß sie aber nicht bei der schülerhaft knechtischen Nachahmung stehen bleibt, sondern daß sie die aufgefundene Wahrheit mit der Schönheit der Form versöhnt, durch die Größe des selbständigen Gedankens vertieft und ihr die Weihe giebt durch die Erfüllung mit sittlicher Kraft.

 


 


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