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In diesen Tagen verbreitete sich in der Stadt die Kunde, die jedermann aufatmen ließ, in Stuhmsdorf bei Marienburg seien die Polnischen und die Schwedischen noch im allerletzten Augenblick, als eben wieder die Waffen von neuern sprechen sollten, über einen Waffenstillstand auf lange Frist – man redete von fünfundzwanzig Jahren – einig geworden und hätten, auf Betreiben vor allem des französischen Grafen d'Avaux, der sich als ein sehr geschickter Unterhändler erzeigt habe, ihr heißumkämpftes Einvernehmen auch sofort in sorgsam gefaßten Paragraphen und Artikeln zu Papier gebracht. Schon in nächster Zeit könne man den an den langwierigen Verhandlungen beteiligten fremden Ambassaden, also der englischen, der der Generalstaaten und natürlich auch der französischen Gesandtschaft, vor ihrer Rückreise in die jeweiligen Heimatländer noch einmal den Willkommensgruß der dankbaren Bürgerschaft der Freien Reichsstadt entbieten.
Als Ratsherr Kerschenstein an einem Mittag seiner Ehehälfte die offizielle Kunde hiervon – im geheimen war es Constanzia schon vorher zugetragen worden – aus dem Rathaus mitbrachte, lag ein eigentümlich lauernder und gespannter Ausdruck auf seinen faltigen Gesichtszügen, der ihr bislang fremd an ihm gewesen war.
»Freust du dich, unsere welschen Gastfreunde wiederzusehen, Constanzia?« fragte er wie nebenbei.
»Du hast recht, mein lieber Mann, daß du von unseren Freunden sprichst,« erwiderte Constanzia und blickte ihm fest in die merkwürdig fragenden Augen. »Es sind ja nicht nur die meinen. Es sind ja auch die deinen. Hast du sie damals im Frühjahr, als sie fremd nach Danzig kamen, nicht aus eigenem Willen in dein, in unser Haus geladen? Und als sie dann kamen, immer wieder und wieder hergebeten?«
Kerschenstein nickte mehrmals bedächtig.
»Ich war es meinem Amt als Ratsherr der Stadt schuldig, nichts außer acht zu lassen, um diese Fremden, die für das Wohl Danzigs von Bedeutung waren, zufriedenzustellen und möglichst für uns zu gewinnen. Daß du mir dabei geholfen hast, dafür danke ich dir.«
Constanzia neigte ein wenig den Kopf und schlug die Augen nieder. Es war eine Haltung, die sie noch reizvoller als gewöhnlich erscheinen ließ.
»Der Grund, den du angibst, mein lieber Mann, war aber nicht der einzige. Ich weiß, daß du es auch noch aus einem andern Grunde getan hast.«
»So? Weißt du das so genau? Nun gut! Ja! Ich habe es auch dir zuliebe getan. Meinst du, ich wußte nicht, daß du in Gefahr warst, langsam von der Wurzel her abzusterben, wie ein Gewächs, dem es an Sonne gebricht. Wie sollte es auch anders sein? Ich bin dir auf dem Wege der Jahre weit voraus. Meine Erste und dann auch meine Zweite sind vor der Zeit abberufen worden. Der Mensch soll an des Allmächtigen Ratschluß nicht kritteln und nicht mäkeln. Aber es steht uns frei und ist sogar unsere Pflicht, unsere Schritte so zu lenken, daß wir das Vermeidbare auch wirklich vermeiden und uns nur dem Unvermeidlichen fügen. Deshalb habe ich dir auch nichts in den Weg gelegt und es sogar selbst so herbeigeführt, daß diese Fremden unser Haus mit ihrem lebheften Wesen und mit ihren klugen und gebildeten Manieren erfüllten, und habe auch für mein Teil Freude daran gehabt, wenn ich dich mit ihnen singen und musizieren hörte und du vor aller Augen aufblühtest, so daß nur eine Stimme war, du seiest die schönste und gelehrteste und dabei zugleich die tugendhafteste Frau von ganz Danzig.«
»Mein lieber, lieber Mann!« rief Constanzia mit bewegter Stimme und schlang in einer plötzlichen Wallung ihre Arme um seinen Hals.
Kerschenstein ließ es einen Augenblick willig geschehen, dann löste er sich sacht aus ihren Armen und schien, ohne sie anzublicken, wie in die Ferne zu sprechen.
»Laß mich meine Rede, die mich schwer genug ankommt, zu Ende führen, Constanzia.«
»Was willst du sagen, Sigismund? Ich bin auf alles gefaßt! Sprich es aus!« rief Constanzia.
»Es geht nicht mehr länger, meine liebe Frau! Die ganze Stadt mokiert sich über mich! Heute in der Ratssitzung konnte ich's mit eigenen Ohren hören. Bei den Schöffen und in der dritten Ordnung war es am schlimmsten. Es muß ein Ende haben, Constanzia!«
»Aber sie sind ja seit Monaten fort, diese Fremden! Ich habe, außer einem Dankbrief des Gesandten, seit Monaten nichts mehr von ihnen gehört.«
Der Ratsherr schüttelte den Kopf.
»Sie kommen wieder, Constanzia! Sie kommen wieder! Sie sind in diesem Augenblick vielleicht schon ante portas. Und eben dies hat die Zündschnur der Pulvermine, die schon hinge bereit war, in Brand gesetzt.«
Constanzia hatte die Hand auf dem Herzen.
»Ich bin mir keiner Schuld gegen dich bewußt, Sigismund. Ich schwöre es dir bei allem, was mir heilig ist! Aber die Boshaftigkeit der Menschen ist ohne Grenzen wie der Ozean!«
»Und kein Senkblei taucht ihr je auf den Grund,« ergänzte der Ratsherr. »So ist es, Frau. Deshalb muß es ein Ende sein mit den Besuchen der Herren Franzmänner in meinem Hause.«
»Wie du befiehlst, Kerschenstein,« nickte Constanzia und kreuzte die Arme über der Brust. »Du bist der Herr in deinem Hause. Wie du es willst, so soll es gehalten werden. Schade um mein Französisch! Ich hatte gehofft, es noch zu vervollkommnen. Es tat wirklich not. Also gut! Es können sich ja nicht alle unsere Wünsche im Leben erfüllen. Aber sage mir, Kerschenstein, willst du allen Fremden von Distinktion, die uns besuchen kommen, von jetzt ab die Tür verschließen?«
»Ich weiß nicht, was du meinst,« erwiderte der Ratsherr und runzelte die Stirn. »Wen erwartest du denn außer deinen welschen Herren noch?«
»Es wurde erzählt, daß der berühmte Herr Opitz von Boberfeld, der Herzogl. Rat und poeta laureatus, sich seit kurzem in Danzig aufhält. Wäre doch möglich, daß er auch uns seine Aufwartung machen kommt. Willst du ihm dein Haus öffnen? Oder sollen die Lästerzungen auch gegen ihn recht behalten?«
»Ich bin doch kein Narr, Constanzia, und wer mich für vernagelt hält, hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Also wenn der Herzogl. Rat und Hofpoet, der Herr Opitz von Boberfeld, uns besuchen will, mein Haus soll ihm jederzeit offenstehen.«
Constanzia legte ihrem Mann die Hand auf die Schulter.
»Ich habe nichts anderes von dir erwartet, Kerschenstein. Wenn wir uns unser Leben nach Gevatter Hosennäher und Korkenmacher einrichten wollten, könnten wir uns lieber gleich begraben lassen. Ich werde also dem Herrn Opitz von Boberfeld, wenn er uns vom Prediger Nigrinus, bei dem er wohnen soll, ein Billett herüberschickt, zur Antwort geben, er soll uns willkommen sein.«
»Tu das, Frau!« erwiderte der Ratsherr, dem offenbar ein Stein vom Herzen gefallen war.
Schon am Nachmittag des folgenden Tages fügte es sich, daß Anna Schwarzwald bei einem Besuch, den sie dem Kerschensteinschen Hause in der Jopengasse abstattete, dort wie von ungefähr mit dem ebenfalls anwesenden Poeten Opitz zusammentraf. Die Überraschung war besonders auf seiten des jungen Mädchens groß.
»Wo habt Ihr Euch denn versteckt gehalten, Herr Herzogl. Rat?« fragte Anna Schwarzwald nach der ersten Begrüßung den sichtlich erfreuten und seinerseits ehrlich überraschten Dichter. »Unser liebes Danzig ist ja mit Recht eine hochberühmte Stadt. Aber so riesengroß ist es doch gewiß nicht, daß jemand spurlos darin verschwinden könnte? Also, wo habt Ihr Euch versteckt gehalten? ... Ihr blickt mich so verdutzt an, als stündet Ihr vor einer Erscheinung aus der anderen Welt? Bin ich Euch wirklich so fremd?«
»Nicht im geringsten, holdes Fräulein!« beteuerte Opitz mit tiefer Verbeugung. »Aber Ihr habt recht! Der Glanz Eurer Erscheinung blendete mich! Dazu die Überraschung eines kaum mehr erhofften Wiedersehens!«
Anna Schwarzwald lächelte huldvoll.
»Werft Ihr so schnell die Flinte ins Korn, Herr Herzogl. Rat?«
»Ist sonst nicht gerade meine Art, schönes Fräulein. Wäre auch nicht weit damit in meinem Leben gekommen.«
Constanzia Kerschenstein, die an dem Kredenztisch im Hintergrund des tiefen dämmrigen Gemaches ein paar Gläser hergerichtet hatte, war langsam nähergetreten, da das Gespräch ihrer beiden in gegenseitiger Musterung befangenen Gäste stocken zu wollen schien.
»Man sagt Euch nach, Herr Opitz von Boberfeld, daß Ihr ein sehr bewegtes und stürmisches Leben voller wechselnder Schicksale zu führen hattet, hierin beinahe dem göttlichen Dulder Odysseus vergleichbar.«
»Ihr tut mir mit Eurem Vergleich hohe Ehre an, edle Frau,« erwiderte der Poet mit einer Gebärde abwehrender Bescheidenheit. »Zugleich erschließe ich daraus das ungewöhnliche Maß gelehrten Wissens, das nicht nur Euch, sondern allen Euren Mitschwestern in dieser so berühmten Stadt, einer offenbaren Pflanzstätte der Musen, zu eigen zu sein scheint.«
»Da irrt Ihr Euch aber sehr, Herr Herzogl. Rat und Hofpoet!« rief Anna Schwarzwald. »Es sind längst nicht alle unsere Danziger Mitschwestern, wie Ihr sie allzu höflich benamset, so gelehrt und wohl unterrichtet wie Base Constanzia. Ich für mein Teil bin es ganz und gar nicht. Vom göttlichen Dulder Odysseus, mit dem Euch Base Constanzia da verglichen hat, weiß ich zum Exempel so gut wie nichts. Hoffentlich hat es in seinem Leben auch mehr oder weniger göttliche Frauen und Mädchen gegeben?«
Sie stand vor Opitz und streifte ihn mit einem herausfordernden Blitz ihrer Augen.
»O ja, gewiß,« erwiderte der Angeredete mit einem vielsagenden Lächeln um die Mundwinkel. »Sogar nicht ganz wenige!«
»Und mit welcher von den ›nicht ganz wenigen‹ würdet Ihr etwa mich vergleichen, da Ihr doch selbst ein zweiter Odysseus seid, wie meine Base Euch nennt?«
Opitz sann einen Augenblick nach. Es fiel ihm nicht ganz leicht, von diesem aufs nächste gegenwärtigen und springlebendigen nordischen Mädchen, das alle seine Sinne gefangennahm, sich auf der luftigen Brücke der Phantasie zu den klar in sich selbst ruhenden Gestalten der Homerischen Welt hinüberzuschwingen.
»Nun? Ihr besinnt Euch, Herr Dichter?« drängte das schöne Mädchen.
Opitz sah aus seinem Nachdenken auf.
»Nausikaa! Ja! Nausikaa, der schönen Königstochter von der Insel der Phäaken, möchte ich Euch vergleichen, wenn auch die Umstände, unter denen ich Euch zum erstenmal erblickte, ein wenig anders sind.«
»Recht sehr anders!« fiel Constanzia lachend ein. »Du mußt nämlich wissen, meine liebe Base, die schöne Königstochter, mit der dich der Herr Herzogl. Rat auf so courtoise Art vergleicht, war gerade beim Wäschewaschen am Strand, als ihre Augen des Herrn Odysseus gewahr wurden, den das Meer an den Strand gespien hatte.«
Anna Schwarzwald warf den Kopf zurück.
»Beim Wäschewaschen?« sagte sie mit hochmütigem Lächeln. »Das verrichten bei uns die Mägde. Damit habe ich mich noch nicht abgegeben.«
»Es ist ja auch schon einige Zeit her, liebes Annchen,« erwiderte Constanzia belehrend. »Und die Sitten ändern sich wie die Zeiten. Wir möchten uns ja auch nicht mehr ohne Kopfbedeckung auf offener Straße zeigen. Und jene Alten taten es.«
»Auch jene Prinzessin ... wie hieß sie doch gleich?«
»Nausikaa,« warf Opitz lächelnd ein.
Anna Schwarzwald schüttelte noch immer den Kopf.
»Und diese Nausikaa, die eigenhändig Wäsche am Strand wusch, hatte nichts auf dem Kopf, um sich gegen Sonne und Wind zu schützen? Eine merkwürdige Spezies von Königstochter!«
»Ja, es kommt noch viel schlimmer, liebes Bäschen! Auch der Held Odysseus ...«
»Der göttliche Dulder?« warf Anna ein. »So nanntest du ihn?«
»So nennt ihn der Vater Homer,« lächelte Constanzia. »Auch er also, Odysseus, hatte überhaupt nichts an, als die schöne Nausikaa ihn am Meeresstrande fand.«
Anna Schwarzwald stemmte die Arme in die Seiten und überflog mit einem schnellen Blick den in einiger Verlegenheit dastehenden Dichter und Herzogl. Rat.
»Dann begreife ich nicht, wo die Ähnlichkeit herkommen soll?« rief Anna Schwarzwald. »Ich wasche keine Wäsche und Ihr, mein Herr Hofpoet, erinnert mich nicht im geringsten an den alten Meergott Neptun, den wir auf dem Langenmarkt bewundern können und der auch nichts anhat.«
Opitz hatte seine Haltung wiedergefunden.
»Ihr dürft es nicht zu wörtlich nehmen, mein Fräulein. Man sagt ja, daß Vergleiche zu hinken pflegen. Der eigentliche Vergleichspunkt, das tertium comparationis, sollte ja auch nicht in den Umständen, in der Situation liegen, sondern in dem besonderen Wesen Eurer bezaubernden Person, die mir das Bild jener unvergleichlichen Nausikaa wachrief.«
»Ihr schmeichelt mir, Herr Hofpoet,« erwiderte Anna Schwarzwald und machte ihm einen vielleicht nur zu formvollendeten Knicks.
Auf eine einladende Geste Constanzias setzten sich Opitz und Anna an den schweren Eichentisch inmitten des hohen Gemaches, durch dessen Fenster die Septembersonne Kringel auf den Fußboden malte. Die Hausfrau schenkte aus der auf dem Eichentisch stehenden Bouteille alten Madeiraweines in die Gläser ein und erhob das ihre gegen Opitz, indem sie zugleich ihrer Base einen auffordernden Blick zuwarf.
»Meine liebe Anna, ich denke, wir erheben unsere Gläser auf das Wohl unseres berühmten Gastes und wünschen ihm viel Glück und währenden Erfolg in unserem lieben, leider etwas stockigen Danzig.«
Der Herzogl. Rat verneigte sich und erhob sein Glas gegen die beiden Damen.
»Ich bin tief gerührt von dieser mir widerfahrenden Ehrung und trinke auch meinesteils auf das Wohl der beiden Damen, als der holden Vertreterinnen dieser opulenten und gastfreundlichen Stadt, von der ich hoffe, daß sie für mich ein Hafen des Friedens nach soviel Unrast werden wird.«
»So gedenkt Ihr denn, Euern dauernden Wohnsitz in unserem ... wie sagtest du doch, Constanzia? ... in unserem so schön steifen und stockigen Danzig zu nehmen?« fragte das junge Mädchen und legte die Stirn in feierliche Falten.
»Sollte es mit der Steifheit hierzulande wirklich so schlimm bestellt sein?« fragte der Poet mit zweifelnder Miene.
»Für bescheidene Ansprüche langt es!« bemerkte Anna.
Opitz schüttelte den Kopf.
»Man sollte es nach dem Empfang, den ich hier gefunden habe, nicht für möglich halten. Ist der Umstand, daß ich den beiden Damen hier bei einem Glas feurigen Madeiras, wiewohl doch ein Fremder, ein Weithergereister, gegenübersitzen darf, nicht ein schlagendes Argument dawider?«
»Das scheint Euch nur so!« rief das junge Mädchen mit einer sehr entschiedenen Gebärde der Verneinung. »Ich sage Euch, Herr Herzogl. Rat, wenn alle die Vettern und Basen, die hinter den Fenstern die Schritte ihrer lieben Nächsten belauern, auch nur die leiseste Ahnung hätten, daß wir zwei Frauenzimmer hier ganz allein mit Euch einer Bouteille Madeira den Hals brechen, es gäbe eine schöne Klatscherei in der Stadt! Dabei hat Constanzia noch eher das Recht dazu als ich, denn sie ist verheiratet und hat einen Mann, der klug und weise ist«
»Findest du?« sagte Constanzia mit schwachem Lächeln.
»Ich finde es sogar sehr!« betonte Anna nachdrücklich. »Wenn ich da an Gerhard denke ...! Das ist mein Zukünftiger, Gerhard von Proen! Ihr kennt ihn ja,« setzte sie mit einer lebhaften Wendung gegen Opitz hinzu. »Ich gelte nämlich in der ganzen Stadt als verlobte Braut.«
»Es ist mir bewußt,« erwiderte Opitz und verbeugte sich.
»Auch Ihr wißt es schon? Und seid erst ein paar Tage in der Stadt!«
»Volle vierzehn Tage,« bemerkte der Dichter.
Anna Schwarzwald schüttelte geärgert den Kopf.
»Einerlei! Alle Welt weiß es! Alle Welt spricht davon! Und ich selbst ... ich selbst komme mir nichts weniger als verlobt vor!«
»Du wirst aber in diesem Winter ganz ohne Zweifel daran glauben müssen, mein liebes Kind,« bemerkte Constanzia in einem mütterlich überlegenen Ton, der Annas ganzen Widerspruchsgeist in die Schranken zu fordern schien.
»Und ich werde nicht daran glauben müssen!« rief sie und klatschte mit der flachen Hand auf den Tisch, daß die Gläser zu klirren begannen. »Ich werde nicht daran glauben müssen!« wiederholte sie heftig. »Das sollt ihr lieben Verwandten in diesem Winter erleben!«
Die Tür des Gemaches hatte sich leise geöffnet. Auf der Schwelle stand Franziska, Constanzias Kammerzofe, und starrte mit erschrockenen Kuhaugen auf die lebhafte Gruppe am Tisch.
»Was bringst du uns, Franziska?« fragte die Frau des Hauses und winkte das Mädchen zu sich heran, das ihr ein paar Worte ins Ohr flüsterte.
»Welch eine Überraschung! Lupus in fabula!« rief Constanzia, zu Anna und Opitz gewandt. »Dein Herr Verlobter, du widerspenstiges Bräutchen, ist aus Sobbowitz hier und wünscht mir seinen Besuch zu machen. Sollen wir dich ihm zeigen, Bäschen?«
Anna zog ein böses Gesicht.
»Verfolgt er mich sogar bis hierher? Ich wünsche ihn nicht zu sehen! ... Übrigens, was brauche ich mich zu fürchten? ... Also zeige mich ihm, soviel du willst!«
»Und Ihr, Herr Herzogl. Rat?« fragte Constanzia den Poeten.
»Ich für meine Person,« erwiderte dieser, »schätze es mir zur Ehre, den Herrn Feldhauptmann wiederzusehen, dem ich ja nicht zum erstenmal begegne.«
»Ich lasse den Herrn Hauptmann bitten,« entschied jetzt Constanzia, zu ihrem Mädchen Franziska gewendet.
Gleich darauf trat der Angemeldete herein, der offenbar schon auf dem Wege zur Tür und entschlossen gewesen war, sich nicht abweisen zu lassen.
Constanzia ging dem Sporenklirrenden ein paar Schritte zur Tür entgegen.
»Nun, Vetter Gerhard?« lächelte sie. »Wir sprachen gerade von dir, du kamst also nicht einmal überraschend! Hast du genug Landluft geschluckt?«
Proen schien nicht gestimmt, auf den munteren Ton seiner Base einzugehen, salutierte vielmehr in streng soldatischer Manier vor Opitz und den beiden Damen. Opitz hatte sich ebenso förmlich erhoben, während ihm Anna halb abgewandt über die Schulter weg einen spöttischen Blick zuwarf.
»Ich sehe, daß ich zu ungelegener Zeit komme, Base Constanzia,« äußerte der Hauptmann mit gefrorenem Ton, »und bitte vielmals, die unerwünschte Störung des scharmanten Beisammenseins zu entschuldigen.«
Damit salutierte er von neuem, womöglich noch steifer und förmlicher als soeben, und trat den Rückweg zur Tür an.
»Warum läufst du denn wieder weg?« rief Constanzia ihm nach.
»Ich hatte dich nur ein paar Augenblicke allein sprechen wollen, Base Constanzia,« erwiderte Proen in der schon geöffneten Tür. »Tausendmal Pardon! Also dann bei passender Gelegenheit! ... Oder vielleicht auch nicht!«
Damit war er zur Tür hinaus. Die Zurückbleibenden sahen sich betreten an.
Anna Schwarzwald brach, spöttisch auflachend, zuerst das Schweigen.
»Glaubt Ihr jetzt daran, Herr Hofpoet, daß es in unserer guten Stadt Danzig eine hübsche Portion Steifheit gibt und gewisse Mannspersonen einen Ladestock verschluckt haben?«