Ida von Hahn-Hahn
Orientalische Briefe
Ida von Hahn-Hahn

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6. An meinen Bruder

Konstantinopel, September 14, 1843

Mein liebster Dinand, heute gedenke ich Dir ein ganz besondres Vergnügen zu machen, und Dich einzuladen mit mir den Sklavenmarkt zu besuchen. Wohlverstanden den Sklavinnenmarkt, den Blumenflor von Georgien und Zirkassien, und voll schwarzer äthiopischer Schönheiten – alle zu kaufen wie die schönste Viehherde! Eine sublime Einrichtung; aber freilich für's Auge wunderlieblich. Nun komm! Wir steigen, wie immer, von unserem abscheulich unbequemen Berg von Pera hinab; wir werden an der Skala von einem halben Hundert Ruderern mit Geschrei angefallen; der Dragoman dingt eine Viertelstunde gleichviel ob mit ›ehrlichen Türken‹ oder mit ›spitzbübischen Griechen‹ um die Überfahrt; wir setzen uns sehr unbehaglich auf den Boden unseres Kaiks platt nieder und finden mit Recht den Raum nicht einmal für zwei dünne Menschen breit genug, aber wir finden das Schnitzwerk, das am inneren Rande herumläuft recht hübsch und die ganze Barke sehr reinlich gehalten; und so fahren wir über das goldne Horn nach der Stadt. Da beginnt das Klettern, das Ausweichen, das Stolpern; da geht es hügelauf, hügelab, durch Straßen rechts und durch Straßen links; da schlängeln, winden und drehen wir uns als ob wir dem Faden der Ariadne folgten; da bringen wir uns mühselig durch eine Flut von Eseln, Pferden, Hunden, Lastträgern, Türken, Juden, danken Gott wenn wir etwa nur von einem Esel einen Puff erhalten, denn das ist der reinlichste von der ganzen Gesellschaft, und gehen zuweilen am liebsten im Rinnstein, denn das ist der reinlichste Platz auf der Straße. Wir gehen sehr lange; Konstantinopel ist eine gar große über sieben Hügel verbreitete Stadt. Endlich führt eine schmale steile Gasse zu einem Tor, das den Eingang in den Sklavenmarkt schließt; ein Wächter mit einem Stock steht daneben, und der Dragoman muß unseren Eintritt erkaufen. Ein Türke reitet an uns vorüber und hinein; das profane Auge der Franken wird nur nicht für würdig gehalten das Heiligtum zu schauen. Indessen – der Bakschisch entprofaniert uns, und während dieser Unterhandlungen tritt ein Jude an uns heran, legt die Hand an die Stirn mit einer eigentümlichen Bewegung, welche bedeutet: ›Ich lege die Stirn in den Staub Deiner Füße‹; und bietet für alle Fälle seine Dienste an – wenn nicht für Sklavinnen, doch für Shawls, wenn nicht für Shawls doch für Tabak – ganz im dienstbeflissenen Schachergeist seines Volkes. Franken dürfen aber keine Sklavinnen kaufen, dies Vorrecht besitzt nur der Türk. Jetzt treten wir ein in das Paradies voll Houris, gespannt, neugierig, erwartungsvoll.

Der Ort selbst ist nicht lieblich. Ein unregelmäßiger Platz, den dumpfe Galerien umgeben. In diesen Galerien sitzen die Verkäufer mit Kaffee und Tschibuk, Aufseher, Kauflustige, Neugierige; und in den engen dunklen niedrigen Gemächern, welche eine Tür und vergitterte Fenster auf die Galerien haben, wird die edle Ware gehalten. Eine Gruppe ist in der Mitte des Hofes zur Schau gestellt – oder besser, gesetzt denn sie kauert wie gewöhnlich auf Matten. Wir wollen sie uns betrachten. O Entsetzen! Schauderhafter, abstoßender Anblick! Nimm Deine Einbildungskraft zusammen, stelle Dir Monstra vor, und Du bleibst noch weit hinter den Negerinnen zurück von denen sich Dein beleidigtes Auge mit Widerwillen abwendet. Aber die Georgierinnen? Die Zirkassierinnen? Die herrlichsten Weiber der Welt? Wo sind sie? – Ja, mein lieber Bruder, die weißen Sklavinnen werden abgesondert in Tophana gehalten, von dort in die Harems zur Schau geführt, und nur durch ganz besondere Protektion gelangst Du zu dem Ort, wo man sie aufbewahrt. Hier gibt es nur Schwarze, und mit diesem unholden Anblick mußt Du Dich begnügen. Da sitzen sie! Ein grobes grauweißes Gewand verhüllt die Gestalt, bunte Glasringe umgeben die Handgelenke, bunte Glasperlen den Hals. Das Haar tragen sie kurz abgeschnitten; die deprimierte Stirn, tief eingedrückt über den Augenbrauen wie bei den Kretins, fällt zuerst auf, dann das große rollende nichtssagende Auge, dann die Nase, die ohne Nasenbein eine unförmliche Masse zu sein scheint, dann der Mund mit der affrösen tierischen Bildung der vorspringenden Kinnladen, und mit den klaffenden schwarzen Lippen – (rote Mohrenlippen ist ein europäischer Schönheitsbegriff, den die Wirklichkeit nicht realisiert) – dann die langfingerigen äffischen Hände mit häßlich farblosen Nägeln, dann die spindeldürren Beine mit der heraustretenden Ferse; dann, und am meisten, das unerhört Tierische der ganzen Erscheinung, Form und Ausdruck inbegriffen. Die Farbe ist verschieden, bald glänzend schwarz, bald bräunlich, bald gräulich. Sie geben kein Lebenszeichen von sich, sie starren uns an mit demselben bewußtlosen Blick mit dem sie sich untereinander anstarren. Ein Käufer kommt, mustert sie; Käuferinnen machen ihre Bemerkungen über sie; es ist ihnen gleichgültig. Sie werden gemessen in der Höhe und Breite wie Warenballen, untersucht an Händen, Hüften, Füßen, Zähnen wie ein Pferd, sobald es zum Handel kommt; sie lassen alles geschehen, ohne Scheu, ohne Zorn, ohne Schmerz. Übrigens geschieht das auch alles mit Anstand; natürlich mit dem sogenannten Anstand, daß sie ihre Gewänder nicht ablegen, die vom Halse bis zur Hälfte der Waden herabreichen. Dann wird gefordert, geboten, gefeilscht; wird man einig, so geht die Sklavin mit dem Herrn oder der Herrin fort; wird man's nicht, so setzt sie sich wieder auf die Matte unbekümmert um ihr Schicksal. Nun, wie gefällt Dir das? Ich muß ehrlich gestehen, daß mich bei der ganzen Prozedur nichts so anwiderte als ihre Häßlichkeit und daß mir der majestätische Königsgeier zu Schönbrunn mehr Mitleid mit seiner Gefangenschaft einflößte, als die Sklaverei dieser Geschöpfe. Ich fragte mich heimlich: »Ist es möglich, daß eine Sappho, eine Aspasia, eine Marie Stuart, diese und ähnliche Weltwunder von Geist Liebreiz und Schönheit, desselben Geschlechts sein konnten?« – und mit großer Zuversicht antwortete ich mir selbst: »Nein! Denn ein Weib ohne Intelligenz ist kein Weib mehr, sondern nur noch – Himmel, nun habe ich kein anderes Wort, als: ein Weibchen, und das klingt wie ein Schmeichelname der Zärtlichkeit! aber ich meine: une femelle. Die Rassen! Von deren Verschiedenheit wird man durchdrungen, wenn man im Geist eine solche Schwarze neben eine Aspasia stellt; und die Kluft welche diese beiden Wesen trennt kann kein Philantrop ableugnen. Wir sind von Staub und wir gehen zum Staube, aber für die paar Jahre die ich lebe danke ich denn doch meinem Schöpfer, daß es ihm gefallen hat mir eine weiße Staubeshülle zu geben.

Da wir in der Stadt sind, wollen wir uns doch noch genauer darin umsehen, namentlich in den Bazars oder – um den regelrechten Ausdruck zu gebrauchen, im Besestan, d. h. im bedeckten Marktplatz. Er sieht auch ungefähr wie ein Jahrmarkt aus, mit Straßen von Bretterbuden; nur haben diese Buden alle einen Unterbau von Stein, etwa wie ein niedriger Tisch, der zugleich Sofa, Fußboden und Ladentisch ist, und jede Straße ist mit einem ziemlich hohen Gewölbe überdacht, in dessen Decke Licht- und Luftlöcher sehr sparsam angebracht sind. In der Mitte der Straße befindet sich der unvermeidliche Rinnstein. Man kann die Besestans hinein reiten, gar mit Ochsenkarren fahren; das Gedränge der Fußgänger, hauptsächlich der Weiber, ist immens; dies Geschwirr und Getöse, die beklommene Luft, das Halbdunkel, das Anrufen der Verkäufer, das Aufpassen um nicht gestoßen zu werden und zu stoßen, machen mir den Aufenthalt darin noch widerlicher als auf einem Jahrmarkt. Doch bringen manche Fremde halbe Tage darin zu, und amüsieren sich sehr mit vielem Besehen und einigem Einkaufen. Gerade das ist mir ein Greuel! Ich besehe genau nur das was ich kaufen will; und nicht ein Stück mehr. Es ist mir unangenehm dem Kaufmann vergebliche Hoffnung zu machen, allein es ist mir ebenso unangenehm, daß er auf meine Unkenntnis der Waren und Geschäfte spekuliert um mich zu übervorteilen, und so ist der geringste Handel für mich ein unbehaglicher Moment, den ich in möglichster Eile abmache. Hier ist nun aber auch gar nichts Lockendes – oder ist es nur nicht lockend ausgestellt. Jede Straße ist einem besonderen Handelsartikel gewidmet: in der ersten siehst Du nichts als Pelzwerk, in der zweiten nichts als Schuhe, in der dritten nichts als Baumwollenstoffe, in der vierten nichts als Shawls – nämlich gemeine, von Baumwolle oder schlechter Wolle – in der fünften nichts als Tabaksbeutel, in der sechsten nichts als Pfeifenrohre; und so geht das fort. Im ägyptischen Besestan sind nur Spezereien, und große Säcke angefüllt mit einem Färbepulver fielen mir darin auf. das ist Henna, womit sich die Frauen die Nägel rotgelb färben. In jeder Bude sitzt der Verkäufer gravitätisch mit untergeschlagenen Beinen auf dem mit Matte oder Teppich bedeckten Ladentisch und raucht, und trittst Du an die Bude heran, so wälzt und kugelt er sich vor Dir auf dem Tisch herum um die begehrten Gegenstände zu schaffen, daß mir immer dabei der Mann einfällt, den wir einmal in Wien zusammen sahen, und der frappant einen Affen darstellte. Die Schuhbuden sehen niedlich aus, wegen der bunten Farben, und hauptsächlich wegen der Samtpantoffeln mit Gold und Perlen gestickt, die man in allen Preisen, von zwei Gulden bis hundert hat. Ein europäischer Fuß kann sie aber nicht tragen, weil die Spitze aufwärts gekrümmt und die Sohle von Holz ist. Niedlich sind auch die Sachen von Perlmutter-Mosaik, Kasten, Teller, Tische, ein türkischer Tisch ist vielleicht einen Fuß hoch und tellergroß, und man stellt höchstens einen Pfeifenkopf oder eine Kaffeetasse darauf, so ist denn das ganze Ding, Füße und Platte, mit diesen pfenniggroßen, teils weißen, teils buntgefärbten Perlmutterstückchen ausgelegt, die einfache Zeichnungen bilden. Die Formen sind unglaublich roh; nur das zierliche Material macht diese plumpen viereckigen Schmuckkasten erträglich.

Die Waffen sind auch interessant zu sehen, und mitunter sehr kostbar; Damaszener Säbel zu 30.000 türkischen Piastern gibt es: das sind 2.000 preußische Taler. Aber die Türken tragen keine Waffen mehr, keine Dolche oder Pistolen im Gürtel, wie das so majestätisch zu der morgenländischen Tracht in Bildern und Beschreibungen sich ausnimmt. Sie sollen ja zivilisiert werden, und da es in der zivilisierten Welt Polizei und dergleichen Sicherheitsmaßregeln gibt, die für das Allgemeine sorgen, so wird der einzelne dadurch dieser Sorge enthoben, und die Waffen sind unnütz, gar gefährlich in seiner Hand. Beim Volk sieht man keine Spur davon. Die Vornehmen haben einen Säbel am ledernen Riemen umgeschnallt, ganz gemein europäisch, wenn sie auf der Straße erscheinen. Sie reiten immer, und meistens auf schönen Pferden, nur der gemeine Mann geht zu Fuß. Neben dem Steigbügel geht ein Sklave; ein andrer folgt, der eine lange, mit Tuch verhüllte Maschine trägt, welche ich für eine Flinte hielt, denn ich dachte der Mann ginge auf die Jagd. Aber ein Türk und jagen! Ein Türk und Vergnügen an starker, schneller Bewegung finden! Nein! Nur die Franken sind Toren genug um das unterhaltend zu nennen. Des Türken Genuß, Vergnügen und Zerstreuung ist Ruhe. Was ihm da nachgetragen wird ist der Zauberstab, der ihn in das Paradies dieser seligen Ruhe versetzt, ist – die Tabakspfeife! Du siehst Kreise von zehn bis zwölf Männern beisammen, in tiefem Schweigen verharrend, vollkommen befriedigt durch die geliebte Pfeife. Die meisten rauchen den Tschibuk, das lange Rohr, die türkische Pfeife; einige die persische, den Nargileh, einen schlangenartigen Schlauch, der in einer großen Glasphiole voll Wasser mündet. In den zahllosen Cafés hast Du Gelegenheit diese stumme Gesellschaft zu beobachten, die mir durchaus den Eindruck eines Wachsfigurenkabinetts macht.

Alle Cafés sind ungefähr auf gleichem Fuß eingerichtet. Ein viereckiges, ausgeweißtes Gemach mit möglichst vielen Fenstern; an den Wänden hölzerne Sofas mit Matten oder Teppichen belegt; an der Hinterwand der Herd und Plätze für das Geschirr; in der Mitte des Fußbodens eine kleine Fontäne; niedrige Schemel, gar europäische Stühle, vor der Tür; das Ganze reinlich und ärmlich; wenn es hübsch ist unter einem großen Weinstock liegend, dessen Reben eine Vorhalle bilden, oder unter einem schönen schattigen Baum: so sind die Cafés in Konstantinopel, und lassen es sich nicht träumen, daß sie sehr wenig Ähnlichkeit mit denen in Paris und Mailand haben. Armenier und Griechen sitzen viel auf den kleinen Schemeln; die Stühle sind wohl eigentlich für die Franken nur bestimmt. Zuweilen, wenn die Plätze alle besetzt sind, versucht aber auch ein Türk sich auf ihnen zu etablieren, und da sieht es lächerlich genug aus, wie ihm das eine Bein so kläglich herabhängt, während das andere auch gar nicht gehörigen Raum findet, um zusammengeklappt auf dem Sitz zu liegen. Mitunter findet man einen redenden Mann in einem Café: das ist ein Märchenerzähler. Er spricht meistens mit näselnder Stimme, und da ich ihn nicht verstand, war ich wirklich höchst überrascht die ganze ernsthafte Gesellschaft lächeln, gar lachen zu sehen. Je lasziver diese Erzählungen, umsomehr gefallen sie, und hauptsächlich müssen sie Weiber zum Gegenstand haben; – sagte der Dragoman. Und außerdem hörte ich, daß, wenn sich die Türken je auf eine Unterhaltung einlassen, so sei sie beständig über Frauen, und in jener Manier. In den Vergnügungen eines Volks liegt so viel Charakteristisches!

Ich wünschte Tänze zu sehen: man sagt mir das sei nicht wohl möglich; und als ich glaubte es sei nur die Rede davon, daß ich nicht hingehen dürfe, wo man tanze, und unbefangen vorschlug die Tänzer ins Haus kommen zu lassen, wie einst in Sevilla: ergab sich das als noch weit unmöglicher. Die Türken stehen im Ruf großer Sittenreinheit. Ich will diesen nicht schmälern, nur bemerken, daß man dabei vom europäischen Begriff ausgehen muß, der es unsittlich nennt außer der Ehe oder ohne Ehe Kinder zu haben. Aber der Türke, der jede Sklavin kaufen und in seinen Harem führen darf, die ihm gefällt, hält die Kinder von zwanzig Sklavinnen für ebenso rechtmäßig, als von seiner Frau, und ich denke, wenn man die Mode der Harems in Europa einführte, würde auch dort von selbst die Unsittlichkeit der natürlichen Kinder wegfallen – nur freilich auf Kosten dieser noch größeren Unsittlichkeit des Harems selbst. Ich glaube nicht, daß in diesem Punkt der Türk einen Vorzug vor dem Europäer hat. Die Frauen besonders sollen trotz Schleier, Gitterfenster und Eunuchen, Liebeshändel genug anzuspinnen wissen – hauptsächlich beim Besuch des Besestan. Daher existiert auch ein Gesetz, daß sie nicht in die Buden hineingehen dürfen, sondern vor derselben ihre Einkäufe machen müssen. Ferner ein anderes, das den Kaufleuten befiehlt möglichst unschöne Kaufdiener in ihrem Laden zu haben. Das alles zeugt nicht von wundervoller Sittenreinheit – sollte ich meinen.

Zur Aussöhnung für die unanständigen Tänzer und Erzähler, gibt es denn allerdings ein Hauptvergnügen des ganzen Volkes und beider Geschlechter, das sehr anständig, aber dafür auch wieder ein bißchen stupid ist: ich meine die Bäder. Darin bringen sie mit Wonne ihre Tage zu, baden, frühstücken, ruhen sich aus; baden von neuem, essen Mittagbrot, ruhen wieder. Ich war in einem Frauenbad, das die Amme von Sultan Abdul-Medjid hält. Das erste was man darin aufgeben muß, ist jeder Anspruch an Bequemlichkeit, geschweige an Luxus. In dem ersten Gemach laufen die ewigen hölzernen Sofas an den Wänden herum, und man muß selbst Teppich und Polster mitbringen, wenn man nicht auf den harten Brettern ruhen mag. In diesem Zimmer ist die natürliche Temperatur. Nun folgen kleinere, durch Wasserdämpfe immer mehr und mehr erhitzte, überwölbt mit der maurischen Kuppel voll sternähnlicher Lichtöffnungen, übrigens fensterlos, ganz ohne Möbel, mit Fußboden von Marmor. Solch ein Kabinett nimmt man, allein, gemeinschaftlich, wie man will! Und läßt die Badefrau ihr Wesen treiben. Die Hauptsache ist, daß man enorm transpiriert. Die Türkinnen haben unglaublich viel Schönheitsmittel: Salben, Essenzen, Farben, weiß der Himmel was! lauter Dinge vor denen ich Abscheu habe: sie werden angewendet bevor man das Bad verläßt. Mein Entsetzen war nicht klein, als mir die Badefrau einen Wunderbalsam aufs Gesicht schmierte, der aus Erde von Mekka und Myrtenblättern, in Rosenwasser geweicht, bestand. Ich sträubte mich heftig, aber sie meinte es gehöre durchaus zur Toilette, und ich würde wohl sehen, wie schön es den Teint mache. Auf den meinen, der an gutes ehrliches kaltes Wasser als einziges Schönheitsmittel gewöhnt ist, machte es nicht den geringsten Effekt, aber das Bad bekam mir trotz seiner tropischen Hitze sehr gut.

Hauptsächlich war ich hingegangen um, wo möglich, schöne Frauen zu sehen. Aber sie waren tout comme chez nous nicht schön nicht häßlich, sondern Mittelschlag; nämlich die jungen; die alten affrös. Das Alter fängt hier früh an. Man heiratet bei vierzehn, auch schon bei zwölf Jahren, zwanzig findet man schon zu alt dazu. Das Alter spricht sich später im Gesicht, als in der Gestalt aus, sie ist bei einigen dreißig Jahren schon zum Erschrecken welk, schwammig, aufgedunsen. Die ewig sitzende Lebensart, die ewigen heißen Bäder, der ewige Genuß von Zuckerwerk, Süßigkeiten und Bäckereien, nehmen den Gestalten allen Nerv. Wie Fleischklumpen sehen sie aus, die sich nicht aufrecht halten können, und in sich selbst zusammen sinken. Aber Du kannst dir nicht vorstellen was man für einen Wunsch hat auf der Straße Frauen gewahr zu werden, statt dieser plumpen braunen Bären mit weißen Köpfen! Gott weiß daß die Frauen bei uns nicht sonderlich schön sind, aber daß sie, wie sie nun einmal sind, doch viel besser aussehen, als diese vermummten Gestalten, und das Leben auf den Straßen lustiger machen, daß weiß man, sobald man hier ein paar Tage umher gewandelt ist. In Pera sieht man freilich genug fränkische und griechische Frauen – jene nach französischer Mode, diese nach ihrer eigenen gekleidet d. h. mit einem Röckchen von besonderem Schnitt um Busen und Arme, und mit einem wunderhübschen Kopfputz, der aus einem seidenen Tuch und ihren Haarzöpfen besteht; – allein man treibt sich mehr in der Stadt und in den türkischen Vorstädten herum. Noch mehr als der Mangel an Frauengesichtern fällt mir vielleicht der an jungen Männern auf. Alle Türken sehen alt aus. Einen weißen Bart zu haben, gilt bei ihnen für schön: so brauchen sie denn ebenso eifrig Mittel um ihn weiß zu machen, als man in Europa braucht um ihn schwarz zu färben: namentlich ein in den Tabak gestreutes Pulver, das diese Wirkung übt. Haar haben sie nicht, es wird abgeschoren; den Fez drücken sie auf die Augenbrauen, das rote fleischige Gesicht umgibt der graue Bart, die Gestalt ist breit und schwer – nirgends eine Spur von jugendlicher kräftiger Schönheit! Im höheren Alter sehen sie besser aus. Merkwürdiger ist es wohl, alt und schön zu sein; doch hübscher ist es jung und schön! Und als ich neulich einem wunderschönen jungen Zigeuner in phantastischer Tracht mit einer Zither unter dem Arm begegnete, stand ich still, sah ihm nach und dachte: der gebildete Mann braucht Intelligenz, der Barbar Schönheit – sonst sind beide unausstehlich. Nicht wahr, mein lieber Dinand?


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