Anastasius Grün
Gedichte
Anastasius Grün

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Erscheinung.Vorliegendes Gedicht ist aus dem Italienischen einer erst neuerlich aufgetretenen Dichterin frei übertragen. Das Buch, worin sich das original befindet, führt den Titel: Versi di Teresa Albarelli Vordoni. Padova, pei tipi della Minerva. 1824. gr 8. Es offenbart sich in diesen Dichtungen ein nicht gewöhnlicher, klarer und reger Geist, kräftig und mild, bescheiden und doch würdevoll. Reichlich entfalten sich tiefere Blicke in das Buch der Natur und des Lebens, und die Stimmen der seelenergreifenden Wehmut und des freieren Scherzes verbinden sich zur schönsten Harmonie. Überall spricht ein tiefes lebenskräftiges, man möchte sagen männliches Gemüt aus unmittelbarer, lebendiger Anschauung der Dinge. Eine äußerst rühmliche Beurteilung dieser Poesien ist in der Biblioteca italiana 1824 erschienen. Nur so viel für diesmal über ein Werk, das wahrlich eine nähere Bekanntschaft und dauerndere Aufmerksamkeit verdient. Freunde der italienischen Literatur mögen das Buch selbst zur Hand nehmen, und sie werden es gewiß nicht unbefriedigt beiseite legen.

        Der stummen Herrschaft dunkler Nacht gehorchte
Schon die Natur, und schon erfreute Phöbus,
Mit holdem Strahl des Erdballs andre Hälfte;
Millionen Flämmchen brannten hell am Himmel,
Und ihrer froh, trug liebevoll ihr Bild
Der Wellenplan im regen Busenspiegel.
Ein freundlich Lüftchen kräuselte das Meer,
Daß es dahin mit bangen Klagen rauschte,
Und jedes Herz zu frommer Wehmut stimmte;
Das öde Felsgestad' selbst schien zu horchen
Dem hohlen Meergebraus und aufzublicken
Zur hohen Majestät des Firmaments. –

Am Ufer ging ich mit gebeugter Stirne,
Gleich jenem, der im Geist Erhabnes hegend
Schon der Gedanken riesigsten erfaßt.
Gefühle, wunderbar und ungekannt,
Durchschwellten, süß begeisternd, meinen Busen,
Daß ich von Liebe wollt' ein Lied beginnen.
Es schwebte auf den Lippen schon mein Herz,
Frei in die Welt hinaus wollt' ich's schon singen –
Als plötzlich nie geschauter Glanz mich traf.

So wie das Morgenrot des Himmels Tor
Klärt und erhellt, so schimmerte auch jetzt
Der große Quell, der mir zur Rechten wogte;
So auch die Felsenhöhn zu meiner Linken.
Und als ich hingeblickt zum Horizont,
Ersah ich einen Stern in lichter Weite,
Der aus dem Meere zu den Höhen stieg;
Und immer schöner strahlt er, immer heller
Und reicher stets entfaltet sich der Glanz,
Und sieh, mir naht das wundervolle Licht.
Klar sah ich Strahlen nun dem Stern entströmen,
Und neue Strahlen quollen aus den frühern. –

Doch fruchtlos streb' ich, was ich sah, zu künden.
Nun weiß ich, daß ich dastand, jenem gleich,
Der ew'ger Nacht entstiegen, es gewagt
Dem hellen Tag der Sonne Hohn zu sprechen
Mit seinem Eulenblick. Und diese Sonne
Verschloß mit nie gesehnem Glanz mein Auge,
Bis mich erwecket einer Stimme Ruf:

»Die Bahn des Ruhmes willst du ziehn, wohlan!
Doch soll der Himmel dich vor Unheil wahren,
O lasse nie von Lieb' ein Lied ertönen!« –
Wie auferwacht aus langem, tiefem Schlummer
Schloß ich das Auge nun dem Tage auf,
Und vor mir stand ein hehres Frauenbild.
Der Flamme Siegerkraft war nun gebunden,
Daß ungeblendet jetzt mein Blick zu schaun
Der Himmlischen ins Angesicht vermochte.
Und herrlicher als ich's vermag zu singen,
Stand im Verklärungsglanze sie vor mir,
Daß ich ein Götterbild in ihr erkannte.
Und wie der Knecht, wenn sein Gebieter naht,
So warf auch ich mich jetzt zur Erde nieder,
Denn so gebot mir's Ehrfurcht, so der Schrecken.
»Bin ich auch gleich kein sterblich Wesen mehr,
Ziemt dennoch mir nicht solche Huldigung.«
Sie sprach's, und ich gehorchte ihrem Wink.

»Doch jener Geist, dem alles offenbar,
Hat deines Herzens Wünsche auch gesehn
Und mich gesandt, ein Bild dir zu entrollen. –
In mir auch wogt' ein Herz einst, warm wie deins,
Apollos schönster Kranz umwand mein Haupt,
Erst heiß ersehnt, drückt er's so schmerzlich dann.
Heil Sappho dir! rief mir ganz Hellas zu;
Wie ich gelebt, gesungen, wie geendet,
Hat dir wohl auch der Zeiten Lied gekündet.
Stets war ich Eros Feindin; sandt' er mir
Auch seines Köchers kühnsten Pfeil, er prallte
Gelähmt vom Panzer meiner keuschen Brust. –
Doch Harmonie, der wildesten Gemüter
Bezwingerin, rührt' auch mein steinern Herz,
Und reich ward ich beim Klang der eignen Leier.
Jedoch die Liebe, Zeit und Ort gar wohl ersehend,
Erfaßt' auch mich nun, und ich fühlte rasch
Im Herzen die erfaßte Glut entbrennen,
Ein wild verzehrend Feu'r, das mir im Busen
Und ohne Hoffnungstrost noch immer glüht,
Und das, so will's der Himmel, nie erlischt.
Als Leben noch in mir, da hofft' ich noch
Vom Tod Erlösung; doch der irre Geist
Darf seines Schicksals Wandlung nimmer hoffen. –
Noch schwebt es klar vor mir, wie ich voll Liebe
Ins Auge dem Verräter sah und Liebe
In seinem Augenstern zu sehn vermeinte.
O niemand hätte mir den Wahn geraubt!
Doch war's nur mein Herz, das ich in ihm sah,
Mein eigner Glanz, der mich an ihm entzückte. –
Des Menschengeistes Vorrecht übers Herz
Erlahmt, wenn blinde Leidenschaft es fort
Mit voller Wut in ihren Abgrund reißt.
Drum schien ein Liebender mir der Geliebte,
Ich selbst schien selig mir, mein Glück fürwahr,
Ich hätt' es mit den Göttern nicht vertauscht.
Mein einz'ger Wunsch war er und all das Seine,
Mein einzig Sehnen er, und tief im Busen
Hatt' ich versenkt jed' anderes Verlangen.
Die Freude doch war kurz und lang die Qual;
Das Herz, der Zukunft Leiden ahnend, bebte
Und schlug gar schmerzlichbang zu meiner Lust,
Wie oft ach ahnt' ich schon den schwarzen Trug,
Wie oft stand flücht'ger Schmerz des Augenblicks
Als Warnungsbote ew'ger Schmach vor mir!
Die Liebe doch, die immer weiß zu locken,
Ließ zweifeln mich und weckte und zerstörte
In mir stets der Entschlüsse bunten Reihn,
Daß ich den Abgrund, welcher vor mir gähnte,
Verachtend, eitlem Blendwerk hastig folgte,
Gehemmt von Furcht und angespornt von Hoffnung;
Bis ew'ge Grabesnacht in aller Schrecknis,
In Qual und Jammer endlich mich umfing,
Und uns gelöscht der letzte Hoffnungsfunke. –
Verschmäht sah ich die grenzenlose Liebe,
Eis ward mein Herz und wieder glühe Flamme,
Und regungslos stand ich und atemlos;
Gen Himmel rang ich meine blut'gen Hände,
Schrie Rache und verfluchte frevelkühn
Des Schändlichen und aller Götter Namen,
Im Winde flattert' mein zerrauftes Haar,
Und rasend floh ich, wissend nicht wohin?
Ein schlechtes Wild, den heimatlichen Boden.
Der Tod war mir das Ziel, und es zu finden
Half eines Gottes Macht. – – Gedenke mein!
Und lasse nie von Lieb' ein Lied ertönen!«
Sie sprach es und zerfloß in leisen Dunst;
Ich sah ihr nach mit blassem Leichenantlitz,
Wie einer, der im Todeskampfe liegt.

 


 


 << zurück weiter >>