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Es steht ein Fels am Meeresstrand,
Der blickt so ernst ins weite Land,
Ein heil'ger Wächter steht er da,
Dem Nahen fern, dem Fernen nah
Und weist mit seiner Stirne kühn
Zum Dome seines Schöpfers hin.
Hoch oben auf dem Gipfel steht,
Von Gottes Allmachtshauch umweht,
Gekrönt mit frischem Lorbeerreis,
Ein ernster hehrer Sängergreis.
Der hält die Harfe in der Hand
Und blickt hinab ins weite Land
Und blickt empor zum Himmelsplan
Und wieder in die Wogenbahn
Und blicket in des Feuers Gischt,
Das lodernd ihm zur Seite zischt,
Ins weite Tal herniederstrahlt
In hoher Würde die Gestalt.
Ein ruhig schönes Heil'genbild
So hold und ernst, so hehr und mild,
Voll Anmut und voll Majestät,
Und wie ein Frühlingswölkchen weht
Des Barts und Hauptes Silberstrom
Hinaus in den azurnen Dom.
Jetzt rollt der Zeiten ernster Lauf
Vor seinem innren Blick sich auf,
Er sieht manch Bild, so klar und schön
Manch teures Wesen vor sich stehn,
Sieht sich vor allen Sängern reich
So kräftig kühn, so mild und weich;
Die Kunst reicht ihm den schönsten Kranz,
Die Liebe strahlt im schönsten Glanz,
Und schützend führt das Leben ihn
Zum Tempel ew'gen Ruhmes hin. –
O schöner Traum! Du blühst nicht mehr,
Das Herz ist welk und freudenleer,
Des Auges Glut, der Sehnen Kraft,
Ist nun erloschen und erschlafft,
Gelöst der Seele Flammenbrand
Wie ein Vulkan, der ausgebrannt.
So denkt der hehre Sängergreis
Und reißt vom Haupt das Lorbeerreis.
Und blickt zur Harfe traurig hin
Und kränzt sie mit dem frischen Grün.
»Hab Dank, du freundlicher Kumpan,
Nur du bliebst treu dem greisen Mann.
Du sangst mit mir der Liebe Lust,
Mein Bild sangst du in manche Brust;
Hast mir manch Freudenherz erjagt,
Mit mir geweint, mit mir geklagt.
Hast mitgesiegt in manchem Streit,
Hast manche Freundesbrust erfreut
Und bliebst allein dem greisen Mann;
Hab Dank du treuer Leidskumpan,
Dein Tagwerk hast du nun vollbracht,
Die Lieben drückt des Grabes Nacht,
Zerronnen ist des Lebens Meer,
Die Welt ist wüst und tatenleer:
Von Frieden träumen sie zumal,
Und träger Fried' ist überall
Der mag wohl sein im Grabe gut,
Im Leben doch verdirbt er's Blut,
Drum gibt es für uns beide nun
In dieser Welt nichts mehr zu tun.«
Er faßt der Harfe festen Schaft
Und schwingt sie mit der letzten Kraft;
Sie fliegt empor zum Himmelsknauf
Hell sausend durch die Luft hinauf;
Jetzt ist sie nur ein Punkt zu sehn,
Jetzt kann kein Blick sie mehr erspähn. –
Noch blickt der Greis ins Himmelszelt;
Da sieht am blauen Ätherfeld
Er mild ein Rosenwölkchen glühn,
Das neigt sich sanft zur Erde hin;
Und siehe da! inmitten glänzt
Die blanke Harfe frisch bekränzt,
Es streift in leisen Harmonien –
Ein Zephir durch die Saiten hin.
Der Alte doch mit kaltem Blut
Schürt neu empor der Flamme Glut;
Er faßt und wirft mit fester Hand
Die Harfe in des Feuers Brand. –
Es zischt empor und flackert wild,
Doch aus dem Saitenspiele quillt
Es löschend in des Feuers Schoß:
Es löst sich jede Träne los,
Die auf die Harfe er geweint;
Und löscht und dämpft den Flammenfeind.
Der Greis mit ungebeugtem Mut
Sieht nieder in die Meeresflut
Und schleudert in des Wassers Grab
Die Harfe kalten Bluts hinab.
Es schäumt und braust der Wellenplan,
Sinkt höllentief, steigt himmelan;
Die Harfe doch schwimmt auf dem Meer,
Wie Amphitritens Kahn einher,
Und sanft ans weiche Ufer grün
Spielt kosend sie die Welle hin.
»Und wahrt dich nicht des Feuers Glut,
Der Himmel und des Meeres Flut,
So magst du denn im kühlen Schrein
Der Erde wohl geborgen sein.
Hier, wo im süßen Schlummer nun
Die Lieben unser harrend ruhn. –«
Und in den Fels gräbt er ein Grab,
Versenkt die Harfe tief hinab
Und wallt mit letztem Sonnenstrahl
Hinab ins stille Friedenstal.
Und als die Lerche wieder schlägt,
Die Flur ihr grünes Brautkleid trägt
Und alles sprießt und alles keimt
Und froh die Lebensquelle schäumt,
Das Veilchen wieder lieblich blüht
Und hell der erste Lenztag glüht,
Begrüßt vom muntern Waldeschor;
Da klimmt zum schroffen Fels empor
Mit festem Schritt der Sängersmann
Und als er kam den Fels hinan,
Da war rings alles Lenz und Lust –
Lenz ward es auch in seiner Brust –
Und sieh, vom Frühlingsstrahl umglüht,
Stand auf dem Erdengrab erblüht
Die Harfe da in hellem Glanz,
Geschmückt mit frischem Lorbeerkranz.
Da blinkt sein Auge tränenklar,
Der Fels wird ihm zum Dankaltar,
Er faßt die Harfe innig an
Und singt und singt zu Gott hinan,
Singt von beglückter Friedensflur,
Von Liebe, Lenz und von Natur
Und singet froh in süßem Drang,
Und all sein Leben wird Gesang
Und manchen Jüngling höht sein Lied
Und manchen Greis verjüngt sein Lied
Und mancher sinkt in sel'ger Lust
Dem Barden an die Freundesbrust.
Einst in des Morgens Purpurpracht
Als rings das Leben auferwacht,
Da war's der Sängergreis allein,
Den nicht erweckt der Sonne Schein;
Ob auch ihr Strahl ihn glühend traf,
Er wacht nicht auf aus starrem Schlaf.
Auf jenes Felsendomes Höhn
Sieht man den bleichen Barden stehn;
Des Göttersegens schönstes Pfand
Die Harfe hält er in der Hand
Und einem Steingebilde gleich,
Steht er so ernst, so kalt und bleich
Zur Sonne blickt sein Angesicht,
Er aber schweigt und regt sich nicht;
Denn ausgesungen hat er nun
Und nach dem Singen will er ruhn.
Die Harfe doch, so traurig bang
Stimmt dankbar seinen Grabgesang.
Und durch die Saiten leis und lind
Weht klagevoll der Morgenwind. |