Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das sechsundzwanzigste Kapitel

Courasche wird eine Musquetiererin,
schachert darbei mit Tabak und Branntwein.
Ihr Mann wird verschicket,
welcher unterwegs einen toten Soldaten antrifft,
den er ausziehet und, weil die Hosen nicht herunter wollen,
ihm die Schenkel abhaut, alles zusammen packet
und bei einem Bauren einkehret,
die Schenkel Nachts hinterlässet und Reißaus nimmt;
darauf sich ein recht lächerlicher Poß zuträgt.

Damals lagen weit herum keine kaiserlichen Völker oder Armeen, zu welchen ich mich wieder zu begeben im Sinn hatte. Weil mirs dann nun an solchen mangelte, so gedachte ich mich zu den Weimarischen oder Hessen zu machen, welche damal im Kintziger Tal und der Orten herum sich befanden, um zu sehen, ob ich etwan wieder einen Soldaten zum Mann bekommen könnte. Aber ach! die erste Blüte meiner ohnvergleichlichen Schönheit war fort, wie eine Frühlingsblum verwelket und wie mich denn auch mein neulicher Unfall und daraus entstandene Bekümmernus nicht wenig verstellet. So war auch mein Reichtum hin, der oft die alten Weiber wieder an Männer bringet. Ich verkaufte von meinen Kleidern und Geschmuck, so mir noch gelassen worden, was Geld galt, und brachte etwan zweihundert Gulden zuwegen; mit denen machte ich mich samt einem Boten auf den Weg, um mein Glück zu suchen, wo ichs finden möchte.

Ich traf aber nichts als Unglück an; denn ehe ich Schiltach erlangte, kriegte uns eine weimarische Partei Musquetierer, welche den Boten abprügelten, plünderten und wieder von sich jagten, mich aber mit sich in ihr Quartier schleppeten. Ich gab mich for ein kaiserliches Soldatenweib aus, deren Mann vor Freiburg im Breisgau tot geblieben wäre, und überredet die Kerl, daß ich in meines Mannes Heimat gewesen, nunmehr aber Willens sei, mich ins Elsaß nach Haus zu begeben. Ich war, wie obgedacht, bei weitem nicht mehr so schön als vor diesem, gleichwohl aber doch noch von solcher Beschaffenheit, die einen Musquetierer aus der Partei so verliebt machte, daß er meiner zum Weib begehrte. Was wollte oder sollte ich tun? Ich wollte lieber diesem Einzigen mit gutem Willen gönnen, als von der ganzen Partei mit Gewalt zu demjenigen gezwungen werden, was dieser aus Lieb suchte. In Summa, ich wurde eine Frau Musquetiererin, ehe mich der Kaplan kopulierte.

Ich hatte im Sinn, wieder wie zu Springinsfelds Zeiten eine Marquetenterin abzugeben, aber mein Beutel befand sich viel zu leicht, solches ins Werk zu setzen. So mangelte mir auch meine böhmische Mutter, und überdas bedunkte mich, mein Mann wäre viel zu schlecht und liederlich zu solchem Handel. Doch fing ich an, mit Tabak und Branntewein zu schachern, gleichsam als ob ich wieder halbbatzenweis hätte gewinnen wollen, was ich kürzlich bei Tausenden verloren. Es kam mich blutsauer an, so zu Fuß daher zu marschieren und noch darzu einen schweren Pack zu tragen, neben dem, daß es auch zu Zeiten schmal Essen und Trinken setzte, welches unangenehmlichen Dings ich mein Lebtag nicht versucht, viel weniger gewohnet hatte. Zuletzt brachte ich einen trefflichen Maulesel zuwegen, der nicht allein schwer tragen, sondern auch schneller laufen konnte als manch gutes Pferd. Gleichwie ich nun dergestalt zween Esel zusammen brachte, also verpflegte ich sie auch besten Fleißes, damit ein jeder seine Dienste desto besser versehen könnte. Solcher Gestalt nun, weil ich und meine Bagage getragen wurde, konnte ich mich auch um etwas besser patientirn, und verzögerte also mein Leben, bis uns der von Mercy, im Anfang des Maien, bei Herbsthausen treffliche Stöße gab. – Ehe ich aber fortfahre, solchen meinen Lebenslauf weiters hinaus zu erzählen, so will ich dem Leser zuvor ein örtliches Stückel eröffnen, das mein damaliger Mann wider seinen Willen ins Werk setzte, als wir noch im Kintziger Tal lagen.

Er ging ein, auf seiner Officier Zumuten und mein Gutbefindung, sich in alte Lumpen zu verkleiden und mit einer Axt auf der Achsel, in Gestalt eines armen exulirenden Zimmermanns, einige Brief an Ort und Ende zu tragen, dahin sonst niemand zu schicken wegen der kaiserlichen Parteien, welcher wegen es unsicher war. Solche Briefe betrafen die Conjunktion etlicher Völker und andere Kriegsanschläg. Es war damals von grimmiger Kälte gleichsam Stein und Bein zusammen gefroren, so daß mich das arme Schaf auf seiner Reise schier gedauret hätte. Doch mußte es sein, weil ein ziemlich Stück Geld zu verdienen war, und er verrichtet auch alles sehr glücklich. Unterwegs aber fand er in seinen Abwegen, die er der Enden wohl wußte, einen toten Körper, welcher ohne Zweifel eines Officiers gewesen sein muß, weil er ein Paar roter scharlachener Hosen mit silbern Galaunen verbrämt anhatte, welcherlei Gattung damal die Officier zu tragen pflegten; so war sein Koller samt Stiefeln und Sporen auch den Hosen gemäß. Er besah den Fund und konnte nicht ersinnen, ob der Kerl erfroren oder von den Schwarzwäldern totgeschlagen worden wäre. Doch galt es ihm gleich, welches Tods er gestorben; das Koller gefiel ihm so wohl, daß ers ihm auszog; und da er dasselbige hatte, gelüstet ihn auch nach den Hosen, welche zu bekommen er zuvor die Stiefel abziehen mußte. Solches glückte ihm auch; als er die Hosen herab streifte, wollten solche nicht hotten, weil die Feuchtigkeit des allbereit verwesenden Körpers unter den Knien herum, allwo man dazumal die Hosenbändel zu binden pflegte, sich in das Futter und den Überzug gesetzt hatte und dannenhero Schenkel und Hosen wie ein Stein zusammen gefroren waren. Er hingegen wollte diese Hosen nicht dahinten lassen; und weil der Tropf sonst kein ander Mittel in der Eil sah, eins vom andern zu ledigen, hieb er dem Corpo mit seiner Axt die Füße ab, packte solche samt Hosen und Koller zusammen, und fand mit seinem Bündel bei einem Bauern ein solche Gnad, daß er bei ihm hintern warmen Stubenofen übernachten dorfte.

Dieselbe Nacht kälbert dem Bauern zu allem Unglück eine Kuh, welches Kalb seine Magd wegen der großen Kälte in die Stube trug und zunächst bei meinem Mann auf eine halbe Well Stroh zum Stubenofen setzte. Indessen war es gegen Tag, und meines Manns eroberte Hosen allbereit von den Schenkeln aufgetauet; derowegen zog er seine Lumpen zum Teil aus und hingegen das Koller und die Hosen an, die er umkehrte oder letz machte, ließ sein altes Gelümp samt den Schenkeln beim Kalb liegen, stieg zum Fenster hinaus und kam wieder glücklich in unser Quartier.

Das Morgens früh kam die Magd wiederum, dem Kalb Rat zu schaffen. Als sie aber die beiden Schenkel samt meines Mannes alten Lumpen und Schurzfell darbei liegen sah und meinen Mann nicht fand, finge sie an zu schreien, als wann sie mitten unter die Mörder gefallen wäre. Sie lief zur Stuben hinaus und schlug die Tür hinter sich zu, als wann der Teufel sie gejagt hätte, von welchem Lärmen dann nicht allein der Bauer, sondern auch die ganze Nachbarschaft erwachte und sich einbildete, es wären Krieger vorhanden, wessenwegen ein Teil ausriß, das ander aber sich in die Wehr schickte. Der Bauer selbst vernahm von der Magd, welche vor Forcht und Schrecken zitterte, die Ursach ihres Geschreis, daß nämlich das Kalb den armen Zimmermann, den sie über Nacht geherbergt, bis auf die Füße gefressen und ein solches gräßliches Gesicht gegen ihr gemacht hätte, daß sie glaube, wann sie sich nicht aus dem Staub gemacht, daß es auch an sie gesprungen wäre. Der Bauer wollte das Kalb mit seinem Knebelspieß niedermachen, aber sein Weib wollte ihn in solche Gefahr nicht wagen noch in die Stub lassen, sondern vermittelte, daß er den Schultheißen um Hülf ansuchte. Der ließ alsobald der Gemeind zusammen läuten, um das Haus gesamter Hand zu stürmen und diesen gemeinen Feind des menschlichen Geschlechts bei Zeiten auszureuten, ehe er gar zu einer Kuh aufwachse. Da sah man nun ein örtliches Spektakel, wie die Bäurin ihre Kinder und den Hausrat zum Kammerladen nacheinander heraus langte, hingegen die Bauren zu den Stubenfenstern hinein guckten und den schrecklichen Wurm samt bei ihm liegenden Schenkeln anschaueten, welches ihnen genugsame Zeugnüs seiner großen Grausamkeit einbildete. Der Schultheiß gebot, das Haus zu stürmen und dieses greuliche Wundertier niederzumachen; aber es schonete ein jeder seine Haut. Jeder sagte: was hat mein Weib und Kind darvon, wann ich umkäme?

Endlich wurde auf eines alten Bauren Rat beschlossen, daß man das Haus mitsamt dem Kalb, dessen Mutter vielleicht von einem Lindwurm oder Drachen besprungen worden, hinweg brennen und dem Bauern selbst aus gemeinem Seckel eine Ergötzung und Hülfe tun solle, ein anders zu bauen. Solches wurde fröhlich ins Werk gesetzet, denn sie trösteten sich damit, sie müßten gedenken, es hätten solches die Diebskrieger hinweg gebrannt.

Diese Geschichte machte mich glauben, mein Mann würde trefflich Glück zu dergleichen Stücken haben, weil ihm dieses ungefähr begegnet. Ich gedachte: was würde er erst ins Werk setzen, wann ich ihn wie hiebevor den Springinsfeld abrichte! Aber der Tropf war viel zu eselhaftig und hundsklinkerisch darzu; überdas ist er mir auch bald hernach in dem Treffen vor Herbsthausen tot geblieben, weil er keinen solchen Scherz verstehen konnte.


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