Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das sechzehnte Kapitel

Wie Springinsfeld und Courasche miteinander hauseten
(und er seinen Namen bekam)

Mein junger Mann ließ sich trefflich wohl an in allem demjenigen, worzu ich ihn angenommen und zu brauchen hatte. So hielt er auch oben vermeldte Articul so nett und erzeigte sich so gehorsam, daß ich die geringste Ursach nicht hatte, mich über ihn zu beschweren. Ja, wann er mir ansehen konnte, was mein Will war, so war er schon bereit, solchen zu vollbringen; denn er war in meiner Liebe so gar ersoffen, daß er mit hörenden Ohren nit hörete noch mit sehenden Augen nit sahe, was er an mir und ich an ihm hatte; sondern er vermeinete vielmehr, er hätte die allerfrömste getreueste verständigste und keuscheste Liebste auf Erden, worzu mir und ihm dann meine angenommene Mutter, die er meinetwegen auch in großen Ehren hielt, trefflich zu helfen wußte. Diese war viel listiger als eine Füchsin, viel geiziger als eine Wölfin, und ich kann nicht sagen, ob sie in der Kunst Geld zu gewinnen oder zu kupplen am vortrefflichsten gewesen sei. Wann ich ein los Stücklein in dergleichen Sachen im Sinn hatte, und ich mich um etwas scheuete (denn ich wollte für gar fromm und schamhaftig angesehen sein), so dorfte ichs ihr nur anvertrauen, und war damit soviel als versichert, daß mein Verlangen ins Werk gestellt würde; denn ihr Gewissen war weiter als des Rhodiser Colossus Schenkel auseinander gespannet, zwischen welchen die größte Schiff ohne Segelstreichung durchpassiren können.

Einmal hatte ich große Begierden, eines Jungen von Adel teilhaftig zu sein, der selbiger Zeit noch Fähndrich war und mir seine Liebe vorlängstens zu verstehen gegeben. Wir hatten eben damals, als mich diese Lust ankam, das Läger bei einem Flecken geschlagen, wessentwegen sowohl mein Gesind als ander Volk um Holz und Wasser aus war; mein Marquetenter aber ging beim Wagen herum nisteln, als er mir eben mein Zelt aufgeschlagen und die Pferd zunächst bei uns zu andern auf die Weid laufen lassen. Weil ich nun mein Anliegen meiner Mutter eröffnet, schaffte sie mir denselben Fähndrich, wiewohl zur Unzeit, an die Hand, und als er kam, war das erste Wort, das ich ihn in Gegenwart meines Mannes fragte, ob er Geld hätte, und da er mit ja antwortet, dann er vermeinte, ich fragte allbereit um (s. v.) den Hurenlohn, sagte ich zu meinem Marquetenter: »Spring ins Feld und fange unsern Schecken! Der Herr Fähndrich wollte ihn gern bereuten und uns denselben abhandlen und gleich baar bezahlen.«

Indessen nun mein guter Marquetenter gehorsamlich hinging, meinen ersten Befelch zu vollbringen, hielt die Alte Schildwacht, dieweil wir den Kauf miteinander machten und auch einander ritterlich bezahlten. Demnach sich aber das Pferd nicht von meinem Marquetenter so leichtlich wie seine Marquetenterin vom Fähndrich fangen lassen wollte, kam er ganz ermüdet wiederum zum Zelt, ebenso ungeduldig, als sich der Fähndrich wegen seines langen Wartens stellet. Dieser Geschichten halber hat besagter Fähndrich nachgehende ein Lied gemacht, "der Scheck" genannt, anfahend: »Ach was für unaussprechliche Pein etc.«, mit welchem sich in folgender Zeit ganz Teutschland etliche Jahr geschleppt, da doch niemand wußte, woher es seinen Ursprung hatte. Mein Marquetenter aber bekam hierdurch kraft unserer Heuratsnotul den Namen Springinsfeld, und dies ist eben der Springinsfeld, den du, Simplicissime, in deiner Lebensbeschreibung oftermal als einen guten Kerl rühmest. Du mußt auch wissen, daß er alle diejenige Stücklein, die er und du in Westphalen und zu Philippsburg verübet, und sonst noch viel mehr darzu, von sonst niemand als von mir und meiner Mutter gelernet; denn als ich mich mit ihm paaret, war er einfältiger als ein Schaf, und kam wieder abgefeimter von uns, als ein Luchs und Kernessig sein mag.

Aber die Wahrheit zu bekennen, so sind ihm solche seine Wissenschaften nicht umsonst ankommen, sondern er hat mir das Lehrgeld zuvor genug bezahlen müssen. Einsmals da er noch in seiner ersten Einfalt war, discurirten er, ich und meine Mutter von Betrug und Bosheit der Weiber, und er entblödete sich zu rühmen, daß ihn kein Weibsbild betrügen solle, sie wäre auch so schlau als sie immer wolle. Gleichwie er nun seine Einfalt hiermit genugsam an den Tag legte, also bedauchte mich hingegen, solches wäre meiner und aller verständigen Weiber Dexterität viel zu nahe und nachteilig geredet, sagte ihm derowegen unverhohlen, ich wollte ihn neunmal vor der Morgensuppe betrügen können, wann ichs nur tun wollte. Er hingegen vermaß sich zu sagen, wann ich solches könnte, so wolle er sein Lebtag mein leibeigner Sclave sein, und trutzte mich noch darzu, wann ich solches zu tun mich nicht unterstünde, doch mit dem Geding, wann ich in solcher Zeit gar keinen Betrug von den neunen bei ihm anbrachte, daß ich mich alsdann zur Kirchen führen und mit ihm ehelich copuliren lassen sollte.

Nachdem wir nun solcher Gestalt der Wettung eins worden, kam ich des Morgens frühe mit der Suppenschüssel, darin das Brod lag, und hatte in der andern Hand das Messer samt einem Wetzstein, mit Begehren, er solle mir das Messer ein wenig schärfen, damit ich die Suppe einschneiden könnte. Er nahm Messer und Stein von mir; weil er aber kein Wasser hatte, leckte er den Wetzstein mit der Zunge, um selbigen zu befeuchtigen. Da sagte ich: »Nun, das walt Gott! das ist schon zwei mal.«

Er befremdet sich und fragte, was ich mit dieser Rede vermeine. Hingegen fragte ich ihn, ob er sich dann unserer gestrigen Wettung nicht mehr zu erinnern wisse. Er antwortet: »ja,« und fragte, ob und womit ich ihn dann schon betrogen. Ich antwortet: »Erstlich machte ich das Messer stumpf, damit du es wieder schärfer wetzen müßtest; zweitens zog ich den Wetzstein durch ein Ort, das du dir leicht einbilden kannst, und gab dir solchen mit der Zung zu schlecken.«

»Oho!« sagte er, »ists um diese Zeit, so schweig nur still und höre auf! Ich gib dir gern gewonnen und begehre die restirenden Mal nit zu erfahren.«

Also hatte ich nun an meinem Springinsfeld einen Leibeigenen. Bei Nacht, wann ich sonst nichts Bessers hatte, war er mein Mann, bei Tag mein Knecht, und wann es die Leute sahen, mein Herr und Meister überall. Er konnte sich auch so artlich in den Handel und in meinen Humor schicken, daß ich mir die Tage meines Lebens keinen besseren Mann hätte wünschen mögen, und ich hätte ihn auch mehr als gern geehlicht, wann ich nicht besorget, er würde dadurch den Zaum des Gehorsams verlieren und in Behauptung der billigen Oberherrlichkeit, die ihm alsdann gebühren würde, mir hundertfältig wiederum eintränken, was ich ihm etwan ohnverehlicht zuwider getan und er ohne Zweifel mit großem Verdruß zuzeiten verschmerzen müssen. Indessen lebten wir bei und mit einander so einig, aber nicht so heilig als wie die lieben Engel.

Meine Mutter versah die Stelle einer Marquetenterin an meiner Statt, ich den Stand einer schönen Köchin oder Kellerin, die ein Wirt darum auf der Streu hält, damit er viel Gäst bekommen möge; mein Springinsfeld aber war Herr und Knecht und was ich sonst haben wollte, das er sein sollte. Er mußte mir glatt parirn und meiner Mutter Gutachten folgen; sonst war ihm alles mein Gesind gehorsam, als ihrem Herrn, dessen ich mehr hielt als mancher Hauptmann; dann wir hatten liederliche Commißmetzger bei dem Regiment, welche lieber Geld zu versaufen als zu gewinnen gewohnt waren; darum drang ich mich durch Schmiralia in ihre Profession und hielt zween Metzgerknecht für einen, also daß ich das Prä allein behielt und jene nach und nach caput spielte, weil ich einem jeden Gast, er wäre auch herkommen, woher er immer wollte, mit einem Stück von allerhand Gattung Fleisch zu Hülf kommen konnte, ob er es gleich roh, gesotten, gebraten oder lebendig haben wollen. Ging es dann an ein Stehlen Rauben und Plündern, wie es dann in dem vollen und reichen Italia treffliche Beuten setzt, so mußten nit nur Springinsfeld samt meinem Gesind ihre Hälse daran wagen, etwas einzuholen, sondern die Courasche selbst fing ihre vorige Gattung zu leben, die sie in Teutschland getrieben, wiederum an; und indem ich dergestalt gegen den Feind mit Soldatengewehr, gegen den Freunden aber im Lager und in den Quartirn mit dem Judenspieß focht, auch wo man mir in aller Freundlichkeit offensive begegnen wollte, den Schild vorzusetzen wußte, wuchs mein Beutel so groß darvon, daß ich beinahe alle Monat einen Wechsel von 1000 Kronen nach Prag zu übermachen hatte, und litt samt den Meinigen doch niemals keinen Mangel; denn ich befliß mich dahin, daß meine Mutter, mein Springinsfeld, mein übrig Gesind und vornehmlich meine Pferde zu jederzeit ihr Essen Trinken Kleid und Fütterung hatten, und hätte ich gleich selbst Hunger leiden, nackend gehen und Tag und Nacht unter dem freien Himmel mich behelfen sollen. Hingegen aber mußten sie sich auch befleißen, einzutragen und in solcher Arbeit weder Tag noch Nacht zu feiern, und sollten sie Hals und Kopf darüber verloren haben.


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