Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das fünfzehnte Kapitel

Mit was für Conditionen sie den Ehestand lediger Weis
zu treiben einander versprochen.

Wann eine ehrliche Ader in meinem Leibe gewesen wäre, so hätte ich damals meine Sach anders anstellen und auf einen ehrlichern Weg richten können; denn meine angenommene Mutter erkundigte mich mit noch zweien von meinen Pferden und etwas an baarem Geld und gab mir den Rat, ich solle mich aus dem Krieg zu meinem Geld auf Prag oder auf meines Hauptmanns Güter tun und mich im Frieden haushäblich und geruhlich ernähren. Aber ich ließ meiner unbesonnenen Jugend weder Weisheit noch Vernunft einreden, sondern je toller das Bier gebrauet wurde, je besser es mir schmeckte. Ich und gedachte meine Mutter hielten uns bei einem Marquetenter unter demjenigen Regiment, darunter mein Mann, der zu Hoya umkommen, Hauptmann gewesen, allwo man mich seinetwegen ziemlich respectirte; und ich glaub auch, daß ich wieder einen wackern Officier zum Mann bekommen hätte, wann wir geruhig gewest und irgends in einem Quartier gelegen wären. Aber dieweil unsere Kriegsmacht von 20000 Mannen, in drei Heeren bestehend, schnell auf Italia marschirte und durch Graubünden, das viel Verhinderungen gemacht, brechen mußte, siehe, da gedachten wenig Witzige an das Freien, und dannenhero verblieb ich auch desto länger eine Wittib. Überdas hatten auch etliche nicht das Herz, andere aber sonst ihr Bedenken, mich um die Verehlichung anzureden und sonst mir extra oder neben her etwas zuzumuten. Darzu hielten sie mich für viel zu ehrlich, weil ich mich bei meinem vorigen Mann gehalten, daß mich männiglich für ehrlicher hielt, als ich gewesen.

Gleichwie mir aber mit einer langwierigen Fasten wenig gedienet war, also hatte sich hingegen derjenige Musquetier, so mir in der Occasion, die ich mit obengedachten beiden Reutern gehabt, zu Hülfe kommen, dergestalt an mir vergafft und vernarret, daß er Tag und Nacht keine Ruhe hatte, sondern mir manchen Trab schenkte, wann er nur Zeit haben und abkommen konnte. Ich sah wohl, was mit ihm umging und wo ihn der Schuch druckte; weil er aber die Courage nicht hatte, sein Anliegen der Courasche zu entdecken, war bei mir die Verachtung so groß als das Mitleiden. Doch änderte ich nach und nach meinen stolzen Sinn, der anfangs nur gedachte, eine Officiererin zu sein; denn als ich des Marquetenters Gewerb und Hantierung betrachtete und täglich vor Augen sah, was ihm immerzu für Gewinn zuging, und daß hingegen mancher brave Officier mit dem Schmalhansen Tafel halten mußte, fing ich an darauf zu gedenken, wie ich auch eine solche Marquetenterei aufrichten und ins Werk stellen möchte. Ich machte den Überschlag mit meinem bei mir habenden Vermögen und fande solches, weil ich noch eine ziemliche Quantität Goldstücker in meiner Brust vernähet wußte, gar wohl bastant zu sein. Nur die Ehr oder Schand lag mir noch im Weg, daß ich nämlich aus einer Hauptmännin eine Marquetenterin werden sollte. Als ich mich aber erinnerte, daß ich damals keine mehr war, auch wohl vielleicht keine mehr werden würde, siehe, da war der Würfel schon geworfen, und ich fing bereits an, in meinem Sinn Wein und Bier um doppelt Geld auszuzapfen und ärger zu schinden und zu schachern, als ein Jud von 50 oder 60 Jahren tun mag.

Eben um diese Zeit, als wir nämlich mit unserem dreifachen kaiserlichen Heer über die Alpen oder das hohe Gebürg nach Italiam gelangt, war es mit meines Galanen Liebe aufs höchste kommen, ohne daß er noch das geringste Wort darvon mit mir gesprochen. Er kam einsmals unter dem Vorwand, ein Maß Wein zu trinken, zu meines Marquetenters Zelt und sah so bleich und trostlos aus, als wann er kürzlich ein Kind bekommen und keinen Vatter, Mehl noch Milch darzu gehabt oder gewüßt hätte. Seine traurigen Blick und seine sehnlichen Seufzer waren seine beste Sprach, die er mit mir redet; und da ich ihn um sein Anliegen fragte, erkühnete er gleichwohl also zu antworten: »Ach, meine allerliebste Frau Hauptmännin (dann Courasche dorfte er mich nicht nennen), wann ich ihr mein Anliegen erzählen sollte, so würde ich sie entweder erzörnen, daß sie mir ihre holdselige Gegenwart gleich wieder entzuckt und mich in Ewigkeit ihres Anschauens nicht mehr würdigt; oder ich würde einen Verweis meines Frevels von ihr empfangen, deren eins von diesen beiden genugsam wäre, mich dem Tod vollends aufzuopfern.«

Und darauf schwieg er wieder stockstill. Ich antwortet: »Wann euch deren eins kann umbringen, so kann euch auch ein jedes davon erquicken. Und weil ich euch dessentwegen verbunden bin, daß ihr mich, als wir in den Vierlanden zwischen Hamburg und Lübeck lagen, von meinen Ehrenschändern errettet, so gönne ich euch herzlich gern, daß ihr euch gesund und satt an mir sehen möget.« »Ach, mein hochgeehrte Frau,« antwortet er, »es befindet sich hierin ganz das Widerspiel; denn da ich sie damals das erstemal ansah, fing auch meine Krankheit an, welche mir aber den Tod bringen wird, wann ich sie nicht mehr sehen sollte, ein wunderbarlicher und seltsamer Zustand, der mir zum Recompens widerfahren, dieweil ich mein hochzuehrende Frau aus ihrer Gefährlichkeit errettete.«

Ich sagte, so müßte ich einer großen Untreu zu beschuldigen sein, wann ich dergestalt Gutes mit Bösem vergolten hätte. »Das sag ich nicht,« antwortet mein Musquetierer. Ich replicirte: »Was habt ihr dann zu klagen?« – »Über mich, über meine Unglückseligkeit,« antwortet er, »und über meine Verhängnus oder vielleicht über meinen Vorwitz, über meine Einbildung oder ich weiß selbst nicht über was. Ich kann nicht sagen, daß die Frau Hauptmännin undankbar sei, denn um der geringen Mühe willen, die ich anlegte, als ich den noch lebenden Reuter verjagte, der ihrer Ehr zusetzte, bezahlte mich dessen Verlassenschaft genugsam, welchen meine hochzuehrende Frau zuvor des Lebens hochrühmlich beraubte, damit er sie ihrer Ehr nicht schändlich berauben sollte. Meine Frau Gebieterin,« sagte er ferner, »ich bin in einem solchen verwirrten Stand, der mich so verwirret, daß ich auch weder meine Verwirrung, noch mein Anliegen, noch mein oder ihre Beschuldigung, weniger meine Unschuld oder so etwas erläutern möchte, dardurch mir geholfen werden könnte. Sehet, allerschönste Dam, ich sterbe, weil mir das Glück und mein geringer Stand nicht gönnet, ihrer Hoheit zu erweisen, wie glückselig ich mich erkennete, ihr geringer Diener zu sein.« Ich stunde da wie eine Närrin, weil ich von einem geringen und noch sehr jungen Musquetierer solche, wiewohl untereinander und, wie er selbst sagte, aus einem verwirrten Gemüt laufende Reden hörete. Doch kamen sie mir vor, als wann sie mir nichtsdestoweniger einen muntern Geist und sinnreichen Verstand anzeigten, der einer Gegenlieb würdig und mir nicht übel anständig sei, mich dessen zu meiner Marquetenterei, mit welcher ich damals groß schwanger ging, rechtschaffen zu bedienen. Derowegen machte ichs mit dem Tropfen gar kurz und sagte zu ihm: »Mein Freund, ihr nennet mich fürs erst euer Gebieterin, fürs zweit euch selbst meinen Diener, wann ihrs nur sein könnet; fürs dritt klagt ihr, daß ihr ohne meine Gegenwart sterben müßt. Daraus nun erkenne ich eine große Liebe, die ihr vielleicht zu mir traget. Jetzt sagt mir nur, wormit ich solche Liebe erwidern möge; denn ich will gegen einen solchen, der mich von meinen Ehrenschändern errettet, nicht undankbar erfunden werden.« – »Mit Gegenlieb,« sagte mein Galan; »und wann ich dann würdig wäre, so wollte ich mich für den allerglücklichsten Menschen in der ganzen Welt schätzen.«

Ich antwortet: »Ihr habt allererst selbst bekennet, daß euer Stand zu gering sei, bei mir zu sein, der ihr zu sein wünschet, und was ihr gegen mir mit weitläuftigten Worten weiters zu verstehen gegeben habt. Was Rats aber, damit euch geholfen und ich von aller Bezüchtigung der Undankbarkeit und Untreu, ihr aber euers Leidens entübrigt werden möchtet?« Er antwortet, seines Teils sei mir alles heimgestellt, sintemal er mich mehr für eine Göttin als für eine irdische Creatur halte, von der er auch jederzeit entweder den Sentenz des Todes oder des Lebens, die Servitut oder Freiheit, ja alles gern annehmen wolle, was mir nur zu befehlen beliebte. Und solches bezeugte er mit solchen Geberden, daß ich wohl erachten konnte, ich hätte einen Narren am Strick, der eher in seiner Dienstbarkeit mir zu Gefallen erwürgen, als in seiner Libertät ohne mich leben würde.

Ich verfolgte das, was ich angefangen, und unterstund zu fischen, dieweil das Wasser trüb war; und warum wollte ichs nicht getan haben, da doch der Teufel selbst diejenigen, die er in solchem Stand findet, wie sich mein Löffler befand, vollends in seine Netze zu bringen unterstehet? Ich sage dies nicht, daß ein ehrlicher Christenmensch, den Werken dieses seines abgefeimten bösen Feindes zu folgen an mir ein Exempel nehmen soll, weil ich ihm damals nachahmte, sondern daß Simplicius, dem ich diesen meinen Lebenslauf allein zueigne, sehe, was er für eine Dame an mir geliebt. Und höre nur zu, Simplex, so wirst du erfahren, daß ich dir dasjenige Stücklein, so du mir im Sauerbrunnen erwiesen, dergestalt wieder eingetränkt, daß du für ein Pfund, so du ausgeben, wieder ein Centner eingenommen. Aber diesen meinen Galanen brachte ich so weit, daß er mir folgende Puncte einging und zu halten versprach.

Erstlich solle er sich von seinem Regiment loswürken, weil er anderer Gestalt mein Diener nicht sein könnte, ich aber keine Musquetiererin sein möchte.

Alsdann solle er zweitens bei mir wohnen und mir, wie ein Ehemann alle Lieb und Treu seiner Ehefrauen zu erweisen pflege, eben desgleichen zu tun schuldig sein, und ich ihm hinwiederum.

Jedoch solle solche Verehlichung drittens vor der christlichen Kirchen nicht eher bestätigt werden, ich befände mich denn zuvor von ihm befruchtet.

Bis dahin sollte ich viertens die Meisterschaft nicht allein über die Nahrung, sondern auch über meinen Leib, ja auch über meinen Serviteur selbsten haben und behalten, in aller Maß und Form, wie sonst ein Mann das Gebiet über sein Weib habe.

Kraft dessen sollte er fünftens nicht Macht haben, mich zu verhindern noch abzuwehren, viel weniger sauer zu sehen, wann ich mit andern Mannsbildern conversire oder etwas dergleichen unterstünde, was sonst Ehemänner zum Eifern verursachte.

Und weil ich sechstens gesinnet sei, eine Marquetenterin abzugeben, solle er zwar in solchem Geschäfte das Haupt sein und der Handelschaft wie ein getreuer und fleißiger Hauswirt so Tags, so Nachts emsig vorstehen, mir aber das Obercommando, sonderlich über das Geld und ihn selbsten lassen und gehorsamlich gedulden, ja ändern und verbessern, wann ich ihm wegen einiger seiner Saumsal corrigirn würde; in Summa er solle von männiglich für den Herrn zwar gehalten und angesehen werden, auch solchen Namen und Ehre haben, aber gegen mich oben angeregte Schuldigkeit in allweg in Acht nehmen. Und solches alles verschrieben wir einander.

Damit er auch solcher Schuldigkeit sich allzeit erinnern möge, solle er zum siebenten gedulden, daß ich ihn mit einem sonderbaren Namen nennete, welcher Nam aus den ersten Wörtern des Befehls genommen werden solle, wormit ich ihn das erstemal etwas zu tun heißen würde.

Als er mir nun alle diese Puncte eingangen und zu halten geschworen, bestätigte ich solches mit einem Kuß, ließ ihn aber für diesmal nicht weiter kommen. Darauf brachte er bald sein Abscheid; ich hingegen griff mich an und brachte unter einem andern Regiment zu Fuß alles zuwegen, was ein Marquetenter haben soll, und fing an mit dem Judenspieß zu laufen, als wann ich das Handwerk mein Lebtag getrieben hätte.


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