Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das fünfte Kapitel

Was die Rittmeisterin Courasche in ihrem Wittibstand
for ein ehrbares züchtiges,
wie auch verruchtes gottloses Leben geführet,
wie sie einem Grafen zu Willen wird,
einen Ambassador um seine Pistolen bringet
und sich andern mehr,
um reiche Beute zu erschnappen, willig unterwirft.

Weil ich meine vorhabende Reise Unsicherheit halber von Wien aus nach Bragoditz so bald nicht ins Werk zu setzen getraute, zumalen es in den Wirtshäusern grausam teur zu zehren war, so verkaufte ich meine Pferde und schaffte alle meine Diener ab, dingte mir aber hingegen eine Magd und bei einer Wittib eine Stube, Kammer und Kuchel, um genau zu hausen und Gelegenheit zu erwarten, mit der ich sicher nach Haus kommen könnte. Dieselbe Wittib war ein rechtes Daus-As, die nicht viel ihres Gleichen hatte. Ihre zwo Töchter aber waren unsers Volks und beides bei den Hofburschen und den Kriegsofficiern wohl bekannt, welche mich auch bei denselben bald bekannt machten, so daß dergleichen Schnapphahnen in Kürze, die große Schönheit der Rittmeisterin, die sich bei ihnen aufhielt, unter einander zu rühmen wußten. Gleich wie mir aber mein schwarzer Traurhabit ein sonderbares Ansehen und ehrbare Gravität verlieh, zumalen meine Schönheit desto höher herfür leuchten machte, also hielt ich mich auch anfänglich gar still und eingezogen. Meine Magd mußte spinnen, ich aber begab mich aufs Nähen Wirken und andere Frauenzimmerarbeit, daß es die Leute sahen; heimlich aber pflanzte ich meine Schönheit auf und konnte oft eine ganze Stund vorm Spiegel stehen, zu lernen und zu begreifen, wie mir das Lachen, das Weinen, das Seufzen und andere dergleichen veränderliche Sachen anstunden. Und diese Torheit sollte mir ein genugsame Anzeigung meiner Leichtfertigkeit und eine gewisse Prophezeiung gewesen sein, daß ich meiner Wirtin Töchtern bald nachahmen würde; welche auch, damit solches bald geschehe, samt der Alten anfingen gute Kundschaft mit mir zu machen und mich oft in meinem Zimmer besuchten mir die Zeit zu kürzen, da es dann solche Discurs setzte, die gar ungesund zu sein pflegen, so jungen Dingern, wie ich war, die Frommkeit zu erhalten, sonderlich bei solchen Naturen, wie die meinige inclinirt gewesen. Sie wußte mit weitläufigen Umschweifen artlich herum zu kommen, und lernete meine Magd anfänglich, wie sie mich recht auf die neue Mode aufsetzen und ankleiden solle. Mich selbst aber unterrichtet sie, wie ich meine weiße Haut noch weißer, und meine goldfarben Haar noch glänzender machen solle. Und wann sie mich dann so geputzt hatte, sagte sie: es wäre immer schad, daß so ein edele Creatur immerhin in einem schwarzen Sack stecken und wie ein Turteltäublein leben sollte. Das tät mir dann trefflich kirr und war Oel zu dem ohnedas brennenden Feur meiner anreizenden Begierden. Sie lehnete mir auch den "Amadis", die Zeit darin zu vertreiben und Complimenten daraus zu ergreifen, und was sie sonst erdenken konnte, das zu Liebeslüsten reizen machte, das ließ sie nicht unterwegen.

Indessen hatten meine abgeschafften Diener ausgesprengt und unter die Leute gebracht, was ich für eine Rittmeisterin gewesen und wie ich zu solchem Titul kommen; und weil sie mich nicht anders zu nennen wußten, verblieb mir der Nam Courasche. Auch fing ich nach und nach an, meines Rittmeisters zu vergessen, weil er mir nicht mehr warm gab, und indem ich sah, daß meiner Wirtin Töchter so guten Zuschlag hatten, wurde mir das Maul allgemach nach neuer Speise wässerig, welche mir auch meine Wirtin lieber als sich selbst gern gegönnt hätte. Doch dorfte sie mir, so lang ich die Traur nicht ablegte, noch nichts dergleichen so öffentlich zumuten, weil sie sah, daß ich die Anwürf, so hierauf zieleten, gar kaltsinnig annahm. Gleichwohl unterließen etliche vornehme Leute nicht, ihr täglich meinetwegen anzuliegen und um ihr Haus herum zu schwärmen wie die Raubbienen um ein Immenfaß.

Unter diesen war ein junger Graf, der mich neulich in der Kirchen gesehen und sich aufs äußerste verliebt hatte. Dieser spendirte trefflich, einen Zutritt zu mir zu bekommen; und damit es ihm anderwärts gelingen möchte, weil ihn meine Wirtin noch zur Zeit nicht kecklich bei mir anzubringen getraute, die er dessentwegen oft vergeblich ersucht, erkundigte er von einem meiner gewesenen Diener alle Beschaffenheit des Regiments, darunter mein Rittmeister gelebt, und als er der Officier Namen wußte, demütigt er sich, mir aufzuwarten oder mich persönlich zu besuchen, um seinen Bekannten nachzufragen, die er sein Lebtag nicht gesehen hatte. Von dannen kam er auch auf meinen Rittmeister, von welchem er aufschnitt, daß er in der Jugend neben ihm studiert und allzeit gute Kundschaft und Vertraulichkeit mit ihm gehabt hätte, beklagte auch seinen frühezeitigen Abgang und lamentirte damit zugleich über mein Unglück, daß es mich in einer solchen zarten Jugend so bald zu einer Wittib gemacht, mit Anerbieten, da ich in irgend was seiner Hülfe bedürftig wäre, etc. Mit solchen und dergleichen Aufzügen suchte der junge Herr sein erste Kundschaft mit mir zu machen, die er auch bekam; und ob ich zwar greifen konnte, daß er im Reden irrete, denn mein Rittmeister hatte ja das geringste nicht studiert, so ließ ich mir doch seine Weise wohlgefallen, weil seine Meinung dahin ging, des abgegangnen Rittmeisters Stell bei mir zu ersetzen. Doch stellte ich mich gar fremd und kaltsinnig, gab kurzen Bescheid und zwang ein zierliches Weinen daher, bedankte mich seines Mitleidens und der anerbotenen Gnad mit so beschaffnen Complimenten, die genugsam waren, ihm anzudeuten, daß sich seine Liebe für diesmal mit einem guten Anfang genügen lassen, er selbst aber wiederum einen ehrlichen Abschied von mir nehmen solle.

Den andern Tag schickte er seinen Laquaien, zu vernehmen, ob er mir kein Ungelegenheit mache, wann er käme mich zu besuchen. Ich ließ ihm wider sagen, er mache mir zwar keine Ungelegenheit und ich möchte seine Gegenwart auch wohl leiden, allein weil es wunderliche Leute in der Welt gebe, denen alles verdächtig vorkäme, so bäte ich, er wolle meiner verschonen und mich in kein bös Geschrei bringen. Diese unhöfliche Antwort machte den Grafen nicht allein nicht zornig, sondern viel verliebter; er passierte maulhenkolisch bei dem Hause vorüber, der Hoffnung, aufs wenigst nur seine Augen zu weiden, wann er mich am Fenster sehe, aber vergeblich; ich wollte meine Waar recht teur an Mann bringen und ließ mich nicht sehen. Indessen nun dieser vor Liebe halber verging, legte ich meine Trauer ab und prangte in meinem andern Kleid, darin ich mich dorfte sehen lassen. Da unterließ ich nichts, das mich ziern möchte, und zog damit die Augen und Herzen vieler großen Leut an mich, welches aber nur geschah, wann ich zur Kirchen ging, weil ich sonst nirgends hin kam. Ich hatte täglich viel Grüße und Botschaften von diesen und von jenen anzuhören, die alle in des Grafen Spital krank lagen; aber ich bestund so unbeweglich wie ein Felsen, bis ganz Wien nicht allein von dem Lob meiner unvergleichlichen Schönheit, sondern auch von dem Ruhm meiner Keuschheit und anderer seltenen Tugenden erfüllt ward.

Da ich nun meine Sach so weit gebracht, daß man mich schier vor eine halbe Heiliginne hielt, dunkte mich Zeit sein, meinen bisher bezwungenen Begierden den Zaum einmal schießen zu lassen und die Leute in ihrer guten von mir gefaßten Meinung zu betrügen. Der Graf war der erste, dem ich Gunst bezeugte und widerfahren ließ, weil er solche zu erlangen weder Mühe noch Unkosten sparete. Er war zwar liebenswert und liebte mich auch von Herzen, und ich hielt ihn für den Besten unterm ganzen Haufen, mir meine Begierden zu sättigen; aber dennoch wäre er nicht darzu kommen, wann er mir nicht gleich nach abgelegter Traur ein Stück columbinen Atlas mit aller Ausstaffierung zu einem neuen Kleid geschickt und vor allen Dingen 100 Ducaten in meine Haushaltung verehrt hätte, um daß ich mich über meines Manns Verlust desto besser trösten solle.

Der ander nach ihm war eines großen Potentaten Ambassador, welcher mir die erste Nacht 60 Pistolen zu verdienen gab. Nach diesen kamen auch andere, und zwar keine, die nicht tapfer spendieren konnten, dann was arm war oder wenigst nicht gar reich und hoch, das mochte entweder draußen bleiben oder sich mit meiner Wirtin Töchtern behelfen. Und solchergestalt richtete ichs dahin, daß meine Mühle gleichsam nie leer stund; ich malzerte auch so meisterlich, daß ich inner Monatsfrist über 1000 Ducaten in specie zusammen brachte, ohne dasjenige, was mir an Kleinodien Ringen Ketten Armbändern Sammet Seiden und Leinengezeug (mit Strümpfen und Handschuhen dorfte wohl keiner aufziehen), auch an Victualien Wein und anderen Sachen verehrt wurde. Und also gedachte ich mir meine Jugend fürderhin zu Nutz zu machen, weil ich wußte, daß es heißt:

Ein jeder Tag bricht dir was ab
Von deiner Schönheit bis ins Grab.

Und es müßte mich noch auf diese Stund reuen, wenn ich weniger getän hätte. Endlich machte ichs so grob, daß die Leute anfingen mit Fingern auf mich zu zeigen, und ich mir wohl einbilden konnte, die Sach würde so in die Länge kein gut tun; denn ich schlug zuletzt dem Geringen auch keine Reis ab. Meine Wirtin war mit treulich beholfen und hatte auch ihren ehrlichen Gewinn davon. Sie lernete mich allerhand feine Künste, die nicht nur leichtfertige Weiber können, sondern auch solche, womit sich lose Männer schleppen, so gar daß ich mich auch fest machen und einem jeden, wann ich nur wollte, seine Büchsen zubannen konnte. Und ich glaube, wenn ich länger bei ihr blieben wäre, daß ich auch gar hexen gelernt hätte. Demnach ich aber getreulich gewarnet wurde, daß die Obrigkeit unser Nest ausnehmen und zerstören würde, kaufte ich mir eine Kalesch und zwei Pferd, dingte einen Knecht und machte mich damit unversehens aus dem Staub, weil ich eben gute Gelegenheit hatte, sicher nach Prag zu kommen.


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