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19. Capitel

Carl's Abenteuer mit dem Eisbär.


Die Sinne vergingen ihm fast durch die Schnelligkeit des Falls, und er konnte kaum Athem holen. Gegen den Sturz gerade hinab aber, worauf der nichtswürdige Jacobs gerechnet haben mochte, wurde er durch eine vorspringende schräge Eisfläche geschützt, die seinem Falle eine andere Richtung gab und ihn an der glatten Wand mehr niederrutschen als fallen ließ; er wäre sonst jedenfalls mit zerschmetterten Gliedern unten angekommen. So aber fand er seinen Sturz gemildert und schoß in eine weiche Lage Schnee, die sich in einer Art von kleinem Kessel angesammelt hatte. Wenn er dort auch mit dem Kopf weniger sanft an eine jener Eiszacken anstieß, als ihm gerade lieb war, und obgleich er das Blut von der Stirn niedertropfen fühlte, so gewann er doch rasch genug seine Besinnung wieder, um einer neuen Gefahr zu begegnen.

So gut nämlich der Sturz für ihn abgelaufen war, was wenigstens seine Knochen und Gliedmaßen betraf, so schien er hier einen neuen Nachbar bekommen zu haben, dem sein so unangemeldetes Fallen aus den Wolken doch nicht recht behagen mußte. Das war auch kein anderer als der schon von oben gesehene Eisbär, der sich mürrisch und brummend aus seinem etwas kalten Bett aufrichtete, um zu sehen, wer denn, ohne erst anzuklopfen, bei ihm eingefallen wäre. Carl erkannte rasch die Gefahr, als sich der mächtige Körper jetzt mürrisch emporhob. Sein erster Gedanke, unbewaffnet dem riesigen Raubthier gegenüber, war die Flucht, als er die noch um sein Handgelenk befestigte Leine, an der die Lanze hing, fühlte und diese hastig an sich heranzog. Aber die Bewegung that ihm weh, seine Seite schmerzte ihn, und als er mit der Hand danach griff, sah er, daß sich die Lanze mit seinem Blute färbte. Jetzt blieb ihm freilich keine Zeit, seine Wunden zu untersuchen, denn das Raubthier, das schnaubend und schnüffelnd die Luft einsog, witterte den Feind oder die Beute und kam langsam und schwerfällig näher. – Ob es wußte, daß ihm diese doch nicht mehr entgehen konnte? –

Carl raffte sich indessen auf, nahm die Lanze wurfgerecht in die rechte Hand, um sich im Fall eines plötzlichen Angriffs wenigstens vertheidigen zu können, und suchte dann aus dem Schnee heraus, in den er so glücklicher Weise gefallen war, seinen Weg zu finden. Ueberall aber, nur nicht nach der Richtung zu, von welcher der Eisbär ankam, ragten senkrechte oder wenigstens so glatte, schroffe Eiswände empor, daß er gar nicht daran denken konnte, sie zu erklimmen, und den einzigen Weg zur Flucht schnitt ihm der brummende Feind ab. Er wollte um Hülfe rufen, fürchtete aber die Bestie noch mehr zu reizen und ihren Angriff zu beschleunigen. Ehe Jemand zu seiner Unterstützung herbeieilen konnte, war der Bär doch jedenfalls schon bei ihm und auch wahrscheinlich mit ihm fertig, und den zweiten Abhang, der unter ihm gähnte, hinabspringen? – großer Gott, da unten ragten nur scharfe Eiszacken drohend herauf, und ein fürchterlicher Tod wäre ihm da gewiß gewesen.

Jetzt, in der entsetzlichen Angst dieser Minute, erinnerte er sich einmal gelesen zu haben, daß das wildeste und gefährlichste Raubthier dem menschlichen Auge nicht begegnen könne und seinen Angriff verzögere, oder selbst die Flucht ergreife, wenn man nur den Muth habe, ruhig stehen zu bleiben und es starr anzusehen. Das war seine letzte Hülfe. So die Lanze zum Stoß vorhaltend und zum Stehenbleiben ohnehin schon gezwungen, erwartete er das Nahen des Bären, der so langsam und behaglich herankam, als ob er sich auf einem Spaziergang befände und keineswegs im Begriff stände, den jungen Burschen als sehr willkommene Beute anzugreifen und zum Morgenimbiß aufzufressen.

Wie das aber sehr häufig im Leben geht, daß wir in Büchern derartige Behauptungen sehr hübsch angegeben und ausgeführt lesen, im wirklichen praktischen Leben aber finden, daß die Sache zwar allerliebst und einleuchtend klingt, jedoch nur auf der Einbildung irgend eines gelehrten Mannes beruht, so sah Carl zu seinem Entsetzen, daß Pätz auch nicht die mindeste Notiz von dem Blicke nahm, der ihm so furchtbar vorkommen sollte. Er betrachtete sich mit den kleinen, sonst ganz gemüthlichen Augen das kecke Menschenkind eben so aufmerksam, veränderte deshalb aber seinen Schritt nicht im Mindesten und dachte nicht daran stehen zu bleiben, oder gar vor dem menschlichen Auge zu flüchten.

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Nur eine kleine Eisbank von etwa vier Fuß Höhe, auf der Carl mit gehobener Waffe stand, war ihm etwas im Wege und trennte ihn noch von der Beute. Der Bär richtete sich jetzt, in vielleicht acht Schritt Entfernung von Carl, vor dieser Bank auf, um mit den Vordertatzen einen festen Halt daran zu bekommen, oder sich einen Platz auszusuchen, wo er bequem hinaufsteigen konnte. Warum sollte er es sich nicht bequem machen, wo er zu Hause war? Carl fühlte aber auch, daß für ihn jetzt der Zeitpunkt zum Handeln gekommen sei, denn hatte erst der Bär die obere Eisschicht erreicht, so konnte ihn Nichts mehr retten. Die Lanze deshalb zum Wurfe zurückhebend, während in dem Augenblick ein eigenes Gefühl von Muth und Entschlossenheit seine Adern durchströmte, zielte er auf die Brust des eben wieder sichtbar werdenden Feindes und schleuderte den scharfen Stahl mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft nach der Brust des Bären, der in demselben Augenblick auch, wie in das Eis versinkend, vor seinen Blicken verschwand. Jetzt war ihm jedenfalls Zeit vergönnt zu einem zweiten Wurf. So die Lanze an der, um seinen Arm befestigten Leine rasch wieder zurück und an sich reißend, faßte er sie aufs Neue, und hob sie empor, den Bär damit zu treffen, wo er sich wieder zeigen würde. Als er aber so dastand, fühlte er, daß es ihm dunkel vor den Augen wurde und daß seine Seite schmerzte. Er griff mit der linken Hand danach und wollte sich dann gewaltsam zusammenraffen, nur jetzt noch seine Kraft zu wahren – es ging nicht mehr. Flimmernde Lichter tanzten ihm durch das Hirn; der Eisberg fing an, sich mit ihm zu drehen, und mit leisem Stöhnen brach er bewußtlos und blutend im Schnee zusammen.

Als er wieder zu sich kam, fand er sich im Boote, und das erste Gesicht, das seinem Blick begegnete, gehörte Jacobs. Er schloß die Augen wieder und konnte sich lange nicht besinnen, wo er eigentlich sei und was mit ihm geschehen war, bis er die freundliche Stimme Barthels' hörte, der sich über ihn bog und die Hand an seine Schläfe legte.

»Ach! Herr Barthels!« sagte er leise.

»Das ist gescheidt, mein Junge, daß Du wieder zu Dir kommst!« rief der Harpunirer, rasch und freudig emporspringend. »Donnerwetter! Du hast Glück und ich glaube, Dir könnte man mit gutem Gewissen die Zukunft prophezeihen; ein rascher Tod steht Dir keineswegs bevor.«

»Was, um Gottes willen! ist geschehen?« bat der Knabe – »wie komme ich in dieses Boot, und bin ich denn nicht –«

»Von einer Eiswand hinunter gefallen, wo jeder Andere den Hals gebrochen hätte« – rief jetzt lachend der Harpunirer; »allerdings bist Du das, und noch mehr, Du hast einen mächtigen Burschen von Eisbär, dessen Fell und Kopf hier im Boote liegt und unbestritten Dir gehört, mit der Lanze richtig ins Herz getroffen, wie ein wackerer Wallfisch-Mann.«

»Mir wurde auf einmal so sonderbar zu Muthe,« sagte der Knabe.

»Weil Du Dir im Hinunterstürzen wahrscheinlich mit der am Arme hängenden Lanze die Seite aufgeschnitten hattest; der Blutverlust hat Dich ohnmächtig gemacht, das war Alles!« sagte Barthels. – »Aber mein lieber Carl,« setzte er dann freundlich und warnend hinzu – »wenn Du überhaupt so schwindlig bist, dann geh' auch künftig nicht an so steile Plätze, vor denen man sich auf Eisbergen noch mehr als irgend wo anders hüten muß, da Einem das oben morsch gewordene Eis jeden Augenblick unter den Füßen wegbröckeln kann.«

»Wenn ich einen Augenblick früher zusprang, hätt' ich ihn noch beim Kragen erwischt,« sagte Jacobs, »aber wie der Blitz war er mir unter den Händen fort.«

Carl schrak empor, als er die Worte hörte. Er wußte, daß der Mann eine nichtswürdige Lüge sprach, um jeden möglichen Vorwurf von sich abzuwälzen, und das Blut stieg ihm erst in die Schläfe und schoß dann zu seinem Herzen zurück, daß er todtenbleich im Gesicht wurde.

»Halte Dich nur noch ruhig, mein Bursche,« sagte der Harpunirer freundlich; »Du bist noch angegriffen und magst erst ausruhen; Bill kann so lange für Dich rudern.« Und nun erzählte er ihm, wie Jacobs zu ihnen zurückgekommen wäre und die Nachricht von seinem Sturz, das Eis hinunter, gebracht hätte, wo er sich übergebogen haben sollte, um nach einem Eisbär unten zu sehen. Sie waren dann augenblicklich in das Boot gesprungen und, was die Ruder halten wollten, um das Eisfeld herumgefahren, dem Verunglückten noch mögliche Rettung zu bringen. Die einzige Stelle, wo sie landen konnten, führte sie da glücklicher Weise, nach mühseligem Klimmen und Klettern über Eis- und Schneemassen, zu der Stelle, wo der Bär in seinem Blute verendet lag. Die Lanze war ihm durch die ganze Brust gedrungen und hatte ihm den obern Theil seines Herzens durchschnitten. Einige Fuß weiter oben aber, auf der nächsten Eisschicht, die wieder angeholte Lanze in der Hand, fanden sie den jungen Sieger, aber freilich mit Blut bedeckt und bleich und leblos. Durch die Hülfe mitgenommener Leinen ließen sie ihn hinunter bis zum Boote und waren jetzt eben im Begriff, nach der Stelle zurückzukehren, wo die Seehundsfelle lagen, diese einzuladen und dann ihre verlassene Station bei dem gefundenen Wallfisch wieder einzunehmen.

Carl sprach während der ganzen Erzählung kein Wort; sein Blick nur suchte mehrmals Jacobs' Auge, ohne diesem je zu begegnen. Der feige Schurke hatte nicht den Muth ihn anzusehen. Doch was half es ihm, wenn er ihn der That angeklagt hätte? – sie Beide waren allein gewesen, und die Geschichte, die sich Jacobs ersonnen, um jeden möglichen Verdacht von sich abzuwälzen, würde eine solche Klage doch schon halb entkräftet haben. Er beschloß, lieber zu schweigen und Barthels später einmal, wenn sich eine Gelegenheit dazu fand, den Sachverhalt allein mitzutheilen. Der sollte ihm dann rathen, was zu thun sei.

Unterdessen erreichten sie die Stelle wieder, wo sie vorher die Seehunde getroffen und erlegt hatten; sie streiften die Felle einiger, bei denen es noch nicht geschehen war, rasch ab, und kehrten dann zu dem Wallfisch zurück, der indessen von der Strömung schon ein gutes Stück nach Norden hinauf versetzt schien. Dort wollten sie ihr Schiff erwarten.

Der Wind hatte sich indessen gedreht und wehte gerade von ihnen fort dem Kamehameha zu, der überdies noch durch die anderen Boote aufgehalten worden war. Die Sonne sank ebenfalls mehr und mehr dem Horizonte zu, obgleich sie sich schon so weit nördlich befanden, nur sehr kurze Nächte erwarten zu dürfen, und Alles versprach eine langweilige Nacht bei dem todten Wallfisch.

Bill hatte indessen ein Tau um eine der Flossen geschlagen, um das Boot daran festzuhalten; Barthels aber entfernte das wieder, nahm einen ganz dünnen Bindfaden aus seiner Tasche und zog diesen, nachdem er ihn mit dem einen Ende am Boote befestigt, mit dem andern durch ein Stück des Speckes. Carl sah ihm zu und lachte, denn dieses Ankertau kam ihm ein wenig dünn vor.

»Weshalb nehmen Sie denn den Faden, um unser Boot daran zu befestigen?« fragte er den Officier. »Das Tau hätte es doch besser gehalten.«

»Eben deshalb, mein Junge,« sagte der Harpunirer »Wenn der schwarze Bursche da neben uns gut thut, ist der Bindfaden ebenfalls stark genug; im andern Fall ist das hier besser, denn ich habe keine besondere Lust, dem Schiffe entgegen zu schwimmen

»Entgegen zu schwimmen? was haben wir von dem Fische zu fürchten?« rief Carl erstaunt.

»Mehr als von einem lebenden«, versicherte Barthels.

»Bei einem lebendigen Wallfisch weiß ich, woran ich bin; er schlägt mich mit dem Schwanze, wenn er mich treffen kann, und ich habe mich dagegen zu wahren; ein todter dagegen liegt still und regungslos auf dem Wasser und keine Seele weiß, was in ihm vorgeht. Plötzlich, durch irgend eine Eigenschaft, die wir noch nicht ergründet haben, sinkt er weg, und das fest an ihn gebundene Tau, wenn nicht gerade ein Mann mit dem Beile daneben steht, es frei zu kappen, zieht das verlorene Boot rettungslos mit in die Tiefe nieder.«

»Ist das möglich?« rief Carl mit einem scheuen Blick nach dem todten Wallfisch hinüber.

»Möglich gewiß,« erwiderte der Harpunirer, »obgleich es selten genug vorkommt. Geschieht es aber und ist das Boot nur eben so schwach angebunden, dann vermag das dünne Seil natürlich keinen weitern Schaden zu thun, denn es reißt bei jeder stärkern Anspannung, und man kommt mit dem Schreck davon. Wir hatten,« erzählte der Harpunirer weiter, »von der Elise Braun, einem Wallfischfänger, auf dem ich meine zweite Reise machte, mit dem Boote in dem ich ruderte, einen rechten Wallfisch gefangen, und ich war, durch Ungeschicklichkeit des Bootsteuerers, der mit der scharfen Harpune nicht vorsichtig genug umging, bei dem Schaukeln des Bootes so am Arme verwundet worden, daß mich unser zweites Boot mit an Bord zurücknahm, um dort verbunden zu werden. Das Boot, zu dem ich eigentlich gehörte, blieb indessen neben dem erlegten Wallfisch liegen, bis wir, wie das jetzt hier der Fall ist, mit dem Schiffe zu ihm aufsegeln konnten, die Beute langseits zu nehmen. Mit keiner Ahnung einer solchen Gefahr und zu wenig Erfahrung überhaupt in See, vielleicht auch mit zu großer Keckheit, die recht gut ist, wenn sie nur das eigene Leben betrifft, aber da aufhören sollte, wo sie auch mit dem Leben Anderer spielt, schlug unser Harpunirer sein Tau fest um die Flosse des Fisches, neben dem er lag, ließ die Ruder ins Boot werfen und streckte sich dann behaglich auf seinen Sitz aus, welchem Beispiel die übrigen Leute bald folgten. Fünf oder mehr Haifische waren indessen um den todten Fisch schon gierig hin und wieder geschwommen, um irgend einen Anhaltepunkt an der zähen, noch für sie nirgends durchbrochenen Haut zu suchen. So mochten die Leute etwa zwei Stunden gelegen haben, und das Schiff hatte sich indessen bis fast in Rufs-Nähe zu ihnen hinangearbeitet, als plötzlich das Boot langsam auf die eine Seite hinübersetzte. »Halloh! was ist das?« rief der Harpunirer aufspringend – aber es war sein letztes Wort, denn im nächsten Augenblick schon riß der wegsinkende Koloß das fest an ihn geschnürte unglückliche Boot, ehe noch Einer der Leute das Kappbeil vorn ergreifen konnte, oder auch vielleicht im ersten Schreck nur daran dachte, mit in die Tiefe nieder, und die Haie begannen mit furchtbarer Gier ihr Werk der Vernichtung. Vom Schiff wurde augenblicklich ein Boot zur Hülfe niedergelassen, den Verunglückten beizustehen, aber es kam nur noch zur rechten Zeit, den jüngsten Matrosen, einen Burschen von sechzehn Jahren, zu retten, der in den von Blut und Schaum getrübten Wogen von den gierigen Bestien bis jetzt übersehen worden war. Der Harpunirer wurde ebenfalls gefaßt und ins Boot gezogen, aber so furchtbar verstümmelt, daß er schon nach wenigen Secunden seinen Geist aufgab. Seit der Zeit«, sagte der Harpunirer ernst, »bleibe ich neben einem todten Fisch entweder auf den Rudern liegen, oder befestige mein Boot nur mit einem solchen Bindfaden, und bin dann sicher, daß kein Unglück geschieht.«

Ein solches Versinken getödteter Wallfische kommt übrigens nur sehr selten vor, obgleich es, wie Barthels ganz Recht hatte, dann und wann geschieht und der Seemann sich dagegen wahren muß. Eine kleine Art Wallfisch, der Humback oder Puckelfisch, auch Humbug (zum Narren haben, wie ihn manche Wallfischfänger nennen, weil er im Strahlauswerfen dem rechten Wallfisch ähnlich sieht, während er doch viel kleiner ist und sehr wenig Thran giebt), sinkt, nachdem er getödtet worden, fast regelmäßig unter. Hauptsächlich findet sich dieser Fisch aber in ziemlich seichtem oder wenigstens nicht sehr tiefem Wasser, besonders häufig an der californischen Küste; er kommt, nachdem er drei Tage auf dem Grunde gelegen, wieder an die Oberfläche. Die Schiffe bleiben indessen in der Nähe und nehmen den also aufsteigenden Fisch als ihr Eigenthum in Beschlag.

Der Fisch, an dem sie lagen, schien aber keine solche Absicht zu haben, denn er schwamm ruhig und fest an der Oberfläche, und der Kamehameha arbeitete sich endlich heran, das Boot von seiner langweiligen Wacht zu erlösen. Das Einschneiden begann jetzt wieder, und Jacobs hatte hierin ganz Recht gehabt; es war, besonders mit dem gefundenen Wallfisch, der schon anfing in Fäulniß überzugehen, ein entsetzlich unangenehmes, ekelhaftes Geschäft, bei dem ihnen noch dazu der durch das Fischbein werthvolle Kopf des Fisches, als sie ihn vom übrigen Körper ablösten, wegsank. Außerdem hatten sie aber auch noch an dem Tage zwei andere Fische erlegt und also vortreffliche Beute gemacht, die sie schon eine Zeit in Arbeit hielt.

Mit dem dritten Fische langseits setzte indessen schlechtes Wetter ein; das Schiff fing so furchtbar an zu arbeiten, daß sie das Sieden aussetzen mußten, da es das Fahrzeug auf das höchste gefährdet, wenn Seewasser in das kochende Oel hinein schlägt. Die Feuer wurden gelöscht, das ausgesottene Oel in die Kühler hineingelassen, und das Schiff trieb indeß vor Top und Takel, d. h. mit gar keinem Segel gesetzt, da sie den schweren Fisch an der Seite hängen hatten, nach Lee und der amerikanischen Küste mehr und mehr zu.

Versuche wurden indeß gemacht, wenigstens die Barten des Fisches an Deck zu nehmen und zu retten, aber es ging nicht. Die Leute waren zu sehr gefährdet, und es blieb ihnen zuletzt Nichts weiter übrig, als die schon in Sicherheit geglaubte Beute jetzt nur mit einer eingestoßenen und den Schiffsnamen tragenden Flagge zu versehen und loszuwerfen, daß sie selber wieder Segel führen und von der Küste abarbeiten konnten. Nur die sehr schwache Hoffnung hatten sie dabei, den Fisch vielleicht später wiederzufinden.

Drei Tage dauerte das Unwetter, und drei Tage peitschte der arme Kamehameha mit dicht gereeften Segeln die wilden stürmischen Wogen, bis sich der Wind etwas legte und die See ruhiger wurde. Allerdings versuchte der Capitain jetzt den aufgegebenen Wallfisch wieder zu treffen, aber vergebens; der war jedenfalls irgendwo an die Küste angetrieben, in deren Nähe sie sich doch noch nicht wagen durften.

Es ist nämlich ein sehr irriger, aber sehr gewöhnlicher Glaube der Landbewohner, die mit der See und mit Schiffen in gar keiner Verbindung stehen, sich ein Schiff bei schwerem Wetter oder Sturm sicherer zu denken, wenn es nahe an Land ist. Es giebt im Gegentheil nichts Gefährlicheres für ein Schiff. Nur in sehr seltenen Fällen, z. B. im englischen Canal, wenn die heimwärtskehrenden Schiffe gegen einen scharfen Ostwind anarbeiten müssen, suchen sie den Schutz des Landes und laufen irgendwo in einen Hafen ein, oder legen sich hinter ein Vorgebirge. Schiffe aber, die unterwegs sind und ein weiteres Ziel haben, werden nie daran denken, durch Einlaufen ihre schöne Zeit zu versäumen und vielleicht den rechten Augenblick zu verpassen, ein tüchtiges Stück vorwärts zu kommen, sobald der Wind rasch umsetzen sollte. Können sie sich dabei nur freien Seeraum halten, so glauben sie sich geborgen und sind auch wirklich auf einem guten, nicht morschen Schiffe keiner großen Gefahr ausgesetzt. Haben sie aber unter dem Wind oder »in Lee« eine Küste, so wächst die Gefahr, denn bei schwerem Wetter kann ein Schiff selten so vollkommen in den Wind hineinarbeiten, um Fortgang zu machen, da es nicht im Stande ist alle Segel zu führen, sondern es wird immer ein wenig zurückgesetzt. Die Nähe der Küste hemmt dabei seine Bewegungen, und es ist immer Gefahr für das Fahrzeug, sobald der Sturm lange anhält, daß es an die Klippen geworfen wird. Selbst die Mannschaft kann sich in einem solchen Falle kaum retten, da die Brandung, nur sehr wenige günstige Fälle ausgenommen, mit voller Kraft gegen die Felsen schlägt und Boot und Schwimmer, die sich ihr anvertrauen müßten, zu Atomen zerschmettert.

Draußen in See läßt man den Sturm eben austoben, so lange er toben will. Wird das Schiff dabei in seiner Bahn zurückgetrieben, so ist der Verlust durch einen Tag mit günstigem Winde wieder gut zu machen, und die schlimmste See muß sich zuletzt beruhigen.

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