Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

3. Capitel

Wie sie nach Helgoland kamen, und Carl hinaus in die See fuhr.


Das Dampfboot hatte wirklich, als sie es erreichten, schon geläutet, und sie behielten deshalb kaum Zeit, ihren bisherigen Kahnführer abzulohnen und an Bord zu steigen, als die Taue, die es noch am Ufer hielten, gelöst wurden. Das kleine, zierliche Boot hielt hinaus in den Strom, und dampfte, von diesem und der Ebbe begünstigt, rasch »bergab,« wie es die Flußschiffer nannten.

Auf dem mit einem weiten, bunt gestreiften Sommerzelt bespannten Deck herrschte ein reges Leben; eine Menge Fremde hatten das herrliche Wetter benutzt, eine Vergnügungsfahrt den Strom hinab zu machen, und die Leute schwärmten lachend und fröhlich und einander die Schiffe und vorbei fliegenden Ufer zeigend durch einander.

»Da drüben liegt der Wallfischfänger,« rief Carl, der nur Augen für diesen hatte, und auf einen Stuhl getreten war, um weitere Aussicht zu erlangen; »siehst Du, Vater, Du kannst die Leute draußen erkennen, die über Bord hängen und ihn anmalen.«

»Du hast nur den Wallfischfänger im Kopf,« sagte der Vater lachend; »sieh einmal die kleinen, freundlichen Milchever an, wie sie so behend mit ihren breiten Segeln herüber und hinüber schneiden.«

»Dort ist auch das Auswandererschiff wieder,« rief die Mutter: »lieber Gott! wie das von Menschen darauf schwärmt – die armen, armen Leute.«

»Warum?« sagte Herr Hollberg achselzuckend – »arme Leute – sie wollen's ja nicht anders haben. Es treibt sie ja Niemand fort von hier; warum bleiben sie nicht da?«

»Sie sind schon einmal hungrig gewesen, mein lieber Herr?« mischte sich in diesem Augenblick ein langer, hagerer Mann, der neben ihnen stand, und ebenfalls nach dem Auswandererschiff hinübersah, in das Gespräch.

»Hungrig?« sagte Herr Hollberg, etwas überrascht durch die plötzliche Anrede des Fremden, was man so eigentlich hungrig nennen sollte, wol nicht, aber vortrefflichen Appetit hab' ich oft.«

»Und nachher auch Etwas zu essen?« bemerkte der Fremde wieder so ruhig wie vorher, ohne eine Miene zu verziehen.

»Ja, Gott sei Dank!« lächelte Herr Hollberg.

»Das ist allerdings Etwas, wofür wir Gott nicht genug danken können,« sagte der Fremde; » den Leuten da drüben fehlt das aber, und sie sind eben dabei, sich einen Platz zu suchen, wo sie's finden können.«

Herr Hollberg wollte Etwas darauf erwidern, der Fremde drehte sich aber mit einer höflichen Verbeugung gegen ihn ab, und ging nach der andern Seite des Decks hinüber.

Das Dampfboot brauste indessen rasch und fröhlich stromab; an den Ufern konnten sie überall die kleinen, freundlichen Dörfer mit ihren Kirchen erkennen, die hier und da aus dem Grün der Wiesen und Hölzer hervorsahen, und der von kleinen und großen Fahrzeugen belebte Fluß blitzte dazu in der Morgensonne so frisch und lustig, als ob er sich selber freue, durch solch gesegnetes Land hindurchströmen zu dürfen, dem weiten Meere zu.

Und breiter und mächtiger wurde das Wasser, je weiter sie hinaus kamen, und dort draußen, weit vor ihnen hörte plötzlich das Ufer vollständig auf – das Auge fand keinen festen, dunklen Streifen mehr, auf dem es ruhen konnte – und das Meer begann.

Carl's Auge hing an dem fernen Horizont, von dem er den Blick nicht mehr abwenden konnte und wollte, und die weite Oede, die sich vor seinem Auge ausbreitete, füllte sein Herz mit einem eigenthümlich unheimlichen und doch auch wieder so seligen Gefühl, dem er nicht Worte, nicht Namen zu geben wußte. Das Schiff fing dabei etwas an zu schaukeln, und Madame Hollberg wurde unwohl; Carl fühlte aber nicht das geringste Unbehagen, im Gegentheil that ihm das Schaukeln, das allerdings auf dem noch ganz stillen Wasser begann und erst kaum eine Bewegung genannt werden konnte, wohl, und es war fast, als ob er da freier und fröhlicher aufathmen könnte.

Jetzt hatten sie die wirkliche Mündung der Elbe erreicht, und die Wellen fingen hier, von einem frischen Winde oder einer Brise getrieben, wie es die Seeleute nennen, höher und kräftiger an zu gehen. Viele der Passagiere wurden auch ernstlich seekrank, bekamen erst sehr bleiche, lange Gesichter, und lehnten sich dann über Bord, als ob sie eigentlich nur hinunter in's Wasser sehen wollten; in der That aber war ihnen so übel und weh zu Muthe geworden, daß sie sich kaum noch aufrecht erhalten konnten. Erst als sich ihr Magen Luft gemacht und sich dessen gewaltsam entledigt hatte, was ihn drückte, wurde ihnen besser.

Weiter und weiter fuhren sie hinaus; die niederen Ufer, die zuletzt in flache, kahle Sanddünen ausgelaufen waren, lagen schon hinter ihnen, und rechts und links und voraus, so weit das Auge reichte, dehnte sich eine weite, öde Wasserfläche um sie her, die nur durch einzelne Segel belebt, gehoben wurde. Da tauchte, gerade vor ihnen, ein schmaler, dunkler Streifen aus dem Meere, und löste sich nach und nach von dem Horizont, mit dem er bis jetzt verschmolzen war.

»Da liegt Helgoland!« sagte Einer der Leute, dort hinüber deutend.

»Das dunkle Fleckchen, das da auf dem Meere schwimmt?« frug ein Anderer.

»Eben das dunkle Fleckchen; 's ist ein hoher Fels, und der weiße Punkt darauf ist der Leuchtthurm.«

Aber wo standen dann die Bäume? – Carl sah sich bald die Augen aus, irgend bestimmte Umrisse der Insel erkennen zu können, es war nicht möglich; flach und breit lag sie vor ihnen da, an Größe allerdings zunehmend, je mehr sie sich näherten, sonst aber in ihrer Gestalt und Form auch nicht die mindeste Veränderung zeigend.

Eben jetzt überholten sie wieder ein Segelschiff, das einer Biegung im Strome wegen nicht gerade Cours halten konnte, und auch noch nicht alle Segel beigesetzt hatte; sie selber steuerten aus die kleine Insel zu, die ihr entferntestes Ziel sein und bleiben sollte; das andere Schiff aber hielt dicht hinter ihnen links hinüber, quer durch die Nordsee, dem Canal – dem atlantischen Ocean zu. Wie die Segel so fröhlich ausblähten und die Hamburger Flagge so lustig im Winde flatterte! – immer kleiner wurde es; seine weißen Segel sanken tiefer und tiefer auf den Horizont hinab; der Rumpf war schon nicht mehr zu erkennen, und Carl seufzte tief auf, als er sich endlich zögernd von ihm abdrehte und wieder nach dem nackten Fels hinüber schaute, dem sie selber zusteuerten, und der jetzt mit jeder Minute deutlicher, erkennbarer aus dem Wasser stieg. –

Aber wie anders hatte er sich Helgoland gedacht – eine Insel in der See – er mochte es sich nur nicht eingestehen, aber es war ihm fast als ob er Palmen darauf erwartet hätte – und jetzt nicht einmal mit einem erkennbaren Baum; nur ein kahler Felsen, aus dem der Leuchtthurm allein wie ein langer, überwachsener Spargel herausgetrieben war, während die kleinen, dunklen Gebäude darum her wie Pilze aussahen, die sich darunter schmiegten. Und das war ihr Ziel? – Da sollte er finden, wonach er sich so gewaltig gesehnt, und dann zurückkehren in das große Schreibzimmer zwischen die knisternden, raschelnden Federn, unter die zuckenden Augenbrauen des langen Buchhalters? – brrr, ihn schauderte, wenn er jetzt nur daran dachte. Und unter der Zeit segelte das Auswandererschiff dort seine stille Bahn, weit, weit hinaus, in das Meer, und der Wallfischfänger zog auch hinaus, um Cap Horn herum und zwischen die stillen Inseln der Südsee hinein, wo die Korallen wuchsen und die schönen, braunen Menschen Kokosnüsse und Fische aßen, und fing große, mächtige Wallfische. Und die anderen Schiffe gingen nach China und holten Thee, und nach den Molukken, Zimmet und Muskatnüsse aufzuladen, nach Java, Kaffee einzuschiffen, nach Brasilien, Vanille, nach Buenos Ayres, Talg und Häute, nach Australien, Wolle und Kupfer zu holen; nur er mußte zu Hause bleiben und wieder zurück durch die langweilige Lüneburger Haide fahren in die Schreibstube hinein, wo er kurze, grünleinene Schreibärmel angeknöpft bekam, die ihm bis an die Ellbogen gingen, und in dem stillen, großen Hause mit den dunklen Gardinen und den breiten, glatten Treppen wohnen eine halbe Lebenszeit.

»Bist Du auch krank, Carl?« frug ihn sein Vater; »Du machst ja ein so betrübtes, trauriges Gesicht.«

»Nein, Vater, mir ist ganz wohl;« sagte Carl wehmüthig, »wie lange bleiben wir denn auf Helgoland?«

»Nun, so lange es uns gefällt;« sagte Herr Hollberg; »Deine Mutter soll die Seebäder gebrauchen, und wenn ihr die gut bekommen, geb' ich vielleicht noch ein paar Wochen zu. Ich habe schon mit Herrn Meier darüber gesprochen, daß Du noch kurze Zeit länger ausbleiben darfst; hast Du die Seefahrt schon satt, Carl?«

»Ich? – oh wahrhaftig nicht, Vater – sie dauert ja so nur kurze Zeit.«

Das Boot näherte sich jetzt mehr und mehr der Insel, und legte endlich, von einer Menge neugieriger Menschen umgeben, die sich herbeidrängten, die angekommenen Fremden zu betrachten, an der Landung an.

Dort erholten sich die Seekranken augenblicklich wieder, denn diese Krankheit, die man eigentlich gar nicht Krankheit nennen sollte, ist nur ein Schwindel und Uebelbefinden, das durch das ungewohnte Schaukeln eines Schiffes entsteht, und Magen und Kopfnerven angreift, wie auch Leute auf dem festen Lande schwindlig und unwohl werden können, wenn sie sich in eine Schaukel setzen und das hohe Auf- und Niederschwingen nicht vertragen können. Auch nicht Alle bekommen sie; Manche bleiben ganz davon verschont, bei Anderen kehrt sie aber wieder, so oft sie zur See gehen, bis sich der Körper eben daran gewöhnt, und es ist ein ungemein seltener Fall, daß Jemand daran stirbt. Es müßte das auf einer sehr langen und sehr stürmischen Seereise sein, wo auch sonst sehr schwächliche Personen zu stark angegriffen werden.

Mittel giebt es nun gar nicht dagegen; eine Menge Aerzte haben dies und das freilich dagegen empfohlen und gethan, als ob sie unfehlbare Arzneien gegen diesen Feind der Landbewohner wüßten und hätten. Es ist das aber wie mit den Mitteln gegen Zahnschmerzen, Einem helfen sie, dem Andern nicht, und gewöhnlich verlangt das Unwohlsein seine Zeit und will austoben; nachher hört es von selber auf, wie es denn auch augenblicklich gehoben ist – nachbleibende Schwäche manchmal abgerechnet, – wenn man festes Land betritt, oder das Schiff in ganz ruhiges Wasser kommt.

Die ersten Tage vergingen Carl sehr langsam und auch wol langweilig auf Helgoland, trotz dem vielen Neuen, das er hier sah. Das Hotelleben mit seinem endlosen Beitischesitzen, die Spaziergänge selbst, wo er das Meer zwar sah, aber nicht hinaus konnte, und immer und immer wieder Schiffe vorbeifahren sah, die kamen und gingen, und ihn hier zurückließen, behagte ihm nicht, und es wurde ihm zuletzt ordentlich qualvoll, das wieder und immer wieder mit durchmachen zu müssen. Er kam sich auch am zweiten Tage schon selber wirklich wie ein Robinson Crusoe vor, der auf einer wüsten Insel im Meere lange, lange Jahre gesessen hatte, und sich nun darnach sehnte, mit fortgenommen zu werden nach einem andern Lande hin. Robinson konnte kaum ängstlicher den Horizont durchsucht haben, nach einem Segel auszuschauen, das ihm Rettung brächte, als er es that, und hier kamen und gingen doch so viele Schiffe, und er konnte, durfte nicht mit – es war zum Verzweifeln.

Der Vater hatte ihm allerdings versprochen, daß sie zusammen kleine Seefahrten in einem Boote machen wollten; da aber draußen immer ein frischer Wind ging, und die See wenn auch kleine, doch Wellen warf, weigerte sich Madame Hollberg auf das Hartnäckigste, sich in einem kleinen, dünnen Kahne da draußen herumschaukeln zu lassen und wieder krank zu werden, und selbst Herr Hollberg fühlte kein besonders großes Verlangen darnach. Dadurch aber bekam Carl die Erlaubniß schon am dritten Tage, weil er sich gar so sehr darauf gefreut hatte, mit einem Helgoland-Fischer oder Bootsfahrer in einem kleinen Segelboot allein hinausfahren zu dürfen, aber mit der strengen Mahnung, sich unter keiner Bedingung weit von der Insel zu entfernen.

Mit wahrem Jubel lief der junge Bursche die große, steile Treppe hinunter, die zum untern Strande führte, sich dort selber einen Mann und ein Boot auszusuchen, und eine Viertelstunde später schoß das kleine, schlanke Fahrzeug mit vollgeblähtem Segel wie ein Pfeil hinaus durch die grüne, durchsichtige Fluth, und schaukelte draußen auf den blitzenden, funkelnden Wellen.

Jahn hieß der Matrose, der ihn führte, und einen bessern Gesellschafter hätte Carl kaum verlangen können, denn der Mann war fünfundzwanzig Jahre seines Lebens auf der See, in allen Klimaten und Zonen, an allen Küsten, bei allen wilden Völkern herumgefahren, und wußte von allen viel und buntes zu berichten. Ob er fortwährend die Wahrheit erzählte, oder nach Art dieser Leute auch viel aufschnitt und Gehörtes als selbst Erlebtes ausgab, konnte Carl natürlich nicht beurtheilen; daran dachte er aber gar nicht. Jahn war ja selber draußen gewesen, und Der mußte es also auch wol wissen und verstehen.

Jahn hatte auch auf englischen Kriegsschiffen gedient und die Kriege gegen die Dänen mitgemacht; er war dabei gewesen, wie er sagte, als sie die dänische und später auch die argentinische Flotte weggenommen, und dann in Ostindien und Australien lange Zeit stationirt gewesen.

»Aber auf einen Wallfischfänger war er doch wol noch nicht gekommen?« Carl wagte am zweiten Morgen diese schüchterne Frage an ihn.

»Auf einen Wallfischfänger nicht?« lachte aber Jahn. – »Gott segne Euch, junger Herr, zwei volle Reisen hab' ich mitgemacht, um Cap Horn und um's Cap der guten Hoffnung herum, und eine dritte mit einem Grönlandsfahrer hier oben hinein – Spaß? keine Wallfischfahrt, und fünfundzwanzig Jahre zur See gefahren? da dürft' ich ja gar nicht mitreden in der Welt.«

»Auch um das Cap der guten Hoffnung sind Sie gefahren?« fragte ihn Carl.

»Sollte ich meinen!« lachte der Matrose, »und habe den fliegenden Holländer mit eigenen Augen gesehen, wie er gegen Wind und Wetter mit allen Segeln gesetzt, dem Sturm gerad' in die Zähne, aufkreuzte. Seeschlangen und Eisbären – das war eine Nacht! die See glühte wie Feuer, die Wogen rollten uns thurmhoch gegen den Bug an, und wenn sie manchmal an Deck kamen, rissen sie mit fort, was sich ihnen nur in den Weg stellte. Sieben Mann wurden in der einen Nacht über Bord gewaschen, und gegen Morgen, als wir glaubten es wäre vorbei, kam das Geisterschiff heran, das dort verdammt ist bis zum jüngsten Tage zu kreuzen, und hatt' es bis dahin geweht, so fing's jetzt an, die Wolken wie Lappen von einander zu reißen, und die Wogen gleich immer stückweise oben abzubrechen und über die See, wie aus einer Gießkanne gespritzt, hinauszustreuen. Eine Viertelstunde dauerte es etwa, da flogen uns alle drei Masten um die Ohren herum und über Bord, und nun konnten wir pumpen, daß uns der Hals nicht voll Wasser lief. Heiliger Blasius, wie stürmte das dabei! der Wind kam von allen Seiten auf einmal, und manchmal war's ordentlich, als ob er uns mit der Wurzel aus dem ganzen Spectakel von Wogen und Schaum herausreißen und gerade mit sich hinaufwirbeln möchte, so riß und zerrte es am Wrak, daß alle Nähte krachten. Wie wir die Nacht mit dem Leben davongekommen sind, begreife ich augenblicklich jetzt selber noch nicht; am nächsten Tage aber liefen wir glücklich, wenn auch halb erfroren und beinahe todt vor übermäßiger Anstrengung, in den Hafen der Capstadt ein, wo wir wieder repariren und ein Boot kaufen mußten«.

Carl hatte schon früher von dem sogenannten Geisterschiffe gehört, von dem die Seeleute eine Sage haben, daß es, weil sich der Capitain arg vergangen, vom lieben Gott verdammt sei, bis zum jüngsten Gericht am Cap zu kreuzen. So rasch es die Wellen auch selbst gegen den Wind durchschneidet, wird es doch immer und immer wieder zurückgeworfen. Daß Jahn nun so fest behauptete, das Schiff selber gesehen zu haben, machte Carl stutzig, und ließ ihn fast auch an der Wahrheit seiner anderen Erzählungen zweifeln. Jahn beharrte aber so hartnäckig dabei, und verschwor sich so hoch und theuer, daß er zuletzt selber ungewiß wurde, ob es nicht doch am Ende, weit draußen in dem fast grenzlosen Meere, solche Dinge gäbe, von denen wir uns hier auf dem festen Lande allerdings Nichts träumen ließen. Ein wenig Aberglauben steckt nun einmal in uns Allen, wir mögen so vernünftig sein wie wir wollen, eine schwache Seite hat fast jeder Mensch, und das Unerklärliche, Unerforschte, das uns ja von der Wiege an umgiebt, das Dunkel unserer einstigen Zukunft, das räthselhafte Wirken und Schaffen selbst in Erde, Wasser und Luft um uns her, dessen Triebfedern uns bis zum Grabe verschlossen bleiben, trägt viel dazu bei, das zu erhöhen, und unserer Einbildungskraft nur um so größern, weitern Spielraum zu gönnen.

Ihre Spazierfahrten machten sie jetzt regelmäßig jeden Tag, und während Carl, der sich vortrefflich dazu anstellte, sehr bald lernte das Segel zu setzen und das kleine Boot selber zu regieren und zu steuern, mußte ihm Jahn immer auf's Neue Geschichten und Abenteuer aus fernen Welttheilen erzählen, wozu der alte Bursche ein ganz eigenes, für den Knaben aber sehr gefährliches Talent besaß. Weckte er doch bei Diesem nur immer größere, immer unbezähmbarere Sehnsucht, das auch zu sehen und zu erleben. Jahn schwärmte dabei für die See – er war darauf geboren, wie er erzählte, und hatte sich von Jugend auf, einige Jahre abgerechnet, in denen er in die Schule gehen mußte, darauf herumgetrieben. Nur jetzt erst, seit den letzten Jahren, wo er ein paar Mal krank gewesen, schien es, als ob er die Lust daran etwas verloren; ganz aufgegeben wollte er es aber nicht haben, und im nächsten Frühjahre, meinte er: »sollte er wol wieder einmal flott werden.«

.


 << zurück weiter >>