Ludwig Ganghofer
Die Martinsklause
Ludwig Ganghofer

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8

Spät erwachte über dem Lokiwald der Morgen. Kaum auf Steinwurfweite drang der Blick, alle Luft war grau vom strömenden Regen. Schattenhaft zog sich der Waldsaum um die Rodung her, und während der kalte Wind den Regen durch Tür und Fensterluken in die Klause peitschte, rauschten auf allen Berggehängen die angeschwollenen Bäche. Zuweilen klang durch das dichte Gewölk ein dumpfes Rollen von den Höhen nieder – dort oben lösten sich Massen des Gesteines, die das Erdbeben gelockert hatte. Schwieg der sausende Wind, so tönte aus dem Bergwald herunter das Gebrüll der Rinder und das ferne Geschrei der Hirten, die unter Gefahr vor dem auf den Almen fallenden Schnee mit ihren Herden in die Täler flüchteten.

Am Waldsaum der Rodung mischte sich Beilschlag und das Knirschen einer Säge in das Geplätscher des Regens. Eberwein und Schweiker, im Arbeitskleid und triefend vor Nässe, zimmerten die Läden für die Fensterluken des Kirchleins und der Klause. Schweiker führte jeden Hieb, als schlüge er nicht auf wehrlose Blöcke los, sondern in Zorn auf einen verhaßten Feind. Die von ihm gespaltenen Bohlen fügte Eberwein mit Querlatten und Holznägeln aneinander; von seinem blonden Haarkranz rann das Wasser, und naß klebte ihm der lichte Bart an der Brust. Die schwere Arbeit war ihm Erquickung. Gesunde Röte brannte auf seinen Wangen, und seine Augen blickten ruhig, obwohl er in der Nacht, am Lager des Knaben sitzend, kaum für eine Stunde die Lider geschlossen hatte.

Gegen Mittag standen die Türen gezimmert, die Läden gefügt. Eberwein legte den Hammer nieder. »Bedarfst du meiner noch?«

»Nein, Herr! Mit allem anderen komm ich allein so weit, daß Türen und Fenster gut verwahrt sind bis zur Nacht. Vergönn dir ein Stündlein Ruh!«

»Ruhe?« Eberwein schüttelte den Kopf. »Ich ende die Arbeit, weil ein Weg mich ruft.« Er schritt zur Klause, um das Gewand zu tauschen. Schweiker sah ihm nach und murmelte: »Wenn er sich nur wieder verirren tät, daß ich ihn suchen und finden könnt!« Mit kummervollen Augen träumte er vor sich hin. »So ein Teufelsbraten, wie ich einer bin! So ein schlechter Kerl!« Wie in Grausen vor sich selber spuckte er aus, warf das Beil zu Boden, hob vier der schweren Fensterläden auf seine Schulter und trug sie dem Kirchlein zu.

Vor der Klause trat ihm Bruder Wampo entgegen, hustend und die Augen reibend. »Bruder,« jammerte er, »die schieche Zeit hebt an! Heraußen gießt es, als käm die Sündflut, und drinnen raucht es, als hätt die Höll sich aufgetan. Da soll man kochen! Und was! Wassersterz mit Bohnenmus! Zwei Tag noch, so hat das auch ein End. Der Mehlsack schlottert und das Bohnensäckl hat den Schwund. Allweil Fisch, da kriegt einer auf die Läng genug dran! Käm nur bald die gute Hinzula wieder mit ihrem Himmelsbrot!«

»Schweig mir von der Dirn!« fuhr Schweiker auf, daß der andere erschrocken vor ihm zurückwich.

Als der Flachsbärtige die Kirche betrat, blickte er zum Kreuzbild empor und stellte schwer atmend die Läden nieder. In Hast begann er zu arbeiten und befestigte an der Balkenmauer die hölzernen Schienen, zwischen denen die Läden laufen sollten. Da verdunkelte sich die Tür, und Schweiker sah auf der Schwelle einen jungen Bauer stehen, dem ein triefender Lodenmantel von den Schultern niederhing. Es war der Hanetzer.

»Was willst du?«

Neugierig trat der Bauer in die Kirche und lachte. »Ich muß mir die Leut ein lützel anschauen, für die der Richtmann rote Arbeit macht.«

Schweiker hörte nur das Gelächter, seine Stirne wurde heiß. »Hier ist kein Ort zum Lachen.« Da sah er, daß der Hanetzer die Lammfellkappe auf dem Kopf trug. Mit einem Sprunge stand er vor dem Bauer. »Trittst du so in Gottes Haus? Ich will dir Ehrfurcht weisen!« Auf des Hanetzers Backe klatschte eine Ohrfeige, so ausgiebig, daß der Bauer an die Mauer taumelte. »Das wirst du dir merken für ein andermal!« Schweiker atmete auf, als hätte sich die drückende Gewitterschwüle, die sein Inneres erfüllte, mit diesem Schlag entladen.

Während der Hanetzer die Lammfellmütze von der Erde raffte und aus dem Kirchlein wich, klang hinter dem Bruder, der das Hochgefühl seiner guten Tat genoß, eine bebende Stimme: »Schweiker!« Eberwein stand vor ihm, in der einen Hand das Grießbeil, in der anderen den schwarzen, breitgeränderten Filzhut, wegfertig für die Wanderung nach der Ramsau. Vor dem Blick seines Herrn überkam den Bruder ein Gefühl, als wäre seine Tat doch nicht so gut und fromm gewesen, wie er meinte.

»Schweiker! Glaubst du, dieser eine wird wiederkommen, wenn du die Glocke ziehst?«

Der Bruder verfärbte sich. »Mit der Kapp ist er eingetreten in den heiligen Raum. Der Unchrist!«

»So? Den Splitter im Aug des anderen erkennst du, aber nicht den Balken in deinem eigenen Aug? Hast du nicht den heiligen Raum noch mehr entweiht? Hat Christus dich gelehrt, mit der Faust für sein Reich zu werben? Sagte er in seiner Liebe: Wenn dein Bruder gefehlt hat, so schlage nach seiner Wange?«

In Zerknirschung schüttelte Schweiker den dicken Kopf. »Ich mein', er hat gesagt: Haut dich einer hinters rechte Ohr, so –« Weiter kam er nicht mit diesem Bibelspruch, für den er seine eigene Fassung hatte. Ein Gedanke war ihm in die langsamen Sinne gefahren; er schoß zur Türe hinaus, und als er den Hanetzer erblickte, rannte er ihm nach. »He du! Halt ein lützel!«

Der Hanetzer, der den rennenden Mönch gewahrte und eine neue Belehrung fürchten mochte, fing hurtig zu laufen an. Für Schweikers lange Beine war der Bauer, der den Tatzenschlag des Bären noch spürte, nicht flink genug. Unter den triefenden Bäumen haschte ihn der Bruder beim Lodenzipfel. Schreiend suchte der Hanetzer sich loszureißen. Schweiker hielt fest und keuchte: »Verzeih mir, guter Mann, um Christi willen, und tu mir aus Nächstenlieb den einzigen Gefallen und gib mir die Tachtel wieder heim! Hau zu, ich wehr mich nit!« Der Bauer riß Mund und Augen auf; Schweiker bat so flehentlich um die Heimzahlung, daß der Hanetzer auf die Dauer nicht widerstehen konnte; er trat einen Schritt zurück, strich mit den Fingern der rechten Hand über die Lippe und zog aus. Lachend empfing der Bruder den klatschenden Schlag, nickte dem Bauer dankbar zu und rannte zum Kirchlein; kopfschüttelnd blickte ihm der Hanetzer nach. »Einen solchen Narren hab ich meiner Lebtag nit gesehen. Könnt aus mir ein Mus machen mit seinen Fäusten. Und laßt sich hauen.«

Als Schweiker das Kirchlein erreichte, sah er Eberwein auf der Altarstufe sitzen. »Herr, jetzt hab ich sie wieder, er hat sie mir heimgezahlt.« Es hätte dieser Meldung nicht bedurft; deutlich sah man auf Schweikers Wange die fünf Finger des Hanetzer abgezeichnet. »Das ist eine gewesen aus einer gesunden Mutter Hand. Aber ich fürcht halt doch, die meinige hat fester gewogen!«

Eberwein mußte lächeln; es war ihm anzusehen, daß ihm der Anblick dieses ungeschlachten Menschen wohltat wie warme Sonne bei trübem Wetter. »Das nenn ich flinke Sühne! Ein andermal denke der Güte, bevor du schlägst.«

»Wohl, Herr! Aber es gibt halt Menschen, da steigt einem die Gall auf, man weiß nit wie!«

»Gegen die Guten gut sein, ist kein Verdienst.«

»Freilich. Aber gegen die Schiechen freundlich sein, das muß einer können. Ich bin ein grauslicher Kerl. Du hast es gelernt, das Gutsein!«

»Gelernt? Meinst du?« Eberwein faßte Schweikers Hand und zog ihn an seine Seite. »Ich will dir sagen, in welcher Schule. Komm!«

Der Regen prasselte auf dem Dach des Kirchleins, und rings um die Balkenmauern plätscherte die Traufe; fuhr ein Windstoß gegen die Wände, so trieb er durch die Fensterluken den Wasserstaub herein und wehte ihn über die beiden, die dem Altar zu Füßen saßen.

»Das weißt du, daß ich nicht Vater noch Mutter habe?«

Schweiker nickte. »Meine Mutter ist eine Alberin gewesen. Vater hab ich auch keinen. Wird halt ein Senn gewesen sein oder ein Jägerknecht, ich weiß nit. Die mich ins Kloster genommen, haben mir nie geredet davon.«

»Nur wenige Tage war ich alt, als der Fischer vom Eibensee mich fand, weit von hier, auf der Romstraße bei der Partenkirche, mitten im Wald. In der Grafenburg auf dem Wertofels, unter Eigenleuten, bin ich aufgewachsen und ein Bub geworden, der auf dem Karwendel die Geißen gehütet hat.«

»Ein Geißhirt!« Schweiker seufzte. »Selbigsmal mußt du es gut gehabt haben, gelt?«

»Als ich in das Kloster kam, hab ich in meiner kleinen Zelle manche Zähre vergossen, wenn mein Blick die hohen Berge suchte. Aber mir wurde in dem frommen Haus mit jedem Tage froher ums Herz. Die Arbeit war mir Freude, und durfte ich bei meinem Buche sitzen, so war mir wohl. Nur eines störte das ruhige Gleichmaß meines Lebens: wenn die Väter und Brüder der jüngeren Mönche in das Kloster kamen, oder wenn meine Schulgenossen zu hohen Feiertagen heimzogen in das elterliche Haus, das waren bittere Stunden für mich. Dann schwoll mein Herz in heißer Sehnsucht der Mutter zu, die ich nicht kannte, dem Vater, dessen Namen ich nicht nennen konnte. Hundert Gedanken, süß und schmerzlich, zogen in solcher Stunde durch meine Seele. Wo sollte meine Sehnsucht die Eltern suchen? Waren sie heimisch in jenem Tal, in dem ich gefunden wurde? Oder saßen sie in fernem Land? Hatte eine böse Hand mich ihnen geraubt? Hatte Mißgeschick oder Zufall mich von ihrem Herzen gerissen? Beweinten sie mich als tot? Oder hofften sie ihr Kind noch einmal wiederzusehen? Trugen sie Schmerzen um mich oder hatten sie Trost gefunden in der Liebe zu Kindern, die ihnen verblieben waren? Hatte ich Brüder? Oder eine Schwester?« Eberweins Stimme wurde leis. »Eine Schwester! Das hab ich oft gedacht und habe ihr Bild mir vorgemalt: jung und hold, gut und liebenswert.« Er streckte die Arme, als könnte er mit Händen greifen, was er sah in seinem Herzen.

Es währte eine Weile, bis Eberwein wieder zu sprechen begann: »Zwanzig Jahre zählte ich, als ich, ein jung geweihter Priester, aus dem Kloster zog. Eh ich hinauswanderte in das ferne Land, trieb es mich zum Eibensee, zum Fischer Ostalar, der mich gefunden. Es war eine helle Mondnacht, als ich den See erreichte, der zwischen schwarzem Wald und hohen Felsen gebettet liegt. In armer Hütte fand ich den alten Fischer. Nun saßen wir in der stillen Nacht, Mond und Sterne zu unseren Häupten, vor uns das schwarze regungslose Wasser. Zitternde Hoffnung im Herzen, stellte ich Frage um Frage. Er schüttelte den weisen Kopf: ›Laß das Fragen sein, ich kann dir nichts anderes sagen, als was du schon lange weißt‹. Ich merkte an seinem Ton, daß er nicht die Wahrheit sprach. Und als ich mit Fragen nicht nachließ, ging er in die Hütte und brachte ein wertloses Stück Geschmeide: ›Nimm! Das hab ich nicht weit von dem Platz gefunden, an dem du gelegen bist. Ob es dir gehört oder einem anderen, das weiß ich nicht.‹ Ich starrte das stumme Rätsel an. Wenn es doch reden könnte! Ach, Schweiker, zu tausend Malen seit jener Stunde hat meine Sehnsucht jene Worte gesprochen: wenn es doch reden könnte! Ist es mein eigen? Stammt es aus dem Hause der Meinen? Ich weiß es nicht. Seit jener Stunde trag ich das Kleinod an meinem Herzen. Mag es so wertlos sein, daß es kein Bettler von der Straße nähme! Meinem Herzen macht es der Glaube teuer, daß es ein Glied der gesprungenen Kette ist, die mich an die Meinen knüpfte.«

Eberwein legte die Hand auf seine Brust, an der er das ungelöste Rätsel seiner Herkunft unter der Kutte verwahrt trug, mit dem Zeichen seiner priesterlichen Weihe, dem Kreuz, zusammen an eine Schnur gebunden.

»Es dämmerte der Morgen, als ich den See verließ. Eine Strecke gab mir der alte Fischer das Geleit, und als ich von ihm scheiden wollte, legte er die Hand auf meine Schulter und sprach: ›Eines noch muß ich dir sagen! Was ich dem Knaben allzeit verschwiegen hab, das wird der Mann, der du geworden bist, wohl hören können!‹ Ach, Schweiker, erschütternde Kunde war es, die ich vernehmen mußte! Nicht weit von der Stelle, wo der alte Fischer das wimmernde Kind auf seine Arme gehoben, hatte er den zerfleischten Leichnam eines Weibes gefunden, das Opfer der hauenden Schweine, deren Zähnen auch das wehrlose Kind verfallen wäre, hätte nicht der Schrei des mutigen Mannes sie verscheucht. Wer war dieses Weib? Meine Mutter? Wie der Tag sich scheidet von der Nacht, so drängte ich diesen grauenvollen Gedanken aus meiner Seele. Wer war dieses Weib?«

»Vielleicht deine Hüterin, Herr? Oder ein fahrendes Weib, das dich gestohlen hat?«

»So dachte auch ich! Denn in meinem Herzen schrie eine Stimme: ›Deine Mutter lebt! Suche, suche!‹ Ziellos wanderte ich im grauen Morgen auf der Straße dahin, Feuer in meinem Herzen, einen Wirbel in meiner Seele. Es ging der Wald zu Ende, und Felder kamen. Am Rande des Gehölzes sah ich eine arme Frau, die sich schleppte mit einem schweren Reisigbündel. Was kümmerte mich das fremde Weib und seine Bürde? Trug ich nicht selbst auf meinem Herzen eine Last, noch drückender und schwerer? Ich eilte an der Armen vorüber. Doch das Bild ihrer Mühsal wollte mich nimmer verlassen. Quälend erwachte ein Gedanke. Du suchst deine Heimat, schrie es in mir, und willst in der Ferne suchen? Wer weiß, ob dir nicht nahe liegt, was du suchen gehst, näher als du ahnen magst! Wer weiß, ob nicht dieses Weib dir Kunde geben könnte! Und ist dir dieses Weib eine Fremde? Kannst du wissen, ob sie nicht zu deiner Sippe gehört, ob nicht Blut von ihrem Blut in deinen Adern rinnt? Und du zogst vorüber an ihr und ließest sie seufzen unter Mühsal und Bürde. Kehr um, kehr um! So rief es in mir, und ich eilte zurück, hob die Last der Armen auf meine Schulter und trug ihr das schwere Bündel bis zum Hagtor. Sie hatte keine Antwort auf meine Fragen, wußte von keinem verlorenen Kind; ihr Dank aber hatte warmen Klang; freundlich sahen ihre Augen mich an, und ich zog meiner Wege, als hätt ich Trost empfangen, der die Bürde meines Herzens leichter machte um viele Pfunde. Und sieh, Schweiker: wie mit diesem armen Weibe, so ist es mir von Stund an mit jedem Menschen ergangen, den ich seufzen sah unter einer Bürde des Lebens. ›Hilf, hilf, du hilfst den Deinen!‹ rief immer wieder die Stimme in mir. Und ich mußte lieben, die ich leiden sah, und konnte jenen nicht zürnen, die mir Übles taten. Oft wallte mir das Blut in heißem Zorn. Denn mehr als einmal hab ich Undank erfahren, wo ich Wohltat übte, habe Spott empfangen, wo ich Liebe gab. Aber je heißer mein Zorn erwachte, so lauter rief die Stimme in mir: Vergib, es könnte dein Bruder sein, wider den du stehen willst in Streit!«

»Und nie, Herr, nie hast du was erfahren von den Deinen?«

»Ich weiß auch heute nicht mehr von ihnen als in jener Stunde, in der ich den alten Fischer verließ. Längst schon hab ich das Suchen aufgegeben. Meine Sehnsucht wurde stiller von Jahr zu Jahr. Ich meinte, Gottes Willen zu erkennen. Er hat mich berufen zu seinem Dienst und hat mir die Meinen genommen, um meiner Liebe tausend Brüder und Schwestern zu geben.«

»Alle Menschen? Und keiner soll ausgeschieden sein von deinem Herzen?«

Eberwein schüttelte den Kopf und wollte sprechen. Da kam Bruder Wampo in das Kirchlein und rief: »Ich bitt dich, guter Herr, der arme Bub verlangt nach dir. Er hat gemeint, er könnt schon wieder laufen, und jetzt rinnt ihm das Blut von den Füßen.«

Eberwein war aufgesprungen. »Wazemann!« klang es in Zorn. »Ja, Schweiker! Dieser einzige von allen, er und seine Söhne sollen geschieden sein von meiner Liebe. Ich will diesem Tal ein treuer Hirte sein. Wie dürft ich die Wölfe lieben, die meine Lämmer schlagen?«

»Recht, Herr!« fiel Schweiker ein. »Und derselbig, den sie Henning nennen, soll aufgehoben sein für meine Faust!« Während Eberwein mit Wampo die Klause betrat, packte Schweiker den Hammer und hämmerte los, als fiele jeder Schlag, mit dem er die hölzernen Nägel in die Balken trieb, auf Hennings Schädel. Dazu redeten seine Gedanken: »Wart nur! Ich will Nächstenlieb üben, rechte und feste Nächstenlieb. Aber einer soll ausgenommen sein. Lauf mir nur über den Weg, du!« Der Hammer fiel, daß die Balken dröhnten. »Spürst du den Hieb? Hat's ausgegeben? Du wirst mir das Dirndl in Ruh lassen, du!« Er blickte scheu um sich und ließ den Hammer sinken. »Es ist doch Nächstenlieb! Nur Nächstenlieb! Kein Bröselein drüber!« Er nahm einen Laden und schob ihn zwischen die festgenagelten Leisten. »Wie mein Herr seine Mutter, so muß ich meinen Vater suchen. Wer kann's denn wissen? Es könnt in ihr doch Blut sein von meines Vaters Blut? Weil ich ihr so gut sein muß, als wär sie meine Schwester!« Die Backen aufblasend schüttelte er den Kopf. Der Gedanke, der ihm da gekommen war, schien ihm nicht zu gefallen. Seufzend begann er zu hämmern. »Sie ist in Not gewesen, ich bin ihr beigesprungen. Aber jetzt muß alles aus sein!« Er klopfte, daß der Hall das Kirchlein füllte. Plötzlich hielt er erschrocken inne – durch das Rauschen des Regens hörte er eine schluchzende Mädchenstimme. Der Hammer flog aus seiner Hand, mit raschem Sprung gewann er die Tür, und im strömenden Regen sah er vor der Klause ein häßliches Geschöpf zu Eberweins Füßen liegen, ein Bild des Jammers, Worte stammelnd, die Schweiker nicht zu deuten wußte. Doch Eberwein schien zu verstehen, was dieser Schmerz ihm sagen wollte, und es mußte böse Kunde sein, die er hörte. Seine Augen blickten entsetzt, und Blässe bedeckte sein Gesicht. In Sorge eilte Schweiker auf ihn zu. »Herr, was ist dir?«

»Waldram!« stammelte Eberwein und stürzte in die Klause.

Während Schweiker die Schluchzende von der Erde hob, hörte er durch das offene Fenster die Stimme seines Herrn: »Waldram! Was tatest du in der Ramsau?«

»Was meines Amtes war.«

»Wo ist Hiltischalk? Steh mir Rede! Ich frage dich als dein Herr.«

»Ich gehorche der Kirche, der du die Treue brachst, nicht dir! Du bist mein Herr nicht mehr.«

»So frag ich dich als Mensch: was ist aus Hiltischalk und seinem Weib geworden?«

»Bin ich bestellt, Verdammte zu hüten? Frage bei der Hölle an, der sie verfallen waren!«

»Und du? Du nennst dich Priester?«

Stille folgte diesen Worten. Verstört trat Eberwein aus der Klause, hinter ihm Bruder Wampo mit erschrockenem Gesicht. Eberwein faßte die Hand der weinenden Magd. »Folge mir, Mätzel! Komm! Wir wollen suchen. Und weine nicht! Wir werden sie finden.« Durch den strömenden Regen zog er die Schluchzende dem Wald entgegen.

»Bruder?« stotterte Wampo. »Was ist da geschehen?«

»Ich weiß nur, daß ich meinen guten Herrn nimmer allein laß. Ich geh mit ihm, und wär's durch Feuer und Wasser.« Schweiker raffte einen Stecken auf und rannte den beiden nach, die schon im Wald verschwunden waren.


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