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Das blaue, mit rosigen Klippen besäte Meer warf seinen silbernen Saum weit auf den feinen Sand des Gestades, das in weitem Amphitheater zwischen zwei begrenzenden goldenen Felshörnern anstieg.
Der Tag war so heiter, daß es beinahe schien, als ob die Sonne Griechenlands auf Chateaubriands Grab herabschiene.
Thérèse saß in einem Zimmer mit Blumenrankentapete, von dessen Balkon man über die Myrten und Tamarisken des Gartens hinweg einen weiten Blick auf den Strand und das Meer mit seinen Inseln und Vorgebirgen genoß. Sie las die Briefe, die sie sich am Morgen von der Post in St-Malo abgeholt hatte. Unterwegs, im vollbesetzten Fährboot, konnte sie sie nicht öffnen. Aber gleich nach dem Frühstück hatte sie sich in ihr Zimmer eingeschlossen, und die entfalteten Briefe auf den Knien, las sie begierig und gab sich ganz dem flüchtigen Genuß hin.
Um zwei Uhr sollte sie mit ihrem Vater, ihrem Mann, der Prinzessin Seniavine, Madame Berthier d'Eyzelles, der Gattin des Deputierten, und Madame Raymond, der Gattin des Mitglieds der Akademie, eine Wagenpartie machen.
Sie hatte heute zwei Briefe bekommen. Der erste, den sie las, atmete den heitern, zarten Hauch der Liebe. Noch nie hatte Jacques ihr so einfach, so glückstrahlend und so entzückend geschrieben.
Seit er sie liebte, sagte er ihr, war ihm so leicht und freudig zumute, als ob seine Füße kaum mehr den Erdboden berührten. Er hatte nur die eine Angst, daß alles ein Traum sei und daß er auf einmal erwachen könnte, ohne sie jemals gekannt zu haben. Ja, es war ein Traum. Und was für ein Traum! Das Gartenhaus in der Via Alfieri, das kleine Wirtshaus in Meudon – ihre Küsse, ihre göttlichen Schultern, ihr schlanker, geschmeidiger Körper mit seinen lachenden Grübchen, mit seinem frischen Duft, der so balsamisch war wie ein Bach, der unter Blumen dahinfließt. Und wenn er nicht träumte, so war es ein Rausch, und er war der Trunkene, der anfängt zu singen. Er war so glücklich, daß seine Vernunft ihn völlig verlassen hatte. Obwohl sie nicht bei ihm war, sah er sie doch immer vor sich: »Ja, ich sehe Dich, Du bist mir nah, ich sehe die Wimpern, die Deine Augen beschatten, deren Grau schöner ist als das Blau des Himmels und der Blumen, ich sehe Deine Lippen, die köstlichen Früchten gleichen, Deine Wangen und die zwei geliebten Grübchen darin, wenn Du lachst. Ich sehe Dich, und Du bist so schön, so begehrenswert, aber Du entfliehst mir, Du entgleitest mir immer wieder. Wenn ich die Arme nach Dir ausbreite, bist Du entschwunden, und dann entdecke ich Dich wieder – in weiter, weiter Ferne, wie Du am hellen Strande stehst, in Deinem rosa Kleid und mit Deinem Schirm. Und Du bist nicht größer als ein Zweig blühender Heide, so klein, wie ich Dich einmal in Florenz vom Campanile herab auf dem Domplatz gesehen habe. Und wie damals sage ich mir auch jetzt wieder: ›Ein Grashalm würde hinreichen, sie meinen Blicken zu entziehen, und doch ist sie alles für mich, eine ganze Welt von Schmerz und Freude.‹«
Er beklagte sich nur über die Qualen des Getrenntseins. Und doch leuchtete das glückselige Lächeln der Liebe durch seine Klagen hindurch. Er drohte ihr scherzend damit, daß er sie in Dinard überraschen würde. »Du brauchst nichts zu fürchten. Kein Mensch wird mich erkennen. Ich werde mich als Hausierer verkleiden, der mit Gipsfiguren handelt. Und das bin ich ja auch. In einer grauen Bluse und einer Zwillichhose werde ich am Gitter der Villa Montessuy die Glocke ziehen, Bart und Gesicht mit weißem Staub gepudert. Du wirst mich an den Statuetten erkennen, die ich auf dem Brett auf meinem Kopf trage. Denn es werden lauter Liebesgötter sein: ein treuer Amor, ein eifersüchtiger Amor, ein zärtlicher Amor und ein wilder Amor – nein, viele wilde Amoretten. Und dann rufe ich in der harten klangvollen Sprache der Handwerker von Pisa oder Florenz: ›Tutti gli Amori per la signora Teresina.‹«
Durch die letzte Seite des Briefes klang ein ruhiger, liebevoller Ton. Und dazwischen wieder andächtige Herzensergießungen, bei denen Thérèse an die Gebetbücher denken mußte, die sie als Kind gelesen. »Ich liebe Dich, und ich liebe alles an Dir. Die Erde, die Dich trägt, die die Last Deines Körpers kaum fühlt und der Du neuen Reiz verleihst. Ich liebe das Licht, das macht, daß ich Dich sehen kann, und die Luft, die Du einatmest. Ich liebe die Platane, die auf meinem Hof wächst, weil Du sie angeblickt hast. – Heute nacht bin ich durch die Allee gegangen, wo ich Dir damals an einem Winterabend begegnet bin, und ich habe einen Zweig von dem Busch abgebrochen, auf dem Deine Augen damals geruht haben. In dieser Stadt, wo Du nicht bist, sehe ich nur Dich.«
Am Schluß erzählte er ihr, daß er auswärts frühstücken wolle. Madame Fusellier war gestern nach Nevers, ihrer Heimatstadt, gereist, und so war sein Kochtopf kaltgestellt. Er wollte ein Restaurant in der Rue Royale aufsuchen, wo er schon bekannt war. Und dort unter lauter gleichgültigen Menschen würde er mit ihr allein sein.
Wie ermattet durch seine unsichtbaren Liebkosungen, schloß Thérèse die Augen und lehnte den Kopf zurück. Als sie dann das Rascheln der Mailcoach vernahm, die vor der Terrasse hielt, öffnete sie den zweiten Brief. Und sowie sie die veränderte Handschrift, die hastig hingeworfenen, abwärts laufenden Zeilen sah, dieses Bild tiefster Niedergeschlagenheit, erschrak sie.
Die ersten unklaren Worte ließen eine plötzlich erwachte Angst und einen düsteren Verdacht durchblicken: »Thérèse, Thérèse, warum gabst Du Dich mir, wenn Du Dich nicht ganz geben konntest? Was hat es mir geholfen, daß Du mich belogst, nun ich es doch erfahren habe, was ich nicht wissen wollte.«
Sie hielt inne, und ihre Augen verschleierten sich. Dann dachte sie: ›Und wir waren gerade so glücklich. Mein Gott, was ist nur geschehen? Während ich mich an seiner Freude sonnte, war sie schon wieder verflogen. Man sollte lieber überhaupt nicht schreiben, denn die Gefühle, von denen ein Brief spricht, sind in dem Augenblick, wenn ihn der andere liest, doch schon wieder ausgelöscht und entschwunden.‹
Dann las sie weiter. Und als sie sah, daß sein Herz von Eifersucht zerrissen war, sank ihr der Mut.
›Wenn ich ihm noch nicht bewiesen habe, daß ich ihn mit allen Kräften liebe, daß ihm mein ganzes Sein gehört, wie soll ich ihn dann jemals davon überzeugen?‹
Sie brannte darauf, zu erfahren, weshalb er plötzlich so außer sich war. Und Jacques' Brief sagte es ihr: Er hatte in einem Restaurant in der Rue Royale gefrühstückt und dort einen alten Bekannten getroffen, der aus einem Kurort kam und auf der Durchreise nach der See in Paris war. Sie hatten miteinander geplaudert, und der Zufall wollte, daß dieser Mann, der überall in der Gesellschaft verkehrte, auch die Gräfin Martin kannte und von ihr sprach. – Hier unterbrach Jacques plötzlich seine Erzählung, um seinem Schmerz Luft zu machen: »Thérèse, Thérèse, warum hast Du mich belogen, wenn ich doch eines Tages erfahren mußte, was nur ich nicht gewußt habe. Aber die Schuld liegt mehr auf meiner Seite als auf Deiner. Der Brief, den Du bei Or San Michele in den Kasten warfst, das Rendezvous am Bahnhof in Florenz hätten hingereicht, mich zu belehren, wäre ich nicht darauf versessen gewesen, allem Augenschein zum Trotz an meinen Illusionen festzuhalten. Ich wollte nicht – nein, ich wollte es nicht wissen, daß Du einem andern angehörtest in dem Moment, wo Du Dich mir zu eigen gabst, mit dieser kühnen Anmut, dieser hinreißenden Glut, an der ich vergehen werde. Ich wußte nichts und wollte nichts wissen. Ich habe damals nicht weiter gefragt aus Angst, daß Du nicht imstande seist, mich länger zu belügen. Oh, ich war so schlau – und so hat es kommen müssen, daß irgendein Tölpel mir plötzlich an der Tafel eines Restaurants brutal die Augen öffnete und mich zwang zu sehen. Oh, und jetzt, wo ich nicht mehr zweifeln kann, jetzt kommt es mir vor, als ob jener Zweifel Seligkeit gewesen wäre. Er hat den Namen genannt, jenen Namen, den ich schon in Florenz aus Miß Bells Munde gehört hatte, und hat noch hinzugefügt: ›Die Sache ist allgemein bekannt.‹
Also, Du hast ihn geliebt und liebst ihn noch!
Und wenn ich in der Einsamkeit meines Zimmers meine Zähne in das Kissen presse, wo Dein Kopf geruht hat – dann ist er vielleicht bei Dir. Ja, er ist in Deiner Nähe. Man hat mir gesagt, daß er jedes Jahr zu den Rennen nach Dinard geht. Ich sehe ihn vor mir, ich sehe alles. Wenn Du wüßtest, was für Vorstellungen mich quälen, würdest Du sagen: ›Er ist von Sinnen‹, und Du würdest Mitleid mit mir fühlen.
Oh, ich wollte, ich könnte Dich vergessen – Dich und alles andere. Aber ich kann nicht. Du weißt, daß ich Dich nur in Dir selbst vergessen kann. Unaufhörlich sehe ich Euch zusammen. Es ist eine furchtbare Qual. Damals, in jener Nacht – Du weißt – am Ufer des Arno, da glaubte ich unglücklich zu sein. Aber ich wußte damals überhaupt noch nicht, was leiden bedeutet. Jetzt erst weiß ich es.«
Als Thérèse zu Ende gelesen hatte, dachte sie: ›Ein zufällig hingeworfenes Wort hat ihn in diesen Zustand versetzt. Ein bloßes Wort hat diese wahnsinnige Verzweiflung über ihn gebracht.‹ Und sie suchte zu ergründen, wer jener Elende sein mochte, der so über sie gesprochen hatte. Sie hegte Verdacht gegen ein paar junge Leute, die Le Ménil ihr einmal vorgestellt und vor denen er sie gewarnt hatte. Und in einer Anwandlung von jener blassen, kalten Wut, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, sagte sie sich: »Ich werde es schon erfahren.«
Aber was sollte sie bis dahin tun? Sie wußte, daß ihr Freund sich in sinnloser Verzweiflung aufrieb, und sie konnte nicht zu ihm eilen, ihn in ihre Arme schließen, sich ihm mit Leib und Seele hingeben, damit er fühlen mußte, daß sie ganz sein war, daß er ihr glauben mußte. – Und ihm schreiben? Wieviel besser wäre es gewesen, selbst bei ihm zu sein, stumm an sein Herz zu sinken und ihm dann zu sagen: »Wage es, jetzt noch zu glauben, daß ich nicht dir ganz allein gehöre!«
Und doch blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu schreiben. Aber als sie ihren Brief angefangen hatte, hörte sie Stimmen und Gelächter im Garten. Die Prinzessin Seniavine war schon dabei, den hohen Tritt des Wagens zu ersteigen.
Thérèse ging hinab. Lächelnd und ruhig trat sie auf die Terrasse. Der große mit Mohnblumen geschmückte Strohhut warf einen durchsichtigen Schatten über ihr Gesicht, aus dem nur die glänzenden grauen Augen hervorleuchteten.
»Mein Gott, wie ist sie schön«, rief die Prinzessin Seniavine, »und wie schade, daß man sie niemals sieht. In aller Morgenfrühe steigt sie schon in die Fähre und wandelt durch die Straßen von Saint-Malo. Und am Nachmittag schließt sie sich in ihr Zimmer ein. Sie will nichts mit uns zu tun haben.«
Dann fuhren sie den Strand entlang, an all den Villen und terrassenförmig angelegten Gärten vorbei, die den Hang des Hügels kränzten. Zur Linken sah man die Wälle und Türme von St-Malo aus dem blauen Meer emporragen. Dann bog der Wagen in einen Weg ein, der zu beiden Seiten von grünen Hecken eingefaßt war. Dort begegneten ihnen Bauernfrauen aus Dinard mit ihren großen Batisthauben, deren Flügel im Winde flatterten.
»Es ist schade«, sagte Madame Raymond, die neben Montessuy saß, »daß die alten Volkstrachten sich immer mehr verlieren. Daran sind die Eisenbahnen schuld.«
»Ja, das ist richtig«, antwortete Montessuy, »wenn die Eisenbahnen nicht wären, so würden die Landleute noch ihre malerischen Trachten von einst tragen. Aber dann hätten wir sie nie zu sehen bekommen.«
»Was tut das?« meinte Madame Raymond. »Wir könnten sie uns wenigstens vorstellen.«
»Aber«, fragte jetzt die Prinzessin Seniavine, »sehen Sie mitunter interessante Dinge? Ich niemals.«
Madame Raymond, die aus den Büchern ihres Gatten einige vage Begriffe von Philosophie geschöpft hatte, erklärte, die Dinge an sich seien überhaupt nichts, es komme nur auf die Idee an.
Und Madame Martin murmelte, ohne Madame Berthier d'Eyzelles, die neben ihr auf der zweiten Bank saß, anzublicken: »O ja, die Menschen sehen nur ihre Idee, jagen taub und blind nur ihrer Idee nach, und es ist vergebene Mühe, sie davon abbringen zu wollen.«
»Aber, Liebste«, sagte Graf Martin, der vor ihr neben der Prinzessin saß, »wenn man nicht eine bestimmte Idee verfolgt, gibt man sich ganz dem Zufall anheim – à propos, Montessuy, haben Sie die Rede von Loyer bei der Enthüllung der Statue Cadet-Gassicourts gelesen? Ein glänzendes Debüt! Loyer hat sehr viel politische Einsicht.«
Sie fuhren durch weidengesäumte Wiesen, nahmen eine Steigung und waren auf einer weiten waldigen Ebene. Eine Zeitlang rollte der Wagen an der Mauer eines Parkes hin. Soweit das Auge reichte, lief die Straße im feuchten Schattendunkel.
»Ist das Guerric?« fragte die Prinzessin Seniavine.
Jetzt wurde plötzlich ein verschlossenes Gittertor mit der eisernen Marquiskrone darüber zwischen zwei von Löwen gekrönten steinernen Pfeilern sichtbar, und durch die Eisenstäbe erblickte man am Ende einer schattigen Lindenallee die grauen Steinmauern des Schlosses.
»Ja«, sagte Montessuy, »das ist Guerric.« Dann wandte er sich an Thérèse: »Du hast den Marquis de Ré ja gut gekannt. Er hatte sich noch mit fünfundsechzig Jahren seine volle Jugendkraft bewahrt. Er war tonangebend in allem, was die Mode betraf, und wurde viel geliebt. Die jungen Leute kopierten seinen Gehrock, sein Monokel, seine Art sich zu bewegen, seine Eigenheiten und seine noble Unverschämtheit. Aber plötzlich verschwand er aus der Gesellschaft. Sein Haus wurde zugeschlossen, seine Pferde verkauft, und er selbst zeigte sich nicht mehr. Erinnerst du dich nicht mehr, Thérèse? Du warst damals erst kurze Zeit verheiratet, und er verkehrte viel bei euch. Eines Tages erfuhr man, daß er Paris verlassen hatte. Er war mitten im Winter hierher nach Guerric gezogen. Natürlich forschte man nach der Ursache dieses plötzlichen Rückzuges, und es wurde vermutet, daß irgendein Schicksalsschlag – vielleicht die Demütigung einer ersten Niederlage und die Angst, vor den Augen der Welt zu altern – ihn dazu getrieben habe. Das Alter war ja das, was er am meisten fürchtete. Während der sechs Jahre, die er jetzt schon in dieser Zurückgezogenheit lebt, hat er tatsächlich sein Schloß und seinen Park niemals verlassen. Er sieht in Guerric nur zwei oder drei alte Herren, mit denen er seine Jugend gemeinsam verlebt hat. Nur für sie öffnet sich dieses verschlossene Gitter. Sonst hat kein Mensch ihn je wiedergesehen, und es wird ihn auch niemand zu Gesicht bekommen. Er verbirgt sich vor der Welt mit derselben Energie, mit der er einst in der Welt seine Rolle spielte. Er litt nicht, daß man seinen Verfall belauert. Er ist lebend tot. Und ich kann das nicht verachten.«
Thérèse dachte an den liebenswürdigen alten Herrn, der einst mit ihr seine galante Laufbahn ruhmreich hatte beschließen wollen. Sie wandte sich um und blickte auf das Schloß, dessen vier erkerbewehrte Türme über die grauen Eichenwipfel emporragten.
Als sie zurückgekehrt waren, schützte sie Migräne vor und erklärte, daß sie nicht zum Diner erscheinen würde. Dann schloß sie sich in ihr Zimmer ein, nahm den Brief, der ihr so viel Kummer bereitete, aus ihrem Schmuckkasten. Sie las die letzte Seite noch einmal durch. »Der Gedanke, daß Du einem andern angehörst, brennt in mir und zerreißt mir das Herz. Und ich wollte wenigstens, daß es nicht gerade der wäre.«
Das war zur fixen Idee bei ihm geworden. Dreimal auf der selben Seite sagte er: »Ich wollte nur, daß es nicht gerade der wäre.«
Und auch sie hatte nur einen Gedanken: sie wollte ihn nicht verlieren.
Um ihn nicht zu verlieren, hätte sie alles gesagt, alles getan.
Sie setzte sich an den Tisch und schrieb in einem Ausbruch eindringlicher, schmerzlich-tiefer Zärtlichkeit einen Brief. Wie ein Angstschrei kehrten immer die Worte wieder: »Ich liebe Dich, ich liebe Dich. Ich habe nur Dich geliebt. Sieh, Du allein füllst mein Herz, mein ganzes Sein aus, nur Du. Höre nicht auf einen Elenden. Höre auf mich. Ich schwöre Dir, ich habe niemanden geliebt, niemals vor Dir geliebt.«
Und während sie schrieb, vermischte der ewige Seufzerhauch des Meeres sich mit den Seufzern, die aus ihrer Brust drangen. Sie wollte wahr sein und glaubte selbst, daß sie die Wahrheit sagte. Und es war auch alles wahr, was sie ihm schrieb, weil es aus ihrer tiefen, wahren Liebe hervorging.
Als sie dann den sicheren, schweren Schritt ihres Vaters auf der Treppe hörte, verbarg sie den Brief und öffnete die Tür. Montessuy fragte zärtlich, ob ihr noch nicht besser sei.
»Ich wollte dir gute Nacht sagen und dich um etwas fragen. Wahrscheinlich werde ich Le Ménil morgen bei den Rennen treffen. Er ist ein Gewohnheitsmensch und kommt alle Jahre dorthin. Und wenn ich ihn nun treffe, Liebling – würdest du etwas dagegen haben, wenn ich ihn einlade, ein paar Tage hier zuzubringen? Dein Mann meint, es würde eine angenehme Zerstreuung für dich sein. Wir könnten ihm das blaue Zimmer geben.«
»Ganz wie du willst. Aber es wäre mir lieber, wenn du das blaue Zimmer für Paul Vence reserviertest, der große Lust hat, herzukommen. Und es ist ebenfalls möglich, daß Choulette kommt, ohne sich vorher anzumelden. Das ist so seine Gewohnheit. Wahrscheinlich wird er eines Tages wie ein Bettler an der Haustür läuten. Übrigens irrt sich mein Mann, wenn er glaubt, Le Ménil sei mir sympathisch. Und außerdem muß ich nächste Woche auf ein paar Tage nach Paris.«