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Vierzehntes Kapitel.

Berichtet verschiedene denkwürdige nächtliche Abenteuer, worin Herr Adams theils aus Gutherzigkeit, theils aus Unbedacht in mancherlei Bedrängniß gerieth.


Ungefähr eine Stunde, nachdem sie sich Alle getrennt hatten (es war schon drei Uhr Morgens vorbei), fiel Didepper, dem die Leidenschaft für Fanny kein Auge zu schließen erlaubt hatte, nach langem Umherschwärmen seiner Phantasie endlich doch ein Mittel ein, durch welches er seine Begierden befriedigen zu können hoffte. Er hatte seinem Kammerdiener aufgetragen, sich zu erkundigen, wo Fanny schlafe, und war davon unterrichtet worden; er stand jetzt auf, zog Beinkleider und Schlafrock an, und schlich sich leise an den Gang, der zu dem Schlafzimmer führte. So kam er an eine Thür, die er, weil er sie für die rechte hielt, mit so wenig Geräusch als möglich öffnete, und in eine Kammer trat. Hier drang ihm ein Duft in die Nase, den er in dem Schlafgemach eines so süßen jungen Geschöpfs schwerlich erwartete, und der wahrscheinlich auf einen weniger feurigen Liebhaber nicht die beste Wirkung gemacht haben würde. Er ließ sich aber dadurch nicht abschrecken, sondern tappte mit vieler Mühe, da es ganz dunkel war, zum Bette. Jetzt öffnete er die Vorhänge und flüsterte, Josephs Stimme nachahmend (denn er war stark in solchen Künsten): »Fanny, mein Engel, ich komme, um Dir zu sagen, daß ich die Unwahrheit der Geschichte, die wir gestern hörten, entdeckt habe. Ich bin jetzt nicht mehr Dein Bruder, und will nicht einen Augenblick länger meine sehnlichsten Wünsche zurückgewiesen sehen. Meine Beständigkeit ist Dir zu wohl bekannt, als daß Du an der Erfüllung meiner Gelübde vor dem Altar Zweifel hegen könntest, und entzögest Du mir jetzt noch den Besitz Deiner Reize, so müßte ich glauben, daß Du mich nicht liebst.« – Mit diesen Worten schlüpfte er aus den wenigen Kleidern, die er anhatte und sprang ins Bette, seinen vermeintlichen Engel mit größter Inbrunst umarmend. War er erstaunt, keine Antwort zu erhalten, so wurde er hingegen nicht wenig durch den zärtlichen Empfang überrascht, der ihm zu Theil wurde; er blieb freilich nicht lange in dieser süßen Betäubung, denn sowohl er als der Gegenstand seiner Sehnsucht entdeckten schnell ihren Irrthum. In der That, die Person, mit der er sich eingelassen, war keine andere, als die holde Slipslop; aber obgleich sie auf der Stelle errieth, wen sie anfangs für Joseph gehalten hatte, so wußte Didepper sich immer noch nicht zu erklären, wer die Stellvertreterin Fanny's sein könne, und die Zofe hatte er bisher so wenig gesehen oder beachtet, daß er selbst bei Licht schwerlich auf die rechte Spur gekommen sein dürfte. Kaum hatte er seinen Mißgriff bemerkt, als er versuchte, noch hastiger aus dem Bett zu springen, als er hineingeschlüpft war; aber die wachsame Slipslop verhinderte ihn daran; denn da dieses verständige Frauenzimmer sich so schmählich um alle die Freuden gebracht sah, die ihre Phantasie ihr schon versprochen hatte, so beschloß sie, ihrer Tugend sofort ein Opfer darzubringen. Die Wahrheit zu sagen, sie bedurfte irgend eines Anlasses, gewisse Wunden zu heilen, welche, wie sie fürchten mußte, ihr Benehmen in der letzten Zeit ihrem guten Rufe zugezogen hatte, und da sie sich einer wundersamen Geistesgegenwart erfreute, so schien ihr der unglückliche Stutzer recht absichtlich in den Weg geworfen zu sein, um ihre allen Angriffen widerstehende Keuschheit bei ihrer Gebieterin wieder in Ansehen zu setzen. In dem Augenblick daher, da er aus dem Bett flüchten wollte, hielt sie ihn bei einem Zipfel seines Hemdes zurück, und schrie zugleich, so laut sie konnte: »O Du Bösewicht? der auf meine Ehre einen Angriff gewagt, und während meines Schlafes, glaube ich, mich zu Grunde gerichtet hast! Vor Gericht will ich beschwören, daß Du mir Gewalt angethan; mit der grimmigsten Rache will ich Dich verfolgen.« – Der Stutzer bot alle seine Kräfte auf, um zu entkommen, aber sie hielt ihn zu fest, und wenn er sich losringen wollte, schrie sie einmal über's andere: »Mord! Mord! Feuer! Nothzucht! Hülfe Hülfe!« – Pfarrer Adams, der in der anstoßenden Kammer noch wachte, weil ihn des Hausirers Mittheilungen nicht einschlafen ließen, sprang, als er dieses Geschrei vernahm, aus dem Bette, und rannte, ohne sich zur Anlegung nur des kleinsten Kleidungsstückes Zeit zu nehmen, in das Zimmer, von wo der Lärm zu ihr drang. Er tappte im Finstern grade auf das Bett zu, wo er, weil des Stutzers Haut, die ungemein zart und sanft war, ihm zuerst unter die Hände kam (denn die Slipslop hatte ihm sein Hemde fast abgerissen) und des Unglücklichen an die Zofe gerichtete leise Bitte, ihn los zu lassen, ihm keinen Zweifel ließ, dies sei das bedrängte junge Frauenzimmer, zur Bestärkung in dieser Annahme noch überdies der Slipslop Kinn, dem es nicht an einem rauhen Barte fehlte, zu fassen bekam. Nachdem er daher dem Stutzer wieder zu der Freiheit verholfen hatte, die dieser sofort zum Davonlaufen benutzte, wandte er sich gegen die Slipslop, und empfing von ihr einen solchen Backenstreich, daß er in hell aufloderndem Zorn sich heftig zur Vergeltung anschickte, und hätte der Schlag, der im Dunkeln die Slipslop verfehlte, und nur auf das Kopfkissen fiel, ihre Person getroffen, so würde er wahrscheinlich der letzte für sie gewesen sein. Adams hatte zu weit ausgeholt, und fiel jetzt grade auf die Slipslop, die ihn nach Kräften kratzte und stieß, so daß er nicht umhin konnte, sich mit derben Püffen zu vertheidigen, die jedoch zum Glück in der Dunkelheit nicht alle trafen. Sie rief endlich, sie sei ein Frauenzimmer, aber Adams erwiederte, der Teufel möge sie wohl sein, doch solle ihn das nicht hindern, sich gegen sie zu wehren; und da er eben einen Stoß von ihr an die Kinnlade erhielt, verehrte er ihr ein solches Vergißmeinnicht unter die kurzen Rippen, daß sie ein das ganze Haus durchschallendes Gebrüll erhob. Nun faßte Adams sie bei den Haaren (denn ihre Nachthaube hatte sich in dem Kampf verschoben), drückte ihren Kopf in das Kissen hinein, und vereinigte sich mit ihr in dem Geschrei nach Licht.

Lady Borby, die so wenig einschlafen konnte, als mehrere von ihren Gästen, war schon seit einiger Zeit aufmerksam geworden, und, von Natur beherzt, stand sie schnell auf, schlüpfte in Nachtrock und Pantoffeln, nahm ein Licht, das während der Nacht immer in ihrem Zimmer brannte, und eilte mit unerschrockenem Muth nach der Slipslop Kammer, wo sie eben eintrat, als Herr Adams durch die zwei Vorgebirge, welche die Zofe vor sich trug, der Thatsache auf die Spur gekommen war, daß er mit einem Frauenzimmer im Kampf begriffen sei. Er hielt sie nun für eine Hexe, und dachte bei sich, die besagten Erhabenheiten seien Nahrungsquellen für Teufelsbrut. Sobald die Slipslop ihre Gebieterin eintreten sah, schrie sie: »Hilfe, oder es ist um meine Ehre geschehen!« und Adams, der sich beim Schimmer des Lichts schnell umgeschaut hatte, sah die Lady am Fuße des Bettes stehen, wie sie denn auch ihn nunmehr erkannte, obschon die Sittsamkeit, als sie bemerkte, wie wenig bekleidet der Pfarrer war, ihr nicht gestattete, noch näher zu treten. Nun hub sie an, Herrn Adams mit Vorwürfen zu überhäufen, nannte ihn den abscheulichsten Bösewicht, und hielt ihm besonders die Frechheit vor, mit der er ihr Haus zum Schauplatz seiner Unzucht, ihr Kammermädchen zum Gegenstand seiner Ausschweifungen erkiese. Der arme Mann, der bereits das Gesicht seiner Bettgenossin erkannt hatte, und dem erst jetzt einfiel, daß er fast nackt sei, fühlte nicht weniger Scham bei diesem Gedanken, als Lady Borby bei dem Anblick selbst, und schlüpfte sofort unter die Bettdecke, von wo die keusche Slipslop ihn vergebens zu vertreiben suchte. Hierauf steckte er den Kopf hervor, der mit einer flanellenen Nachtmütze geziert war, und, seine Unschuld betheuernd, bat er die Slipslop tausendmal um Verzeihung für die ihr zugetheilten Schläge, indem er sich mit der Versicherung zu entschuldigen suchte, er habe sie für eine Hexe gehalten. Lady Borby, die jetzt zufällig die Augen niederschlug, sah etwas auf dem Fußboden schimmern, das sie bei näherer Besichtigung für ein paar schöne diamantene Hemdenknöpfchen erkannte, und nicht weit davon lag ein mit Spitzen-Manschetten besetzter Hemdeärmel. – »Mein Himmel,« rief sie, »was soll das heißen?« – »O gnädige Frau,« sagte die Slipslop, »ich weiß nicht, was alles vorgefallen ist, ich war so erschrocken. Es mögen wohl ein Dutzend Mannspersonen hier in der Kammer gewesen sein.« – »Wem gehört dieser Hemdeärmel und die Juwelen da?« fragte die Lady. – »Ohne Zweifel,« rief der Pfarrer, »dem jungen Herrn, den ich für ein Frauenzimmer hielt, was denn alle nachherigen Mißverständnisse veranlaßte; denn hätt' ich gewußt, daß es ein Mann war, ich wollte ihn schon festgehalten haben, und wäre er ein zweiter Herkules gewesen; so aber schien er mir mehr dem Hylas zu gleichen.« – Dann stattete er Bericht ab, wie er aus dem Bett gesprungen und was darauf bis zum Eintreten der Lady vorgefallen sei; worüber sie, da zugleich nur die Köpfe der beiden Bettkameraden in den entgegengesetzten Seiten des Betts sichtbar waren, sich eines lauten Gelächters nicht enthalten konnte; auch bestand die Slipslop nicht mehr darauf, den Pfarrer böser Absichten gegen ihre Unschuld zu bezüchtigen. Die Lady hieß ihn daher, sobald sie sich zurückgezogen haben würde, sein Bett wieder aufsuchen, und befahl im Abgehen der Zofe, aufzustehen und ihr bald nachzufolgen. Als sie fort war, erneuerte der Pfarrer seine Bitten um Verzeihung, welche ihm denn auch mit der christlichsten Milde zugestanden ward; ja, die Slipslop ließ es dabei nicht bewenden, sondern begann sogar mit der größten Artigkeit, ihm näher zu rücken, was er jedoch nur als eine Andeutung nahm, sich zu entfernen. Er verließ daher sofort das Bett, um nach dem seinigen zurückzukehren, wendete sich aber zum Unglück auf dem Gange links statt rechts, und kam in die Kammer, worin Fanny sich befand, welche (wie der Leser sich erinnern wird) in der vorigen Nacht kein Auge zugethan, und den Tag über so viel Herzleid erlebt hatte, daß sie trotz aller ihrer Gedanken an Joseph nunmehro in einen äußerst tiefen Schlaf gefallen war, woraus sie selbst der Lärm in dem anstoßenden Zimmer nicht hatte erwecken können. Adams tastete sich zum Bette hin, hob leise die Decke auf – eine Sitte, an die seine Frau, damit er sie nicht etwa im Schlummer störe, ihn längst gewöhnt hatte – kroch hinein, und drückte sich an die Bettkante – den von seinem guten Weibe ihm von jeher angewiesenen Platz.

Wie das Kätzchen oder der Schooßhund irgend einer holden Schönen, für welche zehntausend Liebhaber schmachten, ruhig an der Seite des reizenden Mädchens liegt, und, nichts von dem Wonneschauplatz ahnend, worauf sie mit ihr ruhen, nur auf den beabsichtigten Fang einer Maus oder auf einen verstohlenen Besuch in der Speisekammer bedacht sind; so lag Adams an Fanny's Seite, unbekannt mit dem so nahen Paradiese; auch vermochten die süßen Düfte ihres reinen Hauchs nicht die Dünste des Tabaks zu durchdringen, die in seinem Geruchsorgan noch vorwalteten. So war denn der gute Mann eben eingeschlummert, als Joseph, der im Geheim mit Fanny verabredet hatte, bei Tagesanbruch zu ihr zu kommen, leise an die Kammerthür klopfte, und nachdem dies zweimal wiederholt worden, rief der endlich erwachende Adams: »Herein, wer es auch sei!« Joseph glaubte, sich in der Thüre geirrt zu haben, obgleich er von Fanny die genaueste Anweisung erhalten hatte; da er jedoch seines Freundes Stimme erkannte, so trat er ein, und das Erste, was er erblickte, waren einige auf einem Stuhl liegende weibliche Kleidungsstücke. Fanny erwachte nun auch, und rief, da sie ihre Hand ausstreckte und mit des Pfarrers Backenbart in Berührung kam: »O, Himmel wo bin ich?« – »Alle Tausend, wo bin ich?« schrie Adams. Jetzt kreischte Fanny vor Angst auf, Adams sprang aus dem Bett, und Joseph stand, wie die Trauerspieldichter es zu nennen pflegen, »gleich der Bildsäule des Erstaunens da.« – »Wie ist sie in meine Kammer gekommen?« rief Adams. – »Wie kamen Sie in Fanny's Kammer?« rief Joseph dagegen. – »Ich weiß von allem kein Wort,« erwiederte Adams, »als daß sie für mich eine Vestalin geblieben ist. – So wahr ich ein Christ bin, ich könnte nicht sagen, ob sie männlichen oder weiblichen Geschlechts ist. Der ist ein Ungläubiger, der Hexerei leugnet; Hexen giebt's noch jetzt so gewiß, als in den Tagen Sauls. Meine Kleider sind mir auch weggehext – und Fanny ist dafür hergehext.« – Er glaubte, wie man sieht, noch immer, er sei in seiner Kammer; aber Fanny stritt auf's heftigste dawider, und sagte, sein Versuch, gegen Joseph eine solche Unwahrheit zu behaupten, sei ein Beweis seiner böslichen Absichten. – »Wie?« schrie Joseph wüthend, »hat er sich gegen Dich vergangen?« – worauf sie antwortete, sie könne ihn nur beschuldigen, daß er sich zu ihr ins Bett gestohlen, was wohl schon Vergehens genug sei, und kein Mann ohne schlimme Absichten thun würde.

Josephs hohe Meinung von Adams war nicht leicht zu erschüttern; und da er von Fanny hörte, daß hier weiter kein Unglück geschehen sei, wurde er etwas ruhiger, vermochte sich aber immer die Sache noch nicht zu erklären, denn da er im Hause genau bekannt war und wußte, daß die Schlafkammer für die Frauenzimmer an der Seite lagen, wo der Slipslop ihre Wohnung angewiesen war, die der männlichen Gäste dagegen an der andern Seite, so konnte er nicht daran zweifeln, daß er wirklich in Fanny's Schlafgemach sey. Dies versicherte er denn den Pfarrer, und drang auf eine Erklärung, wie dieser hierherkomme. – Herr Adams, der in seinem Hemde dastand (ohne daß indeß, da die Vorhänge des Betts zugezogen waren, Fanny's Schamhaftigkeit dadurch hätte verletzt werden können) berichtete Alles, was vorgefallen war, worauf Joseph ihm sagte, es sei offenbar, daß er sich verirrt habe, und rechts statt links gegangen sei. – »Potz Tausend,« rief der Pfarrer, »so wird es wohl sein; Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, Joseph, darauf wollte ich wetten.« – Er wandelte jetzt, sich die Hände reibend, im Zimmer umher, und bat Fanny unter wiederholter Versicherung, wie er nicht wisse, ob sie eine Mannsperson oder ein Frauenzimmer sei, tausendmal um Verzeihung. Das unschuldige Geschöpf, das ihm jedes Wort glaubte, sagte, sie sei nicht mehr böse, und bat Joseph, den Pfarrer nach dessen Schlafgemach zu führen, wo er selbst verweilen möge, bis sie sich angekleidet habe. Joseph und Adams entfernten sich demgemäß, und der Letztere sah bald vollkommen ein, daß er sich verirrt habe; betheuerte aber während des Ankleidens aufs Neue, er glaube dennoch an Hexerei, und begreife nicht, wie ein Christ sie leugnen könne.


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