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Achtes Kapitel.

Welches manche Leser zu kurz, andere dagegen zu lang finden werden.


Adams und Joseph, welcher letztere über die seinem Freunde widerfahrene Behandlung nicht weniger entrüstet war, als dieser selbst, schritten von dannen, ihre Stöcke in der Hand, und führten Fanny mit sich, trotz der Einsprache der Bedienten, die Alles, nur Gewalt nicht, versuchten, sie von ihrem Vorhaben abzuhalten. Alle drei gingen nun so schnell sie konnten, nicht so sehr aus Furcht, verfolgt zu werden, als damit Herr Adams sich durch Bewegung gegen die möglichen schädlichen Folgen der Erkältung schützen möge. Der Hausherr, der seinen Bedienten in Beziehung auf Fanny solche Befehle ertheilt hatte, daß er nichts weniger als ihre Flucht vermuthete, hörte nicht sobald von dieser, als er zu wüthen begann und sofort einen großen Theil seiner Dienerschaft mit dem Auftrag aussandte, sie zurückzubringen oder sich nie wieder vor ihm blicken zu lassen. Der Dichter, der Kapitain und der Schauspieler machten sich in gleicher Absicht auf den Weg, und nur der Tanzmeister und der Doktor blieben zurück.

Es war schon sehr dunkel, als unsere Freunde ihre Wanderung antraten, doch schritten sie so wacker zu, daß sie bald in einem drei Stunden entfernten Wirthshause anlangten. Hier beschlossen sie einstimmig zu übernachten, da Herr Adams wieder so trocken war, als vor der Uebernahme seiner Gesandtschaft.

Dieses Wirthshaus, das wir lieber eine Schenke nennen möchten, wenn nicht die Worte: »Das neue Wirthshaus,« das Schild geziert hätten, bot ihnen keine bessere Lebensmittel dar als Brot und Käse und Bier, was sie sich jedoch auch wohl schmecken ließen, denn der Hunger ist bekanntlich besser wie ein französischer Koch.

Als sie ihr Abendessen beendigt hatten, erhob Adams seine Hände zum Dank für diese Kost, erklärte, sie habe, so alltäglich sie sei, ihm besser gemundet, wie ein köstliches Mittagsmahl, und sprach sich heftig gegen die Thorheit der Menschen aus, ihre Hoffnungen auf den Himmel der Erwerbung großer Schätze aufzuopfern, da selbst in Niedrigkeit und Armuth so viel Genuß zu finden sei. – »Sehr wahr, Sir,« sprach ein ernsthafter Mann, der am Kamin seine Pfeife rauchte, und gleichfalls in dem Wirthshaus übernachtete, »es hat mich oft nicht weniger als Sie befremdet, welchen Werth die Menschen im allgemeinen auf Reichthümer legen, da doch die tägliche Erfahrung uns lehrt, wie wenig diese zu unserm Wohl beitragen; denn was können sie wahrhaftes Wünschenswerthes uns gewähren? Können sie etwa den Ungestalteten schön, den Schwachen kräftig oder den Kranken gesund machen? O wahrlich, dann würden nicht so viele häßliche Gesichter die Assembleen der Großen verunzieren, noch würde solch eine Menge entnervter Schwächlinge in den Kutschen und Palästen derselben ihr elendes Dasein fristen. Nein, nicht mit dem Schah eines Königreichs kann man eine Schminke erkaufen, um ekelhafte Bleichheit in die frische blühende Farbe jenes jungen Mädchens zu verwandeln, noch eine Arznei, die einem ausgemergelten Körper mit der Kraft dieses jungen Mannes ausrüsten könnte. Bringen Reichthümer uns nicht statt der Ruhe Sorgen, statt des Wohlwollens Neid, statt der Sicherheit Gefahr? Steht es in ihrer Macht, ihren eigenen Besitz zu verlängern, oder die Tage dessen, dem sie zufielen? Im Gegentheil, die durch sie herbeigeführte Trägheit, Schwelgerei und Sorge verkürzen das Leben von Tausenden und stürzen sie mit Kummer und Gram in ein zu frühzeitiges Grab. Worin liegt denn ihr Werth, wenn Sie unsern Körper weder verschönern noch erkräftigen, unser Leben weder versüßen noch verlängern können? Und wirken sie etwa auf unsere Seele, auf unser Gemüth wohlthätiger als auf den Körper? – Schwellen sie nicht vielmehr das Herz mit Eitelkeit an, blasen sie die Backen nicht durch Hochmuth auf, verstopfen sie die Ohren nicht vor jedem Ruf der Tugend, und verhärten sie uns nicht gegen jede Aufopferung des Mitleids?« – »Ihre Hand, Herr Bruder,« rief Adams voll Entzücken, »denn ich vermuthe, daß Sie ein Geistlicher sind.« – »Das nicht,« antwortete Jener (denn er war wohl ein Geistlicher, aber von der römischen Kirche, und wer etwas von unsern Gesetzen weiß, den wird es nicht befremden, daß er nicht gleich bereit war, sich als solchen zu erkennen zu geben). – »Was Sie auch sein mögen,« fuhr Adams fort, »Sie haben mir aus der Seele gesprochen; über jede Silbe, die aus Ihrem Munde gekommen ist, habe ich wohl schon zwanzigmal gepredigt, denn mir hat's immer weit leichter geschienen, daß ein Ankertau (welches, beiläufig gesagt, die wahre Bedeutung des Worts ist, das wir Kameel übersetzt haben) durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher in den Himmel komme.« – »Dies, Sir,« sprach der Andere, »werden Ihnen alle Gottesgelehrte zugeben, und es ist leider nur zu wahr; da aber die Aussicht auf unser entferntes Wohl keinen so tiefen Eindruck auf uns macht, so dürfte man den Menschen keinen geringen Dienst erzeigen, wenn man ihnen begreiflich machte – was bei einigem ernsten Nachdenken ihnen doch zu fassen nicht schwer werden könnte, – daß selbst die Segnungen dieser Welt mit Reichthum nicht zu erkaufen sind; eine meiner Ansicht nach nicht nur metaphysisch, sondern, wenn ich so sagen darf, selbst mathematisch erweisliche Lehre, von der ich meines Theils nimmer so vollkommen überzeugt gewesen bin, daß mir nichts so verächtlich ist als Gold.« – Hierauf begann Adams eine lange Rede, da aber das meiste von Dem, was er sagte, in vielen über diesen Gegenstand geschriebenen Büchern zu finden ist, so will ich es hier übergehen. Während er noch seine Ansichten entwickelte, begaben Joseph und Fanny sich in die ihnen angewiesenen Schlafkammern, und auch der Wirth verließ das Zimmer. Als der englische Pfarrer seine Rede beendigt hatte, nahm der römisch katholische den Gegenstand wieder auf, aber mit steigender Erbitterung, und schloß endlich, indem er Herrn Adams ersuchte, ihm achtzehn Pence zu leihen, damit er seine Rechnung bezahlen könne, wobei er zugleich versprach, wenn er seine Schuld nicht sollte wiedererstatten können, so werde er doch gewiß seiner im Gebet gedenken. Der gute Pfarrer antwortete, achtzehn Pence würden nicht weit reichen, er habe eine halbe Guinee in der Tasche, und die wolle er gern mit ihm theilen. Er suchte nun nach dem Gelde, konnte es aber nirgens finden, denn die Gesellschaft, mit der er gespeist, hatte sich auch einen Spaß mit ihm erlaubt, den wir früher nicht mit aufführten, und ihm den ganzen Schatz entwendet, der ihnen zur Schau gestellt worden war.

»Himmel,« rief Adams, »ich muß das Geld verloren haben, denn ich wüßte nicht, wo ich es ausgegeben haben sollte. Sir, so wahr ich ein Christ bin, ich hatte diesen Morgen eine halbe Guinee in der Tasche, und jetzt finde ich keinen halben Penny mehr davon; der Teufel muß es mir aus der Tasche gehext haben.« – »Sir,« antwortete der Priester lächelnd, »es bedarf dieser Entschuldigungen nicht; wollen Sie mir das Geld nicht leihen, so hat es auch nichts zu sagen« – »Sir,« schrie Adams, »und besäße ich die größte Summe, die sich nur denken läßt, ja hätte ich zehn Pfund bei mir, sie alle wollte ich hingeben, irgend einem Christenmenschen in der Noth zu helfen. Mein Verlust schmerzt mich mehr um Ihret-, als um meinetwillen. – Hat man je so was gehört? – Weil ich kein Geld in der Tasche habe, soll ich kein Christ sein.« – »Ich bin umso unglücklicher,« sprach der Andere, »wenn Sie wirklich so großmüthig sind, wie Sie sagen; denn fürwahr, ein Kronenthaler hätte mich glücklich gemacht, und wäre mehr als genug bis zum Ziel meiner Reise gewesen, welches kaum fünf Meilen entfernt ist, und das ich morgen Abend erreichen kann. Ich versichere Sie, ich bin nicht gewohnt, ohne Geld zu reisen. Ich kam erst vor kurzem in England an, und mußte, durch einen Sturm während der Ueberfahrt dazu gezwungen, all mein Hab und Gut über Bord werfen. Zwar zweifle ich keineswegs, daß der Wirth hier im Hause für die Kleinigkeit, die ich ihm verschulde, mein Wort annehmen wird, aber ich scheue es, mich vor solchen Leuten zu dem Bekenntniß, daß ich keinen Schilling bei mir habe, herabzulassen, denn diese und leider zu viele andere noch machen wenig Unterschied zwischen einem Bettler und einem Diebe.« – Da der Geistliche jedoch glauben mochte, diesen Abend mit dem Wirthe besser fertig zu werden, als am andern Morgen, so beschloß er trotz der Finsterniß sich sogleich aufzumachen, und sobald der Wirth wieder eintrat, unterrichtete er ihn von dem Zustand seiner finanziellen Angelegenheiten, worauf Jener, sich hinter den Ohren kratzend, antwortete: »Je nun Herr, ich weiß weiter nicht, wenn's aber einmal so ist, und Sie kein Geld haben, so muß ich Ihnen wohl borgen, obgleich ich freilich immer lieber baare Münze sehe. Sie scheinen mir übrigens ein ehrlicher Mann zu sein, so daß ich wegen der Zahlung außer Sorgen bin, wenn's auch zwanzigmal mehr wäre.« – Der Priester gab keine Antwort, sondern verabschiedete sich eiligst von dem Wirth und Herrn Adams nicht ohne Beschämung und wahrscheinlich auch nicht ganz ohne Mißtrauen gegen des Letztern guten Willen.

Kaum hatte er sich entfernt, als der Wirth mit Kopfschütteln erklärte, wenn er geglaubt hätte, daß der Mensch ohne Geld sei, würde er ihm nicht einen Tropfen Bier eingeschenkt haben; auch fügte er hinzu, er habe sein Gesicht gewiß zum Letztenmal gesehen, denn solch eine Galgenphysiognomie sei ihm lange nicht vorgekommen. – »Hol' ihn der Henker,« schrie er, »nach seinem vielen Schwatzen über den Reichthum hätte ich wenigstens einhundert Pfund in seiner Tasche vermuthet.« – Adams machte ihm Vorwürfe wegen des schlimmen Verdachts, der einem guten Christen nicht gezieme, und verfügte sich hierauf, ohne an seinen Verlust zu denken, oder zu erwägen, wie er selbst am andern Morgen fortkommen solle, in ein eben so schlechtes Bett, als jedem seiner Reisegefährten angewiesen worden war, worin aber Gesundheit und Ermüdung ihnen eine süßere Ruhe verliehen, als oft auf Sammt und Eiderdaunen zu finden ist.


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