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Sechstes Kapitel.

Joseph Andrews moralische Betrachtungen, nebst dem Jagdabenteuer, und des Pfarrer Adams wunderbare Rettung.


»Ich habe mich oft gewundert, Sir,« begann Joseph, »so wenig Beispiele von Mildthätigkeit unter den Menschen zu finden; denn wollte Einer auch nicht aus gutem Herzen den Nächsten in seinem Unglück unterstützen, so dächte ich, müßte ihm schon der Ehrgeiz ein Antrieb dazu sein. Was veranlaßt denn Jemanden, schöne Häuser zu bauen, elegantes Hausgeräth, Gemälde, Kleider und andere Gegenstände theuer zu kaufen, wenn nicht der Ehrgeiz zu Grunde liegt, mehr als Andere geachtet zu werden? Würde nun aber nicht eine auffallend wohlthätige Handlung – wenn Einer zum Beispiel eine arme Familie vor allem Elend der Armuth rettete, einen unglücklichen Handwerksmann durch einen Vorschuß in Stand setzte, durch Fleiß und Arbeit sich wieder aufzuhelfen, einen durch harte Unglücksfälle zu Grunde gerichteten Schuldner aus dem Gefängniß befreite, oder etwas dem Aehnliches – einem Menschen mehr Achtung und Ehre erwerben, als alle mögliche Pracht in Häusern, Hausgeräth, Gemälden oder Kleidungsstücken? Ich denke, nicht nur Der, dem die Wohlthat selbst widerführe, sondern wer nur immer sonst den Namen eines so guten Menschen hörte, müßte diesen bei Weitem mehr verehren, als den Besitzer aller jener Gegenstände, deren Bewunderung eigentlich mehr dem Baumeister, Tischler, Maler, Spitzenwirker, Schneider u.s.w., durch deren Geschicklichkeit und Talent sie angefertigt wurden, zugestanden wird, als Dem, der sie für sein Geld in seinen Besitz erwirbt. Was mich betrifft, wenn ich als Bedienter hinter meiner gnädigen Frau in einem Zimmer voll schöner Gemälde stand, und diese in Augenschein nahm, so habe ich nie dabei an den Besitzer derselben gedacht, und Andere, so viel ich bemerken konnte, eben so wenig; denn auf die Frage, wessen Gemälde das sei, erfolgte nie als Antwort der Name des Hausherrn, sondern Ammiconi, Paul Farnes, Hannibal Scakschi, oder Hogarthi, welches, wie ich mir denke, die Namen der Maler sein werden. Würde ich dagegen gefragt, wer den und den aus dem Schuldgefängniß befreit, jenem zu Grunde gerichteten Handwerksmann Geld vorgestreckt, damit er sich wieder aufhelfen könne, diese armen kleinen Kinder gekleidet hätte, so sieht man leicht ein, wie die Antwort lauten müßte. Ueberdem sind die vornehmen Leute sehr im Irrthum, wenn sie glauben, auf die eben beschriebene Weise Ehre zu erwerben, denn ich wüßte nicht, daß ich je mit meiner gnädigen Frau in einem Hause gewesen wäre, wo sie die Möbeln, Zimmer u.s.w. gelobt hätte; sie machte sich vielmehr, wenn sie zurückkam, über Alles von Herzen lustig, und meine Kameraden haben mir gesagt, daß es ihre Herrschaften eben so trieben. Nun aber möchte ich den weisesten Mann in der Welt sehen, der eine wirklich gute That lächerlich machen könnte; ja, den möchte ich sehen. Wer es versuchen wollte, würde selbst ausgelacht werden, statt Andere lächerlich zu machen. Fast kein Mensch thut Gutes, und doch ist zum Lobe Dessen, der es thut, nur eine Stimme. Es ist wirklich auffallend, daß Jeder gute Thaten anpreist, und fast Keiner sich die Mühe giebt, dieses Lob selbst zu verdienen, während Alle sich heftig gegen Untugenden erklären und doch mit Eifer darnach streben, selbst das zu werden, was sie so sehr tadeln. Wie das zugeht, weiß ich nicht; aber Jedem, der in der Welt gelebt hat, wie ich die drei letzten Jahre, ist's klar wie der Tag.« – »Sind denn alle vornehme Leute so?« – fragte Fanny. – »Ausnahmen giebt's wohl allerdings noch,« versetzte Joseph; »hin und wieder erzählte ein Kamerad eine gute Handlung von seiner Herrschaft; und Herrn Pope, den großen Dichter, habe ich an der gnädigen Frau Tafel Geschichten erzählen hören von einem Manne, der an einem Orte, Roff genannt, lebte, und dann wieder von einem zu Bath, einem gewissen Al – Al – ich kann mich auf den Namen nicht gleich besinnen, es steht aber im Versebuch. Nun dieser hatte auch ein stattliches Haus bauen lassen, das Herrn Pope wohl gefiel, aber seine Mildthätigkeit ist weiter zu sehen, als sein Haus, obgleich dieses auf einem hohen Hügel steht – ja, und bringt ihm auch mehr Ehre. Seiner Menschenliebe wegen ist er in das Buch gekommen, worin Herr Pope, wie er sagt, Alle setzt, die es verdienen; nun aber müßte er, da er immer unter den Vornehmen lebt, die Guten darunter doch kennen, wenn's welche gäbe.« – Dieses die ganze Rede des Herrn Joseph Andrews, die ich, so weit sie ihm noch im Gedächtniß war, möglichst in seinen eigenen Worten, einige kleine Verschönerungen abgerechnet, mitgetheilt habe. Ich glaube jedoch, dem Leser wird das lange Stillschweigen des Pfarrers Adams nicht wenig aufgefallen sein, besonders da sich so viele Gelegenheiten darboten, seine Neugierde und Beobachtungsgabe anzuregen. Die Wahrheit zu sagen, er lag im festen Schlaf, und zwar schon seit dem Anfang der eben aufgezeichneten Rede, und wenn wir bedenken, wie viele Stunden er, ohne ein Auge zu schließen, zugebracht hatte, so wird sein Bedürfniß nach Ruhe nicht befremden, ja hätte auch Hänley selbst oder ein gleich großer Redner (wenn's einen solchen giebt) auf seinem Rostrum oder in seiner Tenne vor ihm gestanden.

Joseph, der, während er sprach, in derselben Stellung den Kopf auf die Seite geneigt und mit zu Boden gesenkten Blicken verharrt hatte, bemerkte kaum, indem er empor schaute, die Lage des Herrn Adams, welcher mit seinem Rücken den Boden messend, lauter schnarchte, wie die gewöhnliche Stimme jenes Thiers mit langen Ohren ertönt – als er sich zu Fanny wandte, und, sie bei der Hand fassend, ein Tändeln mit ihr begann, welches, obgleich die reinste Sitte und Unschuld es nicht anstößig gefunden haben möchten, doch vor einem Zeugen weder er sich unterfangen, noch sie zugelassen haben würde. Während sie sich auf diese harmlose und ihnen sehr zusagende Art die Zeit vertrieben, hörten sie plötzlich einen Trupp Hunde in vollem Bellen sich ihnen nähern, und sahen gleich darauf einen Hasen aus dem Walde rennen, durch das Wasser schwimmen, und in geringer Entfernung vor ihnen auf der Wiese anlanden. Kaum war das Thier am Ufer, so setzte es sich auf die Hinterbeine, und lauschte dem Schall seiner Verfolger. Fanny ergötzte sich sehr an dem kleinen Schelm, und hätte ihn gern in ihren Armen vor den Gefahren geborgen, die ihm zu drohen schienen, aber selbst der vernünftige Theil der Schöpfung weiß nicht immer den Freund vom Feinde zu unterscheiden, was Wunder also, daß dieses einfältige Thier, im Augenblick, da es ihrer gewahr ward, vor seiner Gönnerin floh, die es beschützt haben würde, und schnell wieder über die Wiese laufend nach der andern Seite zurückschwamm. Der arme Hase war aber schon so abgehetzt und matt, daß er auf diesem Wege zwei oder dreimal zu Boden sank. Dies rührte Fanny's sanftes Herz, und mit Thränen in den Augen schalt sie die Grausamkeit, nur zum Zeitvertreib ein armes unschuldiges wehrloses Geschöpf unter so vielen Qualen aus dem Leben zu hetzen. Zu Betrachtungen dieser Art blieb ihr jedoch nicht viel Zeit, denn plötzlich stürzten die Hunde aus dem Gehölz, das von ihrem Bellen wie von dem Geschrei der Jäger, die ihnen zu Pferde folgten, wiederhallte. Die Hunde schwammen über den Bach, und folgten der Spur des Hasen; fünf Reiter versuchten über das Wasser zu setzen, was auch dreien von ihnen glückte, aber zwei wurden aus dem Sattel in den Bach geworfen. Ihre Gefährten und auch ihre eigenen Pferde folgten der Jagd, und ließen ihre respectiven Freunde und Reiter Fortunens Beistand anrufen, oder die wirksamern Mittel der Kraft und Geschicklichkeit zu ihrer Rettung anwenden. Joseph legte jedoch hierbei eine thätigere Theilnahme dar; er überließ Fanny einen Augenblick sich selbst, und lief zu den Hülfsbedürftigen, welche bald, sich das Wasser abschüttelnd, wieder auf den Beinen waren, und leicht an seiner Hand das Ufer erreichten (denn der Bach war nicht tief); doch ohne sich aufzuhalten, um für den freundlichen Beistand zu danken, rannten sie triefend über die Wiese, ihren Kameraden zurufend, sie möchten ihre Pferde anhalten, aber sie wurden von diesen nicht gehört.

Beinahe hatten nun die Hunde ihre arme vor Ermattung fast umsinkende Beute ereilt, die bei jedem Schritt fast erliegend durch den Wald in einem Kreise sich wieder nahe an die Stelle geschleppt hatte, wo Fanny stand, als das arme Thier von seinen Feinden eingeholt, aus dem Gebüsch getrieben, erhascht und vor des guten Mädchens Augen, die mit keiner kräftigern Hülfe als der des Mitleids es zu unterstützen vermochte, in Stücke gerissen wurde. Eben so wenig ließ sich Joseph, der in seiner Jugend selbst dem edlen Waidwerk obgelegen hatte, bewegen, etwas den Gesetzen der Jagd zuwider zu Gunsten des Hasen, welcher, wie er sagte, auf ehrliche Weise erlegt sei, zu unternehmen. Das arme Thier war nur wenige Schritte von Adams, der in einiger Entfernung von den Liebenden im Schlafe lag, erhascht worden; und die Hunde kamen mit ihrem Raube, den sie in der Wuth hin und her zerrten, ihm so nahe, daß ein paar derselben seinen Priesterrock (vielleicht weil sie ihn mit dem Hasenpelz verwechselten) an den Zipfeln faßten, indeß andere, in seine mit dem Schnupftuch an den Kopf befestigte Perrücke ihre Zähne setzend, ihn umzuwälzen begannen; und hätte nicht dieses Rütteln an seinem Körper mehr Wirkung auf ihn gemacht, als das wilde Jagd-Getöse es vermochte, so wären sie ihm wohl gar an das Fleisch gekommen, dessen köstlicher Geschmack ihm hätte verderblich werden können, so aber erweckten ihn die unsanften Stöße und indem er mit einem Ruck seinen Kopf aus der Perrücke zog, sprang er mit bewundernswerther Geschicklichkeit auf die Beine, die einzigen Glieder, denen er jetzt seine Sicherheit anvertrauen zu wollen schien. Nachdem er sich von dem dritten Theil wenigstens seines Priesterrocks getrennt hatte, den er dem Feinde als seine exuviae und Trophäen willig zurückließ, entfloh er, mit aller Eile, die ihm zu Gebot stand. Dies möge jedoch dem Ruf seiner Tapferkeit keinen Abbruch thun; man erwäge die Anzahl seiner Feinde, und den unerwarteten Angriff; besitzt aber irgend ein Neuerer einen solchen Ueberfluß von Muth, daß er in keinem erdenklichen Fall Flucht gestattet, dann sage ich (aber ich flüstere es leise, und mit feierlicher Betheuerung, daß ich hierdurch keinen lebenden Helden unserer Nation zu beleidigen gedenke) dann sage, oder flüstere ich vielmehr, daß er ein unwissender Geselle ist, und nie den Homer gelesen hat, noch den Virgil, noch etwas vom Hektor und Turnus hörte; ja selbst die Geschichte mancher großen Männer unserer Tage muß ihm unbekannt sein, welche großen Männer, obschon so brav wie Löwen oder gar wie Tiger zu ihrer Freunde Erstaunen und zu ihrer Feinde Belustigung davon gelaufen sind, der Himmel weiß wie weit, und der Himmel weiß weßhalb. Wenn nun aber Personen von so heroischer Sinnesart in dem Benehmen des Herrn Adams einiges Aergerniß finden, so versichern wir, daß eben so ihren Beifall gewinnen wird, was wir hier von Joseph Andrews zu berichten haben. Der Herr der Koppel war eben angekommen, als Adams, wie wir vorhin meldeten, sich auf die Beine machte. Jener Herr wurde allgemein für einen Freund von Kurzweil gehalten, gerade heraus gesagt, um nichts zu beschönigen, er war ein großer Menschenjäger, und hatte bisher nur mit Hunden von seiner eigenen Gattung gejagt, indem er zwei oder drei Paar menschlicher Bullenbeißer einzig zu diesem Zwecke hielt. Als er jetzt glaubte, Jemanden gefunden zu haben, der flink genug auf den Beinen sei, war er geneigt, zu seiner Lieblingsjagd überzugehen, und hetzte unter einem halben Schock Flüchen, daß ihm noch kein so ansehnlicher Hase zu Gesicht gekommen, die Hunde hinter Herrn Adams her, indem er zugleich jubelte und schrie, als entfliehe ein besiegter Feind vor ihm, worin ihm jene zwei oder drei Paar menschlicher oder besser zweibeiniger Bullenbeißer zu Pferde, deren wir vorhin erwähnten, nachahmten.

Wohlan denn, Du, wer Du sein magst, ob eine Muse oder wie Dir sonst beliebt, Dich nennen zu lassen, – die oder der Du im biographischen Gebiete waltest, und alle Lebensbeschreiber in diesen unsern Zeiten begeisterst, der Feder des unsterblichen Gulliver so wundersamen Humor einflößtest, Deines Mallet Urtheil so richtig leitetest, und zugleich seinem nervigen männligen Styl so hohen Schwung verliehest; an der Zueignung und Vorrede vor Ciceros Leben aber so wenig Antheil hattest, als an den darin eingeschalteten Uebersetzungen, die Du vielmehr gern gestrichen hättest; – und den großen Colley Cibber, ohne Beihülfe des kleinsten Anstrichs von Literatur, ja sogar gegen seine Neigung, auf einigen Seiten seines Buches englisch zu schreiben zwangst; steh' Du mir bei, da wo meine Kräfte ermatten, und führe Du selbst den jungen, biedern, muntern braven Joseph Andrews den Lesern vor, dem männlichen Theil derselben zur Bewunderung und zum Neide, den zarten Jungfrauen zur lebhaften Besorgniß für sein Wohl.

Kaum bemerkte Joseph Andrews die Noth, worein die scharfspürenden Hunde seinen Freund versetzt hatten, als er mit der rechten seinen Knittel schwang, einen Knittel, den sein Vater von seinem Großvater geerbt, dieser aber von einem kräftigen Kloppfechter aus der Grafschaft Kent, an dem Tage, da letzterer drei Köpfe auf der Schaubühne eingeschlagen, zum Geschenk erhalten hatte. Fest und von schwerem Gewicht war der Knittel und von wundersamer Arbeit, das Werk eins der besten Schüler des unnachahmlichen Deard, dem unsere Stutzer zugleich alle jene Knittel verdanken, mit denen sie seit kurzem des Morgens im Park spazieren zu gehen pflegen; dieser aber war unstreitig sein Meisterstück. Auf dem Knopf war eine Nase nebst Kinn zu schauen, die man für das Anhängsel eines Nußknackers hätte halten können. Die Gelehrten haben darin das Gesicht einer Gorgone zu entdecken geglaubt; die Wahrheit aber ist, daß es dem Antlitz eines gewissen englischen Baronet, eines Herrn von ungemeinem Witz, Humor und Tiefsinn nachgebildet worden war. Anfangs wollte der Künstler viele Geschichten hier einschneiden: Etwa die erste Aufführung von des Capitain B– Schauspiel, wobei man Kritiker in gestickten Kleidern aus den Logen ins Parterre versetzt sehen konnte, dessen ehemalige Bewohner ins Paradies erhöht waren, wo sie auf Pfeifchen bliesen. Ferner wollte er einen Versteigerungssaal darstellen, worin Herr Cock auf seinem Gerüst erschienen wäre, das Lob eines Porzellanbeckens ausposaunend, und außer sich vor Erstaunen, daß niemand auf dieses schöne prachtvolle Stück höher biete – kurz, noch gar viele andere Sachen hätte er gern eingeschnitzt, mußte es aber aus Mangel an Raum unterlassen. Kaum hatte Joseph diese mächtige Waffe fester gefaßt, als Blitze aus seinen Augen leuchteten, und der schnellfüßige heroische Jüngling eilte mit äußerster Hast seinem Freunde zu Hülfe. Er holte ihn ein, als eben »Rockwood« den Saum des schon herabhängenden Priesterrocks erwischt hatte. Leser, gern brächte ich hier ein Gleichniß an, aber zwei Gründe halten mich davon ab; der erste ist, daß es die Beschreibung, die hier schnellen Fortgang haben muß, unterbrechen würde – doch diese Rücksicht wäre nicht von vielem Gewicht, da wir mehrere Beispiele für eine solche Unterbrechung nachweisen können – der zweite und ungleich wichtigere Grund ist, daß wir kein unserer Absicht entsprechendes Gleichniß finden können; denn in der That, durch welches Beispiel vermöchten wir auf einmal die vereinigten Eigenschaften der Freundschaft und des Muthes, der Jugend, Schönheit, Kraft und Schnelligkeit zu versinnlichen, die alle in der Person von Joseph Andrews sich darlegten. Mögen daher diejenigen, die Löwen schildern und Tiger, und Helden, kühner als beide, mögen sie ihre Gedichte oder Schauspiele durch die Vergleichung mit Joseph Andrews heben, der selbst über jedem Gleichniß erhaben bleibt.

Eben hatte also »Rockwood« des Pfarrers Gewand erfaßt und ihn dadurch zum Stehen gebracht, da holte Joseph mit seinem mächtigen Knittel aus, und streckte den Hund auf alle Viere darnieder. »Jowler« und »Ringwood« sprangen hierauf an den Ueberrock hinan, und hätten Herrn Adams ohne Zweifel zu Boden gerissen, aber Joseph nahm alle seine Kräfte zusammen, und versetzte dem »Jowler« einen solchen Hieb über den Rücken, daß er sofort abließ und sich heulend davonmachte. Ein härteres Geschick wartete deiner, o »Ringwood«! du trefflichster der Hunde, die je einen Hasen verfolgten, du, dessen Nase nie die Spur verfehlte, sicher auf der Fährte und das Wild nicht überspringend; du, von der ganzen Koppel geachtet, – ein Streich von Josephs Hand, und du lagst im Staube. »Thunder« und »Plunder,« und »Wunder« und »Blunder« wurden die nächsten Schlachtopfer seiner Wuth, und maßen mit ihrer Körperlänge den Boden. Hierauf stürzte herbei »Fairmaid,« eine Hündin, welche Herr John Temple in seinem Hause großgezogen, an seinem eigenen Tische gefüttert, und vor kurzem dem Squire dreizehn Meilen her zum Geschenk gesandt hatte; wild stürzte sie herbei und biß Joseph ins Bein. Keine Hündin war je muthiger als sie, die, ein Sprosse vom Amazonenstamme, es in ihrem Vaterland mit Stieren aufgenommen hatte; jetzt aber wagte sie sich in einen ungleichen Kampf, und würde ihrer eben erwähnten Genossen Loos getheilt haben, hätte nicht Diana – der Leser mag's nun glauben oder nicht – in diesem Augenblick sie beschützt, und in der Gestalt eines Jägerburschen in die Arme geschlossen.

Der Pfarrer, der sich jetzt wieder etwas gefaßt hatte, wendete sein Antlitz den Feinden entgegen, und streckte seinerseits mit seinem Knittel viele zu Boden, und verscheuchte deren noch mehr, bis »Cäsar« ihn von hinten angriff und zur Erde riß; doch Joseph eilte ihm zu Hülfe, und fiel mit solcher Kraft über den Sieger her, daß – o des einzigen Schandflecks für seinen Namen – Cäsar winselnd entlief.

Noch wüthete das Gefecht mit der äußersten Heftigkeit, als der Jägerbursche, ein Mann schon in den Jahren und von gesetztem Wesen, die Stimme erhob und die Hunde zu sich rief, um ihnen in einer Sprache, die sie verstanden, zu sagen, es sei vergebens, den Kampf länger fortzusetzen, denn das Geschick habe ihren Feinden den Sieg zugesprochen.

So weit hat die Muse mit ihrer gewöhnlichen Würde diese ungeheure Schlacht beschrieben, eine Schlacht, wie unseres Dafürhaltens noch kein Dichter, Romanenschreiber noch Biograph, je an eine ähnliche sich wagte; jetzt, da sie damit am Schlusse ist, tritt sie ab, und überläßt die Fortsetzung der Geschichte unserer gewöhnlichen Schreibart.

Der Squire und seine Begleiter, welche bisher die Figur, die Adams spielte, und Josephs Heldenmuth zum heftigsten Gelächter aufgeregt, und die dem Treffen mit mehr Lust zugeschaut hatten, als je irgend einem Wettlauf, Scheibenschießen, Hahnenkampf, oder einer Bär- oder Stierhetze, geriethen jetzt in Besorgniß für ihre Hunde, von denen schon viele auf dem Kampfplatz darniedergestreckt lagen. Nachdem der Squire seine Freunde wie eine Leibwache um sich versammelt hatte, sprengte er mannhaft auf die Fechtenden zu, nahm ein so Schrecken erregendes Gesicht an, als er nur vermochte, und fragte Joseph mit gebieterischer und drohender Stimme, was dieser boshafte Angriff auf seine Hunde zu bedeuten habe? Joseph antwortete mit unerschrockenem Muth, sie hätten seinen Freund zuerst angefallen, und er würde sie daher eben so behandelt haben, auch wenn sie dem vornehmsten Herrn im Königreich gehörten; – so lange noch ein einziger Blutstropfen in seinen Adern fließe, werde er nicht müssig dabei stehen, und dem Herrn da (hier wies er auf den Pfarrer) von Menschen oder Vieh etwas zu Leide thun lassen – nach welchen Worten Beide, er und Adams, ihre hölzernen Waffen schwangen, und sich in eine solche Positur setzten, daß der Squire und seine Begleiter es für rathsam hielten, die Sache erst reiflicher zu erwägen, bevor sie dazu schritten, ihre vierfüßigen Bundesgenossen zu rächen.

In diesem Augenblick kam auch Fanny herbei, deren Schritte die Besorgniß um Josephs Gefahr beflügelt, und sie die eigene hatten vergessen lassen. Ihre Schönheit setzte den Squire und sämmtliche Reiter in ein solches Erstaunen, daß Aller Blicke und Gedanken nur auf sie sich hefteten, indem Jeder sich selbst gestand, ein so reizendes Geschöpf noch nie gesehen zu haben. Weder der Lust noch dem Zorn gaben sie sich länger hin, schweigend saßen sie in stummem Anschauen auf ihren Sätteln. Nur auf den Jägerburschen bewährte sich jene Anziehungskraft nicht, denn er war eifrig beschäftigt, die Hunde durch Schnitte in die Ohren wieder zu sich zu bringen, was ihm auch so gut gelang, daß nur zwei von den werthlosesten auf der Wahlstatt als Leichen liegen blieben. Hierauf äußerte er, es sei gut, daß es nicht schlimmer sei; er seinerseits könne den jungen Mann nicht tadeln, und müsse sich wundern, daß sein Herr das Vieh auf Christenmenschen hetze, wodurch es noch überdieß für die Jagd verdorben, und auf falsche Spuren geleitet werde.

Als der Squire erfuhr, wie unbedeutend der erlittene Schaden sei, redete er, vielleicht eine Tücke anderer Art im Herzen hegend, Herrn Adams freundlicher als zuvor an, sagte, was vorgefallen, thue ihm sehr leid, versicherte, sobald er hätte errathen können, daß hier ein Geistlicher mit im Spiel sei, würde er dem Unfug nach allen Kräften gesteuert haben, und pries sehr den Muth seines Bedienten, denn dafür hielt er Joseph. Hierauf lud er Herrn Adams bei sich zu Mittag ein, und bat ihn, das junge Mädchen mitzubringen. Adams weigerte sich lange, aber die Einladung ward so dringend und höflich wiederholt, daß er endlich nicht mehr ausweichen konnte. Seine Perrücke und seinen Hut, und die andern Spolien des Schlachtfeldes, welche Joseph indeß aufgelesen hatte (denn sonst wäre sie wahrscheinlich vergessen worden), suchte er nun wieder so gut als möglich in die alte Ordnung zu bringen; und hierauf bewegten sich Reiterei und Fußvolk in gleichem Schritt nach dem nicht weit entfernten Wohnsitz des Squire.

Unterwegs zog die reizende Fanny Aller Augen auf sich, und jeder der Herren bemühte sich, mit den andern in Lobpreisungen ihrer Schönheit zu wetteifern; da sie aber weder Neues noch Ungewöhnliches vorbrachten, so sei es uns gestattet, sie unerwähnt zu lassen, auch verlange man nicht, daß wir der witzigen Scherze ausführlich gedenken, zu deren Zielscheibe Adams erkoren ward, indem der Eine versicherte, die Pfarrerjagd sei die lustigste auf der Welt, ein Anderer rühmte, wie gut er sich auf dem Anstand bewährt habe, und solcher Späße mehr, welche, obgleich der Würde dieser Geschichte wenig entsprechend, doch dem Squire und seinen geistreichen Begleitern nicht wenig zur Ergötzung dienten.


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