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Siebentes Kapitel.

Philosophische Bemerkungen, wie man sie in einem der gewöhnlichen leichten französischen Romane vergebens suchen dürfte. – Herr Borby nimmt Joseph in die Schule, und Fanny wird von einem Stutzer geängstigt.


Die Gewohnheit, mein guter Leser, hat eine so überwiegende Gewalt auf das menschliche Gemüth, daß sich kaum zu seltsame und starke Dinge darüber sagen lassen. Was man von dem Geizigen erzählt, den die lange Gewöhnung, Andere zu betrügen, endlich dahin brachte, mit sich selbst es eben so zu treiben, und der mit ungemeinem Frohlocken seiner eigenen Tasche eine Guinee entwendete, um seinen Schatz damit zu bereichern, ist weder unwahrscheinlich noch unmöglich. So geht's nun auch den Lügnern von Handwerk; haben sie lange genug ihren Bekannten etwas vorgelogen, so gelingt es ihnen zuletzt, sich selbst zu täuschen, und sie erlangen dieselbe Meinung (so falsch sie auch sein möge) von ihren eigenen Fähigkeiten, Tugenden und Talenten, von denen sie vielleicht Jahre lang ihre Nebenmenschen zu überzeugen sich bemüht haben. Diese Bemerkung nun auf meinen gegenwärtigen Zweck angewandt, so wisse, mein Leser, daß, da die gewöhnlich Liebe genannte Leidenschaft viele von den Talenten der weiblichen oder schönen Welt in Anspruch nimmt, sie eben hierin auch dann und wann eine kleine Neigung zur Lüge und Verstellung an den Tag legen; worüber Du indeß den schönen Geschöpfen nicht allzu heftig zürnen wirst, wenn Du erwägst, daß im siebenten Jahre schon, wo nicht früher, die Miß von der Mutter belehrt wird, alle Männer, besonders die jungen, seien eine Art von Ungeheuer, welches sie, lasse sie sich dasselbe zu nahe kommen, unfehlbar auffressen und in kleine Stückchen zermalmen werde; weit entfernt, aus eigener Neigung Kuß und Scherz mit ihm zu wechseln, müsse sie sich nicht einmal von ihm küssen oder es mit sich scherzen lassen; und schließlich dürfe sie nicht die mindeste Zuneigung zu diesen Ungeheuern hegen, auf Gefahr, von allen ihren Freundinnen als eine Verworfene betrachtet, ausgezischt, und aus ihrer Gesellschaft verwiesen zu werden. Diese ersten Eindrücke werden ihr von den Schullehrerinnen und Gespielinnen noch tiefer eingeprägt, so daß Miß im zehnten Jahre das oben genannte Ungethüm hinlänglich verabscheut und fürchtet, um, wo sie es erblicken mag, vor ihm zu entfliehen, wie der harmlose Hase vor dem Jagdhund. Bis ins vierzehnte oder fünfzehnte Jahr erhält sich nun Miß bei dem entschiedenen Widerwillen gegen die jungen Herren, ist entschlossen, und sagt's oft aller Welt, nie etwas mit ihnen zu schaffen haben zu wollen, getröstet sich auch der Hoffnung, sein Leben außer deren Bereich zubringen zu können, wovon die Möglichkeit in dem sichtbaren Beispiel der guten unverheiratheten Tante einleuchtet. In diesem Zeitpunkte nun, und wenn Miß das zweite Stufen-Jahr hinter sich hat, wenn sie, reifer an Weisheit, anfängt um sich zu schauen, und aus dem fast täglichen Zusammentreffen mit jenen Ungeheuern auf die große Schwierigkeit zu schließen, sich dieselbe vom Halse zu halten, wenn sie sich nicht verbergen kann, wie häufig und zuweilen recht ernstlich und verlangend sie von ihnen nunmehr angesehen wird (was vor diesem Alter viel seltener geschieht), dann denkt Miß erst echt an ihre Gefahr, und da sie einsieht, daß dieselbe nicht leicht zu vermeiden ist, so sinnt sie darauf, wenn sonst sie zu dem weiseren Theile ihrer Mitschwestern gehört, durch welche Mittel sie sich auf andere Weise sicherstellen könne. Sie bemüht sich, nach besten Kräften sich ihrem Feinde liebenswürdig genug zu zeigen, um die Tücke desselben zu entwaffnen; und dies glückt denn meist auch so gut, daß des letztern Augen durch häufiges Schmachten einen großen Theil ihrer Wildheit verlieren, und die Furcht der Miß schwindet jetzt dergestalt, daß sie eine Annäherung nicht mehr scheut. Findet sie nun das Ungethüm so durchaus von der früheren Schilderung verschieden, nichts als Sanftmuth, Artigkeit, Zärtlichkeit, Hingebung, so sind ihre schrecklichen Besorgnisse in einem Augenblick verflogen, und (wie es denn den Menschen eigen ist, von einem Extrem zum andern eben so leicht und fast eben so schnell zu springen, wie ein Vogel von einem Zweige zum andern), unverzüglich wird die Furcht gänzlich von der Liebe verdrängt. Wie es aber Leuten zu gehen pflegt, die in ihrer Kindheit vermittelst gewisser Nichtwesen, Gespenster genannt, erschreckt werden, daß sie ihre Scheu davor behalten, auch nachdem sie von deren Nichtsein überzeugt sind – so können auch die jungen Damen, obgleich sie nicht länger fürchten, von den Ungeheuern gefressen zu werden, deßhalb doch nicht so gänzlich alle Scheu verbannen, wenn man sie einmal eingeschüchtert hat; der Gedanke an den meist ihrer zarten Seele eingeprägten Tadel bleibt zurück, wozu die täglich durch die von ihren Freundinnen wiederholten Schmähreden gegen die Männer noch mehr beitragen. Jenem Tadel auszuweichen, wird daher jetzt ihr einziges Bestreben; sie geben zu diesem Zweck stets noch denselben Abscheu gegen das Ungeheuer vor, und je mehr sie dasselbe lieben, um desto geschickter wissen sie gewöhnlich den Widerwillen zu erkünsteln. Durch die beständige und fortwährende Täuschung, deren sie sich gegen Andere befleißigen, täuschen sie sich nun zuletzt selbst, und bilden sich im vollen Ernste ein, das zu hassen, was sie lieben. Dies wiederfuhr denn auch der Lady Borby, die Joseph geliebt hatte, lange bevor sie sich dessen bewußt war, und ihn jetzt leidenschaftlicher liebte, als sie selbst glaubte. Sie hatte in der That von der Zeit an, da seine Schwester als ihre Nichte vor ihr aufgetreten, und er selbst in der Kleidung und mit dem Anstand eines feinen Herrn vor ihr erschienen war, heimlich einen Anschlag zu fassen begonnen, den die Liebe ihr noch verbarg, bis ein Traum ihn ihr verrieth.

Sobald sie aufgestanden war, schickte sie nach ihrem Neffen, dem sie nach vielen Komplimenten über die Wahl seiner Gattin sagte, wie er aus der Herablassung, womit sie ihren ehemaligen Bedienten an ihre Tafel gezogen, entnehmen könne, daß sie die Familie Andrews als seine, mithin auch ihre Verwandte anerkenne. Da er einmal aus einer solchen Familie seine Gattin gewählt habe, fuhr sie fort, so gezieme es ihm, dieser Familie so viel als möglich emporzuhelfen. Zum Schlusse rieth sie ihm, Joseph von seiner beabsichtigten Heirath abzureden, die nur zur Folge haben könne, daß der Kreis ihrer Verwandtschaft sich auf Niedrigkeit und Armuth ausdehne; durch eine Offizierstelle oder sonst eine ehrenvolle Versorgung aber könne er den jungen Herrn Andrews leicht auf den Fuß eines Mannes von Stande setzen, und sei dies erst geschehen, so möchten seine trefflichen Eigenschaften bald eine Verbindung hoffen lassen, die ihnen keine Schande machen werde.

Ihr Neffe ging eifrig auf ihren Vorschlag ein, und da er Joseph bei seiner Gattin nach der Rückkehr auf deren Zimmer fand, begann er sofort also: »Meine Liebe zu meiner Pamela, theurer Schwager, erstreckt sich auf alle ihre Anverwandte, denen ich sämmtlich nicht weniger Achtung zu bezeigen gedenke, als hätte ich in die Familie eines Herzogs geheirathet. Ich hoffe, Ihnen hiervon bereits einige Beweise gegeben zu haben, und werde Sie täglich mehr davon überzeugen. Entschuldigen Sie daher, lieber Schwager, wenn meine Sorge für Ihr Bestes mich etwas erwähnen läßt, was Ihnen vielleicht nicht angenehm zu hören ist; aber ich muß darauf bestehen, daß, wenn Sie auf die Verbindung mit mir und auf meine Freundschaft einigen Werth legen, Sie alle ferneren Gedanken an ein Mädchen aufgeben, welches, seitdem Sie mit mir verwandt sind, so tief unter Ihnen steht. Ich weiß, daß es Ihnen anfangs schwer fallen wird, auf meinen Wunsch einzugehen, aber sicherlich wird jeder Tag Sie mehr mit demselben aussöhnen, und zuletzt werden Sie selbst mir aufrichtig für diesen guten Rath Dank wissen. Das Mädchen ist allerdings schön, aber Schönheit allein macht keine Ehe glücklich.« – »Sir,« erwiederte Joseph, »ich versichere Sie, ihre Schönheit ist meiner Geliebten kleinster Vorzug, und ich wüßte keine Tugend, die der Himmel ihr nicht verliehen hätte.« – »Was ihre Tugenden betrifft,« antwortete Herr Borby, »so dürften Sie darüber nicht der zuverlässigste Richter sein. Hätte sie deren aber auch noch so viele, immer werden Sie hierin ihres Gleichen auch in der höhern Sphäre finden, zu welcher Sie sich von nun an rechnen müssen. Ich selbst werde Sorge tragen, Sie in die Welt einzuführen, wofern Sie mich nicht durch eine solche Heirath daran hindern, eine Heirath, an die ich kaum denken kann, ohne alle Geduld zu verlieren und die Ihren jetzt mit tausend stolzen Erwartungen erfüllten Eltern das Herz brechen würde.« – »Ich wüßte nicht,« erwiederte Joseph, »daß meine Eltern über meine Gefühle und Neigungen die mindeste Macht hätten, oder daß es meine Pflicht wäre, ihrer Laune oder ihrem Ehrgeiz mein Glück aufzuopfern; auch sollte es mir leid thun, wenn ich sähe, daß die unerwartete Standeserhöhung meiner Schwester Ihnen diesen unseligen Stolz einflößte, und Sie auf Ihresgleichen verächtlich herabsehen ließe. Ich bin entschlossen, meine theure Fanny um keinen Preis aufzugeben, und könnte ich sie auch so hoch über ihre jetzige Stellung erheben, als Sie meine Schwester erhoben haben.« – »Ihre Schwester ist Ihnen nicht weniger als ich für die Vergleichung verbunden; wissen Sie aber, Sir, diese Fanny kann weder an Schönheit noch sonst an irgend einer guten Eigenschaft sich mit meiner Pamela messen. Und überdies, Sir, da Sie denn einmal meine Heirath mit Ihrer Schwester mit ins Spiel zu ziehen belieben, so muß ich Sie auf den unendlichen Abstand zwischen mir und Ihnen aufmerksam machen: Mein Vermögen gestattete es mir ganz, meiner Neigung mich hinzugeben; es wäre daher von mir eine eben so unverzeihliche Thorheit gewesen, diese zu unterdrücken, als Sie begehen würden, ihr nachzuhängen.« – »Mein Vermögen,« erwiederte Joseph, »erlaubt mir gleichfalls meiner Neigung zu folgen; denn alle meine Wünsche sind nur auf Fanny gerichtet, und so lange mir Gesundheit und Kraft bleibt, wird es mir möglich sein, sie mit meiner Arbeit in der Lage, worin sie geboren und mit der sie zufrieden ist, zu erhalten.« – »Bruder,« sprach Pamela, »mein Mann räth Dir als ein Freund; auch werden ohne Zweifel Papa und Mama derselben Meinung sein, und große Ursache haben, auf Dich zu zürnen, wenn Du wieder zerstörst, was wir seiner Güte verdanken, und unsere Familie, nachdem er sie erhoben, wieder erniedrigst. Es würde Dir besser anstehen, Bruder, den Himmel um Beistand gegen eine solche Leidenschaft anzuflehen, als ihr nachzugeben.« – »Das kann wohl nicht Dein Ernst sein, Schwester,« entgegnete Joseph; »Fanny ist doch wenigstens Deines Gleichen.« – »Sie war es,« antwortete Pamela, »aber ich bin nicht mehr Pamela Andrews, sondern des Herrn Borby Gattin, und stehe als solche über ihr. Ich werde, hoffe ich, nie einem ungeziemenden Stolz fröhnen, doch zugleich andererseits mich immer bemühen, meine Würde zu behaupten, und zweifle nicht, daß der Himmel mir hierzu seinen Beistand verleihen werde.« – Hier wurden sie zum Frühstück abgerufen, und so endigte sich für jetzt eine Unterredung, die sehr wenig zur Zufriedenheit sämmtlicher theilnehmenden Parteien beigetragen haben mochte. Fanny ging während der Zeit in einer nicht weit von Hause entfernten Allee auf und ab, wo Joseph versprochen hatte, sie sobald als möglich aufzusuchen. Sie hatte keinen Schilling im Vermögen, und seit ihrer Heimkunft war ihr Lebensunterhalt der Wohlthätigkeit des Pfarrer Adams anheim gefallen. Ein junger Herr, dem mehrere Lakeien folgten, sprengte jetzt auf sie zu, und fragte sie, ob das Haus vor ihm nicht der Lady Borby gehöre? – Zwar wußte er das schon selbst; aber er hatte aus keinem andern Grunde die Frage an das junge Mädchen gestellt, als damit sie aufblicken möge, und er sehen könne, ob ihr Gesicht dem schönen und schlanken Wuchs entspreche. Kaum wurde ihm dieser Anblick, als er vor Erstaunen fast außer sich gerieth. Er schwor, sie sei das reizendste Geschöpf, das er je gesehen habe, sprang vom Pferde, und nachdem er dasselbe einem Bedienten übergeben, betheuerte er mit einem halben Dutzend Flüchen, er müsse sie küssen. Anfangs ließ sie sich das, nur mit der Bitte nicht zu zudringlich zu werden, gefallen; aber er genügte sich nicht mit der hier zu Lande üblichen Höflichkeit eines derartigen Grußes, ja nicht mit allen denen, die er ihren Lippen aufdrang, sondern schloß sie in seine Arme, um zu größeren Freiheiten überzugehen. Sie suchte sich jetzt seiner möglichst zu erwehren, und hielt ihn, der eben nicht zum herkulischen Stamme gehörte, obgleich nicht ohne einige Mühe von sich ab. Der junge Herr, dem das Ringen bald den Athem benommen hatte, ließ sie los, bestieg wieder sein Pferd, und gebot einem seiner Bedienten, bei dem Mädchen zurückzubleiben, und ihr alle möglichen Anerbietungen zu machen, damit sie einwillige, am Abend ihn zurück zu begleiten; zugleich sie zu versichern, daß er entschlossen sei, mit ihr zu leben und für sie zu sorgen. Hierauf ritt er mit den andern Bedienten nach dem Hause der Lady, mit welcher er verwandt war, und der er einen Besuch abstatten wollte. Der zurückgelassene Bediente, der in dem ihm hier übertragenen Geschäft schon lange kein Neuling mehr war, that mit aller Treue und Geschicklichkeit das Seinige, aber umsonst. Sie war taub gegen alle seine Anerbietungen, und verwarf dieselben mit der tiefsten Verachtung. Endlich begann der Kuppler, der vielleicht wärmeres Blut in den Adern hatte als sein Herr, für sich selbst zu werben; er sagte ihr: obschon nur ein Bedienter, sei er doch nicht ohne Vermögen, welches er ihr hiermit, und zwar ohne die mindeste Verletzung ihrer Tugend, indem er sie heirathen wolle, wenn sie damit einverstanden sei, zu Füßen lege. Sie antwortete, wenn auch sein Herr selbst oder der größte Lord im Lande sie heirathen wolle, so würde sie dennoch nicht darauf eingehen. Als Jener nun der in den Wind gesprochenen Worte müde, und durch Reize in Gluth gesetzt wurde, die vielleicht selbst einem Philosophen der alten, oder einen Theologen der neueren Zeit entflammt haben würden, band er sein Pferd an den nächsten Baum, und griff die Schöne mit ganz anderer Gewalt an, als vorhin sein Herr. Die arme Fanny wäre nicht im Stande gewesen, sich seinem rauhen Anfall lange zu widersetzen; aber jene Gottheit, unter deren Schutze keusche Liebe steht, sandte ihr jetzt Joseph zu Hülfe. Kaum wurde dieser ihrer ansichtig, und sah sie im Ringen mit einem Mann begriffen, so flog er wie eine Kanonenkugel oder wie der Blitz, oder wie sonst etwas noch Schnelleres, wenn's dergleichen giebt, auf sie zu. Da er eben in dem Augenblick kam, als der Freche ihr das Halstuch abgerissen hatte, um mit seinen Lippen den Sitz der Lust und der Unschuld zu entweihen, versetzte er ihm einen so kräftigen Stoß an jenen Theil seines Körpers, für den sich eigentlich ein Strick geschickt hätte, daß der Elende zurücktaumelte; und da er leichtlich bemerkte, daß er es hier mit etwas Rauherem als mit Fanny's kleiner, zarter, zitternder Hand zu thun habe, ließ er von ihr ab. Als er sich umwendete, sah er seinen Gegner mit feuersprühenden Augen zu einem neuen Angriff bereit; ja bevor er sich in Vertheidigungszustand setzen oder den ersten Schlag erwiedern konnte, erhielt er einen zweiten, welcher, wenn er den Theil des Magens getroffen hätte, auf den er gerichtet war, wahrscheinlich der letzte für ihn gewesen sein würde. So aber parirte er ihn mit der Hand ab, daß er nur seinen Mund traf, und da er bei dieser Gelegenheit drei Zähne einbüßte, so nahm er dies so übel, daß er ohne die mindeste Rücksicht auf Josephs Schönheit, oder ohne irgend ein dankbares Gefühl für diese Art von Gruß, alle seine Kräfte zusammen nahm, und einen Stoß auf Josephs Brust richtete, den dieser geschickt mit der einen Faust abwendete, so daß die ganze Kraft desselben in die Luft ging, und die andere schleuderte er, einen Fuß zurücksetzend, dem Feinde so mächtig entgegen, daß dieser, hätte er den Streich nicht mit der Hand aufgefangen (denn er war ein berühmter Boxer) unfehlbar den Boden mit seiner Körperlänge gemessen haben würde. Nun zielte der Bösewicht gegen den Theil der Brust, unter dem das Herz seinen Sitz hat, einen Schlag, den Joseph nicht ganz abwenden konnte, sondern nur in soweit, daß er mit verminderter Kraft gerade auf seine Nase hieb. Faust und Fuß zugleich vorwärts rückend, stürzte letzterer hierauf mit seinem Kopf so gewandt auf den Magen des Feindes zu, daß dieser wie ein Klotz zur Erde fiel, wo er mehrere Minuten athem- und beweglos liegen blieb.

Als Fanny ihren Joseph einen Schlag ins Gesicht erhalten und sein Blut strömen sah, begann sie ihr Haar zu raufen, und göttliche und menschliche Hülfe herbeizurufen. Diesem Schmerz durfte sie sich indeß nicht lange hingeben, da ihr Geliebter, sobald er seinen Feind besiegt hatte, zu ihr eilte und sie versicherte, er habe keinen Schaden genommen. Jetzt fiel sie auf die Kniee, um dem Himmel zu danken, daß er Joseph zum Werkzeug ihrer Rettung ersehen, und zugleich ihn selbst dabei unverletzt erhalten habe. Hierauf wollte sie ihm mit ihrem Tuch das Blut aus dem Gesicht wischen, als er aber seinen Nebenbuhler einen Versuch machen sah, sich wieder aufzuraffen, wendete er sich an diesen mit der Frage, ob er genug habe? worauf derselbe bejahend antwortete, denn er glaubte fast, mit dem Teufel selbst, statt mit einem Menschen gekämpft zu haben, und indem er sein Pferd los machte, erklärte er, daß er sich mit dem Mädchen nicht eingelassen haben würde, hätte er wissen können, wie gut es bereits untergebracht sei.

Fanny bat jetzt Joseph, mit ihr zum Pfarrer Adams zurückzukehren, und ihr zu versprechen, daß er sie nicht mehr verlassen wolle. Diese Vorschläge waren Joseph so angenehm, daß, wenn er sie gehört hätte, er sogleich darauf eingegangen sein würde; aber seine Augen waren dermalen sein einziger Sinn; denn Du wirst Dich erinnern, Leser, daß der Elende Fanny das Halstuch abgerissen hatte, und hierdurch war denn ein solcher Anblick zu Tage gefördert worden, daß Joseph später oft erklärt hat, alle Statuen, die er je gesehen, seien schon deshalb an Schönheit nicht damit zu vergleichen, weil dieser Anblick ehe einen Menschen in eine Bildsäule zu verwandeln, als selbst für den größten Meister zur entferntesten Nachahmung geeignet gewesen sei. Die sittsame Schöne, sie, die keine Sommergluth je bewegen konnte, ihre Reize dem lüsternen Phöbus zur Schau zu stellen, welcher Sittsamkeit eben diese Reize vielleicht ihr unbeschreibliches Weiß verdankten, hatte mehrere Minuten mit unbedeckter Brust vor Joseph gestanden, ehe die Besorgniß um ihn, und das Grausen, womit sie sein Blut fließen sah, sie ein einziges Mal an sich selbst denken ließen; bis endlich, als die Ursache ihrer Angst gehoben war, die Verwunderung über sein Stillschweigen, welches seine starr auf einen Gegenstand gerichteten Blicke ihr bald deuteten, in dem holden Geschöpf einen Gedanken hervorrief, der ihr mehr Blut ins Gesicht trieb, als aus Josephs Nase geströmt war. Die zarte Schneefarbe ihres Busens war gleichfalls in Zinnoberroth verwandelt, als sie jetzt sich hastig das Halstuch überwarf. Joseph bemerkte ihre Verwirrung, und zog sogleich seine Blicke von einem Gegenstand ab, in dessen Anschauen er die höchste Wonne empfunden hatte, welche durch das Organ des Gesichts seiner Seele zugeführt werden konnte; – so groß war seine Besorgniß, sie zu beleidigen, und so wahrhaft verdiente seine Leidenschaft zu ihr den edlen Namen der Liebe.

Als Fanny sich von ihrer Verwirrung, welcher die des Jünglings, weil er die ihrige bemerkte, ziemlich gleichkam, wieder etwas gefaßt hatte, wiederholte sie ihre Bitte, welcher er denn sofort und mit Freuden entsprach; und sie gingen zusammen über einige Felder nach der Wohnung des Herrn Adams.


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