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Johanna (geb. 1825, gest. unvermählt 1883) war die hochgebildete Tochter des Heidelberger Professors der Philosophie Kapp, die Hoffmann im Frühjahre 1847 hier kennen lernte. Seine heiße Liebe erwiderte sie mit inniger Freundschaft.
(1847.)
I. Ghaselen.
Ich saß bei dir – wie mir die Zeit verrann!
Du weißt es nicht.
Ich saß bei dir, ich sah dich liebend an:
Du weißt es nicht.
Du sprachst, du hättest dich schon manchen Tag
Nach mir gesehnt;
Ich lächelte, doch was ich träumend sann,
Du weißt es nicht.
Du sangest mir: »den lieben langen Tag«,
Ich freute mich;
Du sahst mich an, doch wie mein Herz entbrann,
Du weißt es nicht.
Du reichtest mir zum Abschied still die Hand,
Du sahst mich ziehn,
Doch daß ich blieb ein Sklav' in deinem Bann,
Du weißt es nicht.
*
Es war ein Traum nur, war ein schöner Traum,
Und alles hin!
Schön wie der Abendwolke goldner Saum,
Und alles hin!
Von einem höhern sel'gern Dasein war
Mein Herz beseelt,
Ich fühlte heimisch mich hienieden kaum –
Und alles hin!
Erfüllt schien jede Hoffnung, jeder Wunsch
Auf ewig mir,
Nur süße Früchte bot mein Lebensbaum –
Und alles hin!
Lebwohl! lebwohl! nie rufe dir wie mir
Ein Morgen zu:
»Du hast geträumt der Liebe schönen Traum –
Und alles hin!«
*
II. Im Neckartale.
Es schwebt ein grüner Schimmer
Schon über Wies' und Feld:
Das ist die neue Hoffnung,
Die heimkehrt in die Welt.
Das ist der Frühling selber
Nach langer Winterzeit,
Der alle Schmerzen heilet
Und lindert jedes Leid.
Nun hab' ich ausgeträumet –
Ich sah, Johanna, dich:
Verschwunden ist mein Winter
Und Frühling ward's für mich.
*
So saßen wir in jener Rebenlaube,
Zu unsern Füßen lag das Neckartal,
Und uns umbebte leises Frühlingswehen,
Und uns umspielte mild der Sonne Strahl.
Der Frühling schlief und sandt' als seine Träume
Ein einzeln Blümchen und ein Blättchen nur.
Die Vögel sangen schüchtern auf den Zweigen,
Noch winterlich war Berg und Wald und Flur.
Ich sah dich an, und was ich fragen wollte –
Ich wußte, daß dein Herz es mitempfand:
»O laß uns immer Freunde sein, Johanna!«
Ich sprach's, du reichtest schweigend mir die Hand.
Da war der Frühling in mein Herz gezogen
Mit Sang und Blütenduft und Farbenpracht.
Es lag erleuchtet vor mir meine Zukunft
Wie eine mondscheinhelle Maiennacht.
*
5. Juli 1833.
Bei verblühten Lilien steh' ich,
Zwischen Gräbern wandr' ich hin;
An verwelkten Rosen seh' ich,
Daß der Frühling floh dahin.
Ros' und Lilie mußten schwinden,
Doch die lenzgewohnte Brust
Träumt im Duft der Kirchhoflinden
Noch von Frühlingssang und Lust.
*
III. Im Rheingau.
Könnt' ich die Lerche sein, die früh erwacht,
Gen Himmel steigt und schmetternd singt,
Hoch in den Lüften weilt, bis sie's vollbracht,
Daß überall ihr Gruß erklingt:
Ich sänge täglich über deinem Haus,
Ich grüßte dich zu jeder Zeit,
Ich lockte dich in Au und Feld hinaus,
Und stimmte dich zur Fröhlichkeit. –
Mein Lied gehört nur mir, und was es spricht,
Es klingt an kein verwandtes Ohr.
Die Welt kennt meiner Liebe Freuden nicht,
Sie weiß nur, daß ich dich verlor.
*
Mir hat das Schicksal viel gegeben,
Gab mir ein Herz voll Liebesglut,
Und freien Sinn und edles Streben,
Zu allem Guten Kraft und Mut.
Glück aber wollt' es nicht gewähren –
Schnell zog es seine Hand zurück
Und sprach zu mir: du sollst entbehren!
Nur im Entbehren liegt dein Glück.
Und dennoch darf ich niemals klagen,
Ja, preisen muß ich mein Geschick:
Nach den verlornen Frühlingstagen
Blieb mancher sel'ge Augenblick.
Entbehren ist der Quell geworden,
Draus jeder Trunk macht froh und jung,
Denn immer blühn an seinen Borden
Mir Sehnsucht und Erinnerung.
*
Beim duftigen Maitrank bin ich gesessen –
Wer tät' es nicht, wär' er im Mai am Rhein?
Ich trank, und ich habe so vieles vergessen;
Je mehr ich vergaß, um so mehr dacht' ich dein.
Das kränkeste Herz, das müßte gesunden
Bei solchem Trank und im Mai und am Rhein!
Ich lebe der Sehnsucht selige Stunden –
Bei jeglichem Tropfen denk' ich dein.
*
Ich saß auf einem Rebenhügel
Und sah hinab ins grüne Tal.
Erleuchtet lag im Abendscheine
Für mich der Rhein zum letztenmal.
Und die genoßnen sel'gen Stunden
Sah ich vor mir vorüberziehn,
Und in dem Hauch der Abendlüfte
Wie Nebelwolken rasch entfliehn.
Ward die Erinnrung nur erschaffen
Zu neuer Qual in unsrer Brust?
Ist weiter nichts als Traum und Schatten
Des kurzen Daseins seltne Lust?
Es rauschte kühler durch die Reben,
Schon lag die Welt in Dunkelheit.
Der letzte Klang der Abendglocken
Gab mir zum Dorfe das Geleit.
*
IV. An der Nordsee.
Nun wandl' ich auf den öden Deichen
Der Nordsee einsam hin und her.
Und wie die Wellen traurig schleichen,
So schlägt das Herz mir bang' und schwer.
Ich mag die Blicke kaum erheben,
Umdüstert ist das Himmelszelt.
Nur weiße Möwen ziehn und schweben
Wie Träume durch die graue Welt.
Jüngst lebt' ich schönre heitre Tage,
Heut' ist nur die Erinnrung mein.
Durch meines Herzens leise Klage
Zieht silberhell der frohe Rhein.
*
V. Am Neckar.
Ja, wieder hab' ich dich gesehen
Und wieder hab' ich mich gefreut.
Erfüllt ist meines Herzens Flehen:
Du hast den Frühling mir erneut.
Und alle Rosen blühen wieder,
Ich leb' und web' in Frühlingslust,
Und meines Lebens schönste Lieder
Erklingen hell in meiner Brust.
Nun will ich wieder fürbaß schreiten,
Will wieder still und einsam sein –
Dein Bild muß tröstend mich begleiten;
Mein bist du, mein, aus ewig mein!
*
Mein Herz ist eine Äolsharfe,
Von jedem Hauche regt es sich,
Und jeder Hauch ist ein Gedanke
Und ein Gedanke nur an dich.
Das sind nur Kläng' aus einem Frühling,
Wo keine Knosp' und Blüte trügt,
Wo meine Lieb' in ihrer Wonne
Nur sich gehört und sich genügt.
Wenn diese Klänge Blumen würden,
Nie schönre Blumen sahest du:
Sie alle nickten dir und neigten
Und lächelten so froh dir zu.
Mein Herz ist eine Äolsharfe,
Von jedem Hauche regt es sich,
Und jeder Hauch ist ein Gedanke
Und ein Gedanke nur an dich.
*
Schließt euch, Augen, schließt euch wieder!
Habt zu früh den Lenz gesehn,
Und ihr meines Herzens Lieder,
Möget wieder schlafen gehn!
Einer Stimme kann's gelingen;
Wenn
sie wieder ruft: wohlan!
Sollt ihr wieder sehn und singen:
Wahrer Frühling ist es dann.
*
Holdorf, 1. Oktober 1848.
Wie vom Glanz der Abendröte
Golden strahlt der Wolke Saum,
Schien verklärt mein dunkles Leben –
Aber alles war ein Traum.
Daß ich liebte, innig liebte,
Wagt' ich dir zu sagen kaum,
Und ich sagt's und durfte hoffen –
Aber alles war ein Traum.
Neue Blätter, neue Blüten
Trieb mein kranker Lebensbaum,
Glücklich pries ich meine Zukunft –
Aber alles war ein Traum.
Fahre hin denn, Lieb' und Hoffnung!
Diese Welt hat keinen Raum,
Wo mein Herz nicht sagen dürfte:
Alles, alles ist ein Traum!
*