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Es war damals ein schönes Ding um die Falkenjagd, wenn sie von Königen ausgeübt wurde, weil die Könige zu jener Zeit fast Halbgötter, die Jagd aber nicht nur ein Zeitvertreib, sondern auch eine wahrhafte Kunst war.
Nichtsdestoweniger müssen wir das königliche Schauspiel verlassen, um uns zu einem stillen Ort im Walde zu begeben, woselbst sich in kürzester Zeit auch alle Personen der Veranstaltung, die eben beschrieben wurde, einfanden.
Rechts von der Allee des Violettes, einem langen Bogengang im Laubwald, in einem moosigen Schlupfwinkel, wo zwischen Lavendel und Heidekraut der furchtsame Hase von Zeit zu Zeit seine Löffel aufzurichten pflegt, der flüchtige Damhirsch aber mit seinen Schaufeln auf dem Haupt nach allen Richtungen windet und sichert, befindet sich eine Lichtung, die einerseits weit genug vom Wege liegt, daß man sie nicht bemerken kann, anderseits jedoch nicht so sehr abseits liegt, als daß man von ihr nicht den Weg beobachten könnte.
Mitten auf dieser Lichtung lagen zwei Männer im Gras. Unter sich hatten sie Reisemäntel gebreitet, an ihrer Seite lagen zwei lange Degen und zwei Büchsen mit trichterförmiger Laufmündung, die man damals Bruststutzen nannte. Von weitem glichen die beiden Männer ihrer vornehmen Kleidung wegen etwa den lustigen Erzählern des Decamerone, in der Nähe aber konnte man wegen der drohenden Waffen glauben, es mit jenen Waldräubern zu tun zu haben, die Salvator Rosa hundert Jahre später auf seinen Landschaftsbildern so naturgetreu verewigt hat.
Der eine von ihnen stützte sich auf Hand und Knie und lauschte, wie einer von den Hasen oder Damhirschen, die eben erwähnt wurden.
»Mir kommt es vor,« sagte dieser Mann, »als hätte sich die Jagd bisher namentlich auf uns zu bewegt, denn ich hörte sogar die Rufe der Jäger, die ihre Falken aufmunterten.«
»Und jetzt,« sagte der andere, der den Ereignissen scheinbar viel gleichmütiger gegenüberstand als sein Genosse, »jetzt höre ich überhaupt nichts mehr. Sie müssen sich wieder entfernt haben . . . übrigens sagte ich dir ja gleich, daß dieser Ort für eine Beobachtung schlecht gewählt sei. Man wird hier nicht gesehen, das ist richtig, man sieht aber auch nichts!«
»Aber zum Teufel, mein lieber Hannibal,« meinte der erste der beiden Sprecher, »irgendwo mußte man doch unsere Pferde, dann die Handpferde und schließlich die zwei Maulesel hinstellen. Die letzteren sind übrigens derartig bepackt, daß ich gar nicht weiß, wie sie uns folgen werden. Ich kenne hier nichts Besseres als diese Buchen und die einzelstehenden Eichen, die unserem schwierigen Beginnen ganz besonders förderlich sein müssen. Ich muß also gestehen, daß ich, weit davon entfernt, Herrn von Mouys Verdienst zu schmälern wie du es tust, in allen von ihm getroffenen Vorbereitungsmaßregeln das gründliche Verständnis eines wahrhaftigen Verschwörers erkenne.«
»Gut,« sagte der andere Edelmann, in dem der Leser sicherlich schon Coconas erkannt hat, »gut, das Wort ist demnach ausgesprochen, ich habe es ja erwartet! Ich nehme dich bei diesem Wort: wir sind also Verschwörer?«
»Nein, das sind wir nicht! Wir dienen einfach dem König und der Königin.«
»Die sich verschwören, was sich dann geradeso auf uns bezieht!«
»Coconas,« sagte La Mole, »ich erklärte es dir schon einmal: nicht um alle Welt möchte ich dich zwingen, mir in einer Angelegenheit Gefolgschaft zu leisten, zu deren Austragung mich nur ein Empfinden veranlaßt, ein Empfinden, das du unmöglich mit mir teilen kannst.«
»Eh, verdammt! Wer sagt denn, daß du mich zwingst? Vor allem anderen kenne ich keinen Menschen, der imstande wäre, Coconas zu etwas zu zwingen, mit dem er nicht einverstanden ist! Glaubst du aber, daß ich dich allein lassen könnte, jetzt, da du vor meinen Augen zum Teufel gehst!«
»Hannibal, Hannibal!« erwiderte La Mole. »Mich dünkt, als ob ich jetzt zwischen den Bäumen ihr weißes Roß sehe . . . Ach, es ist so sonderbar, ich brauche nur an sie zu denken, und schon schlägt mir auch mein Herz!«
»Na ja, das ist sonderbar,« meinte Coconas und gähnte, »mir schlägt mein Herz gar nicht.«
»Nein, das war nicht sie!« sagte der spähende La Mole. »Was kann nur geschehen sein? Es war doch, wie mir scheint, alles für Mittag bestimmt?«
»Es ist gar nichts anderes geschehen, als daß es noch nicht Mittag ist, das ist alles! Wir haben daher noch hinlänglich Zeit, ein Schläfchen zu machen, wie mir scheint!«
Und mit dieser Überzeugung streckte sich Coconas auf seinen Mantel hin, wie ein Mann, der durchaus geneigt ist, seinen Worten auch die Tat folgen zu lassen. Wie aber sein Ohr die Erde berührte, hob er den Finger und gab damit La Mole ein Zeichen, sich still zu verhalten.
»Was gibt es denn?« fragte der.
»Ruhe! Diesmal höre ich etwas und täusche mich gewiß nicht.«
»Merkwürdig, ich kann horchen so viel ich will, ich vernehme gar nichts.«
»Du hörst wirklich nichts?«
»Nein!«
»Gut denn!« flüsterte Coconas und legte die Hand auf La Moles Arm. »Dann beobachte einmal den Damhirsch dort!«
»Wo?«
»Dort, dort!«
Coconas zeigte La Mole das Wild und hob den Finger.
»Nun und?«
»Du wirst schon sehen!«
La Mole beobachtete den Hirsch. Das Haupt wie um zu äsen in das Heidekraut gesenkt, stand er unbeweglich zwischen den Stämmen, sicherte dabei aber unaufhörlich. Bald jedoch warf er auf und die kapitalen Schaufeln des Geweihes wurden sichtbar, seine aufgerichteten Lauscher stellten sich in die Richtung, aus welcher der Lärm kam. Ohne sichtbare Ursache wurde er plötzlich flüchtig und verschwand wie ein Blitz.
»Oh, oh!« meinte La Mole, »du dürftest recht haben, denn der Schaufler ist flüchtig geworden.«
»Er stob davon, weil er eben etwas gehört hat, was du nicht hören kannst.«
Tatsächlich wurde jetzt ein dumpfes, kaum hörbares Dröhnen des Grasbodens bemerkbar. Minder geübte Ohren hätten das Geräusch als vom Wind verursacht empfunden, erfahrene Reiter aber mußten sofort erkennen, daß irgendwo in der Ferne mehrere Pferde galoppierten.
La Mole sprang im Augenblick von der Erde auf.
»Da sind sie!« rief er, »jetzt nur flink!«
Auch Coconas erhob sich, doch um ein bedeutendes ruhiger. Die Lebhaftigkeit des Piemontesen schien auf La Mole übergegangen zu sein, während die Sorglosigkeit La Moles scheinbar jetzt das Gefühlsleben seines Freundes beherrschte. Daher handelte der eine unter solchen Umständen mit Begeisterung, während dem anderen alles gegen den Strich ging.
Bald drang ein ständiger und taktmäßiger Lärm an die Ohren der beiden Freunde. Die Pferde, die auf zehn Schritte in Bereitschaft standen, spitzten plötzlich die Ohren, weil ein anderes Pferd in der Nähe wieherte. Wie ein weißes Gespenst erschien in der Allee eine reitende Dame, die sich im raschen Vorüberreiten gegen die wartenden Freunde wandte, ein sonderbares Zeichen machte und auch wieder verschwunden war.
»Die Königin!« riefen beide zugleich aus.
»Was soll das bedeuten?« fragte Coconas.
»Sie hat folgendes Zeichen gemacht,« erklärte La Mole, »und das bedeutet: sogleich!«
»So war das Zeichen,« erläuterte hingegen Coconas, »und das bedeutet: fliehen Sie!«
»Das Zeichen heißt: erwarten Sie mich!«
»Das Zeichen heißt: retten Sie mich!«
»Gut also,« sagte La Mole, »handeln wir jeder nach seiner Überzeugung: fliehe du, ich werde bleiben!«
Coconas zuckte die Achseln und legte sich wieder nieder.
Im gleichen Augenblick erschien aus der entgegengesetzten Richtung, aus der die Königin gekommen war, in der Allee, mit verhängten Zügeln dahergaloppierend, eine Reitergruppe, die, wie beide Freunde erkannten, aus den eifrigsten und fast verbissensten Protestanten bestand. Ihre Pferde setzten wie die Heuschrecken über den Boden hinweg, von denen Job sagt: sie erschienen und verschwanden.
»Verdammt, das wird ernst!« rief Coconas und erhob sich wieder. »Reiten wir zum Lusthaus Franz' des Ersten hinüber!«
»Ganz im Gegenteil, gerade dorthin nicht!« erwiderte La Mole. »Sind wir verraten, dann wird sich die Aufmerksamkeit des Königs gerade auf dieses Lusthaus richten, weil es ja auch als allgemeiner Versammlungsort ausersehen war.«
»Da kannst du wieder recht haben!« brummte Coconas.
Kaum hatte Coconas gesprochen, als plötzlich, wie ein Blitz aus den Bäumen, ein Reiter erschien, Gräben, Büsche und Stämme übersprang und mit einem Satz bei den zwei Edelleuten landete.
In jeder Hand hielt er eine Pistole, nur mit beiden Schenkeln hatte er sein Pferd bei dem rasenden Ritt gelenkt.
»Herr von Mouy!« rief Coconas erregt und wurde jetzt viel flinker als La Mole. »Herr von Mouy auf der Flucht! Man rettet sich also?«
»Eh, schnell, schnell!« schrie der Hugenotte. »Machen Sie sich aus dem Staub, alles ist verloren! Ich habe den Umweg gemacht, um Sie zu benachrichtigen, vorwärts!«
Weil er sein Pferd bei diesen Worten nicht verhalten hatte, war er schon wieder weit weg, als das letzte ausgesprochen war und als La Mole und Coconas den Sinn seines Zurufes ganz verstanden hatten.
»Und die Königin?« rief La Mole.
Aber die Stimme des jungen Mannes verhallte in dem weiten Raum, Mouy war schon zu weit entfernt, um die Frage zu vernehmen, geschweige denn, sie zu beantworten.
Coconas war bald entschlossen. Während La Mole unbeweglich mit seinen Augen Mouy verfolgte, der zwischen den Zweigen verschwand, die sich bald vor ihm öffneten, bald sich hinter ihm schlossen, lief er zu den Pferden, führte sie herbei, schwang sich auf das seine, warf die Zügel des anderen La Mole in die Hände und schickte sich an, davonzugaloppieren.
»Vorwärts, vorwärts!« rief er. »Ich wiederhole nur die Aufforderung Mouys: vorwärts! Herr von Mouy ist ein Herr, der stets das richtige Wort im Munde führt! Vorwärts, vorwärts, La Mole!«
»Einen Augenblick nur,« sagte La Mole, »wir sind doch eines bestimmten Zweckes wegen hierhergekommen.«
»Ja, mindestens zu dem Zweck, uns nicht hängen zu lassen!« erwiderte Coconas. »Ich gebe dir den guten Rat, keine Zeit zu versäumen. Ich errate ja alles: du willst jetzt womöglich eine Rede halten, wahrscheinlich das Wort ›fliehen‹ umschreibend erläutern, vielleicht von Horaz reden, der seinen Schild wegwarf, und von Epaminondas, dem man seinen Schild wieder zurückbrachte. Ich will nur ein Wort sagen: wenn einmal Herr Mouy von Saint-Phale flieht, dann ist wahrhaftig die ganze Welt berechtigt, die Flucht zu ergreifen!«
»Herr Mouy von Saint-Phale ist nicht beauftragt, die Königin in Sicherheit zu bringen. Herr Mouy von Saint-Phale liebt die Königin Margarete nicht.«
»Verdammt! Und daran tut er gut, denn diese Liebe würde ihn vielleicht auch zu dem Unsinn veranlassen, mit dem ich hier deine Gedanken beschäftigt sehe. Daß doch gleich fünfhunderttausend höllische Teufel eine Liebe holen möchten, die zwei tapferen Edelleuten den Kopf kostet! Zum Teufel! wie der König Karl zu sagen pflegt, wir sind Verschworene, mein Lieber, und wenn die Verschwörung eben nicht gelingt, dann gibt es nur ein Mittel und das heißt: fliehen! In den Sattel, in den Sattel, La Mole!«
»Rette dich, mein Lieber, ich will dich daran nicht hindern, ja ich fordere dich sogar dazu auf! Dein Leben ist kostbarer als das meinige, verteidige also dein Leben!«
»Man müßte mir vorschlagen: Coconas, gehen wir zusammen unserem Verderben entgegen! Man soll mir aber nicht sagen: Coconas, rette dich nur allein!«
»Bah, mein Freund!« sagte La Mole, »der Strick ist für Lümmel gedreht, aber nicht für Edelleute, wie wir es sind!«
»Ich fange langsam an zu glauben,« so seufzte Coconas auf, »daß meine Vorsorge von einstmals sehr gut angebracht gewesen ist.«
»Mich mit einem Henker zu befreunden!«
»Du wirst unheilverkündend, mein lieber Coconas!«
»Ja, aber was machen wir denn nun?« rief dieser ungeduldig.
»Wir werden die Königin suchen.«
»Wo denn?«
»Ich weiß nicht . . . werden den König suchen.«
»Wo?«
»Ich weiß nicht . . . aber wir werden ihn finden und wir werden zu zweit das leisten, was fünfzig Personen nicht tun konnten oder nicht wagten zu tun.«
»Du willst mich bei meinem Ehrgeiz packen, Hyazinth, das ist ein schlechtes Zeichen!«
»Nun also, aufs Pferd und vorwärts!«
»Das wird wohl sehr günstig sein!«
La Mole drehte sich um, um den Knauf seines Sattels zu ergreifen, doch in dem Augenblick, als er den Fuß in den Bügel schob, ertönte eine befehlende Stimme: »Halt, ergeben Sie sich!«
Gleichzeitig erschien die Gestalt eines Mannes hinter einer Eiche, ihr folgte eine zweite und dann waren plötzlich dreißig da. Es waren die leichten Reiter, die von ihren Pferden abgesessen waren und sich auf dem Bauch durch das Heidekraut angeschlichen hatten. So hatten sie den Wald durchsucht.
»Was habe ich dir gesagt?« murmelte Coconas.
Eine Art dumpfen Geheuls war die ganze Antwort La Moles.
Die Soldaten waren noch auf dreißig Schritte von den zwei Freunden entfernt.
»Na also?« sagte der Piemontese und sprach ganz laut zum Leutnant der leichten Kavallerie und dazwischen immer ganz leise zu La Mole. »Meine Herrn, was gibt es?«
Der Leutnant befahl seinen Soldaten, das Gewehr auf die zwei Edelleute anzulegen.
Coconas flüsterte: »In den Sattel! La Mole, noch ist es Zeit, schwing dich aufs Pferd, wie ich es hundertmal von dir gesehen habe, und dann auf und davon!«
Zu den Soldaten gewendet, sagte er ganz laut: »Eh, Teufel, meine Herrn, schießen Sie nicht, denn Sie könnten zwei Freunde töten!«
Dann wieder zu La Mole: »Quer durch die Bäume! Sie schießen schlecht, sie werden uns fehlen!«
»Unmöglich!« lispelte La Mole. »Wir können ja das Pferd Margaretes nicht mitnehmen, auch die zwei Maulesel nicht. Das Pferd und die zwei Packtiere würden sie bloßstellen, während ich bei meinem Verhör jede Verdächtigung zerstreuen kann. Flieh, mein Freund, flieh!«
»Meine Herrn,« sagte Coconas, zog seinen Degen und hielt ihn hoch in die Luft, »meine Herrn, wir ergeben uns!«
Die Soldaten richteten den Büchsenlauf in die Höhe.
»Vorerst aber: warum müssen wir uns ergeben?«
»Fragen Sie diesbezüglich beim König von Navarra an!«
»Welches Verbrechen haben wir begangen?«
»Herr von Alençon wird es Ihnen sagen!«
Coconas und La Mole sahen einander an: der Name ihres Feindes war in diesem Augenblick nicht danach angetan, sie zu beruhigen.
Doch weder der eine noch der andere leistete Widerstand. Coconas wurde aufgefordert abzusitzen, was er ohne jede weitere Bemerkung tat. Dann nahmen die Soldaten beide Edelleute in ihre Mitte, und die ganze Truppe begab sich auf den Weg zum Lusthaus Franz' des Ersten.
»Du wolltest doch das Lusthaus Franz' des Ersten sehen?« sagte Coconas zu La Mole, als er zwischen den Bäumen die Mauern eines reizenden gotischen Bauwerkes erblickte. »Nun also, es scheint, daß du es sehen wirst!«
La Mole antwortete nicht und reichte Coconas nur seine Hand hin.
Seitlich dieses entzückenden Lusthauses, das zur Zeit Ludwigs des Zwölften erbaut worden war und das nur deshalb das Lusthaus Franz' des Ersten genannt wurde, weil dieser König es immer als Treffpunkt gelegentlich der Jagden auszuwählen pflegte, war eine Art Hütte für die Jäger errichtet worden, die jetzt hinter den Büchsen, Hellebarden und schimmernden Degen wie ein kleines Landhaus hinter einem bleichenden Ährenfeld aussah.
In diese Hütte hatte man die Gefangenen hineingeführt. – Jetzt muß die etwas verwickelte Lage aufgeklärt werden, namentlich der zwei Freunde wegen, und wir müssen auf das zurückgreifen, was mittlerweile geschehen war.
Die protestantischen Edelleute hatten sich, wie es vereinbart worden war, im Lusthaus Franz' des Ersten versammelt, dessen Schlüssel, wie bekannt, Mouy in die Hände bekommen hatte.
Sie glaubten so Herren des Waldes zu sein und hatten nur hie und da einige Vorposten aufgestellt. Die leichten Reiter aber, die, dem erfinderischen Eifer des Herrn von Nancey zufolge, ihre weißen Schärpen mit roten vertauscht hatten, hoben diese Posten, ohne Schwertstreich durch eine überlegene Überrumplung auf.
Dann hatten die Soldaten ihre Treibjagd fortgesetzt und das Lusthaus umzingelt. Herr von Mouy jedoch, der, wie bekannt, den König am Ende der Allee des Violettes erwartete, hatte bemerkt, daß die Männer mit den roten Schärpen wie die Wölfe im Walde herumschlichen, und von diesem Augenblick an wurden sie ihm sehr verdächtig. Er hatte sich, um nicht gesehen zu werden, auf die Seite geschlagen und hatte beobachtet, daß der weite Kreis dieser Treiber allmählich enger wurde, um auf die Art den ganzen Wald zu durchstöbern und endlich den Versammlungsort einzuschließen.
Zu gleicher Zeit hatte er auch im Hintergrund der Hauptallee weiße Federbüsche aufleuchten und die Büchsen der königlichen Garde schimmern sehen.
Später war ihm auch der König selbst zu Gesicht gekommen, während der König von Navarra am entgegengesetzten Ende der Allee aufgetaucht war.
Da hatte er mit seinem Hut in der Luft ein Kreuzzeichen gemacht, denn das war das verabredete Zeichen, daß alles verloren wäre.
Auf das Zeichen war der König von Navarra plötzlich umgekehrt und war verschwunden.
Sofort hatte nun Mouy seinem Pferd die breiten Spornräder in die Weichen gedrückt, hatte die Flucht ergriffen und hatte während dieser Flucht La Mole und Coconas, wie berichtet wurde, die warnenden Worte zugerufen.
Der König, der das Verschwinden Heinrichs und Margaretes wohl bemerkt hatte, kam in Begleitung Alençons beim Lusthaus an, um jetzt die zwei Entschwundenen aus jener Hütte heraustreten zu sehen, in die er alle, nicht nur im Wald, sondern auch im Lusthaus aufgegriffenen Personen einzusperren anbefohlen hatte.
Zuversichtlich galoppierte Alençon neben dem König her. Die schlechte Laune Karls wurde noch durch die stechenden Schmerzen, die er fortwährend empfand, vermehrt; zwei- oder dreimal war er nahe daran gewesen, ohnmächtig zu werden, und einmal hatte er so heftig erbrochen, daß ihm sogar Blut aus dem Mund gekommen war.
»Vorwärts, vorwärts!« rief der König. »Beeilen wir uns, mir liegt viel daran, bald wieder im Louvre zu sein. Heben Sie mir den ganzen Bau dieser protestantischen Spitzköpfe aus, denn heute ist der Tag des heiligen Blasius, eines Vetters des heiligen Bartholomäus!«
Auf diese Worte des Königs hin setzte sich der ganze Ameisenhaufen von Lanzen und Büchsen in Bewegung und man zwang die Hugenotten, die man teils im Wald, teils im Lusthaus abgefangen hatte, einzeln und nacheinander aus der Hütte herauszutreten.
Doch der König von Navarra, Margarete und Herr von Mouy waren nicht unter den Gefangenen.
»Nun,« fragte der König, »wo ist Heinrich, wo ist Margot? Sie haben sie mir versprochen, Alençon, und zum Teufel, man muß sie mir auch finden!«
»Wir haben den König und die Königin von Navarra mit keinem Auge gesehen,« meldete Herr von Nancey.
»Aber da sind sie ja!« rief die Herzogin von Nevers.
Tatsächlich erschienen am Ende einer Allee, die zum Fluß hinabführte, Heinrich und Margot, so ruhig, als ob es sich um gar nichts Wichtiges handelte. Beide hielten ihre Falken auf der Faust und ritten so verliebt nebeneinander her, daß sich ihre Pferde, ebenso aneinander geschmiegt wie sie, mit den Nüstern zu liebkosen schienen.
Das war zu jenem Zeitpunkt, als Alençon wütend die ganze Umgebung absuchen ließ und man La Mole und Coconas in ihrer Efeulaube gefunden hatte.
Auch sie betraten, brüderlich umschlungen, den Kreis, den die Gardesoldaten gebildet hatten. Doch weil sie keine Könige waren, waren sie auch nicht imstande, sich so zu beherrschen wie Heinrich und Margarete. La Mole war wieder einmal zu blaß und Coconas wieder einmal zu rot im Gesichte.